Der Rächer von Taarnak

  • Prolog:



    Ich sehe sie zu meinen Füßen. Doch nicht durch meine Augen.
    Ich höre jedes Wort, dass sie wispern. Doch nicht durch meine Ohren.
    Ich schreite auf den Pfaden von Titanen. Doch nicht mit meinen eigenen Füßen.
    Ich kämpfe für meine Ehre. Doch nicht mit meinem Eigenen Namen.


    Ohne meine Rüstung bin ich ein Niemand, doch ohne mich ist meine Rüstung nutzlos. Ich schritt mit ihr über den Staub hunderter Welten, über die verwesenden Kadaver tausender Feinde. Ich bin ein Ritter des Imperiums, und beim Imperator, ich werde ohne Gnade jeden Hexer, Häretiker und Xenos unter den Füßen meiner Rüstung zermalmen!

    +++


    „Er ist immer noch Sauer“, sagte Sakristan Geron nach einer Weile. Er beobachtete unzählige Linien scheinbar wirren Maschinencodes, die auf dem Bildschirm einer Konsole ebenso schnell erschienen, wie sie verschwanden. „Nächstes mal solltest du auf adäquate Verstärkungen warten, bevor du einen Titanen der Reaver- Klasse angehst“
    „Aber es hat funktioniert, das musst du zugeben“, antwortete der Edle, der die Reparaturen beobachtete, „hätte der Rächer nicht eingegriffen, würde eine ganze Infanteriedivision nun mit dem Wind wandern und die Verräter aus heiseren Kehlen Siegesgesänge anstimmen. Diesen Akt der Satisfaktion konnte ich nicht zulassen.“
    Der Sakristan schüttelte seinen Kopf und wandte sich dem Edlen zu: „Eure Vorstellungen von Notwendigkeit und Effektivität im Kampf weichen klar von denen eurer Rüstung ab. Euer Onkel war eben aus gänzlich anderem Holz geschnitzt.“
    „Wagt es, mich mit meinem Onkel zu vergleichen! Er war zu Nachsichtig im Kampf!“
    „Er hat die Rüstung über lange Jahre hinweg geprägt. Ihr seid zwar nicht einmal annähernd so erfahren wie er, doch ich bezweifle, dass ihr jemals so alt werdet, um ihn zu erreichen.“
    „Der Rächer hat viele große Heldentaten vollbracht, sowohl in der Heimat, als auch zwischen den Sternen. Anmaßende Vergleiche muss er sich nicht bieten lassen!“
    „Wie ihr wollt, Sire. Diese mahnenden Worte musste ich aussprechen, im Namen des Maschinengeistes.“
    Der Edle verließ den Wartungshangar, Geron ging zurück an seine Arbeit.
    Die Halle war etwa dreißig Meter hoch und verschwand nach oben hin in dunklen Kreuzgewölben, in welche vor Ewigkeiten längst verblichene Fresken gemalt wurden. Sie stellen die Ritter dar, wie sie gegen Drachen und ähnliche mythische Kreaturen kämpfen. Erinnerungen an vergangen Heldenmut und die wilde Heimat, aus der sie alle stammten, nichts mehr und nichts weniger.
    Der Edle betrachtet sie nicht mehr oft, aber ab und an blickt er wehleidig hinauf in die Schatten, wissend, das er nicht mehr Teil dieser Historie ist.



    „Sire, Er will sie sehen“, krächzte es aus dem Vox, das auf seinem Schreibtisch stand, „und wir müssen euren Thron neu kalibrieren.“
    „Gut, Geron. Ich komme“, antwortete der Edle mit ruhiger Stimme, „Und ich muss mich für meinen kleinen Wutausbruch entschuldigen. Die Sache nagt doch noch etwas an mir.“
    „Gefühle sind jetzt irrelevant, Sire, die Rüstung wünscht eure Anwesenheit. JETZT.“




    Angekommen im Hangar blickte er dem helmlosen Gesicht seiner Rüstung entgegen. Es war das mechanische Abbild eines menschlichen Schädels, durchzogen von Kabeln, Schläuchen und Kontrolllampen. Seine Augen schimmerten in einem bedrohlichen Rot, das Voxgitter in kaltem Silber.
    Rächer von Taarnak. Eure Rüstung ist wieder Funktionstüchtig“, begrüßte Geron den Edlen, „Die Panzerplatten werden gerade neu lackiert, sie werden abernach Abschluss der restlichen arbeiten wieder montiert sein. Meine Servitor-Knechte beladen gerade die Waffen mit Munition.“
    „Die Rüstung sprach?“
    „Sein Code wies mich darauf hin. Folgt mir bitte, Sire“
    Sie gingen über die Wartungsstege hinüber zur Einstiegsluke, aus welcher dicke Kabelstränge führten.
    „Das Kalibrierungsritual kann beginnen. Verbindet euch bitte mit dem Thron.“
    Der Edle legte sein bodenlanges Obergewand ab. Zum Vorschein kam ein Hautenger Synth-Overall, dessen Oberfläche mit Neural-Interfaces gespickt war. Sobald er in Cockpit gestiegen war, begannen zwei Servitoren in stiller Stumpfsinnigkeit, den Thron mit dem Anzug zu verbinden. Zuletzt setzte der Edle noch einen Helm auf, der ebenfalls über ein dickes Kabel mit der Rüstung verbunden war.
    „Wir können beginnen, Sakristan.“
    Der Tech-Priester drückte einige Tasten auf seinem Kontrollpult, und der Reaktor der Rüstung Erwachte brummend zum Leben.
    „Energie auf 50%, Sensoren online, Neuralinterfaces arbeiten in akzeptablen Parametern.“
    Mit einer beiläufigen Handbewegung wies der Sakristan eine Gruppe Servitorknechte an, in Position zu gehen.
    „Die Rüstung bat um keine vollständige Kalibrierung, Sire. Sie war der Ansicht, dass ihr nicht genug von eurer Außenwelt fühlt. Deshalb werden wir zuerst das Schmerzfeedback anpassen müssen.“
    „Was?“
    Nach einem weiteren Wink des Tech-Priesters fingen die Servitoren an, mit Schockstäben auf fest vordefinierte Punkte der Rüstung zu schlagen, einer nach dem anderen. Geron justierte die Übertragungsleistung solange, bis aus dem Cockpit des Rittes Schmerzensschreie einer bestimmten Lautstärke schallten.
    Immer wieder glich er die Biodaten des Edlen mit dem Sensorinput der Rüstung ab.
    „Gut“, begann Geron, „Die Rüstung ist zufrieden, Sire. Wir werden jetzt mit einem Sehtest fortfahren.“
    Aus dem Cockpit drang nur ein schweres Atmen. Der Edle krallte sich verkrampft an den Mechanikum-Thron, von dem aus er seine Rüstung lenkte. Blut floss aus seiner Nase, seine Augen waren rot wegen geplatzter Adern, Tränen flossen sein Gesicht hinunter. Er wusste zwar, dass der Maschinengeist ihn nicht besonders leiden konnte, doch dies war blanker Hass.


    Die Prozedur dauerte noch einige Stunden, ein Test war extremer und auszehrender als letzte. Jeder Ritter musste eine vollständige Kalibrierung einer Rüstung während seiner Ausbildung durchleiden, doch dies geschah in Rüstungen mit wesentlich ruhigerem Gemüt.


    Nach Beendigung des Rituals musste er von Servitoren aus dem Thron geborgen und zum Apothekarium gebracht werden. Seine Muskeln verkrampfen sich zu gespannten Stahlseilen, sein Herz raste im kritischen Bereich, sein Gehirn brannte unter dem unbarmherzigen Einfluss des Sensorinputs.


    +++


    „Wir haben einen Notruf empfangen, Sire.“
    Der Edle stand auf der Brücke des Schiffes Lektion der Pein. ‚Diese Ironie‘, dachte er, als ihm der Name durch die Gedanken schwirrte.
    „Antworte ihm, dass der Rächer von Taarnak auf dem Weg ist“, sprach der Edle dem Kadetten bei, der das Pergament vom Bordastropathen brachte.
    „Aye, Milord“, antwortete der Junge und ging.


    Die Lektion war ein eher kleines Schiff. Es hatte Platz für etwa 6 Ritter, sowie einen Kleinen Hangar für das Aquila-Landungsschiff Scharlachschwinge. Es war ein Warpfähiges Landungsschiff mit minimaler Abwehrbewaffnung und erschreckend dünner Panzerung.
    Die Bücke war ein Raum von etwa zwanzig Metern breite. An seiner Rückseite thronte der Kapitän auf einer erhöhten Plattform, vor ihm, in der Mitte des Raumes etwa, befand sich das taktische Okulus, eine hololithische Sphäre, auf der Informationen zur weiteren Umgebung visualisiert werden. Vor ihr befinden sich die Pulte und Konsolen der Brückencrew.
    Die etwa dreißig Männer und Frauen wurden von zahlreichen Servitoren unterstützt, die plappernd Befehle und Routineaktionen in ihre Konsolen einhämmerten.
    Auf Geheiß des Kapitäns ließ der Meister des Auspex eine Karte des Zielgebietes im Okulus erscheinen.
    „Das System liegt recht nahe, etwa drei Standardtage im Warpflug entfernt. Der Notruf stammt von der Schmiedewelt Proctor Extremis, die sich nichts weiter rühmen kann, als eine mittelgroße Industrieproduktion von Arbeitsmaschinen, Sentinel Läufern und Lasergewehren zu beherbergen. Die Rohstoffe stammen von Proctor Tercius und Quintus, ein Großteil der Nahrung wird aus dem restlichen Sektor importiert, der Rest stammt von der beschaulichen Agrarwelt Proctor Regis, auf der auch der Gouverneur und die geistige Elite des Systems in protzigen Landhäusern residiert.“
    Der Kapitän kratze sein bärtiges Kinn und brummte nur zustimmend. Der Meister des Auspex wies seine Leute an, die Karte zu verkleinern.
    „Der Weg dorthin birgt kaum Gefahren. In diesem Teil der Galaxie befinden wir uns weit genug von jedweden größeren Warpstürmen entfernt, während der Kontakt zum Astronomican seit Jahrtausenden stabil ist.“
    Wieder brummte der Kapitän zustimmend. Er nickte und richtete sich auf:
    „Kurs setzen. Informiert den Navigator. Bereit machen zum Warpsprung.“


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    Justeiran Quex konnte nicht von sich behaupten, dass er ein Gebildeter Mann war. Das hielt ihn aber nicht davon ab, in seiner Stammkneipe ausufernde Hasstiraden über ‚die da oben‘ von sich zu geben. Auch dieses mal nicht.
    „Seht ihr? Ich bin kein verrückter Dummschwätzer! Die Revolution ist wahr! Erst Gestern haben sie die Mechanikus-Hexer Aufgehangen und erschossen! Sie sagen, wir könnten nun unsere eigenen Herren sein. Sie schlagen die Ketten der Knechtschaft ab und bauen einen Staat der Brüderlichkeit auf, in dem wir Fabrikarbeiter die Herrscher sind!“
    Im Gegensatz zu anderen Abenden wurde er diesmal nicht mit Bierkrügen beworfen, oder mit einem Tritt in den Hintern auf die Straße geworfen, dieses Mal wurde er mit zustimmendem Gegröhle gefeiert. Die Arbeiter hatten sich bewaffnet und ihre Unabhängigkeit vom Imperium erklärt. In ihrer kleinen Welt gab es keine Bedrohungen von außen, nur menschenverachtendes Diktat von oben. Der Imperator war fern, und -wenn überhaupt- nur für die oberen Gesellschaftsschichten da. Hier unten im gesellschaftlichen Sumpf der Schmiedewelt gab es nur Elend und ölig-dreckigen Amasec.


    Die Situation änderte sich vor ein paar tagen, als irgend so ein Alien Volk einen Botschafter zu ihnen kommen ließ. Zu ihrer Überraschung sprach er ihre Sprache, trotz seiner blauen Haut und dem nasenlosen Gesicht. Er erzählte ihnen von sauberen technologien, die aus dieser Welt ein Paradies machen würden, ein System, in dem Jeder mit seiner Aufgabe zum Ganzen beitragen würde, welches er „Höheres Wohl“ nannte. Bevor er ging, ließ er eine Kiste zurück, in der sich eine Art Funkgerät und jede Menge fremdartiger Waffen befanden. Die Saat des Verrats war gelegt, der Boden gedüngt und die Zeit reif…


    +++


    Gouverneur Holstett war ein ruhiger Mensch, der sein Leben genoss und Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen versuchte. „Nur kein Streit mit dem Adeptus Terra“ sagte er immer.
    Die neue Situation hatte ihn in eine Zwickmühle getrieben: Entweder er riskierte einen Krieg mit den Xenos, oder er ging das Risiko ein, dass sein Verrat vom Administrandum bemerkt, und er als Verräter gejagt wird, was ebenfalls Krieg bedeuten würde.
    Der Abgesandte der Tau redete mit weicher Stimme auf ihn ein, versprach größeren Wohlstand als jemals zuvor, ungekannte militärische Stärke und er präsentierte Technologien, die den Verstand des Gouverneurs überstiegen.
    Der Tau ließ keine Zweifel daran erkennen, dass er es ernst meinte. Seine letzten Worte vor seiner Abreise waren „Überlegen sie ihre nächsten Schritte weise, Gouverneur. Sie werden sonst ungeahnte Konsequenzen tragen.“
    Er überlegte reichlich, bedachte mögliche Konsequenzen und entschied sich letztlich für die einzige richtige Entscheidung für einen Mann, der am Ende nur noch seine Ehre verlieren könnte….


    +++

  • „Wiedereintritt in den Realraum in 5 Minuten“, hallte eine Automatische Ansage durch die Gänge der Lektion. Die Brückencrew arbeitete am Rande ihrer Kapazitäten, laufend kamen Meldungen von Verlusten im Reaktorkern und Angriffe auf das Gellerfeld hinein.
    „Wiedereintritt in den Realraum in einer Minute.“
    Der Kapitän beobachtete das geschäftige Treiben vor ihm in stoischer Ruhe. Sein blick wurde durch seine Buschigen Augenbrauen verfinstert, sein dichter Bart war eine Mischung aus schwarzen Stoppeln und grauen Strähnen, die sich an seinem Kinn entlang zogen. Er kommandierte Schiffe nun seit bald fünfzig Standardjahren, in denen er fast alles gesehen hatte, was ein Kapitän eines Transportschiffes so sehen kann.
    Das schlimmste, was ihm jemals passierte, war ein minimaler Warp-Einbruch auf dem Sprung von Parceres-Alpha nach Hornargh-Zeta. Zum Glück geschah dies kurz vor austritt aus dem Warp, sodass der Dämonenbefall innerhalb weniger Wochen beseitigt werden konnte. Aus Vorsichtsgründen musste das Schiff zwar aufgegeben, sowie große teile der mit den Dämonen in Kontakt geratenen Besatzung der Gnade des Imperators übergeben werden.
    „Fünf, Vier, Drei, Zwei, Eins.... Eintritt in den Realraum ist erfolgt.“
    „Okay, Leute, verschafft mir etwas Sicht!“, brüllte der Kapitän über den Trubel hinweg, den die Crew unter ihm verursachte. Augenblicklich schoben sich die schweren Panzerplatten, die die Fensterfront der Brücke bedeckten, zur Seite weg.
    Der Anblick lies den Kapitän immer wieder erzittern: Schillernde Farben umspielten den Rumpf des Schiffes wie lebendiges Elmsfeuer. Ätherische Wolken verwirbelten und verloren sich in der Realität. Nach einigen Minuten kehrte wieder ruhe ein. Die letzten Schadensmeldungen kamen im Abstand von einigen Minuten an. Ein Feuer ist auf den unteren Mannschaftsdecks ausgebrochen. Ein Dutzend Männer und Frauen sind bei dem Versuch, es zu löschen gestorben, weitere zwei Dutzend erlitten teils schwere Brandverletzungen. Ein geringer Preis, der gezahlt werden muss, wenn man durch das Meer der Leere segelt.
    Der Meister des Auspex veranlasste unverzüglich einen umfangreichen Scan des vor ihnen liegenden Systems. Eine Flottille der Imperialen Flotte schwebte bereits im Orbit der Schmiedewelt, die Zahlen im Okulus deuteten an, dass es noch drei Stunden dauern würde, bis sie zu ihnen stoßen würden.
    Der Kapitän begutachtete die taktische Lage im Raum, die Namen der Eingetroffenen Regimenter und die Namen der anderen Raumkapitäne.
    „Meister des Vox, kündigt unser Eintreffen an. Wir wollen ja keine böse Überraschung erleben. Und wenn sie Fragen, wen wir sind, sag ihnen, der wir hätten eine Freiklinge an Bord. Die werden schon verstehen.“


    +++


    Der Edle befand sich im Flughangar der Lektion und wartete ungeduldig vor dem Aquila Shuttle. „Wissen wir schon, auf welchem Schiff der Kriegsrat abgehalten wird?“, fragte er einen buckeligen Diener, der hastig auf einem Datablock tippte.
    „Geißel von Antioch, ein Großkampfschiff der imperialen Flotte. Der Kriegsmeister ist General Zyrael des 13. Rustringa.“
    „Rustringa, sagst du?“, fragte der Edle. Diese Welt war beunruhigend nah an seiner Heimat, was bedeuten würde, dass 'Verwandtschaft' bei ihnen sein könnte.
    „Aye, Milord. Ich bin mir eurer Bedenken bewusst. Doch..“
    „Genug. Solange meine Maskerade nicht durchblickt wird, soll der Rächer von Taarnak unbescholten in die Schlacht ziehen können.“
    Der Diener verbeugte sich unterwürfig, um für Verzeihung für seinen offensichtlichen Fehler zu bitten. Der Edle vergab ihm genervt und erkundigt sich nach der aktuellen Lage.


    Eine halbe Stunde später flogen sie bereits hinüber zur Geißel, um dem Kriegsrat beizuwohnen. Der Edle trug ein schweres Gewand aus golddruchsetztem Brokat, eine breite Scherpe stellt seine vielen Ehrentitel und Orden zur schau, die er als Rächer erworben hatte. Sein Gesicht verbarg er hinter einer Maske, die dem Helm seiner Rüstung glich. Um seine Hüfte schlang sich ein breiter Gürtel aus Dinosaurierleder, an dem ein reichverziertes Schwert hing, welches keinem weiteren Zweck diente, als vornehm auszusehen.
    Er wusste, dass ein Kriegsrat ein langwieriges Ritual war, bei dem es häufig zu Streitereien um die militärische Führung des Feldzuges kommt. Der Rächer musst nur wissen, wo und wann seine Rüstung gebraucht wurde.
    Das einzige, was ihm einen Strich durch die Rechnung machen könnte, wären aufmüpfige Titanen-Pinceps, die seine Rüstung am liebsten als ablativen Schutzschild benutzen würden. Oder im ungünstigsten Fall andere Ritter, die mit ihm eine Fehde anfangen würden – wenn nicht Schlimmeres. Wegen solcher Ränkespiele hatte er sich schließlich von seinem Haus losgesagt.


    Die Runde war ein illustres Konglomerat unterschiedlichster Uniformen. Weiße Fellmäntel, schwarze Lederjacken, purpurne Ponchos oder einfach nur Flakkwasten über Feinripp-Unterhemden, die Herkunftswelten der hier versammelten Regimenter waren unterschiedlichster Natur, gemein war allen die selbe finstere Miene, mit der sie auf den taktischen Okulus stierten.
    Der Rächer saß weiter hinten, um nicht allzu viel Aufsehen zu erregen. Der Kriegsmeiser hielt einen monotonen Vortrag über die aktuelle Lage der ausgebrochenen Rebellion. Anscheinend wurden unzufriedene Fabrikarbeiter von Xenos mit Waffen beliefert und zu einer Rebellion aufgestachelt. Dieser Aufstand weitete sich bis zu den sekundären Waffenmanufaktorien aus und droht jetzt auch die Schweren Waffenschmieden zu verschlingen. Teile der PVS sind auch bereits übergelaufen und verwenden bereits offen Xenos-Technologie, deren Importquelle noch nicht ausgemacht werden konnte.
    Dem Rächer waren diese Details gleich. Er war ein wenig enttäuscht ob der schwachen Gegenwehr, die ihn erwarten würde. Doch wo er schon da war...
    Beim Umschauen viel sein Blick auf eine alte Frau am anderen Ende des Raumes. Sie rauchte ein Lho-Stäbchen durch eine Stäbchenhalterung aus Ebenholz, einen Servoschädel benutze sie dabei als Aschenbecher. Der Blick ihrer von einer Haube gestrafften Visage musterte herrisch den Raum in einer ebenso gelangweilten wie desinteressierten Art wie der Rächer. Ein Korsett aus gelacktem Leder und silbernen Knöpfen in Schädelform sollte dem physischen Zerfall ihres Körpers entgegenwirken. Würden ihre Hände nicht aussehen wie in Pergament gehüllte Spinnenbeine könnte man ihr diese geschönte Fassade abkaufen. Doch der Rächer erkannte sie.
    „Lakai“, flüsterte er zu seinem buckeligen Adjutenten, „überprüf mal etwas; Befindet sich eine gewisse Lady Theda Tjarkzena in diesem Raum?“


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    „Die Fabrik ist unser!“, jubelte Justerian Quex, als seine Spießgesellen die letzten Verteidiger des Sentinel-Manufaktorums erledigten. In den Wochen nach dem Ausbruch der – wie sie es nannten – 'glorreichen Revolution' hatte er sich zum Anführer einer mordlüsternen Bande ehemaliger Fabrikarbeiter gemausert. Unerbittlich gingen sie gegen jeden vor, der sich nicht ihrem Kommando unterordnete. Über das Xenos-Funkgerät empfing er Täglich neue Anweisungen und taktische Ratschläge, wo und wie er als nächstes Zuschlagen sollte. Zusammen mit den überlegenen Waffen, die ihnen der Blaue Abgesandte schenkte, und der einfältigen Brutalität, die er seiner Herkunft schuldete, schwappte seine Bande durch die dreckigen Straßen wie ein Schwall Blut durch einen ansonsten vertrockneten Körper. Aus allen Ecken lockte seine Truppe den verschlagensten und blutrünstigsten Abschaum an, den diese vom Schicksal gebeutelte Gesellschaft hergab.
    Sie kleideten sich in versiffte Ledermäntel und notdürftig instandgesetzte Respiratoren, ihr Zeichen war ein abstrahiertes Fadenkreuz, das sie auf die Rückseiten ihrer Mäntel schmierten. Die Qualität ihrer Ausstattung nahm sprunghaft zu, als sie die sekundären Manufaktorien, in denen unter anderem Armaplast-Westen und Kampfmesser hergestellt wurden, plünderten. Das Sentinel Manufaktorum war nun ein weiterer Meilenstein ihres ferngelenkten Feldzuges.
    Wie wenig sie wussten, dass hoch über den schwarzen Abgaswolken dieser Welt bereits über ihr Leben entschieden wurde. Das Urteil war ebenso gnadenlos wie die Untaten, die sie der Imperialen Rüstungsproduktion zufügten - von zivilen Kollateralschäden ganz zu schweigen.


    +++


    Die Pause war bitter nötig, dachte der Rächer, als er sich nach fünf Stunden endlich aus dem Taktikraum entfernen durfte. „Hätte dieser blöde Panzerkommandant nicht so patzig gegengequakt, wären wir wahrscheinlich schon auf der Planetenoberfläche“, sagte der Edle zu seinem Lakaien. Dieser nickte nur zustimmend und vermerkte etwas auf dem Datablock, den er immer bei sich zu tragen pflegte.
    „Darling, dass ich euch mal wieder zu sehnen bekomme...“
    Die stimme lief dem Edlen wie glühender Stackeldraht den rücken hinunter. Sie sprach zwar weich wie Samt oder feines Schleifpapier, doch das wissen darüber, wer mit ihm Sprach, war qualvoller als jede Foltermethode, die sein Verstand sich vorstellen konnte.
    „Lady Theda nehme ich an. Der Rächer von Taarnak hat einiges von euch gehört.“ Der Edle wandte sich verlegen dem alten Drachen zu.
    „Tut nicht so, als wüsste ich nicht, wer hinter dieser lächerlichen Maske steckt, Darling. Ich wusste, dass ihr es seid. Euer dämlicher Kapitän hat keine Anstalten gemacht, die Lektion zu verstecken, oder eure Herkunft zu verschleiern. Sein Akzent ist zu typisch für unsere Heimat.“
    Gehässig blies sie dem Rächer den Rauch ihres Lho-Stäbchens ins Gesicht. Dann legte sie ihren Kopf soweit zurück dass sie ihn hochnäsig Mustern konnte. Der Rächer stand einfach da, die schmachvolle Demütigung, die folgen sollte, mit so viel Würde zu nehmen, wie nur irgend möglich.
    „Der Patriarch ist gestorben, nachdem ihr uns verlassen habt“, begann sie.
    „Nicht so laut, Milady. Gewährt mir wenigstens, mein Mysterium aufrecht zu halten“, bat er sie flüsternd.
    „Welches Mysterium? Ich sehe nur einen maskierten Feigling, der sich mit seinem unwürdigen Aufzug nur unnötig lächerlich macht. Darüber hinaus, Darling, was soll eigentlich 'Taarnak' sein?“
    „Ich hab es erfunden, weil dem Rächer der Klang gefiel.“
    Dies könnte sein Ende sein. Sie hatte ihn mit nur wenigen Sätzen in die Ecke gedrängt, ohne dass er etwas dagegen unternehmen konnte. Nur wenig konnte ihn noch aus dieser unangenehmen Situation Retten.
    „Lady Theda Tjarkzena! Welch angenehme Überraschung!“ Ein Mann in Roter Paradeuniform schritt auf die Beiden zu. „Ich dachte, sie wären damals Verschollen gegangen!“
    'Leider nicht', dachte der Edle.
    Auch die alte Schreckschraube war sichtlich überrascht, dem giftigen Blick, den sie dem Rächer zuwarf zu Urteilen.
    „Sir Conroy? Ich könnte das selbe über sie sagen, alter Haudegen!“, antwortete die Ritterin mit übertrieben gespielter Freundlichkeit.
    „Wenn die Herrschaften mich entschuldigen. Sie scheinen sich viel zu erzählen zu haben, da will der Rächer von Taarnak doch nicht stören.“
    Wenn man ihm etwas vorwerfen konnte, dann dass ihm intrigantes Gehabe nicht im geringsten lag, und auch dieses mal ähnelte sein Abgang mehr einer überstürzten Flucht denn einem galanten Davonschreiten. Mit eiligen Schritten warf er sich in die Mitte der Generale, Obristen, Captains und ihrer Begleiter, nur um so viel Distanz zwischen sich und diesem Biest einer Frau wie möglich zu Bringen. Sein buckeliger Adjutant hatte zwar Mühe, dem schnellen Schritt seines Herren zu folgen, doch auf die Frage, ob jemand einen davon eilenden Exzentriker in Orangem Brokat gesehen hatte, wurde er Schließlich zu seinem sichtlich geschafften Meister geführt.
    „Ich bemerke, der Rächer von Taarnak fühlt sich nicht wohl?“, begann der Lakai, „Ist dieses Weib tatsächlich so böse, dass er Angst vor ihr hat?“
    Der Edle schaute für einen Moment auf seinen Adjutanten hinab, der ihn mit besorgtem Blick musterte.
    „Der Rächer wird dir für deine Frechheit verzeihen. In seiner unendlichen Großzügigkeit wird er dir auch erklären, warum dieses Weib die Geißel meiner Existenz ist!“
    „Selbstredend, Sire, ich gelobe Besserung.“
    „Also dann, wo soll der Rächer mit seinen Ausführungen anfangen? Genau: Fürchte dieses Weib, sie ist neuerdings Matriarchin meines ehemaligen Hauses geworden. Dir ist sicher bewusst, was das heißt, oder?“
    „Erleuchtet euren Schergen, Sire.“
    „Mein ehemaliges Haus ist recht offen, was den Ritterschlag angeht, wenn man es mit den meisten anderen Häusern vergleicht, in denen nur die erstgeborenen Söhne dieses Privileg erhalten. Entsprechend sind die Mechanikus Throne jenes Hauses – und auch meiner – durch Männer wie Frauen geprägt worden. Haus Tjarkzena ist stolz auf seinen kleinen, aber wertvollen Bestand an Thronen. Ich nahm ihnen einen dieser wertvollen Besitze, den sie nach wie vor als ihren ansehen. Den Rest kann er sich denken, oder?“
    „Ihr werdet also gejagd, Milord.“
    „Korrekt. Und nun zurück in den Saal, es dürfte bald weitergehen.“


    +++


    Geron horchte der Rüstung, als er ihren Reaktor wartete. Unruhig, aber stark und innerhalb akzeptabler Parameter. Der Sakristan schüttelte unwillkürlich seinen Kopf, eine lästige Angewohnheit aus alten Tagen.
    Er winkte einen seiner Lehrlinge zu sich rüber.
    „Meister?“, fragte der in tiefes Rot gewandete Techniker.
    „Die Rüstung ist immer noch unruhig. Sie fühlt, dass etwas nicht stimmt.“
    „Was stimmt nicht?“
    „Analysiere...“, Geron versank für einen Augenblick in seinen augmentierten Verstand. Vor seinem inneren Auge liefen scheinbar endlose Datenstränge und Zahlengebilde vorbei. Dann fand er etwas...


    „Und Ihr seid euch absolut sicher?“, fragte der Lehrling.
    „Absolut. Es fing damit an. Kontaktiert das Schiff der Tjarkzena, wir brauchen einen ihrer Chirurgen. Und lass die Servitoren die alten Fresken verhüllen. Wir dürfen unter keinen Umständen auffliegen.“
    Geron legte seine Robe ab und gab damit den Blick auf seine zu großen Teilen mit Bioniks veränderten Körper frei. Seine Wirbelsäule war eine adamentene Schlange, die im Fleisch versank und von Anschlussstellen für Mechandriten flankiert wurde. Arme und Beine waren silbern schimmernde Repliken ihrer früheren Gestalt, was a menschlichem Wesen übrig blieb war sein nach wie vor sterbliches Herz, das unangetastet in seinem Thorax pulsierte.
    Alsdann begann er damit, medizinische Mechandriten in seinem Rücken zu installieren. Er hatte sie nie genutzt, doch nun würde es bald soweit sein. Wenn die Tjarkzena ihm einen Instruktor schicken, wird auch er die Rituellen Operationen vornehmen können.


    +++


    Shas'vre Or'Kes – bekannt als 'der bleiche Hai von Zal'Kyra' – beobachtete die Lage mit kritischem Blick. Er hatte wenig Verständnis für die barbarischen Verhaltensweisen dieser Gue'la. Er übernahm diese Aufgabe zwar nur ungern, doch die Professionalität seiner Kaste gebot es, ohne zu murren die Aufgabe zu erledigen.
    „In Ordnung, Jungs. Sie haben die Fabrik in ihrer Hand. Unsere Arbeit hier ist fürs erste getan. Was sagen die orbitalen überwachungsdrohnen?“
    „Mehr und mehr ihrer Schiffe sammeln sich. Wir sind effektiv abgeschnitten, eine Ladung ist in Bälde zu erwarten.“, antwortete einer seine Späher.
    „So sei es. Gib das Signal raus, Shas'la, bevor sie uns noch komplett von der Flotte abschneiden.“
    „Zu Befehl!“
    Der Tau tippte hastig einige Tasten auf der riesigen Drohne, die sie begleitete. Als er fertig war, nickte er dem Hai zu und nahm seine Waffe wieder in den Anschlag.


    Der Commander hatte sie auf dieser Welt zurückgelassen, damit sie die jämmerliche Rebellion der Menschen koordinieren. Zusammen mit einem zweiten Späherteam, zu dem sie aber den Funkkontakt verloren haben, sollten sie eine rasche Einnahme der vitalen Strukturen garantieren. Doch dieser Feldzug dauerte schon viel zu lang. Der Feind sammelte sich bereits im Orbit, obwohl die planetaren Abwehrstellungen noch längst nicht eingenommen waren. Sie hinkten dem Zeitplan zu weit nach, als dass es noch Hoffnung auf einen sauberen Sieg gäbe.
    Or'Kes fluchte leise, dann gab er das Zeichen zum Aufbrechen. Das Schicksal der anderen Späher beunruhigte ihn über alle Maßen...


    +++


    Der Rächer blieb den Rückflug über total Still. Zu sehr dachte er darüber nach, was passieren würde, wenn die Tjarkzenas ihn nach dem Feldzug stellen und zum Duell fordern würden. Flucht? Zu schmachvoll. Drauf eingehen? Und dabei in den sicheren Tod laufen. Aussöhnung? Unmöglich. Er brauchte die Hilfe einer höheren Autorität, doch es gab hier niemanden, dessen Rang den eines Ritters übersteigen würde.
    Krächzend erwachten die Kabinenlautsprecher: „Sire, ich hätte da eine Bitte an euch... um ehrlich zu sein ist es keine Bitte.“
    Es war Geron. Eine ansonsten schon trockene Stimme resonierte mit einem stählernen Ernst, den der Edle nur von den greisen Erz-Sakristanen auf Ostringa kannte. Es beunruhigte ihn zwar, doch er blieb weiter in seinen anderen Gedanken.
    „Ihr werdet zum Schiff der Tjarkzena, der Schwert des Heldenmuts, fliegen, um dort einen Chirurgen aufzunehmen. Es wird Zeit, dass wir das hinter uns bringen und alle Improvisationen hinter uns lassen.“
    Leicht verwirrt Blickte der Edle zum Lautsprecher, als der Funkspruch mit einem Rauschen endete. Er ahnte, dass etwas schmerzhaftes auf ihn zukommen wird. Die kürze der Zeit vor der Landung machte es nicht besser. Als wundes Wrack würde er in die Schlacht ziehen müssen. Dass er nur gegen unprofessionelle Rebellen antreten muss, ist dabei nur ein schwacher Trost.


    Thies Arkzena war ein hochnäsiger Bürger. Seine Stellung in den Rängen der Ritter lies ihn arrogant werden, obwohl er nur von bäuerlichem Geblüt ist. Er war der Ansicht, dass die hohen Herren dankbar dafür sein sollten, dass er sich um ihre kleinen Weh-wehchen kümmerte. Seine Hände waren absolut ruhig, sein Blick scharf und sein Körper frei von jeder Bionik.
    Dass er nun einer dahergelaufenen Freiklinge der Gnade zuteil werden lassen sollte, von ihm operiert zu werden, stieß bei ihm auf Unverständnis. Die Matriarchin persönlich überedete ihn mit handfesten Argumenten jedoch dazu, den Eingriff vorzunehmen. Mit einem sadistischen Lachen verabschiedete sie ihn, als er das Schiff des Rächers bestieg. Seine Brust schmerzte immer noch von dem unerwartet heftigen Schlag, den Lady Theda ihm verpasste.
    Während des Überfugs starrte er verächtlich auf die sich im Sitz lümmelnde Gestalt des Rächers, der sich in seinem protzigen Gewand sichtlich unwohl fühlte.
    „Lakai, notiere: Paradegewand nur in öffentlichem Raum tragen.“
    Dies war der einzige Satz, der während der Stunde fiel, in der sie von einem zum nächsten Schiff flogen.


    +++


    Quex' Lächeln war beinahe grenzenlos, würde sein Respirator ihn nicht daran hindern. Stampfend liefen dutzende Sentinels aus der Verladehalle der Schmiede. Multilaser, Raktenwerfer, Maschinenkanonen – die Läufer dieser Welt waren einfach, aber auch einfach zu warten konstruiert. Unruhig Piepte das Xenos-Funkgerät auf der Ladefläche eines Lasters, den sie in letzter Zeit gestohlen, oder – wie sie es nannten – dem Eigentum der „rechtmäßigen Herren von Proktor Extremis“ zugeführt, hatten.
    „Justerian Quex mein Name. Mit wem habe ich das Vergnügen?“ Der Rebell war zum Scherzen aufgelegt, sein gesprächspartner dagegen weniger. Der bleiche Hai sandte ihm eine wütende Kaskade übelster Flüche entgegen, die durch den stark gebrochenen Xenos-Akzent nichts an Bedrohlichkeit einbüßten.
    „Dein Arsch ist auf meiner Liste, Quex! Meine Augen wandern dort, wo auch du bist. Noch mehr Verzögerung, und deine Brüder müssen einen neuen Führer wählen.“
    Dem Aufrührer zog es die Kehle zu, als der Späher ihn zurechtwies. Das unwohle Schuldgefühl, dass dort draußen jemand ist, der ihn beobachtet und jederzeit sein jämmerliches Leben beenden kann, lies sein Herz schwer pochen. Angstschweiß durchtränkte seine schmierigen Klamotten.
    Das Gespräch, wenn man es denn so nennen sollte, dauerte knapp zehn Minuten. Doch Quex kam es wie eine nie endende Ewigkeit vor, in der er schutzlos seinem Schicksal überlassen war.
    Grimmig sagte er seinen Offizieren, sie sollen den Anderen Rebellengruppe mitteilen, dass die Gönner unzufrieden mit dem Fortschritt der Revolution sind.
    Er würde bis zu seinem Tod nie wieder lächeln, doch diese Zeit wird noch kommen...


    +++


    Die Frischen Operationsnarben brannten im Hinterkopf des Rächers. Die Narkotika benebelten noch immer seinen Verstand und ließen seine Muskeln schlaff herabhängen.
    Der Chirurg musterte einen Datablock, nickte zufrieden und ging dann von dannen. Der Rächer bekam noch mit, dass er an der Tür einige Worte mit Geron wechselte, bevor er im Zwielicht der Gänge entschwand.
    Wahrscheinlich ging er jetzt zur Scharlachschwinge, um zurück zum Schwert zu gelangen. Soll er doch. Er hat hier für genug Leid gesorgt. Darüber hinaus war er ein überheblicher Schmock.
    „Euch ist bewusst, was hier geschehen ist, und was folgen wird?“ Es war Geron, der da sprach. Geron, der treue, aber eigenwillige Sakristan, der sich mehr sorgen um die geheiligten Gottmaschinen macht, als um diejenigen, die in ihnen eingesperrt waren. Er war ein guter Sakristan, zuverlässig, effizient. Der gegenpol, den der Edle dringend brauchte.
    „Die Bindung“, lallte der Rächer halb benommen. Er wusste, das dies ein anstrengendes Ritual war, bei dem er seinen Geist mit dem des Mechanikus Throns verschmelzen wird. Viele Anwärter sterben dabei nach stundenlangen Todeskämpfen gegen ihren eigenen Geist und die vielen Persönlichkeitssplitter ihrer Vorgänger. Er müsste es nun im angeschlagenen Zustand Schaffen.
    „War 'ne scheiß Woche bisher, mein Sakristan“, schob er noch mit einem zarten Lächeln hinterher. Geron nickte.

  • Der Kopf des Edlen war in Bandagen gehüllt. Lediglich Augen, Nasenlöcher und Mund wurden frei gelassen. Die Implantate übten einen ungewohnten Druck auf den Schädel aus, die Haut um die adamantenen Buchsen brannte nach wie vor und spannte sich bei jeder Bewegung.
    Die Wirkung der Narkotika ließ langsam aber spürbar nach. Lange hatte der Rächer sich vor diesem Eingriff drücken können, trug auch lange nach seiner Eignungsprüfung noch den Proxy-Helm, der eine weitere Eigenart des Hauses Tjarkzena war. Der Helm besitzt einen speziellen Maschinengeist, der als Mittler zwischen Thron und Ritter fungiert, ohne dabei eine Bindung zu benötigen. Gleichzietig aber vermindert er aber das völlige erreichen der Potentiale einer Rüstung. Der Rächer kompensierte diesen Mangel an Genauigkeit und Effizienz mit Können; sollte er die Bindung überleben, wäre er einem Patriarchen anderer Häuser mindestens ebenbürtig.
    „Es beginnt“, wisperte Geron ins Ohr de Edlen, als sich dieser schwer in den ausgebauten Mechanikus Thron fallen lies. Mit einem Resignierenden Seufzer nahm er eine aufrechte Haltung an und legte seine zitternden Hände auf die Armlehnen. Dann verließ Geron die kleine Kammer, deren Wände gefüllt waren mit Persönlichen Bannern, Schreinen für die Gefallenen, den Imperator und den Omnissiah. Hier war er den Ahnen nah, nirgendwo sonst war in diesem augenblick ihre erdrückende Präsenz so spürbar wie hier. Dann begann es.


    +++


    Außerhalb der Kammer begann Geron damit, sich an einer Konsole über den bisherigen Fortschritt des Rituals zu informieren. Der Thron fing anscheinend gerade damit an, die Interfaces im Hinterkopf des Edlen anzuschließen. Es grenzte an ein Wunder, dass der Sakristan und seine Bediensteten den Proxy-Helm und seine Hilfsaggregate so schnell und sauber entfernen konnten. Die Archäotech-Vorrichtungen betteten sie in einen Stasis-Schrank. Es gab nicht viele dieser Maschinen, und ihre Pläne sind auch längst im Nebel der Vergangenheit verschwunden.
    Die einzige Sorge, die ihn nun noch plagte, war der Edle. Er war das schwächste Teil in der Maschine, und es hing nun allen von der geistigen Stärke dieses selbstverliebten Rumtreibers ab, ob die Rüstung jemals wieder in die Schlacht schreiten wird.



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    Sie begannen langsam mit ihm zu sprechen. Vereinzeltes Wispern, fernes Rufen. Mal wie eine sanfte Brise, dann wie ein aufziehender Sturm. Ängstliches, zaghaftes wimmern in der ferne, kehliges Brüllen in der nähe.
    „Wer bist du?“, fragten sie im Chor, untereinander Schnatternd und doch wie eine Stimme.
    „Ich bin der Rächer von Taarnak. Freiklinge im Dienste des Imperators.“
    „Lüge“, peitschte es ihm entgegen. Die einen spotteten über ihn, die anderen schnaubten verächtlich.
    „Wahrheit. Ich bin der Rächer von Taarnak.“
    „Dein wahrer Name, Fremder.“ Die Sonore Stimme erhob sich majestätisch über die Wogen der anderen Persönlichkeitssplitter. Dem Edlen kam sie Bekannt vor, es war sein Onkel.
    „Ich fürchte euch nicht. Ich entstamme dem Blut der Tjarkzena.“
    Der Edle klammerte sich fester an den Thron, während dieser die Verbindung intensivierte und ihn selber an sich heranzog.
    „Verräter“, keifte es aus den Wogen der Stimmen, „unwürdiger Feigling.“
    Der Edle gab sich unbeeindruckt. Sein Geist hielt stand, zumindest bisher.
    Dann griff die Stimme seines Onkels wieder nach ihm: „Respektiere die Maschine. Ehre dem Ritter, der seine Rüstung wie sein eigen Fleisch erachtet.“
    „Ich schritt schon oft in die Schlacht.“
    „Narr! Nur die Bindung gestattet Kontrolle!“ Wogen feindseligen Wisperns folgten den Belehrungen seines Onkels, des letzten Inhabers dieses Throns.


    +++


    Geron blickte nervös auf die Biodaten seines Herren. Das Herz raste, lediglich gebremst durch die Restmengen der Betäubungsmittel. Die neuronale Integrität des Edlen war grenzwertig.
    Der Sakristan erwischte sich dabei, wie er zum Imperator betete, dass das Ritual ein erfolgreiches Ende nehmen solle. Er war sonst ein eher sachlicher Mensch, der sich solchem Aberglauben selten hingab, dass der Herrscher der Menschheit einem unwichtigen Priester des Mechanikus zuhören würde, doch diesmal ging es um mehr als seine eigenen Ängste. Es ging um die Ängste seines Herren.


    +++


    Unaufhörlich wuchs der Mahlstom der Stimmen um ihn herum. Er antwortete stichprobenartig Fragen dieses infernalen Kreuzverhörs. Sein Körper schmerzte an allen stellen. Sein Hirn fühlte sich an, als würde es in seinem Schädel brennen und sein Nervensystem mit Spitzen Messern zerschneiden. Der Schmerz war unerträglich, vielleicht war es doch besser, sich ihm hinzugeben um endlich diese Folter zu beenden.
    Doch etwas hielt den Edlen davon ab, sterben zu wollen. Er hörte es in den Stimmen, er fühlte es in sich selbst. Ruhig nahm er einen tiefen Atemzug und besann sich auf seine Ambitionen als Ritter.
    „Ich bin der Rächer von Taarnak, Freiklinge im Namen des Imperators, Abkömmling des Haus Tjarkzena zu Ostringa. Neffe des Siebart Tjarkzena, Sohn von Gaerhard mit dem Drachenherz, drittem Rittmeister des 5. Haushaltes. Ich Kämpfe gegen die Feinde des Imperiums, zum Schutze seiner Bürger und Welten. Ehre und Kompromisslosigkeit sind meine Waffen, Glaube und Ignoranz mein Schild.“
    „Gaerhard Tjarkzena“, ein raunen durchfuhr den Ozean der Stimmen. Es gab viele berühmte Tjarkzenas mit diesem Namen, und alle waren ehrfurchtgebietende Ritter.
    Langsam legte sich der Sturm. Vor seinem inneren Auge flimmerten Erinnerungen, die nicht seine Waren. Tode, die er nie starb. Schmerzen, die er nie Fühlte. Die Ahnen respektierten ihn nun als einen der Ihren. Doch der Thron war immer noch nicht seiner.
    Zweifel durchfuhren ihn, doch es waren nicht seine. Er schüttelte sie ab, so wie er den brenenden Schmerz seines verkrampten Körpers abschüttelte. Er drehte den Spieß um. Er fragte die Stimmen nach ihren größten Stunden, und er lauschte den Geschichten von gleißendem Triumph und pflichtbewussten Martyrien. Er sah die entsetzten Blicke geschlagener Feinde, hörte die markerschütternden Todesschreie fremdartiger Bestien, roch den Qualm verbrannter Kriegsmaschinen.
    „Ich bin der Rächer von Taarnak. Und ich erhebe Anspruch auf diesen Thron. Ehre den Ahnen, Hoffnung der Menschheit und Verdammnis meinen Feinden.“
    Der Sturm legte sich, und mit einem Rucken setzte sich der Thron in Bewegung. Die Einbettung hatte begonnen.


    +++


    Geron fiel ein Stein vom Herzen, als sich die arkane Maschine in Bewegung setzte. Auf quietschenden rollen fuhr der Thron auf lange unbenutzten Schienen zu einer Kranvorrichtung, die ihn in der Werkhalle über der Rüstung positionierte. Der Edle war nun eins mit dem Thron, und nun fehlte nur noch die Verbindung mit der Rüstung, um ihn zu komplettieren.
    Langsam senkte sich der Tonnenschwere Thron hinab. Der Sakristan beobachtete den Vorgang mit ehrfürchtigem Schweigen, seine Lehrlinge murmelten Gebete an den Omissiah, als sie die Rüstung mit gesegneten Ölen salbten.
    Mit einem dumpfen Aufeinanderprallen von Metall auf Metall rastete der Thron in der Rüstung ein, die Luke schloss sich mit einem zischen, als die Kranhaken die Maschine Freigaben.
    Der bisher nur summende Reaktor erwachte mit einem gewaltigen Brüllen, während lodernde Flammensäulen aus seinen Ausspuffschloten züngelten. Die Rüstung war endlich entfesselt, die Unruhe verflogen, und glimmende Kampfeslust leuchtete in ihren Augen.
    „GERON“, sprach der stählerne Behemoth mit grollender Stimme.
    „Ja, mein Herr?“, antwortete der Tech-Priester, als er sich ehrfürchtig hinkniete.
    „WIR SIND JETZT EINS. ES FÜHLT SICH GUT AN.“
    „Gepriesen sei der Omnissiah.“
    „NEIN, DIES IST DEIN WERK. ICH DANKE DIR, FREUND.“


    Die Spannung entlud sich in inspirierter Euphorie. Dieser Augenblick war anders als die vielen Male zuvor, als lediglich ein Mensch eine Maschine steuerte und wie ein Fahrzeug in die Schlacht trieb. Nein, dieses Mal war es ein Ritter, des dort stand. Ein Wesen, eine untrennbare Einheit aus Mensch und Maschine, Seele und Maschinengeist.


    Das Schiff reihte sich in die Landungsschiffe der ersten Welle ein. Ihr Ziel sollte der Raumhafen sein, der mittlerweile unter schweren Angriffen der Rebellen litt. Der Rächer wird ihnen schon zeigen, warum man sich nicht vom Licht des Imperators abwendet.


    +++

  • Der Kapitän der Lektion lehnte sich in seinem Thron zurück, als das Schiff seine Nase langsam auf den Planeten unter ihnen richtete. Bis auf das murmelnde Schnattern der Servitoren überwachten alle ihre Konsolen in angespannter Stille. Lediglich die höhergestellten Steuermänner gaben ab und an Angaben wie Sinkgeschwindigkeit, Eintauchwinkel oder lateralen Kurs von sich.
    „Hüllenstatus?“, brummte der alte Mann von seinem Thron hinab.
    „Stabil, die Versiegelung ist intakt. Eintritt in Atmosphäre steht bevor“, antwortete ein niederer Offizier von der Sensormannschaft.
    Vor ihnen trat bereits ein Truppentransporter glühend in die Atmosphäre ein. Hinter seinen mächtigen Triebwerken bildeten sich dicke Kondensstreifen, während sein Rumpf glühend Aufleuchtete. Solch ein Manöver war zwar eine Routineaktion bei Landungsschiffen, doch in diesem Fall konnten sie sich glücklich Schätzen, dass sie auf einem ausgebauten Raumhafen landen konnten. Der Kapitän musste schon mit ansehen, wie Millionen von Soldaten bei der Landung in dem erbarmungslosen Inferno eines Zerschellenden Schiffes vergingen, weil irgendwer auf der Brücke nicht auf das Gelände achtete oder der Boden einfach unter dem Schiff wegbrach oder zu stark nachgab. Auch ist das finden und Räumen von geeigneten Landeplätzen nicht einfach, wenn man einen kleinen Habblock sanft absetzen will, besonders bei konzentriertem Turbolaser-Abwehrfeuer.
    „Status.“
    „Ceramitplatten auf 2500 Grad. Kurs stabil. Bremstriebwerke zünden... jetzt.“
    „Die Landezone?“ Der Kapitän lehnte sich wieder nach vorne, um genauer auf den Okulus zu schauen. Die Anzeige näherte sich einem Flugfeld gigantischen Ausmaßes, auf dem bereits einige Walküren Sturmpioniere absetzten, die hastig Leitsignale für die Landungsschiffe installierten. Blinkende Pfeile indizierten die Anflugvektoren, flackernde Projektionen die erwarteten Standplätze.
    „Das wird eng“, bemerkte der Alte, „Dass ihr mir ja auf den Kurs achtet. Meister des Vox, was sagt der Funkverkehr?“
    „Kursdaten, Korrekturen, Zeiten bis zur Landung. Nichts auffälliges.“
    „Auf laut schalten. Ich will es selber hören.“
    „Aye aye.“
    Die Voxlautsprecher erwachten knackend und Rauschend, als einer der Vox-Offiziere den entsprechenden Schalter betätigte. Das heisere Brummen von Voxübertragungen zu verstehen erfordert schon einiges an Konzentration und Übung, dabei aber noch die Daten richtig zu interpretieren erfordert harte Erfahrung und einen wachen Geist. Der Kapitän verfüge über beides, und während er sich wieder zurücklehnte, schloss er seine Augen und stellte sich die Situation vor.
    Die drei kometenhaft herabsteigenden Kolosse schwankten in enger Formation nebeneinander, die Militarum Schiffe etwas vor ihm, sein Schiff etwa auf Höhe der Antriebe der anderen, in leicht erhöhter Position. Sie näherten sich den unter dichtem Smog verhüllten Siedlungsgebieten. Etwas exponiert befand sich der Raumhafen, um ihn herum sicherten Schwärme von Walküren und Vendetten Luftraum und Bodenperimeter. Mit einem Roten blinken zeigten die Leitsignale den herbsteigenden Riesen ihr exaktes Ziel. Mit fast quälender Langsamkeit verloren sie an Geschwindigkeit. Sekunde um Sekunde wurden neue Anflugvektoren berechnet.
    „Drei Minuten bis zur Ankunft“, vernahm der erfahrene Raumfahrer.
    „Zu schnell“, gab er zurück. Seine größte Sorge galt den Landefüßen. Wenn sie nicht fast senkrecht aufsetzen würden, könnten die Fragilen Kolben brechen und das Schiff kippen. Dies hätte große Schäden an Hülle, Fracht und Besatzung zur Folge, ganz zu schweigen von nebenstehenden Schiffen.
    Er horchte Weiter dem Datenverkehr der beiden anderen Schiffe, die ihn kaum beachteten. Auch sie legten große Sorgfalt in den Bremsvorgang. Riesige Luftbremsen klappten von ihren quaderförmigen Rümpfen wie stählerne Segel. Unaufhaltsam stürzten sie dem Raumhafen entgegen, mit jedem Wimpernschlag erklang der 'Ping'-Ton des Landesignals im Auspex lauter und lauter, die Abstände zwischen den Tönen wurde immer geringer. Bald schon durchstießen sie die dichte Rußschicht über der Smogglocke, die Sicht verringerte sich auf ein bares Minimum. Die mechanische Belastung ließ den Rumpf der Lektion laut protestieren. Es ächzte und knurrte, als das Metall den Lasten nachgab und Spannungen das stählerne Gerippe bis zum Äußersten folterten.
    Dann erbebte das ganze Schiff, ein dumpfer Knall resonierte noch einige Momente durch die Gänge und Hallen im Inneren. Sie waren da.


    +++


    Or'Kes betrachtete den ganzen Vorgang in disziplinierter Ruhe. Er und seine Späher versteckten sich in einem nahen Höhlensystem, in dem sie sich Provisorisch eingenistet hatten. Die steinerne Halle, in der sie ihren Teufelsrochen Transporter parkten, diente ihnen jetzt auch als halbwegs sicheres Refugium, in dem sie sich für die kommenden Schlachten vorbereiten konnten und nach den Tagelangen Gewaltmärschen, Infiltrationen, Exfiltrationen und Attentaten etwas Ruhe finden konnten – so der strenge Truppführer es ihnen denn erlaubte. Seit der Sache mit den anderen Spähertrupps war er fast schon Paranoid, was die Umgebungssicherung anging.
    „Die Gue'la fallen von den Sternen herab. Nichts kann sie noch von der Landung abhalten. Die Kollaborateure müssen nun den Raumhafen belagern, oder sie werden in eine Belagerung gezwungen, die ihr sicherer Untergang wird.“
    Der bleiche Hai neigte von Zeit zu Zeit zu lautem Denken, einige mutmaßen, er wolle so nur zur schau stellen, dass seine Einschätzungen immer richtig sind, andere meinen einfach, dass dies ein Zeichen von verkappter Krieger-Poesie sei. Um solche Dinge machte sich der alte Feuerkrieger keine Gedanken, seine erste Sorge galt immer der perfekten Einhaltung des Plans, und er erwartete von seinen Untergebenen, dass sie es ihm gleich tun.
    Dies ist auch der Grund für die vielen Narben, die sich über seine hellblaue Haut ziehen. In seiner Vergangenheit sah er sich oft mit kniffligen Situationen konfrontiert, für die er unorthodoxe Lösungen entwickeln musste. Diese freigeistige Vorgehensweise polarisierte immer wieder in den Rängen seiner Vorgesetzten, doch die Erfolge, die er so erzielte, entbehrten jeder Diskussion.
    Doch hier war er nun, gestrandet auf einem dreckigen Planeten, zusammen mit einer handvoll Späher inmitten eines Konfliktes zwischen dreckigen Menschen. Nun waren sie da, die Menschenkrieger, und er konnte nichts weiter tun, als sich weiterhin versteckt zu halten. Er kniff die Augen weiter zusammen, als er mit stiller Wut sah, wie die drei Gigantischen Schiffe hinter den Schutzmauern des Fernen Sternenhafens aufsetzten.
    „Sag den dummen Gue'la Bescheid, dass der Feind am Raumhafen gelandet ist“, zischte er einem Späher zu, „und mach deutlich, dass das nun vorerst ihr Problem ist.“
    Or'Kes kletterte vom Observationsloch wieder hinunter in die Lagerhöhle.
    „In der Zwischenzeit werten wir das verbesserte Kartenmaterial aus. Zeit genug haben wir.“


    +++


    „Sire, ihr könnt nun beginnen“.
    Es war Gerons Stimme, die zu ihm sprach. Er erkannte es am gewohnten Sprachmuster des Tech-Priesters, und an der augmetischen Anzeige, durch die er die Welt nun sah. Sie zeigte ihm kurzstrecken-Scans, Reaktorleistung, Munition, Hüllenzustand, Vox-Verbindungen und einiges mehr. Früher waren diese Anzeigen künstliche Projektionen in seinem Menschlichen Auge, nun waren es echte neuronale Impulse, die er mit dem Maschinengeist der Rüstung teilte.
    Vor ihm öffnete sich ein gewaltiges Tor, das von der Rüstkammer zum ventralen Korridor führte, der fast über die Länge des Schiffes verlief. Er verband die Wartungsbuchten mit dem Stählernen Maul, das unter dem Bug des Schiffes lag und durch das die gewaltige Ladung be- und entladen wurde.
    Eine in rote Roben gehüllte Gruppe junger Tech-Adepten ging ihm voraus und weihte den weg in die Schlacht mit arkanen Ölen und dichten Weihrauch-Schwaden. Schwärme von Servoschädeln schwirrten in den Gewölben über ihm herum, ihren stumpfen Routinen nachgehend. Schleppend und von den donnernden Schritten der Rüstung begleitet begab sich die kleine Prozession zur Ausstiegsrampe. Hier teilte sich die Priesterschaft in zwei Gruppen und stand Spalier für ihren Ritter.
    „EURE LOYALITÄT EHRT EUCH, DIENER DES MECHANIKUM.“ Der Ritter betrat mit bedächtigen Schritten die neue Welt. Fahler Sonnenschein durchbrach die pechschwarzen Wolken dort, wo die Landungsschiffe herabstiegen. Abergläubige Menschen würden die für ein gutes Omen halten, Der Rächer war lediglich der eitlen Ansicht, das solch dramatische Beleuchtung seine Lackierung gut in Szene setzte.


    Das Landungsfeld war ein aufgebrachtes durcheinander. Aus den noch dampfenden Rümpfen der hoch aufragenden Landungsschiffe ergossen sich Unmengen an Soldaten und Kriegsgerät. Die Sturmpioniere, die die Landung Vorbereiteten installierten Vox-Relaisstationen und Bannerstangen für Sammelpunkte. In einiger Entfernung erblickte der Rächer auch ein solches Banner mit seiner Taktischen Kennung. Er spürte das rumpeln von Panzerketten in seinen Füßen, den heißen Wind zwischen den Landungstransportern auf seiner stählernen Haut und er hörte gebellte Kommandos in unterschiedlichsten Akzenten.
    „SODANN, MEINE DIENER, WIR SEHEN UNS NACH DER SCHLACHT.“
    Der Rächer konnte mit langwierigen Abschiedszeremonien nie etwas anfangen, sie erschienen ihm im Angesicht eines eskalierenden Konflikts immer als zeitverschwenderisch und unnötig ritualisiert, auch wenn Geron immer drauf bestand, wenigstens noch einen Segen auszusprechen.
    „Gebenedeit sei der Geist in der Maschine, geehrt der Mensch in der Maschine, gesegnet der Bund der Geister. Reitet mit Ehre und Respekt vor der Maschine, Rächer.“
    Geron konnte sich wirklich nie davon abbringen, solche Worte zu sprechen.
    „ICH REITE MIT EHRE“, grollte der Rächer als Antwort. Vielleicht waren es sogar diese Segnungen, die ihn und die Rüstung vor größerem Unheil bewahrten. Diese Perspektive war ihm vor diesem Krieg nie bewusst gewesen, nicht bevor er sich endgültig an die Maschine band.


    +++


    „Vermint die Schienen, bevor das Imperiale Pack davon Wind bekommt!“
    Arakk Xerxes war Schwadronführer eines Spähsentinelrudels geworden, nachdem die revolutionäre die Sentinel Manufaktorien einnahmen. Er war schon vorher Einweiser bei den PVS gewesen, doch Opportunismus und ein verlorener Glaube an das Imperium trieben ihn auf die Seite der Rebellen. Nun kommandierte er ein Pack untalentierter Neulinge herum, mit dem Auftrag, die anrückenden Imperialen Kräfte zu verlangsamen. Zu diesem Zweck sollte er die Schienenverbindung zwischen Raumhafen und Stadt kappen.
    „Scheiße, behaltet den Himmel im Auge! Bevor uns noch ein Luftschlag den Arsch wegsprengt!“
    „Aye, Sir!“
    Diese Rebellen waren nicht die hellsten. Quex ließ sie als entbehrliches Kanonenfutter in die Gebiete um der Stadt ausschwärmen, um Fallen zu stellen und im Zweifelsfall in direkten Konfrontationen Verluste zu verursachen. Sein Gönner erklärte ihm diese Strategie, mit dem subtilen Hinweis, er solle über seine eigene Rolle in diesem Spiel nachdenken.


    Sie werden bald kommen, das Donnergrollen der Schiffe liegt allerorten in der Luft. Die Erde wird erbeben unter den Ketten und Stiefeln der imperialen Armee, der Boden wird getränkt sein vom Blut der Märtyrer und Verräter gleichermaßen.


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  • Mondschatten

    Hat das Label [Imperium (sonst.)] hinzugefügt
  • Mondschatten

    Hat den Titel des Themas von „[40k] Der Rächer von Taarnak“ zu „Der Rächer von Taarnak“ geändert.