Prolog:
Ich sehe sie zu meinen Füßen. Doch nicht durch meine Augen.
Ich höre jedes Wort, dass sie wispern. Doch nicht durch meine Ohren.
Ich schreite auf den Pfaden von Titanen. Doch nicht mit meinen eigenen Füßen.
Ich kämpfe für meine Ehre. Doch nicht mit meinem Eigenen Namen.
Ohne meine Rüstung bin ich ein Niemand, doch ohne mich ist meine Rüstung nutzlos. Ich schritt mit ihr über den Staub hunderter Welten, über die verwesenden Kadaver tausender Feinde. Ich bin ein Ritter des Imperiums, und beim Imperator, ich werde ohne Gnade jeden Hexer, Häretiker und Xenos unter den Füßen meiner Rüstung zermalmen!
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„Er ist immer noch Sauer“, sagte Sakristan Geron nach einer Weile. Er beobachtete unzählige Linien scheinbar wirren Maschinencodes, die auf dem Bildschirm einer Konsole ebenso schnell erschienen, wie sie verschwanden. „Nächstes mal solltest du auf adäquate Verstärkungen warten, bevor du einen Titanen der Reaver- Klasse angehst“
„Aber es hat funktioniert, das musst du zugeben“, antwortete der Edle, der die Reparaturen beobachtete, „hätte der Rächer nicht eingegriffen, würde eine ganze Infanteriedivision nun mit dem Wind wandern und die Verräter aus heiseren Kehlen Siegesgesänge anstimmen. Diesen Akt der Satisfaktion konnte ich nicht zulassen.“
Der Sakristan schüttelte seinen Kopf und wandte sich dem Edlen zu: „Eure Vorstellungen von Notwendigkeit und Effektivität im Kampf weichen klar von denen eurer Rüstung ab. Euer Onkel war eben aus gänzlich anderem Holz geschnitzt.“
„Wagt es, mich mit meinem Onkel zu vergleichen! Er war zu Nachsichtig im Kampf!“
„Er hat die Rüstung über lange Jahre hinweg geprägt. Ihr seid zwar nicht einmal annähernd so erfahren wie er, doch ich bezweifle, dass ihr jemals so alt werdet, um ihn zu erreichen.“
„Der Rächer hat viele große Heldentaten vollbracht, sowohl in der Heimat, als auch zwischen den Sternen. Anmaßende Vergleiche muss er sich nicht bieten lassen!“
„Wie ihr wollt, Sire. Diese mahnenden Worte musste ich aussprechen, im Namen des Maschinengeistes.“
Der Edle verließ den Wartungshangar, Geron ging zurück an seine Arbeit.
Die Halle war etwa dreißig Meter hoch und verschwand nach oben hin in dunklen Kreuzgewölben, in welche vor Ewigkeiten längst verblichene Fresken gemalt wurden. Sie stellen die Ritter dar, wie sie gegen Drachen und ähnliche mythische Kreaturen kämpfen. Erinnerungen an vergangen Heldenmut und die wilde Heimat, aus der sie alle stammten, nichts mehr und nichts weniger.
Der Edle betrachtet sie nicht mehr oft, aber ab und an blickt er wehleidig hinauf in die Schatten, wissend, das er nicht mehr Teil dieser Historie ist.
„Sire, Er will sie sehen“, krächzte es aus dem Vox, das auf seinem Schreibtisch stand, „und wir müssen euren Thron neu kalibrieren.“
„Gut, Geron. Ich komme“, antwortete der Edle mit ruhiger Stimme, „Und ich muss mich für meinen kleinen Wutausbruch entschuldigen. Die Sache nagt doch noch etwas an mir.“
„Gefühle sind jetzt irrelevant, Sire, die Rüstung wünscht eure Anwesenheit. JETZT.“
Angekommen im Hangar blickte er dem helmlosen Gesicht seiner Rüstung entgegen. Es war das mechanische Abbild eines menschlichen Schädels, durchzogen von Kabeln, Schläuchen und Kontrolllampen. Seine Augen schimmerten in einem bedrohlichen Rot, das Voxgitter in kaltem Silber.
„Rächer von Taarnak. Eure Rüstung ist wieder Funktionstüchtig“, begrüßte Geron den Edlen, „Die Panzerplatten werden gerade neu lackiert, sie werden abernach Abschluss der restlichen arbeiten wieder montiert sein. Meine Servitor-Knechte beladen gerade die Waffen mit Munition.“
„Die Rüstung sprach?“
„Sein Code wies mich darauf hin. Folgt mir bitte, Sire“
Sie gingen über die Wartungsstege hinüber zur Einstiegsluke, aus welcher dicke Kabelstränge führten.
„Das Kalibrierungsritual kann beginnen. Verbindet euch bitte mit dem Thron.“
Der Edle legte sein bodenlanges Obergewand ab. Zum Vorschein kam ein Hautenger Synth-Overall, dessen Oberfläche mit Neural-Interfaces gespickt war. Sobald er in Cockpit gestiegen war, begannen zwei Servitoren in stiller Stumpfsinnigkeit, den Thron mit dem Anzug zu verbinden. Zuletzt setzte der Edle noch einen Helm auf, der ebenfalls über ein dickes Kabel mit der Rüstung verbunden war.
„Wir können beginnen, Sakristan.“
Der Tech-Priester drückte einige Tasten auf seinem Kontrollpult, und der Reaktor der Rüstung Erwachte brummend zum Leben.
„Energie auf 50%, Sensoren online, Neuralinterfaces arbeiten in akzeptablen Parametern.“
Mit einer beiläufigen Handbewegung wies der Sakristan eine Gruppe Servitorknechte an, in Position zu gehen.
„Die Rüstung bat um keine vollständige Kalibrierung, Sire. Sie war der Ansicht, dass ihr nicht genug von eurer Außenwelt fühlt. Deshalb werden wir zuerst das Schmerzfeedback anpassen müssen.“
„Was?“
Nach einem weiteren Wink des Tech-Priesters fingen die Servitoren an, mit Schockstäben auf fest vordefinierte Punkte der Rüstung zu schlagen, einer nach dem anderen. Geron justierte die Übertragungsleistung solange, bis aus dem Cockpit des Rittes Schmerzensschreie einer bestimmten Lautstärke schallten.
Immer wieder glich er die Biodaten des Edlen mit dem Sensorinput der Rüstung ab.
„Gut“, begann Geron, „Die Rüstung ist zufrieden, Sire. Wir werden jetzt mit einem Sehtest fortfahren.“
Aus dem Cockpit drang nur ein schweres Atmen. Der Edle krallte sich verkrampft an den Mechanikum-Thron, von dem aus er seine Rüstung lenkte. Blut floss aus seiner Nase, seine Augen waren rot wegen geplatzter Adern, Tränen flossen sein Gesicht hinunter. Er wusste zwar, dass der Maschinengeist ihn nicht besonders leiden konnte, doch dies war blanker Hass.
Die Prozedur dauerte noch einige Stunden, ein Test war extremer und auszehrender als letzte. Jeder Ritter musste eine vollständige Kalibrierung einer Rüstung während seiner Ausbildung durchleiden, doch dies geschah in Rüstungen mit wesentlich ruhigerem Gemüt.
Nach Beendigung des Rituals musste er von Servitoren aus dem Thron geborgen und zum Apothekarium gebracht werden. Seine Muskeln verkrampfen sich zu gespannten Stahlseilen, sein Herz raste im kritischen Bereich, sein Gehirn brannte unter dem unbarmherzigen Einfluss des Sensorinputs.
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„Wir haben einen Notruf empfangen, Sire.“
Der Edle stand auf der Brücke des Schiffes Lektion der Pein. ‚Diese Ironie‘, dachte er, als ihm der Name durch die Gedanken schwirrte.
„Antworte ihm, dass der Rächer von Taarnak auf dem Weg ist“, sprach der Edle dem Kadetten bei, der das Pergament vom Bordastropathen brachte.
„Aye, Milord“, antwortete der Junge und ging.
Die Lektion war ein eher kleines Schiff. Es hatte Platz für etwa 6 Ritter, sowie einen Kleinen Hangar für das Aquila-Landungsschiff Scharlachschwinge. Es war ein Warpfähiges Landungsschiff mit minimaler Abwehrbewaffnung und erschreckend dünner Panzerung.
Die Bücke war ein Raum von etwa zwanzig Metern breite. An seiner Rückseite thronte der Kapitän auf einer erhöhten Plattform, vor ihm, in der Mitte des Raumes etwa, befand sich das taktische Okulus, eine hololithische Sphäre, auf der Informationen zur weiteren Umgebung visualisiert werden. Vor ihr befinden sich die Pulte und Konsolen der Brückencrew.
Die etwa dreißig Männer und Frauen wurden von zahlreichen Servitoren unterstützt, die plappernd Befehle und Routineaktionen in ihre Konsolen einhämmerten.
Auf Geheiß des Kapitäns ließ der Meister des Auspex eine Karte des Zielgebietes im Okulus erscheinen.
„Das System liegt recht nahe, etwa drei Standardtage im Warpflug entfernt. Der Notruf stammt von der Schmiedewelt Proctor Extremis, die sich nichts weiter rühmen kann, als eine mittelgroße Industrieproduktion von Arbeitsmaschinen, Sentinel Läufern und Lasergewehren zu beherbergen. Die Rohstoffe stammen von Proctor Tercius und Quintus, ein Großteil der Nahrung wird aus dem restlichen Sektor importiert, der Rest stammt von der beschaulichen Agrarwelt Proctor Regis, auf der auch der Gouverneur und die geistige Elite des Systems in protzigen Landhäusern residiert.“
Der Kapitän kratze sein bärtiges Kinn und brummte nur zustimmend. Der Meister des Auspex wies seine Leute an, die Karte zu verkleinern.
„Der Weg dorthin birgt kaum Gefahren. In diesem Teil der Galaxie befinden wir uns weit genug von jedweden größeren Warpstürmen entfernt, während der Kontakt zum Astronomican seit Jahrtausenden stabil ist.“
Wieder brummte der Kapitän zustimmend. Er nickte und richtete sich auf:
„Kurs setzen. Informiert den Navigator. Bereit machen zum Warpsprung.“
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Justeiran Quex konnte nicht von sich behaupten, dass er ein Gebildeter Mann war. Das hielt ihn aber nicht davon ab, in seiner Stammkneipe ausufernde Hasstiraden über ‚die da oben‘ von sich zu geben. Auch dieses mal nicht.
„Seht ihr? Ich bin kein verrückter Dummschwätzer! Die Revolution ist wahr! Erst Gestern haben sie die Mechanikus-Hexer Aufgehangen und erschossen! Sie sagen, wir könnten nun unsere eigenen Herren sein. Sie schlagen die Ketten der Knechtschaft ab und bauen einen Staat der Brüderlichkeit auf, in dem wir Fabrikarbeiter die Herrscher sind!“
Im Gegensatz zu anderen Abenden wurde er diesmal nicht mit Bierkrügen beworfen, oder mit einem Tritt in den Hintern auf die Straße geworfen, dieses Mal wurde er mit zustimmendem Gegröhle gefeiert. Die Arbeiter hatten sich bewaffnet und ihre Unabhängigkeit vom Imperium erklärt. In ihrer kleinen Welt gab es keine Bedrohungen von außen, nur menschenverachtendes Diktat von oben. Der Imperator war fern, und -wenn überhaupt- nur für die oberen Gesellschaftsschichten da. Hier unten im gesellschaftlichen Sumpf der Schmiedewelt gab es nur Elend und ölig-dreckigen Amasec.
Die Situation änderte sich vor ein paar tagen, als irgend so ein Alien Volk einen Botschafter zu ihnen kommen ließ. Zu ihrer Überraschung sprach er ihre Sprache, trotz seiner blauen Haut und dem nasenlosen Gesicht. Er erzählte ihnen von sauberen technologien, die aus dieser Welt ein Paradies machen würden, ein System, in dem Jeder mit seiner Aufgabe zum Ganzen beitragen würde, welches er „Höheres Wohl“ nannte. Bevor er ging, ließ er eine Kiste zurück, in der sich eine Art Funkgerät und jede Menge fremdartiger Waffen befanden. Die Saat des Verrats war gelegt, der Boden gedüngt und die Zeit reif…
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Gouverneur Holstett war ein ruhiger Mensch, der sein Leben genoss und Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen versuchte. „Nur kein Streit mit dem Adeptus Terra“ sagte er immer.
Die neue Situation hatte ihn in eine Zwickmühle getrieben: Entweder er riskierte einen Krieg mit den Xenos, oder er ging das Risiko ein, dass sein Verrat vom Administrandum bemerkt, und er als Verräter gejagt wird, was ebenfalls Krieg bedeuten würde.
Der Abgesandte der Tau redete mit weicher Stimme auf ihn ein, versprach größeren Wohlstand als jemals zuvor, ungekannte militärische Stärke und er präsentierte Technologien, die den Verstand des Gouverneurs überstiegen.
Der Tau ließ keine Zweifel daran erkennen, dass er es ernst meinte. Seine letzten Worte vor seiner Abreise waren „Überlegen sie ihre nächsten Schritte weise, Gouverneur. Sie werden sonst ungeahnte Konsequenzen tragen.“
Er überlegte reichlich, bedachte mögliche Konsequenzen und entschied sich letztlich für die einzige richtige Entscheidung für einen Mann, der am Ende nur noch seine Ehre verlieren könnte….
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