Ich hab mir die Passage, in der Ànathuriel auf dem Planeten das Raubtier zähmt, nochmal vorgenommen. Bisher war das aus einer ausgesprochenen Außenansicht erzählt, die einfach nur beschreibt, was passiert. Ich hab noch etwas mehr versucht, in Ànathuriels Gedanken einzutauchen, um zu zeigen, wie sie als psionisch begabte Bestienmeisterin dabei vorgeht und ihre Strategie in der Situation deutlicher zu machen.
Das Tier versuchte ihr zu folgen, doch schon wenige Augenblicke später sank es bis an die Schulter ein. Der morastige Boden konnte sein Gewicht nicht tragen, es steckte fest. Zugleich verwehrten die hohen Schilfrohre ihm den Blick auf das Ufer. Es wusste nicht, in welche Richtung es sich würde wenden müssen, um aus dem Sumpf herauszukommen. Panisch warf es den schweren Kopf in den Nacken, um die Nüstern über Wasser zu halten. Ànathuriel stand einige Schritte entfernt und beobachtete die Kreatur. Das Tier jaulte und wühlte Wasser, Schlamm und Pflanzen auf, während es immer noch versuchte, die Aeldari zu erreichen, kam aber kaum mehr voran.
Ànathuriel zog ihr Messer und hieb ein langes, daumendickes Schilfrohr ab. Mit der Rute in der Hand näherte sie langsam, aber bestimmt, dem Tier, sorgsam darauf achtend, mit ihrer gesamten Körperhaltung Selbstsicherheit zu vermitteln. Sie hatte das Raubtier in eine unterlegene Situation gebracht. Jetzt musste sie ihm ihre Dominanz klar machen. In sicherem Abstand blieb sie vor ihm stehen und sah ihm fest in die Augen. Das Tier versuchte, ihrem Blick auszuweichen, konnte den Kopf aber kaum abwenden, wollte es ihn nicht ins Wasser eintauchen.
Testend streckte Ànathuriel ihm den Stab entgegen. Sofort schnappe das Geschöpf zu und verbiss sich in das Rohr, bis es zwischen seinen Zähnen splitterte. Der Wille des Biestes war ungebrochen, trotz seiner prekären Lage.
Ànathuriel zog den Stab zurück, brach das aufgefaserte Ende ab und schnitt die Spitze wieder zurecht. Sie schritt langsam um das Tier herum, ging dabei wieder etwas auf Abstand. Es versuchte ihr zu folgen, ihr nicht den Rücken zuzudrehen. Es watete und schob sich durch den Schlamm und die Pflanzenstiele, war aber kaum in der Lage, die Füße zu heben. Immer wieder blieb Ànathuriel stehen und wartete, bis das Tier sich ihr zugewandt und genähert hatte, ehe sie wieder die Richtung wechselte.
Nach einiger Zeit begann die Kreatur zu schnauben und hatte erkennbar Mühe, den Kopf über Wasser zu halten. Erneut hielt Ànathuriel ihr den Stab hin. Doch diesmal machte das Tier keine Anstalten, zuzubeißen. Die Bestienmeisterin konnte spüren, wie sein Wille sich verändert hatte. Es hatte erkannt, dass es in der Falle saß, weder in der Lage, sich zu befreien, noch, sich gegen den vermeintlichen Gegner zu verteidigen, geschweige denn, ihn als Beute zu schlagen.
Nun war es an der Zeit, die Strategie zu ändern. Zielstrebig stapfte die Bestienmeisterin auf das Ufer zu. Nach einigen Schritten wandte sie sich um. Das Tier verharrte und starrte sie an.
Ànathuriel fasste es fest in den Blick. Beinahe war es, als würden sie durch die Raubtieraugen in den Geist des Tieres hineinsehen. Vermutlich hatte sie es schon immer so gemacht, unbewusst mit den Bestien Kontakt aufgenommen, ihren Willen ihrem überlegenen Verstand unterworfen und sie so dazu gebracht, zu tun, was sie wollte.
‚Du hast deine Beute unterschätzt. Jetzt bist du selbst Beute.‘
Das Geschöpf warf wie in einem letzten Versuch, Widerstand zu leisten, dein Kopf in die Höhe und legte die Ohren an. Ihre Gedanken schienen seinen rudimentären Verstand erreicht zu haben.
‚Ich will dir nichts Böses. Sei friedlich und ich führe dich hinaus.‘
Das Tier schnaubte und wurde ruhig. Seine Ohren sanken zur Seite. Die Bestienmeisterin verharrte einige Augenblicke, dann trat sie einen Schritt auf das Biest zu. Es sah sie abwarten an, rührte sich aber nicht.
Ànathuriel spürte die Verbindung, die sie zu ihm aufgebaut hatte, wie schon so oft. Doch inzwischen war sie sich voll dessen bewusst, was sie tat. Es lag nicht in ihrem Sinn, die Kreatur ihrem Willen zu unterwerfen. Nicht dieses Mal. Sie wollte ihr Vertrauen gewinnen. Die Bestienmeisterin streckte den Arm aus und hielt dem Tier ihren Stab mit dem stumpfen Ende entgegen. Dann trat sie, rückwärtsgehend, einige Schritte zurück Richtung Ufer.
Schwerfällig folgte das Tier. Sie ging weiter. Schließlich wagte sie es, dem Geschöpf den Rücken zuzuwenden. Die Bestienmeisterin hörte das Schnauben hinter sich, wie es sich, ihr folgend, durch den zähen Schlamm und das dichte Röhricht kämpfte. Ànathuriel hatte die Rolle des Leittieres eingenommen, dass sein Rudelmitglied in Sicherheit brachte. Sie durfte sich ihre Anspannung, ihre Abwehrbereitschaft, sollte das Tier sich doch anders entschließen, nicht anmerken lassen. Aber sie konnte keine Angriffslust wahrnehmen, stattdessen eine Art Erleichterung, die mit jedem Schritt zunahm.
Schließlich hatten sie wieder festen Boden unter den Füßen. Erschöpft sackte das Tier zusammen und blieb schnaufend auf der Seite liegen. Ànathuriel stieß es sacht mit dem Stab an. Es grollte nur schwach und leistete keine Gegenwehr. Ein Gefühl der Dankbarkeit schwang in dem Laut mit. Unwillkürlich musste die Bestienmeisterin lächeln.
Als sie sich umdrehte, stand der Losseainn vor ihr.