Hammershaft Outcomes - Necromunda Söldner (20.09.24 - neue Kurzgeschichte & Mini des Monats)

Beim Zusammenschustern dieses Wracks habe ich die Zeilen mehrfach auf- und abgelesen. Dabei wurde mindestens 3x ein Akt entweder neugeschrieben, oder stark editiert.

Immer wieder ist mir etwas Neues eingefallen, wie ich die Zeilen besser verfassen könnte. Das ganze Manuskript ist also nicht in einem Rutsch geschehen. Vielmehr ist es eine Repräsentation von dem Gewusel, dass sich in meinem Kopf abgebildet hatte und dann irgendwie versucht wurde, wieder mit einem hauchdünnen Faden zusammen zu sticken.

Außerdem verlor ich immer hin- & wieder den Elán, um fortzusetzen. Wodurch ein paar Bereiche sich weniger angenehm lesen lassen werden.

Wenn ihr also Logikfehler entdeckt, oder der Stil urplötzlich einen Umbruch verzeichnet, dann bitte ich das zu verzeihen.

Ich wollte es einfach nur zu Ende bringen und mich wieder mit meinen Minis beschäftigen. Das konnte ich erst nur, wenn die Geschichte endlich "fertig" war.

Sollten Schreib- oder Grammatikfehler gefunden werden; die könnt ihr gerne für euch behalten.

Unsere Lokalautorin Mondschatten wird mir die noch früh genug um die Ohren werfen.

Die zweite Seele

Es gab bessere Tage, die Manufactorum 88-08-15 schon einmal gesehen hatte. Zu ihrer Hochzeiten liefen die Fließbänder auf vollen Touren, Metallpressen zischten Tag und Nacht, spuckten im Sekundentakt Ceramitplatten aus ihren Schlünden. Ein reges Treiben aus Mensch‘ und Maschine, ununterbrochen.

Das war jetzt über 40 Jahre her.

Heute standen ihre Produktionshallen vollkommen reglos. Die Materialbänder waren stumm, ihre Presswerke bewegten sich keinen Millimeter mehr. Alte Promethiumfässer stapelten sich in den Ecken oder lagen wild verstreut in ihren Gängen. Quer über dieses Stillleben zog sich ein feines Leichentuch aus Asche und Staub, tauchte das komplette Ambiente in ein kaltes, helles grau. Kleine Staubfäden tanzten in den Lichtkegeln der noch immer leuchtenden Lumen, während Rußspuren die kalten Stahlbetonwände übersäten. Sie alle waren Zeitzeugen von Stagnation und Vergesslichkeit, die nicht überall in diesem Galaxie-überspannendem Imperium vorkam.

Auch Necromunda war übersät mit Orten wie diesem.

Die Makropolwelt verlor schon Lange den Überblick darüber, welch' Schätze sich in ihrem Innersten befanden. Ihr Potenzial könnte ebenbürtig sein mit den Manufakturen Atoma Primes, wenn nicht sogar der Armageddons. Alles, was es dazu benötigen würde, wäre eine winzige Aufarbeitung der bereits vorhandenen Ressourcen. Doch anstelle Fabriken, wie das alte 88er zu warten und zu hüten, gerieten ihre Hallen in Vergessenheit, wurden der Willkür von Gangs überlassen.

Für die noblen Häuser der Turmspitzen war es eben wesentlich unkomplizierter gewesen, einfach eine weitere Etage für neue Manufakturen zu errichten, anstelle in die unteren Ebenen zurückzukehren.

Kherra seufzte leicht in sich, während Sie über all dies nachdachte.

Sie verstand es nicht, wie eine solche Fundgrube einfach so vergessen werden konnte. Das Potenzial dieser Einrichtung war immens: Schutzwallverstärker, Rüstungsplatten, panzerbrechende Munition; mit nur wenigen Anpassungen konnte das Manufactorum wieder in Betrieb genommen werden und alles produzieren, was ein aufsteigender Kriegsherr benötigte, um seinen Rechtsanspruch auf Macht und Territorium zu untermauern. Wie konnte all‘ dies einfach so vergessen werden?

Es half nichts, sich weiter den Kopf darüber zu zerbrechen.Sie benötigte ihre volle Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt.

Seit gut vier Stunden schon suchte Sie vergebens nach den verstreuten Resten der ‚Kesselschlächter‘. Den Großteil von ihnen konnte Sie bereits mit einer Handvoll ihrer Gruppe ausradieren, aber es gab noch immer ein paar Individuen, die sich ihrer wohlverdienten Bestrafung entzogen.

„Ein paar Goliaths, die es gewagt haben in unserer Zone den Breiten zu markieren. Dies kann natürlich nicht einfach so hingenommen werden. Also, wir ziehen los und zermalmen diese Kakerlaken, noch bevor sie die Gelegenheit haben, sich permanent in unserem Zuhause einzunisten.“

Thane’s Worte.

Ihr Gangführer hatte nicht lange gebraucht, Freiwillige für diesen Job zu finden, der Enthusiasmus war unter seinen Leuten extrem hoch. Womöglich sogar etwas zu hoch, wie ihr auffiel. Einige von ihnen musste er bereits in die Schranken weisen, nicht auf eigene Faust loszuziehen und in die Habblöcke von Haus Goliath einzumarschieren. Der Moment würde kommen, an dem sie es ihren Rivalen ordentlich heimzahlen. Doch für den Augenblick war es für sie nur wichtig, ihr jetziges Zuhause zu verteidigen. Die meisten Leute, die sich sofort meldeten, waren erfahrene Gangmitglieder, die schon genug Zusammenstöße mit Goliaths hinter sich hatten. Für Sie wäre es ein leichtes Spiel gewesen, ihren Herrschaftsanspruch in der Gegend geltend zu machen. Thane bestand jedoch darauf, dass auch Kherra an dieser Jagd teilnehmen sollte.

„Ein Test“, wie er meinte. „Um zu sehen, ob 'die Schlächterin von Kaerus' auch wirklich ihren Sold wert ist.“

Verfluchter Karker. Wenn ich mit diesen widerlichen Muskelprotzen fertig bin, dann knöpf ich mir seinen Arsch als Nächstes vor.

Nein. Nein, Jetzt ist nicht die Zeit, sich mit solchen Fantasien zu beschäftigen. Konzentration hat die oberste Priorität.

Ich werde ihm das Rückgrat direkt aus dem Hintern drehen und seinen verdammten Schädel damit zusammendreschen.

Was ist bloß falsch mit dir? Ist es denn nicht genug, dass wir ein paar Goliath zu Corspe Starches verarbeiten können? Kannst du deinen Blutrausch schon gar nicht mehr im Zaun halten?

Seinetwegen befinden wir uns doch in diesem Schlammassel, oder etwa nicht? Da ist es doch nur angebracht, wenn ich mich im Nachgang auch ausgiebig bei unserem glorreichen Anführer dafür bedanken werde.

Hör gefälligst auf mit diesen Spielchen und pass auf deine Flanken auf! So strunzdumm diese wandelnden Fleischberge auch sind, mit deiner Ablenkung könnte sich einer von denen problemfrei an mich heranschleichen und ich würde es erst dann bemerken, wenn es zu spät ist.

Kherra konnte sich nicht entsinnen, seit wann genau Rekkha wieder aufgekreuzt war.

In den ersten Gefechten mit den Goliaths war ihr nicht bewusst gewesen, ob Sie sich bereits an dem Spektakel mitbeteiligte, oder Sie nur vom Spielfeldrand aus zusah und einfach auf den richtigen Zeitpunkt wartete. Es war nicht unüblich für Sie gewesen, dass Sie sich während eines Kampfes überhaupt nicht blicken ließ, Opportunisten, wie Sie nun mal war. In den letzten Stunden jedoch war ihre Präsenz definitiv nicht zu verleugnen.

Kherra konnte das eigentlich überhaupt nicht gebrauchen. Es war schon schwierig genug gewesen, sich auf ihre momentane Situation zu fokussieren. Nach der letzten Schießerei hatte Sie den Kontakt zu ihrer Gruppe verloren. Sie musste hölligst aufpassen, nicht unbehütet in einen Hinterhalt zu tappen. Das Letzte, was Sie jetzt noch gebrauchen konnte, war eine blütenreiche Auflistung von Gewalttaten für Thane in ihrem Nacken.

Vorsichtig lief Sie einen großen Schutthaufen hinunter, achtsam darauf ihr Gleichgewicht zu behalten.

Von oben herab hatte Sie einen guten Überblick über das Werksgelände und konnte nichts Unauffälliges erkennen, doch Sie hatte ziemlich schnell lernen müssen, dass der Clou zum Aufspüren von jemandem in den Details liegt:

Finger- und Fußabdrücke, Blutflecken, leere Patronenhülsen oder Einschusslöcher. Dinge, die man nicht so einfach aus der Distanz erkennen konnte. Konzentriert suchte Kherra Indizien, die darauf hinwiesen, dass diese leeren Hallen noch bis vor wenigen Minuten nicht so leer gewesen waren. In einer leicht gebückten Haltung nahm Sie einen Schritt nach dem Nächsten, immer darauf achtend, dass Sie nicht versehentlich einen Stein vor sich wegkickte, oder auf ein loses Gitterteil trat.

Sie hörte das Pulsieren der Äderchen in ihren Ohren, aber da war noch etwas anderes. Ein schweres, ächzendes Atmen. Kherra blieb sofort stehen und versuchte die Richtung der Atmung zu ausfindig zu machen. Sie benötigte einen Augenblick, sich in ihrer Umgebung neu zu orientieren und dann sah Sie es:

kalter Hauch, aufsteigend an einer der Betonsäulen, keine 30 Meter vor ihr. Sie wusste, dass die anderen ihres Trupps weit hinter ihr lagen, und außer den Goliath konnte sich sonst niemand in diesen Fabrikhallen aufhalten. Es musste einer der Kesselschlächter sein. Sie blickte den Fußboden unter ihren Füßen entlang und sah in der Staubschicht riesige Stiefelabdrücke, die in die Richtung der schweren Deckung verliefen. Es war keine Frage, das war einer von diesen muskelbepackten Hohlköpfen.

Da bist du ja endlich.

Rekkha entsicherte ihre Schrotflinte und begann mit schweren Schritten in Richtung der Betonsäule zu marschieren.

„Oi, du dreckiger Scheißhaufen von einem Fegger. Dir werde ich die madigen Eingeweide aus dem Wanst reißen und sie einem räudigen Mastiff zum Fraß vorlegen.“

Kherra wollte noch protestieren, doch es war längst zu spät. Jetzt hatte Rekkha die Kontrolle über die Situation erlangt. In absolute Rage versetzt, spurtete Sie entlang des stillgelegten Fließbandes. Sie fühlte den Zorn, der sich in ihrem Gesicht bildete, während Sie in die Richtung des Goliaths brüllte.

„Du Arschgeburt wirst hier nicht mehr lebendig davonkommen.“

Sie nahm ihr Gewehr in Anschlag und versetzte zwei Ladungen Schrot auf dieselbe Höhe, von wo sein Atem herkam. Krachend splitterten Betonstücke von der massiven Säule ab und entblößte einen Teil ihres stählernen Fundaments.

Es war nicht klar, ob der Spott eine Wirkung zeigte, den Sie von sich gab, oder ihr Beschuss, doch der Goliath wollte sich es sich wohl nicht länger von ihr bieten lassen, auch nur in geringster Form gedemütigt zu werden.

Mit einer fließenden Bewegung begab sich der Hüne aus seiner Deckung hervor. Der Kesselschlächter war mindestens zweieinhalb Meter hoch und gebaut wie ein Schrank. Sein kurzes, schwarzes Haar war zu einem schmalen Irokesen geschnitten. Abgesehen von einer orangenen Stoffhose trug er nur eine simple Metalmaske, die den unteren Teil seines Kiefers abdeckte. Der Rest von seinem Oberkörper war frei und entblößte seinen muskulösen Brustkorb.

In seiner rechten Hand hielt er die typische Bewaffnung eines Goliaths: ein überdimensionaler Stubrevolver, geladen mit einem Kaliber, dass sonst nur von Ogryns abgefeuert werden konnte.

Noch während er die Drehung von der Säule weg vollzog, hob er den Arm mit seiner Waffe und hielt sie lässig in ihre Richtung. „Winzling“ gab er mit einem lauten Grunzen von sich, bevor er den Abzug betätigte. Mit einem Amboss artigen Schlag traf der Hammer auf den Zünder der Patrone und entfesselte die geballte Ladung Boshaftigkeit, die in seiner Stahlkanone schlummerte. Ein donnernder Knall, welcher der Explosion einer Granate gleichkam, folgte dem riesigen Feuerball, der sich am vorderen Ende des Laufes gebildet hatte.

Rekkha konnte nichts mehr an ihrer Situation ändern:

ein Bleigeschoss, beinahe so groß wie ihre Faust wurde auf Sie losgelassen; darauf ausgelegt, ihr den Schädel vollständig von den Schultern zu trennen.

In einem einzigen Wimpernschlag spürte Sie einen rasierscharfen Windzug, der an ihrem linken Ohr vorbeiflog, dicht gefolgt von einem schrillen Pfeifton, der sich für sie wie eine Ohrfeige anfühlte. Für einen winzigen Augenblick musste Sie in der Grazie Fortunas gestanden haben, oder der Goliath war noch viel bescheuerter, als wie er ausgesehen hatte, aber durch ein absolutes Wunder, verfehlte die Kugel Sie nur um Haaresbreite. Das bleierne Geschoss zischte an ihr vorbei und durchdrang die stillgelegte Stahlpresse tief hinter ihr.

Rekkha blieb keine Zeit, ihr monumentales Glück zu erfassen.

Sie sah bereits, wie der Goliath seine schwere Kanone wieder neu ausrichtete, um erneut auf Sie zu schießen. Instinktiv zog Sie den Ladehebel ihrer Schrotflinte durch und stieß die leeren Patronenhülsen aus ihrer Kammer heraus. Ihr Finger hatten den Gewehrgriff noch gar nicht festumschlossen, als Sie den Abzug bereits durchdrückte.

Ihr Lauf war nicht sauber auf ihn justiert, als Sie das Feuer erwiderte, aber ihre Ausrichtung war ausreichend genug gewesen. Mit einem Funkenschlag sprang der Stubrevolver aus den Fingern des Kesselschlächters und flog in einem hohen Bogen aus ihrem Blickwinkel in die tiefen Schatten des Manufactorums. Der Goliath blickte kurz seiner Waffe hinterher, bevor sich seine Augen voller Entsetzen wieder auf Sie richteten.

Deine Knarre ist jetzt nutzlos, genauso wie du selbst.

Der Muskelprotz benötigte einen Moment, bevor er wirklich begriffen hatte, was vorgefallen war.

Rekkha hatte ihm die Möglichkeit genommen, sich auf Distanz zu verteidigen und er würde eine weitere Ladung einfangen, lange bevor er in Reichweite kommen konnte, um Sie in den Nahkampf zu zwingen. Obwohl die Maske einen guten Teil seines Gesichts verdeckte und Sie es nicht vollständig sehen konnte, war die Verzweiflung in seinen Zügen deutlich zu erkennen.

Hastig nahm er Anlauf an und versuchte fluchtartig aus ihrem Schussfeld zu entweichen. Ein loser Stahlträger vor seinen Füßen änderte jedoch sein Vorhaben. Völlig ungeschickt stolperte der Kesselschlächter über das Hindernis und verursachte einen dumpfen Aufschlag, als er zu Boden ging.

Wegrennen nützt dir gar nichts mehr, du elender Bastard.

Rekkha überlegte noch, wie lange Sie dem Spektakel genussvoll beiwohnen wollte, als es ihr auffiel, wie kurz der Goliath eigentlich davorstand, sich aus ihrem Schusswinkel wieder zu entfernen.

Anstelle sich erneut aufzurichten und seine Flucht auf normalen Wegen fortzusetzen, kroch ihr Feind jetzt auf allen Vieren in die Richtung des nächstgelegenen Schutthaufens, der zumindest einen gewissen Schutz vor ihr geben sollte. Diese Dreistigkeit konnte von ihr nicht so einfach hingenommen werden. Sie legte die Kimme auf das, was Sie von dem Kesselschlächter noch erhaschen konnte, und drückte ohne weiteres Zögern ab.

Mit einem gewaltigen Knall gab Sie eine Antwort auf das frevelhafte Verhalten dieses stümperhaften Steroidenschluckers.

Die Schrottladung traf ihr Ziel, besser als es von ihr erwartet wurde. Ein feuchtes Klatschen war zu vernehmen, als sich die Schrotkugeln durch seine rechte Wade bohrten. Blut tränkte den untersten Teil seiner Stoffhose in ein tiefes Scharlachrot, während Stücke von Haut und Fleisch aus ihm gerissen wurden. Als Sie dann auch den dröhnenden Schmerzensschrei des Kolosses vernehmen konnte, war sich Rekkha sicher, die Gedanken an eine Flucht waren jetzt für immer aus ihm getilgt.

Trotz ihres Treffers war es ihm noch geglückt hinter einen mittelgroßen Haufen aus Schutt und Asche zu hechten. Sie konnte ihr Ziel nicht mehr sehen, doch sein lautstarkes Ächzten verriet ihr, dass er sich keinen Meter mehr wegbewegen würde. Mit einem Gefühl der Genugtuung nahm‘ sie ihre Waffe von der Schulter und setzte ihre Verfolgung mit einer weitaus salopp haltigen Geschwindigkeit fort.

Es dauerte einen Moment, bevor Sie die Kurve um das Hindernis legen konnte und den Kesselschlächter wieder zu Gesicht bekam.

Mit schwerem Atem stützte er sich auf seinem gesunden Bein wieder auf, während er das Rechte nur noch auf seinem Knie ablegen konnte. Obwohl er ein gutes Drittel von seiner Gesamtgröße mit dieser Haltung verloren hatte, ragte der Hüne noch immer bis zu ihrer Brust auf.

Es frustrierte Sie ungemein, dass all diese rohe Masse an so einem hirntoten Karker verschwendet wurde. In einem Akt der Überlegenheit, rückte Sie grazil an die Seite des verletzten Goliaths und wollte ihm ein letztes Mal Salz in seine Wunde streuen.

„Weißt du, was ich jetzt mit dir anstellen werde? Ich nehme meine liebliche Büchse hier, steck‘ Sie zwischen deine widerlichen Arschbacken und puste dir den Darm einmal kräftig durch. Das wird dir doch sicherlich gefallen, du wertloser Schwanzlurch, nicht wahr?“ gab Sie in einem selbstgefälligen Ton von sich.

Grinsend hob Sie ihr Gewehr an und zog den Stecher auf ein Neues durch. Sie machte sich darauf gefasst, den inzwischen gewohnten Schmerz des Rückstoßes aus ihrer Flinte in der Schulter zu spüren. Muskelkater hatte sich bereits in ihrem Achselbreich gebildet. Ein nerviges, zwickendes Gefühl, dass sich heute Abend noch rächen sollte, doch die Möglichkeit, ihren Blutrausch zu befriedigen, dass wollte Sie sich nicht mehr entgehen lassen. Es war die einzige Option, wieder auf ein normales Niveau zurückzukehren.

In ihren Gedanken versunken, bemerkte Sie zuerst gar nicht, dass ihr Gewehr nicht das tat, was es eigentlich sollte. Anstelle des geplanten Funkenschlags und einem rapiden Zucken in ihren Fäusten, gab die Patronenkammer nur ein simples ‚Klick‘ von sich.

Völlig verdutzt nahm Sie ihren Fokus von dem Kesselschlächter ab in Richtung des Gewehres vor ihrer Nase, während Sie noch einmal den Abzug betätigte. Erneut war ein metallisches ‚Klick‘ die einzige Antwort, die Sie kriegen sollte.

Jetzt war es Rekkha gewesen, der die Verzweiflung im Gesicht stand.

Du dementierte Närrin. Hast du schon wieder vergessen, dass du nach zwei Schuss nachladen musst?

Kherras Worte klangen genauso widerhallend und verachtend in ihrem Kopf, wie die metallene Häme ihrer Waffe selbst.

Halt dein Maul! Wenigstens bleib ich nicht vor Angst in der Starre und warte darauf, dass mir jemand die Fresse poliert!

Just in dieser Sekunde bemerkte Rekkha die Faust des Goliaths, wie sie sich blitzartig ihrem Gesicht näherte.

„Verfeggte Schlampe“, brüllte er ihr hinterher.

Mit einem katzenähnlichen Reflex zog Sie ihren Kopf nach hinten und konnte sich gerade so noch von seiner tödlichen Wucht entziehen. Sie spürte, wie die Haare auf seinen Knöcheln an ihrem Kinn streiften.

Trotz seines angeschlagenen Beines und der ungelenkigen Haltung, in der er sich befand, brachte der Hüne es fertig, Sie mit einer rasanten Geschwindigkeit zu überraschen. Der Luftzug, der seiner Faust folgte, ließ keinen Zweifel in ihr offen:

Wäre sein Faustschlag erfolgreich, Sie wäre sofort bewusstlos gewesen und danach auch sicher nicht mehr am Leben.

Angst und Wut gaben sich jetzt gegenseitig in ihrem Geiste die Klinke in die Hand. Zum zweiten Male innerhalb kürzester Zeit wurde Sie von einem hirnlosen Tollpatsch überraschend angegriffen und war dem Tod nur um schamhaaresbreite entwichen. Einen weiteren Versuch würde Sie garantiert nicht überleben.

Noch bevor der Goliath bereit war für einen neuen Anlauf zog Sie den Ladehebel ihres Schrotgewehrs durch, hielt den Lauf instinktiv in seine Richtung und drückte ab. Mit einem lauten Krachen flog das Blei aus der Patrone direkt in sein Gesicht. Ein paar der Kugeln prallten an den Stahlkappen seiner Maske ab. Der Rest drang sich jedoch in seinen Kopf. Haut, Muskelfaser und Knorpelmasse wurden mit einem Male von seinem Schädel gerissen, seine Visage war vollständig abrasiert.

Röchelnd kniete der Kesselschlächter jetzt vor ihr. Leicht wankte seine Masse von einer Seite zur Anderen. Sein Gesicht war völlig entstellt und bestand nur noch aus einer zerfetzten, blutdurchtränkten Karikatur eines Menschen. Ein absolut tödlicher Treffer war ihr geglückt, doch der Fleischberg weigerte sich weiterhin aufzugeben.

Rekkha konnte seine Sturheit nicht ertragen.

„Verdammt noch mal, verrecke endlich du elender Köter!“ brüllte Sie ihm entgegen und zog den Abzug an ihrem Gewehr noch einmal durch.

Eine weitere Schrotpatrone jagte Sie in seinen Torso.

Eine Fontäne aus Blut spritzte ihr entgegen; tränkte ihr Blickfeld in ein tiefes rot.

„Was fällt dir ein mich einfach so zu überrumpeln?! Was glaubst du wer du bist, du verfluchter Scheißhaufen, dass du dir das einfach so erlauben kannst?!

Häh?! Wer gab dir das Recht dazu?!“

Rekkha konnte ihren Zorn nicht genug Freiluft bieten. Mit einem gewaltigen Schwung nahm Sie ihr Bein hoch und trat mit dem Stiefel in das, was von seinem überdimensionalen Schädel noch übriggeblieben war. Ein knackendes Geräusch gab der inzwischen leblose Körper als seine letzte Antwort, bevor er endgültig in sich zusammenbrach. Rekkha reichte dies noch immer nicht aus. Erneut zog Sie den Lader ihres Gewehres durch und verpasste dem frischen Leichnam zwei weitere Treffer.

Das Schweigen des Goliaths machte Sie genauso wütend, wie seine vorhergehende Sturheit, nicht sterben zu wollen. Eigentlich war es bereits seine Dreistigkeit, Sie überhaupt anzugreifen, dass Sie zur Weißglut brachte.

Es ist vorbei. Er ist tot und du nicht. Es reicht jetzt. Mehr kannst du nicht aus ihm herausholen.

Während Rekkha weiterhin die Leiche des Goliaths ansah, vernahm Sie wieder die Stimme Kherras. Was Sie jedoch von ihr hörte, wollte Sie nicht wahrhaben.

Nein, er soll aufstehen, damit ich ihn noch einmal töten kann. Er soll leiden für seine bloße Existenz.

Wird er aber nicht und auf einen leblosen Klumpen Fleisch einzutreten, wird dir keinerlei Befriedigung geben. Also komm endlich wieder runter und beruhige dich!

Rekkha drehte sich angewidert von dem Goliath ab. Sie wollte ihn keine weitere Sekunde vor ihren Augen erblicken. Ihr gesamter Frust begann sich jetzt gegen Kherra zu stemmen.

Und was, wenn ich das nicht will?! Was, wenn ich endlich genug von dir und dieser beschissenen Situation habe? Was wirst du unternehmen, wenn ich endlich loslasse und mein wahres Gesicht vor allen zeigen will? Was wirst du dagegen unternehmen? Mmhh?! Wirst du deine Waffe gegen mich richten? Wirst du endlich einmal Mumm zeigen und diese elendige Existenz beseitigen?!

Sei still.

Was würde unser liebes Brüderchen davon halten? Würde er trauern? Würde er sich die Seele aus dem Leibe heulen? Oder ist es viel wahrscheinlicher, dass er einen Freudentanz direkt auf dem Grab vollziehen wird?

Ich habe gesagt du sollst still sein!

Ach komm, gib es doch zu: Seid ich existiere habe ich ihm das Leben schwerer gemacht. Wenn du es schon nicht für dich selbst erledigen willst, dann doch wenigstens für ihn.

Hör auf mit mir so zu spielen! Warum kannst du nicht einfach still sein?!

Weil ich weiß, dass du zu feige bist. Weil ich weiß, dass du ohne mich einfach nicht klarkommst. Weil ich weiß, dass du beim ersten Anzeichen von Ärger wieder sofort nach mir verlangen wirst.

Laß mich endlich zufrieden!

Oh? Das hättest du wohl gerne. Nein, so einfach wirst du mich nicht los. Du brauchst mich, ob es dir gefällt oder nicht und irgendwann habe ich endgültig das Sagen hier.

„Halt dein verfeggtes Schandmaul, du verfluchtes Miststück!“

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Kherra erschrak vor ihren eigenen Worten.

Bis in die letzten Winkel des Fabrikgeländes konnte man ihren Wutausbruch vernehmen.

In einem Akt der Verzweiflung, die Kontrolle wieder an sich zu reißen, sah Sie keine bessere Alternative, als ihren gesamten, aufgestauten Zorn in einem einzigen, heißeren Aufschrei sich aus dem Leib zu brüllen. Erst nachdem Sie ihre volle Frustration in Worte fassen konnte, wurde ihr wieder bewusst, wo Sie sich eigentlich befand.

Ihre Stimme halte noch immer in den hintersten Ecken des Manufactorums, als Sie mit dem Kopf in ihre Schultern zuckte. Panik begann sich in den hintersten Teilen ihres Gehirns auszubreiten.

Wie lange war es jetzt her, seit Sie sich auf dem offenen Gelände befand?

War Sie überhaupt in den Hallen allein gewesen?

In einer geduckten Haltung zog sich ihr Blickfeld hastig in alle Ecken der verlassenen Fabrikhalle. Eine verkrampfte Anspannung durchzog ihren gesamten Körper, während Sie nach möglichen Bewegungen suchte.

Sie wusste nicht, ob sich noch weitere Goliath in ihrer Nähe befanden. Ob sie sich nicht darauf vorbereiteten, Kherra in diesem Moment der Unachtsamkeit zu überwältigen. Schnapphaft zuckte ihr Kopf von einer Richtung zur Nächsten, konnte aber keinerlei Anzeichen von ungebetenen Gästen ausfindig machen.

Dann drehte Sie sich rasch in die Richtung des Kesselschlächters; wollte sicherstellen, dass auch er kein Zeuge ihrer Hasstirade war. Seine Leiche hatte sich keinen Millimeter weiter gerührt, seit Sie ihn das letzte Mal in Betracht nahm. Er gab auch weiterhin keinerlei Mucks von sich. Seine dampfenden Überreste würden niemanden davon erzählen, was hier wirklich vorgefallen war. Er war tot und nichts auf diesem Schrotthaufen von einem Planeten würde je etwas daran ändern.

Kherra konnte aufatmen. Es gab weit und breit keine einzige Menschenseele, der Sie hätte erblicken können.

Mit einem Gefühl der Erleichterung entspannten sich langsam die Muskelfaser ihres Bizepses‘ wieder. Der fast schon schmerzhafte Griff um ihre Schrotflinte begann sich zu lockern.

Sie war im Begriff eine normale Haltung wieder einzunehmen, als Sie ein metallisches Rascheln am anderen Ende des Ganges vernahm; dieselbe Richtung, aus der Sie gekommen war.

Sofort trieb es ihr die Nackenhaare zu Berge. Angstschweiß bildete sich am unteren Ende ihres Skalps und lief eiskalt an ihrem Rücken herunter. Sie war sich sicher, dass Sie keinen Goliath auf dem Weg hier her am Leben ließ.

Es konnte nur ein von ihren Leuten, ein Hammershafter sein.

Aber wie lange war er schon in der Region?

War es für ihn möglich gewesen, Sie zu hören? Hilflos blieb Sie neben den Überresten des Kesselschächters stehen und musste sich darauf gefasst machen, in wenigen Augenblicken ein paar unbequeme Fragen zu beantworten.

Am oberen Ende des Schutthaufens, von dem Sie ursprünglich herunterkletterte, vernahm Sie ein immer näherkommendes Kratzen von Metall, dicht gefolgt von einem leichten Ätzen.

Es dauerte noch etwa 2 Sekunden, dann stand der junge Mann aufrecht auf dem Schrottberg über ihr. Bewaffnet mit einer simplen Autopistole trug er die markante Kleidung der Hammershaft Outcomers.

Obwohl er einige Meter von ihr weg war, konnte Sie seine jungen Gesichtszüge erkennen. Sie kannte diese Grimasse seit mehr als 20 Jahren und hätte Sie sogar unter einer dicken Schicht Skargdreck wiedererkannt. Es war Andren; ihr kleiner Bruder.

„Kherra? Kherra! Endlich; ich dachte ich würde dich gar nicht mehr wiederfinden.“

Seine Stimme war voller Bedenken und Fürsorge.

Das war sie immer, wenn sie für längere Zeit getrennt voneinander waren. Es fiel ihr sofort auf, welchen Kummer Sie ihm aufs Neue verabreichte. Noch bevor Sie einen klaren Gedankenzug finden konnte, begann Sie einen flotten Trab in seine Richtung einzuschlagen. Sie wollte sich bei ihm entschuldigen, dass er sich wegen ihr erneut solche Sorgen machen musste, doch bevor Sie etwas sagen konnte, fuhr er schon fort:

„Beim Thron, wir haben seit gut einer Stunde den halben Sektor nach dir abgesucht. Wo hast du dich die ganze Zeit herumgetrieben?“ sagte er.

Diese Worte gefielen Rekkha ganz und gar nicht. Sie sah ihm hinterher, wie er bedenkenlos den Schrotthügel herabrutschte; unbekümmert, wieviel Krach er damit in den Hallen des Manufactorums fabrizierte.

Einen guten Teil ihrer Pirsch hatte Sie damit verbracht, nicht aus Versehen auf lose Metalteile oder Kies zu treten. Es war ihr wichtig gewesen, ihre Existenz nicht durch unachtsames Verhalten einfach so an unerwünschte Lauscher preiszugeben. Jetzt, jedoch, könnte selbst ein taubstummer Servitor ihre Position ausmachen und das Alles nur, weil Andren sich wie ein Grox im Ceramitladen verhalten hatte.

Sie nahm an Geschwindigkeit zu, wollte ihn nicht warten lassen und ihm seinen verkarkten Hals umdrehen.

Andren war am Fuße des Müllberges angekommen. Er schob seine Autopistole in sein Schulterholster, klopfte sich den angesammelten Dreck von seiner Weste und begann in einem lockeren Laufschritt ihr entgegenzukommen. Sein Arme hob er dabei in auffangende Haltung. Es war dieselbe Gestik, die er immer verwendete, wenn er Sie für eine längere Zeit nicht mehr gesehen hatte und Sie furchtbar vermisste.

Das Faß der Emotionen war für Sie am überlaufen. Jetzt konnte sich Sie nicht mehr halten.

Schlagartig änderte sich ihre Haltung von einem einfachen Laufschritt in ein hektisches Sprinten. Ihr Gewehr ließ Sie rücksichtlos aus ihren Händen fallen.

Kherra wollte so schnell, wie nur irgendwie möglich zu ihm. Wollte ihn umarmen und immer wieder sagen, dass es ihr leidtat. Dass er sich keine Sorgen um Sie machen musste.

Rhekka wollte ihn an Ort und Stelle in bloße Stücke reißen und dabei anbrüllen, wie er Sie einfach so in Gefahr bringen konnte. Mit jedem weiteren Herzschlag verkürzte sich ihre Distanz zu ihm. Tausend mögliche Szenarien schossen durch ihren Kopf.

Sie wollte ihn lieben, Sie wollte ihn hassen. Sie wusste nicht mehr, was Sie wollte.

Ohne von ihrer Geschwindigkeit abzulassen, flog Sie mit hohem Schwung in seine Arme. Ihr Gesicht drückte Sie so fest, wie Sie konnte in seinen Brustkorb, während Sie seinen Torso umklammerte. Tränen begannen sich in ihren Augenwinkeln zu sammeln; ein salziger Wasserfall, der an ihren mit Blut verschmierten Wangen vorbeizog. Wäre es ihr möglich gewesen, Sie wäre in ihn hereingekrochen und würde sich nie wieder blicken lassen wollen. Es gab so viel, dass Sie ihm sagen wollte, doch außer einem wimperhaften Schluchzen, gab es nichts Brauchbares, was Sie von sich geben konnte. Alles, worauf Sie hoffen konnte, war, dass er Sie nicht abweisen würde.

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Kherra fühlte, wie sich seine Arme um Sie legten.

Selbst unter der Dicke seiner Lederhandschuhe hatte Sie das Gefühl, die Wärme in seinen Händen spüren zu können, während er ihre Umarmung erwiderte.

Behutsam fing er damit an, ihr den Kopf langsam zu streicheln; sanft fuhr er mit den Fingerspitzen entlang den Haarwurzeln ihres Irokesenschnitts und gab ihr das Gefühl, dass er Sie nicht im Stich lassen würde. Strich um Strich begann sich das kochende Blut in ihren Adern zu beruhigen. Sekunde auf Sekunde drehte sich ihr Adrenalinspiegel gegen den Nullpunkt.

Es dauerte noch eine Weile, aber die Bestie in ihr verkroch sich allmählich in seine stille Ecke zurück.

Kherra war jetzt, mehr wie denn je, nach Heulen zu mute.

Ohne, dass Sie ein Wort mit ihm wechseln musste, verstand ihr Bruder sofort, dass Sie ihn brauchen würde.

Nicht etwa als der pfiffige Unterhändler, der er sonst für Sie war, oder als ein Schutz vor den hiesigen Kriegstreibern, die nur allzu gerne ihre Gewaltader in ihre Machtspielchen mit einbeziehen wöllten. Nein, vielmehr musste er Sie vor sich selbst schützen.

Kherra wusste sehr gut sich selbst zu helfen. Konnte eine Menge von Arschtritten verteilen, wann immer ein Möchtgernschläger ihr nach Leib und Leben trachtete.

All diese Kraft nützte jedoch nichts, wenn es darum ging, sich gegen Rekkha zu wehren.

Es war Andrens Idee gewesen, ihrem inneren Monster einen Namen zu geben.

Nur wenn es existiert, kann es auch vernichtet werden.

Das waren seine Worte gewesen. Sie verstand den Sinn, den er versuchte mit ihr zu teilen, fand es aber nur marginal belustigend ihren eigenen Namen in verdrehter Form dafür zu verwenden.

Es ist ein Teil von dir. Da ist es nur passend, wenn es auch ein Teil deines Namens ist, oder etwa nicht?

Auch diesem Teil seiner Logik konnte Sie sich nicht erwehren, wünschte sich jedoch nur, dass ihr zweites Gesicht endlich aufhören würde, sich in ihr Leben einzumischen.

Es dauerte noch eine Minute, bevor Kherra langsam wieder zu sich fand.

Sie wusste, dass Sie sich nicht ewig an ihrem Bruder krallen konnte, doch wollte Sie sich keinen Schritt von seiner Nähe entfernen. Nie zuvor fühlte Sie sich so verletzlich, wie in diesem Moment. Sie hörte mit einem Ohr den Rhythmus seines Herzens zu, während Sie mit dem anderen seine Stimme vernahm.

„Ich habe mitbekommen, wie du dich mit einem unserer ungebetenen Gäste auseinandergesetzt hast. Rekkha?“

Kherra hoffte, dass er nur den Schusswechsel mit dem Goliath hören konnte, doch ihr Bruder hatte einen Riecher dafür entwickelt, wann immer ihre schlechtere Hälfte zum Vorschein herkam. Sie nahm ihr Gesicht von seinem weißen Shirt, um ihm alles beichten zu können.

Ein verzerrter Abdruck ihrer Visage hatte sich auf seiner Brust abgebildet; eine Mischung aus Dreck, Blut und ihren Tränen.

Wessen Gesicht das wohl wirklich ist, eh?!

Sie musste diese spukhaften Gedanken sofort in die hintersten Winkel ihres Gedächtnisses verdrängen. Bei dem Anblick ihres persönlichen Stempels auf ihn musste Sie sich zusammenreißen, nicht wieder die Kontrolle über sich selbst zu verlieren.

Sie sah zu ihm auf, wollte noch einmal sichergehen, dass es auch wirklich ihr Bruder war, der Sie in ihren Armen hielt. Er erwiderte ihren Blick, schaute ihr mit einem leichten Lächeln auf den Lippen entgegen. Seine Augen waren in demselben Mitternachtsblau, wie ihre selbst. Kherra wollte am liebsten ihr Gesicht wieder in seine Brust quetschen. Wollte wieder vergessen wer, oder wo Sie war.

Ironischerweise war es Rekkha in ihr, die sie von diesem Impuls ableitete.

Jetzt antworte ihm gefälligst, du elendige Heulsuse.

Mit einem feuchten Schniefer holte Sie sich den Rotz aus ihrer Nase, bevor Sie ihm antwortete:

„Es ging alles so schlagartig. Für eine Weile glaubte ich, dass Alles normal blieb. Aber je länger ich mit mir selbst allein war, umso weniger war ich es auch, verstehst du?!“ gab Sie fluchtartig von sich; hoffend darauf, dass ihr Gestammel auch nur den Hauch von einem Sinn für ihn ergab.

„Dann hatte ich diesen Karker da hinten entdeckt und noch bevor ich es realisieren konnte, war ich nicht mehr ich selbst“ fuhr Sie fort, während Sie mit dem Kopf in Richtung der Goliath-Leiche nickte. „Andren, es war so unheimlich. Ich wollte ihn nicht einfach nur töten. Ich wollte ihn regelrecht auseinandernehmen und was weiß der Thron noch alles mit ihm anstellen.“

Ihr Blick ging von einer Seite zur Nächsten, während Sie versuchte, ihm reinen Armasec einzuschenken. Die Mundwinkel ihres Bruders verzogen sich leicht in seinem Gesicht. Seine Mimik nahm eine viel ernstere Haltung ein, während er über ihre Worte kurz nachgrübelte.

Ohne, dass Sie danach fragen musste, drückte er ihren Kopf sanft wieder an seine Brust und gab ihr noch ein paar Streicheleinheiten mehr. Kherra wehrte sich nicht dagegen. Es war eine simple Gestik, aber er gab ihr damit zu verstehen, dass er begriffen hatte, was hier vorgefallen war;

was Ihr vorgefallen war.

Es war nicht das erste Vorkommnis in dem Kherra sich dem Eifer eines Gefechtes hingab.

Schon in der Vergangenheit hatte sich ihre Verhaltensart geändert, wann immer Sie in intensive Kämpfe verwickelt wurde. Die ‚Schlächterin von Kaerus‘ wurde Sie schließlich nicht genannt, weil Sie ihre Gegner mit ein paar einfachen Blessuren davonkommen ließ.

Dieses Mal jedoch, wusste Sie nicht mehr, ob Sie noch selbst Herrin über ihr eigenes Ich gewesen war.

Wann der Moment begann, wo Sie aufhörte, Kherra zu sein und stattdessen Rekkha wurde. Es bereitete ihr eine Heidenangst ein.

Andren war nun der letzte Anker gewesen, der ihr dabei helfen konnte wieder zurückzufinden.

Er ließ trotz ihrer Horror Story nicht davon ab, ihr die Medizin zu verabreichen, die Sie benötigte. Es war das einzige Mittel, ihre Furcht vor sich selbst zu überwinden. Die Nähe zu ihm hatte auch einen weiteren Vorteil, wie Sie bald bemerkte. Ihr Adrenalin musste nun völlig aufgebraucht sein, denn seine Körperwärme ließ Sie stark zu spüren, wie sehr Sie eigentlich schon am Frösteln war.

„Es ist okay. Das alles ist jetzt vorbei. Die anderen konnten keine weiteren Kesselschlächter mehr ausfindig machen. Sie sind entweder tot, oder von unserem Territorium vertrieben. Du kannst wieder ganz du selbst sein“ sagte er zu ihr und Sie wollte ihm so sehr glauben. Der aufmunternde Unterton in seiner Stimme gab ihr zu erkennen, dass ihre zweite Seele nicht mehr gebraucht wurde. Für wie lange das so sein wird, dass jedoch gab ihr zu Bedenken.

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Kherra stand noch immer mit ihrem Bruder in den Hallen von 88-08-15, als ein weiteres Rascheln am oberen Ende des Schrottberges zu hören war.

Instinktiv spannten sich ihre Muskeln wieder und Sie wollte sich von Andren wegstoßen, als er Sie noch fester in die Umarmung nahm.

„Das ist nur Rhess. Er war die meiste Zeit mit mir zusammen auf Patrouille. Er wollte unterwegs noch ein paar der Fleischsäcke plündern, bevor wir weiter nach dir Ausschau hielten. Alles in Ordnung, du kannst dich entspannen“ sagte er zu ihr.

Kherra war ihm zutiefst dankbar, dass er ihr Wohlbefinden so ernstnahm, konnte sich aber dem Gefühl nicht erwehren, dass er Sie in diesem Moment fast schon wie ein rohes Ei behandelte.

Ihre Beziehung war seid Sie denken konnten ein einziges Hin und Her, wer das bessere Geschwist von ihn Beiden war.

Technisch gesehen war Sie die große Schwester, da Sie ein paar Stunden vor ihm geboren wurde. Dennoch war Andren mindestens einen Kopf größer als Sie. Während Sie zusammen aufwuchsen, hatte ihr kleiner Bruder ein gutes Gespür für sie beide entwickelt, Ärger weitläufig zu umgehen. Sie hingegen verstand es wunderbar, unausweichliche Hindernisse mit einem kräftigen Arschtritt aus dem Weg zu räumen. Eine unzertrennliche Symbiose, die quer durch den Underhive Necromundas durchzog.

Kherra nahm ihre Hände von seinem Rücken und legte Sie leicht auf seinen Oberkörper.

Sie wollte ihm deutlich zeigen, dass Sie sich wieder einigermaßen gefangen hatte und er Sie nicht länger mehr umarmen musste.

Der zweite Hammershafter brauchte etwas länger, bevor er endgültig die Spitze des Schrottbergs erklimmen konnte.

Noch bevor Sie ihn zu sehen bekam, rief Rhess ihrem Bruder nach.

„Oi, Andren? Hast du Sie gefunden?“ fragte er von oben herab.

Seine Stimme wurde durch den billigen Voxverstärker in seiner Filtermaske stark verzerrt. Während des Einsturzes von einem Minenschacht hatte er eine größere Menge von giftigen Feinstaub eingeatmet. Seither benötigte er eine Maske, um überhaupt noch Luft holen zu können.

Das jedenfalls behauptete er immer wieder, wenn er darauf angesprochen wurde. Kherra war sich jedoch ziemlich sicher, dass es nur eine Ausrede war, um sich ständig mit kleinen Mengen von anästhetischen Stimulanzen zu versorgen.

„Ja, wir sind hier unten“ rief Andren ihm entgegen.

Der Hammershafter stand direkt über ihnen auf dem Gipfel des rostigen Müllhaufens als er zu ihnen herunterblickte. Sein Meltagewehr befand sich lässig in seinen Händen.

„Aww. Stör ich euch gerade bei etwas?“ fragte Rhess spöttisch, den Kopf leicht genickt.

Die Gesichter von Kherra und Andren wurden sofort rot, als er diese kleine Bemerkung von sich gab. Wäre nicht klar gewesen, dass Sie beide Geschwister waren, ein Fremder hätte bei dem Anblick von Ihnen etwas anderes vermutet.

Andren nahm seine Hände von ihrem Kopf und ihrer Hüfte weg, wischte sie sich kurz an seiner Stoffhose ab. Kherra tat es ihm gleich und stieß ihn leicht von sich. Obwohl Sie die Nähe zu ihm jetzt schon vermisste, wollte Sie sich nicht noch weiter vor einem Gangmitglied bloßstellen. Selbst auf einer Makropolwelt wanderte Tratsch sehr schnell um sich; erst recht innerhalb einer Underhive Gang.

„Äh, Nein. Ganz und gar nicht. Es ist auch nicht das, wonach es für dich aussieht. Du weißt doch, mit Geschwistern ist es genauso, wie mit synthetischem Wild Snake: Schmeckt gleich, aber du weißt, dass es falsch ist“ gab ihr Bruder leicht angewidert von sich.

Kherra musste bei dieser Aussage leicht schmunzeln. Sie wusste, dass er sich nicht vor ihr ekelte, aber in Hör- und Sehreichweite der anderen Hammershafters wollte er eine gewisse Distanz vorzeigen, um Sie beide nicht in eine unangenehme Situation zu versetzen.

„Hey, jedem das seine. Ich stell keine Fragen, außer ob ich zugucken kann.“

Arschloch.

Es gab nicht viele Momente in ihrem Leben, in denen Kherra mit ihrem zweiten Ich ein- und derselben Meinung war, aber hier konnte Sie ihr nur zustimmen.

Rhess war in der Tat ein Arschloch. Ein fähiger Kämpfer, wenn es hart auf hart kam, aber länger als 5 Minuten konnte sich keine Frau in seiner Nähe aufhalten, bevor ihr nicht schlecht wurde.

Vielleicht war das auch der Grund, weshalb Thane ihn so häufig gegen 'Eschers' ins Feld schickte. Besser als jeder chemische, oder biologische Kampfstoff: die pure Essenz 'Rhess'.

Rhess nahm denselben Rutschpfad hinunter, den auch Andren einschlug. Als er am Fuße ankam, blieb er direkt zwischen dem Geschwisterpaar stehen. Er blickte weiter in Richtung Kherras, während er seine Konversation mit Andren fortsetzte.

„Sei’s ‘drum. Ist zwar Schade, aber es hätte zumindest das Verhalten Kherras von vor zwei Wochen erklärt, findest du nicht auch?“ fuhr er fort.

Kherra verstand genau, was er in diesem Moment angesprochen hatte und Sie wünschte sich zutiefst, er hätte es nicht getan.

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Sie errinnterte sich an den Moment, als wäre es erst vor wenigen Minuten geschehen:

Es war ein Abend, wie jeder andere auch.

Kherra hatte die letzte Patrouille für den Tag abgeschlossen und war zusammen mit ihrer Gruppe wieder ins Lager zurückgekehrt. Ihr kleiner Bruder war in einer Lagebesprechung mit Thane, also konnte Sie ein paar Stunden für sich selbst nehmen. Sie ging zu der improvisierten Kantine ihres Stützpunktes, um sich ein paar wohlverdiente Drinks zu gönnen und das Dataslate zu durchstöbern, dass Sie unterwegs gefunden hatte.

Der Bereich war ein alter Keller, ursprünglich dafür einmal angedacht Fässer mit Promethium einzulagern. Die Wände bestanden aus nacktem Stein, herausgemeißelt aus einer Zeit, als Necromunda noch über so etwas, wie Berge verfügte. In Kerzenlicht getränkt, färbten sie sich in einen sanften Braunton.

Kherra saß an einem der Mitteltische, die Füße selbstgefällig auf der Tischkante abgelegt. Ein reges Treiben ging wie immer in der Bar um sich. Ein jeder, der keinen aktiven Dienst vollzog, oder anderweitig beschäftig war, fand sich hier ein.

Sie weiß nicht mehr genau, wie spät es gewesen war, nur dass Sie bereits eine halbe Flasche Armasec in sich hatte, als eines der Gangmitglieder an ihren Tisch trat.

Es war Carlos, einer der Neuzugänge bei Hammershaft. Sie kannte ihn persönlich noch nicht allzu lange, bewunderte jedoch seinen Enthusiasmus, den er mit sich brachte. Er war einer dieser Draufgänger, der es nicht abwarten konnte, sich den erfahrenen Mitgliedern ihrer Gang unter Beweis zu stellen. Sehr halsbrecherisch, aber das Glück muss auf seiner Seite gestanden haben, denn seinen Worten folgten auch Taten. Sie war mit ihm auf ein paar Raubzügen in Delaque Territorium unterwegs und sah mit ihren eigenen Augen, wie er waghalsig aus seiner Deckung sprintete und zu Ablenkungszwecken das feindliche Feuer auf sich zog. Ein echter Teufelskerl.

Carlos stand direkt vor ihr. Er hatte zwei Gläser mit Wild Snake in seinen Händen, eines davon hielt er gelassen in ihre Richtung.

Das Dataslate hatte Sie bisher nur enttäuscht.

Außer ein paar Gebetstexte der Ekklesiarchie und veralteter Nachrichten aus dem oberen Hive gab es nichts Neues, was Sie daraus entnehmen konnte. Mit einem eher gelangweilten Blick entfernte Sie ihre Augen von dem Display und nahm stattdessen den Juvie vor ihr in Betracht. Vielleicht konnte er Sie ein wenig unterhalten, dachte Sie sich.

Mit einem etwas herben Ton fragte Sie den Neuling, was es ihn in ihre kleine Ecke verschlagen hatte. Ihre Stimmlage war grob, aber nicht einschüchternd. Sie wollte ihn nicht verjagen, nur etwas testen, aus welchem Holz er wirklich geschnitzt war.

Carlos blieb standhaft. Selbst wenn ihre kalte Schulter auf ihn in irgendeiner Form einwirkte, er ließ es sich nicht anmerken. Keck und ohne mit der Wimper zu zucken, kam er sofort auf den Punkt.

Er wollte von ihr wissen, ob Sie das Interesse an einem Mitternachtstanz mit ihm hätte.

Kherra blieb der Herzschlag in ihrem Halse stecken, ihr Augenlicht weitete sich schlagartig.

Zuerst ging Sie davon aus, dass es nur ein Scherz von ihm war und er lediglich ihre schroffe Art damit konterte, doch der Ausdruck in seinem Gesicht verriet ihr, dass er es ernst meinte.

Unter allen Frauen in Outcomes hatte Sie den eher ungewollten Ruf, Eine der Temperamentvollsten zu sein. Es hatte Sie zwar vor einigen, eher unappetitlichen Konversationen bewahrt, machte es jedoch auch umso schwieriger, Beziehungen in jeglicher Form aufbauen zu können. Abgesehen von Andren gab es nur wenige Männer in der Gang, die sich ihr auf Tuchfühlung näherten. Nicht Viele wussten, wer Sie wirklich war, oder wie Sie im Innersten tickte.

Die unverblümte Herangehensweise des Neulings kam wie ein Schock für Sie.

Sie stand von ihrem Platz auf und musterte Carlos jetzt ausgiebig von unten nach oben. Er war in etwa die gleiche Größe wie Sie, trug die gleiche Montur, wie die meisten Hammershafter: schwarze Lederstiefel, eine Khaki Stoffhose und ein weißes Hemd; seine Ärmel waren über den Ellenbogen gerollt. Über all dem gestülpt war die markante Kampfweste von Hammershaft Outcomes; vollbespickt mit kleinen Metalplatten, in der Hoffnung, dass eine davon die für sie bestimmte Kugel abwehren würde.

Sein Gesicht war rasiert und hatte noch sehr jugendhafte Züge in sich. Er konnte nicht viel älter als Sie selbst gewesen sein, vielleicht ein Jahr mehr, oder zwei. Seine Augen waren in einem smaragdgrünen Ton und seine Haut hatte eine leichte Bräunung. Selten für einen Underhiver, wie Sie bemerkte.

Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen, dass Sie sich nicht verkneifen konnte, ihr gefiel Carlos; sehr sogar.

Sein Äußeres war für Sie höchst anreizend und seine verwegene Art, Sie so forsch zu bezirzen, war eine nicht ganz unwillkommene Abwechslung.

Kherra wollte auf sein Angebot eingehen.

Rekkha hingegen musste ihm mit bloßer Faust ins Gesicht schlagen und dabei die Nase verrenken.

Blutend verlor der Jüngling sofort das Gleichgewicht. Er ließ eines der Gläser fallen und versuchte sich noch an einer Stuhllehne aufzufangen. Sein Sturz war jedoch so ungelenkig, dass er sich nicht festhalten konnte und stattdessen den Stuhl mit sich in Richtung Boden riss.

Als er mit dem Hintern zuerst auf den Holzdielen aufschlug, wurde Kherra erst wirklich bewusst, was wieder vorgefallen war.

Was zum …? Verkarkt nochmal, warum musstest du ausgerechnet jetzt aufkreuzen?!

Glaubst du allen Ernstes, ich lasse mich von einem halben Hemd einfach so einlullen? Dazu gehört schon wesentlich mehr als ein Glas voll teurem Fusel.

Mit einem verängstigten Gesichtsausdruck stand Sie über ihm, die Faust noch immer geballt. Sie atmete hastig durch ihre Nase und versuchte den Blutrausch in ihr sofort wieder zu zügeln.

Carlos stützte sich mit einem Ellenbogen vom Boden ab. Der Inhalt des zweiten Glases, welches für Sie bestimmt war, hatte sich während seines ungewollten Fluges quer über die Dielen verteilt, trotzdem hielt er es noch immer standhaft in seinen Fingern fest.

Mit einem rapiden Kopfschütteln holte er sich sein Bewusstsein zurück und tastete mit seiner freien Hand an seiner Nase entlang. Er bemerkte die Blutspur erst, als er seine Finger in Betrachtung nahm.

Kherra malte sich sofort alle furchtbaren Szenarien in ihrem Kopf aus, die auf Sie zukommen würden.

Sie sah ihn aufspringend, wie er versuche Sie anzugreifen und es ihr heimzahlen wöllte. Sie sah ihn kreischend davonkriechend, wie er ihre bloße Existenz verfluchen würde.

Keines davon würde ihr gefallen, doch Sie hätte es ihm nicht übelgenommen. Sie hatte sich diese Suppe selbst eingebrockt und musste Sie jetzt irgendwie wieder auslöffeln.

Dann sah Sie jedoch etwas, mit dem Sie überhaupt nicht gerechnet hatte:

Ein Lächeln hatte sich auf sein Gesicht gebildet.

Ihm wurde gerade die Fresse von mir poliert und er findet das auch noch komisch?!

Ich kann mich glücklich schätzen, wenn er mich nicht jetzt vollständig hasst.

Kherra wollte ihm aufhelfen, wollte sich für ihr Verhalten bei ihm tausendmal entschuldigen. Wollte ihm klarstellen, dass dies Alles nicht im Geringsten ihre Absicht gewesen war.

„Du … Ich … es … “

Holprig versuchte Sie, so schnell es nur irgendwie möglich war, ihre Gefühle in klare Worte fassen, doch es brachte nichts. Außer einem zaghaften Stottern wollte sich keine vollständiger Satz bilden lassen.

Ebenso wenig hatte es ihrer Situation dabei geholfen, dass sich ein Chor aus Gelächter in dem Raum um Sie herum bildete. Die Kantine war wie immer gut gefüllt und mindestens ein Dutzend Hammershafters befanden sich an der Bar, als sie das Spektakel des heutigen Abends mitverfolgen konnten: Ein Balztanz; ordentlich nach hinten losgegangen für einen der Juvies.

Kherra wurde es heiß im Gesicht.

Sämtliches Blut, dass in ihrem Körper verteilt war, musste sich in ihrem Kopf gesammelt haben. Frustriert und in Schamesröte stapfte Sie in Richtung Ausgang, den Kopf so tief Sie nur konnte in ihre Schultern gezogen.

Sie wollte sich all dem so schnell es nur ging entziehen, wollte dem Zentrum dieses Schauspiels einfach nicht länger beiwohnen. Sie begab sich schnurgerade an das andere Ende des Lagers in ihre Koje und glaubte für einen Moment, dass Sie noch immer das belustigte Raunen der Kantine vernahm.

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Kherra verlor für einen Augenblick das Zeitgefühl, als Sie über all dies nachdachte. Mit einem Augenzwinkern musste Sie sich wieder in die Gegenwart zurückholen.

Rhess stand noch immer neben ihr.

Er hatte Sie regelrecht dazu verleitet, sich an dieses unangenehme Erlebnis zurückzuerinnern und Rekkha wollte sich am liebsten bei ihm dafür Bedanken.

Mit einem Schlag, direkt in seine widerliche Hackfresse.

Besser nicht. Am Ende spricht sich in der Gang noch rum, dass genau dies dein Markenzeichen sei, wie du dein Werbeverhalten initiierst und du brauchst diese Form von Gerücht überhaupt nicht; schon gar nicht mit jemanden wie ihm.

Sie überlegte für einen Augenblick, was Sie mit ihm alles anstellen könnte, bevor Sie ihm dann eine Anweisung gab.

„Hey, Rhess. Tu‘ mir einen Gefallen, ja?

Halt deine verfeggte Klappe und check‘ den Kadaver da am hinteren Ende des Fließbandes. Vielleicht hab‘ ich noch genug von ihm übriggelassen, dass wir gebrauchen können.“

Kherra zeigte mit ausgestrecktem Arm in Richtung des Kesselschlächters, den Sie vor wenigen Minuten noch zu Klump geschossen hatte. Ihr Blick verfinsterte sich dabei, ließ jedoch nicht von Rhess’s Augen ab. Mit leichter Schadenfreude sah Sie, wie er leicht in sich rückte und der Griff um seine Waffe immer fester wurde.

„Okay, okay. Ich merk schon, wenn ich nicht gewünscht werde. Lasst es mich wissen, wenn ihr fertig seid und wir endlich aufbrechen können. Rulf schuldet mir im Lager noch eine Partie Königsmord.“

Rhess begann sich auf dem Weg zu dem Leichnam des Goliaths zu begeben, als Andren wieder das Wort ergriff.

„Alles okay bei dir? Für einen Moment sah es so aus, als wärst du auf einem anderen Planeten gewesen“ fragte er Sie. Erneut hörte Sie in seinen Worten die Besorgnis, die einzig ihrem Wohlbefinden galt. Sie fragte sich, ob er jemals einen Punkt erreiche, an dem das Alles für ihn ermüdend sein würde.

„Ich bin okay“ gab Sie ihm zurück. „Rhess ist einfach nur ein Karker“ fügte Sie noch hinzu.

Kherra wusste, dass ihr Bruder die Antwort nicht abkaufen würde, dafür kannte er Sie zu gut. Sie sah es an seinen Augen; wie er sich darauf vorbereitete, noch tiefer in ihre Psyche zu bohren.

Bitte, tu es nicht. Nicht Heute. Keiner wird dir sagen können, was du noch ausgraben würdest. Am allerwenigsten ich selbst.

So gut, wie es für ihr Sie noch möglich war, versuchte Sie eine aufbauende Miene aufzuziehen. Es war falsch. So falsch, wie synthetischer Wild Snake und Sie war sich sicher, dass er Sie direkt durchschauen würde, aber es war Alles, was Sie noch aufbringen konnte, um ihn zu beschwichtigen.

Sie war müde und hoffte inständig, dass ihre Kraft noch ausreichen würde, um diese letzte Hürde zu überstehen.

Wie eine halbe Ewigkeit kam es ihr vor, dass Sie sich gegenseitig anstarrten. Für einen Moment glaubte Sie daran, Sie müsse ihn regelrecht anschreien, um deutlich zu machen, dass er nicht länger sich Sorgen um Sie machen musste. Sie war noch nicht vollständig auf dem Dampfer, aber er hatte seinen Teil dazu beigetragen, dass Sie wieder stabil wurde. Den Rest musste Sie eigenständig stemmen.

Es vergingen weitere Sekunden, bevor Andren endlich reagierte.

Seine Mundwinkel zogen sich langsam wieder nach oben, während seine Augen langsam auf- und ab blinzelten. Ein Lächeln kehrte auf sein Gesicht zurück.

Kherra erkannte nicht, ob es so falsch war, wie ihr Eigenes oder nicht, doch das war ihr egal.

Es baute Sie ein Stück weiter auf.

„In Ordnung, du bist der Boss hier“ sagte er zum Schluss.

Er klopfte ein letztes Mal auf ihre Schulter, bevor er sich in die Richtung von Rhess begab. Sie wollte es ihm gleichtun, benötigte aber noch einen weiteren Moment. Sie musste sicherstellen, dass Sie einen klaren Verstand wieder besaß, bevor Sie den Leichnam des Goliaths noch einmal erblickte.

Als Sie mit ihren Gedanken im reinen war, drehte Sie sich auf ihrer eigenen Achse und suchte nach ihrer Schrotflinte, die Sie so ohne Weiteres weggeworfen hatte. Sie fand das gute Stück nur etwa einen halben Meter links von ihr, direkt auf einem kleinen Aschehaufen.

Kherra lief zu ihr hin, um sie wieder aufzuheben. Abgesehen von einer kleinen Schicht Asche sah das Gewehr noch recht ordentlich aus, aber Sie wollte auf Nummer sich gehen.

Sie öffnete die Ladekammer und inspizierte das Gewehr mit einem Blick durch den Lauf Schaft.

Schmauchspuren zeichneten sich quer über das Gewinde ab und zeigten ihr überdeutlich, die Rückstände ihrer Schrotladungen. Ganz abgesehen davon, war der Gewehrlauf voll mit Asche.

Von außen sauber, aber innen dreckig. Genau, wie ihre Besitzerin peitschte Sie sich selbst aus.

Kherra seufzte in sich hinein.

Es würde den ganzen Abend lang dauern, bevor Sie ihre Waffe gereinigt hatte. Wahrscheinlich würde Sie sogar die heutige Essensausgabe versäumen und nur kalte Reste abgreifen können.

Enttäuscht von ihrer eigenen Idiotie, es einfach so fallen zu lassen, schloss Sie das Gewehr wieder und nahm es in ihre Hüfte. Es half nur wenig, sich jetzt noch darüber aufzuregen.Es war geschehen und Sie konnte es nicht rückgängig machen.

Außerdem hatte ihr kurzer Aufenthalt in Manufactorum 88-08-15 eine wertvolle Lektion gelehrt:

Es ist nicht verkehrt, wenn auch das Innenleben einmal gewartet wird.

Bei dieser Geschichte hatte ich versucht, den M. Night Shyamalan in mir ein wenig heraus hängen zu lassen.

Ob das in irgendeiner Form geglückt ist, müsst ihr mir an der Stelle verraten.

Jede Art von Feedback nehme ich gerne auf; ihr könnt mir gerne verraten, wie weit im Voraus ihr den 'Twist' der Geschichte schon erkennen konntet.