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***WARNUNG: Dieses Kapitel enthält eine Beschreibung von sexuellem Missbrauch. Sensible Personen und/oder Personen, die möglicherweise oder effektiv ein entsprechendes traumatisches Erlebnis durchlebt haben, rate ich eindringlich davon ab, den nachfolgenden Text zu lesen! Des Weiteren handelt es sich vollkommen um Fiktion, es besteht keinerlei Zusammenhang mit real existierenden Personen oder echten Ereignissen.***
Es waren Tage vergangen, seit Mealarah sich in ihre Privatkammern zurückgezogen hatte. Obwohl es von Anfang an ein Teil des Planes war, dass sich Sirqa mit ihrem Chem-Pan-Sey duellieren sollte, um so die Aufmerksamkeit der Azrushar zu gewinnen, war Maelarah mit dem Ergebnis alles andere als zufrieden. Sie hatte die alten Gesetzte ihres Hauses nicht vergessen, ihnen aber keine Beachtung geschenkt. Sowieso hatten sie kaum eine Bedeutung. Dass sich gerade ihr niederträchtiger Onkel sich auf sie stütze, war ebenso zynisch wie genial. Er hatte Mealarah mit ihren eigenen Waffen geschlagen, war sie es doch, die ihren Anspruch auf Dalrailac immer auf alte Traditionen und längst vergangenes Brauchtum begründete.
Ihre Anhänger waren ebenso selbstsüchtig wie wankelmütig. Nach einer solchen Demütigung konnte sie nicht mehr darauf zählen, dass auch nur einer von ihnen sich auf ihre Seite stellen würde. Zumindest nicht, solange die Azrushar am Leben war. Was Sirqa anging, nun, vielleicht kannte sie die Gesetze der Azrushatora einfach nicht. Vielleicht waren sie ihr bekannt und sie hatte denselben Fehler gemacht, wie Mealarah selbst. Oder sie hat genau gewusst, was passieren konnte, und erfreute sich nun daran. Sollte dem so sein, würde Mealarah diese Kränkung vergelten – irgendwann. Aber immerhin kannten sich die beiden Prinzessinnen lange genug, dass Maelarah wusste, dass Sirqa insgesamt Wort halten und ihr helfen würde, ihren Onkel zu beseitigen.
Inzwischen, nachdem sich Maelarahs unendlicher Hass abgekühlt und in eisige, verächtliche Gleichgültigkeit verwandelt hatte, betrat sie seit jenem Duell zum ersten Mal wieder die Gartenanlage ihrer Gemächer. Sie verschlang den Anblick der farbenfrohen Gewächse förmlich und gab sich gierig ihren exotischen Düften hin. Was in einem Nicht-Drukhari vielleicht überwältigende Gefühle erregt hätte, war für die Prinzessin nur eine kleine Nichtigkeit. Nur schwache Eindrücke, die von der schwarzen Leere in ihrer Seele sofort aufgesogen wurden, während sie nur einen kurzen Augenblick deren Finsternis aufhellen konnten.
»Ihr seid wieder zurück, Herrin«, bemerkte Nalaryss trocken, während sie Maelarah entgegenschritt. Sie hatte darauf gewartet, dass die Prinzessin aus ihrer selbst gewählten Isolation zurückkehrte. Bald würde vollendet sein, was begonnen wurde.
»Du nutzloses Ding«, zischte Maelarah sie feindselig an. Die Prinzessin wusste zwar, dass ihr menschlicher Sklave niemals je eine Chance gegen Sirqa gehabt hatte. Ebenso, dass es gar nicht möglich war, einen Chem-Pan-Sey nur annährend so zu trainieren, dass er einer Drukhari ebenbürtig wäre. Nalaryss war in keiner Form dafür verantwortlich, dass er besiegt wurde. Trotzdem war die Kriegerin ähnlich wertlos wie der Chem-Pan-Sey. Sie war sicherlich von größerem Nutzen, hatte aber ihren einst angesehen Rang schon lange verloren. Maelarah fand es völlig angebracht, ihr die etwas unglückliche Entwicklung der Lage anzulasten. Und wenn sie es für angebracht hielt, war es dann auch das Einzige, was an diesem Ort von Belang war.
Ohne zu zögern, schlug sie der Kriegerin mit der flachen Hand ins Gesicht.
»Deinetwegen konnte mich die Azrushar derart demütigen. Deinen Zweck erfüllst du kaum mehr, eine Schande für unser Haus! Erst lässt du meinen Vater sterben, dann bringst du mich um meinen rechtmäßigen Platz in der Halle der Azrushatora?!«
»Ich gehöre dir, Herrin. Deine Verachtung soll meine Nahrung sein.« Für einen kleinen Moment zeichnete sich ein grimmiges Lächeln auf Nalaryss’ Gesicht ab. »Du wirst erfreut sein, wenn ich dich wissen lasse, dass ich meine Herkunft weiter befleckt habe, indem ich mich in deiner Abwesenheit weiter um den Chem-Pan-Sey gekümmert habe.«
»Wie befohlen«, gab Maelarah selbstzufrieden zurück. »Gehorsam wie ein erbärmlicher Sklave. Gut so. Nun denn, ich sollte diesem elenden Wesen meinen Dank ausrichten.«
»Der Chem-Pan-Sey ist in seiner Kammer, Herrin. Ich geleite euch zu ihm.«
Maelarah nickt und folgte ihrer Drukhari-Sklavin. Zufrieden genoss sie den Gedanken an die Genugtuung, die Nalaryss Tod ihr geben würde. Hätte die Kriegerin ihre Pläne gekannt, wäre sie niemals so willig ihren Anweisungen gefolgt. Nalaryss Naivität war äußerst belustigend.
***
Anton lag zusammengekrümmt auf dem Boden. Das diffuse Licht, das seine Kammer nur spärlich ausleuchtete, ließ die Schatten tanzen. Sein Schädel pochte, als hätte ein besonders grobschlächtiger Abhumaner versucht, eine Mauer einzureißen, in dem er Antons Kopf immer wieder dagegen schlug. Sein Magen brannte, als hätte er von den verseuchten Abwässer Necromundas getrunken.
Die vergangenen Tage forderten stetig zunehmend ihren Tribut. Nalaryss hatte ihn immer wieder mit kleinen Mengen Seelenessenz gefüttert, mit derer Hilfe Anton in den Warp blicken konnte. Trotzdem hatte er Ashenya bislang nicht befreien können. Auch wenn sich ihre wunderbare Erscheinung immer tiefer in seinem Verstand einbrannte, wurde das Band, dass er unter Einsatz seiner geistigen Gesundheit zwischen ihnen zu schmieden versuchte, jedes Mal von neuem wieder zerrissen. Zurück blieb nur eine verzerrende Leere, die mit jedem Mal schlimmer wurde.
Bald reichten die exotischen Alkohole und fremdartigen Speisen der Drukhari nicht mehr aus, um die zurückbleibende Leere zu füllen. Bevor die Verzweiflung sein Herz vergiften konnte, fand er auf seiner Tafel unverhofft reich verzierte, gläserne Spritzen. Die Injektionen der verschiedenen, unbekannten Xenos-Drogen halfen ihm, weiter um Ashenya kämpfen zu können. Sein Geist blieb fokussiert genug, um die Kräfte des Warps herauszufordern, wenn auch sein Körper mit rasender Geschwindigkeit ausglühte.
Der gefallene Inquisitor zuckte kurz zusammen, als die Türe zu seiner Kammer geöffnet wurde. Obwohl er völlig entkräftet war, setzte er sich, in der Hoffnung, erneut eine Dosis Seelenessenz zu bekommen, sofort auf. Doch dieses Mal stand nicht Nalaryss allein vor ihm, wie es bisher immer gewesen war. Dieses Mal folgte der Kriegerin Maelarah, ihrer beider Herrin. Für Nalaryss das Objekt ihrer ultimativen Rache, für Anton eines der Hindernisse, dass zwischen ihm und Ashenya stand.
»Ekelhaft. Er nimmt deinen Gestank ebenso an, wie du den seinen«, bemerkte die Prinzessin verächtlich. »Geh zu ihm, Nalaryss. Wo du hingehörst. Bring ihn mir.«
Die Kriegerin gehorchte und bewegte sich langsam auf Anton zu. Nachdem Nalaryss einige Schritte in die Kammer hinein gegangen war, wandte sich Maelarah direkt an den Inquisitor.
»Widerlicher Chem-Pan-Sey. Allein deine Anwesenheit entehrt mich. Ich dachte, du könntest von Nutzen sein. Ein Fehler, den ich nicht erneut begehen werde. Dich aber einfach zu töten, wäre verglichen zu dem, was ich vorhabe, schlicht zu banal.«
Nalaryss hatte noch immer keinen Verdacht geschöpft. Sie war endlich neben dem Menschen angekommen und konnte ihrer Meisterin nicht mehr gefährlich werden. Maelarah würde jeden Tag genießen, in dem Nalaryss eingepfercht mit einem Chem-Pan-Sey auf ihr Ende warten musste.
Mit einem boshaften grinsen auf ihrem sonst völlig emotionslosen Gesicht wandte Maelarah sich äußerst entschlossen und zügig, aber ebenso elegant und anmutig ab, verließ die Kammer und schloss die Türe hinter sich, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern. Anton realisierte erst einen Moment später, dass sich der schwere kristallene Mechanismus, der die Türe verschloss, aktiviert hatte. Er war wieder eingesperrt. Und mit ihm Nalaryss. Die Kriegerin hatte jedoch keine Anstalten gemacht, ihre Herrin aufzuhalten. Es schien, als wolle sie mit ihm eingesperrt sein.
»Du fragts dich, wieso ich mich einfach so einsperren lasse«, bemerkte die Drukhari trocken. »Alles so, wie der Meister es vorausgesagt hatte. Bald erfüllt sich dein Schicksal, Chem-Pan-Sey. Und meines ebenso.«
»Was... was meinst du damit?«, stammelte Anton, der am ganzen Körper zitterte. Nalaryss Ankunft hatte das verzehrende Verlangen seiner Seele genährt, Ashenya nah zu sein. Als nun deutlich wurde, dass Nalaryss nicht gekommen war, um ihn mit Seelenessenz zu versorgen, beschwor dieses schmerzliche Verlangen eine düstere Verzweiflung herbei, die Antons Verstand wie ätzender Nebel einhüllte.
Nalaryss blieb stumm, doch zeigte ihr Gesicht eine seltsame Mischung aus Ekel, Freude und Wut. Dann blieb sie vor Anton stehen und griff nach seinem Hals. Erst jetzt bemerkte der gefallene Inquisitor, dass die Drukhari eine unscheinbare, kleine Nadel in der Hand hielt. Ehe er reagieren konnte, spürte er, wie Nalaryss die Nadel direkt in seine Halsschlagader stieß. Das Gift wirkte sofort. Schmerzen zuckten durch seinen Körper und er brach zusammen. Obwohl er bei vollem Bewusstsein und Herr seiner Sinne war, konnte er seine Gliedmaßen nicht mehr bewegen. Sein Körper schien einfach nicht mehr seinen Gedanken zu folgen. Wie ein lebloses Stück Fleisch schlug er mit einem dumpfen Schlag auf dem harten Steinboden auf.
Noch mehr Schmerzen. Waren vielleicht sogar einige seiner Knochen gebrochen? Anton konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Doch wenigstens reinigten die Schmerzen seinen Geist und vertrieben die finsteren Schwaden, die seinen Verstand nach den Exzessen der letzten Tage wie unheilige Fesseln zu lähmen begonnen hatten.
Nalaryss trat ein paar Schritte zurück und blieb gelassen stehen. Ihre Augen schienen Anton förmlich zu durchbohren.
»Wir haben keine Zeit mehr. Maelarah wird uns beide töten. Nur durch die ultimative Entweihung meiner selbst kann ich die Stärke erlangen, diesen Ort hinter mir zu lassen. Nur durch die ultimative Entweihung meiner selbst, kann ich Ihr, die Dürstet, für immer entfliehen. Und nur dann kann ich Rache nehmen.«
Nachdem sie fertig gesprochen hatte, löste sie die Bänder, die ihre Armschienen festhielten. Ihre Bewegungen waren sanft und unglaublich elegant, fast so, als würde sie ein heiliges Ritual vollziehen. Als die Drukhari ihre Rüstteile abstreifte, sah Anton unzählige kleine, metallene Haken, die mit kurzen Ketten an den Panzerplatten angebracht waren und sich wie gierige Raubtiere im Fleisch der Kriegerin festkrallten. Nalaryss machte keine Anstalten, sie vorsichtig zu entfernen, sondern bewegte sich scheinbar absichtlich so, um maximale Schmerzen zu erfahren. Blut strömte, als die Haken langsam durch ihren schrecklich vernarbten Arm schnitten, ehe das Fleisch nachgab und die gebogenen Fanghaken heraussprangen.
Ebenso entfernte sie darauf ihre Beinpanzerung. Auch diese war auf grausame Art und Weise direkt mit Nalaryss’ Körper verbunden. Die Drukhari lächelte Anton ruhig an, während der Inquisitor, noch immer unfähig, sich zu bewegen oder zu sprechen, den äußerst schmerzvollen Anblick erdulden musste.
Schließlich befreite sich die Kriegerin von ihrer Brustplatte. Mehrere dutzend Haken und Nägel rissen ihren nackten, mit hunderten Narben übersäten Körper auf und hinterließen eine Vielzahl schrecklicher Verletzungen, aus denen ihr Lebenssaft herausfloss und altes, auf merkwürdige Art kristallisiertesBlut langsam abspülte. Das ölige Drukhari-Blut verlieh Nalaryss geschändeter Haut einen perversen Glanz, der die entblößte Kriegerin zu einem Kunstwerk blasphemischer Ästhetik machte.
Anton erschrak über sich selbst, als er bemerkte, wie sein durch dekadente Exzesse geschädigter Geist gefallen an dem Anblick fand. Auch wenn alle Vernunft, die ihm geblieben war, dagegen ankämpfte, wollte etwas anderes, das in ihm innezuwohnen schien, jeden Zentimeter der überaus attraktiven Xenos gierig beäugen.
Mit schwungvoller Bewegung trat die Drukhari vor Anton und präsentierte ihre von Wunden geschundene Weiblichkeit auf äußerst verdorbene Art und Weise. Langsam ging sie neben Anton in die Knie und beugte sich über ihn.
»Ich werde mein Fleisch für immer beschmutzen. Und deines ebenso. Wir werden zusammen im Hass versinken und dem Meister dienen. Nur die niedersten der Ausgestoßenen sind es Wert, seiner Stimme zu lauschen. Hörst du schon? Er ruft auch nach dir!«
Anton versuchte sich zu wehren. Doch sein Körper gehorchte nicht. Er wollte schreien, fluchen, beten. Doch seine Stimmbänder waren erschlafft. Er spürte, wie Nalaryss mit ihrer Zunge über seine Wange leckte, während sie die dreckige Robe, die seinen Körper bedeckte, in Fetzen riss.
Der Inquisitor hoffte, das Bewusstsein zu verlieren. Doch nichts dergleichen geschah. Das Gift, das seine Peinigerin ihm verabreicht hatte, war in seiner Wirkung ebenso bösartig wie perfide.
In kranker, ekstatischer Selbstverachtung rieb Nalaryss ihren blutenden Körper an Anton, dessen Verstand panisch nach einer Möglichkeit suchte, dem zu entfliehen, was noch kommen würde. Doch es gab kein Entrinnen. Unendlicher Ekel vermischte sich mit reiner, vollkommener Angst und einer blasphemischen Lust, die der Inquisitor unwissentlich in sich erweckt hatte, als er sich viel zu tief in den Warp hereingewagt hatte, um in den vergangenen Tagen nach Ashenyas Nähe zu suchen.
Schließlich bestieg ihn die Drukhari und vereinte sich gewaltsam mit ihm. Angewidert und gierig zugleich bewegte sich Nalaryss, während Antons Verstand kollabierte. Wie konnte es so weit kommen? War nicht sogar er selbst derjenige, der ihn zu dieser Unaussprechlichkeit getrieben hatte? Er hatte sich willentlich bereit erklärt, alles zu opfern. Nun wurde eben dieses Opfer gefordert. Erst jetzt wurde ihm klar, dass er nie bereit gewesen war, alles zu opfern. Natürlich hätte er, ohne zu zögern, sein Leben für Ashenya gegeben. Er war sich immer sicher, dass dieses das Wertvollste war, das er besaß.
Doch nun wurde er eines Besseren belehrt. Seine Gedanken hatten immer nur der Menschheit, der Liebe, sowie Moral und Pflicht gegolten. Selbstachtung, Würde und Stolz waren nur schemenhafte Worte, die der imperiale Propagandaapparat schon lange aus seinem bewussten Denken verbannt hatte. Bis jetzt. Bis jetzt, wo diese Drukhari im Begriff war, sie vollständig zu zertrümmern. Was war ein Leben ohne Würde? Was war er für Ashenya wert, wenn diese Drukhari ihm das nahm, was eigentlich ihr gehören sollte?
Alle seine Gedanken wurden innerhalb eines Augenblickes von unergründlichem Selbsthass hinweggefegt. Er war nichts mehr Wert. Er hatte sich entweihen lassen und noch schlimmer, einen Teil seines verkommenen Selbst fand Gefallen daran. Er würde Ashenya niemals wieder in die Augen schauen können. Er war völlig wertlos geworden.
Die unkontrollierte Wucht seiner Emotionen warfen seine Seele in den Warp. Er sah sich und Nalaryss, doch schienen sie weit, weit weg. Schleimige, blasphemische Tentakel umwanden das Paar, welches sich dort in einem purpurnen, mit glitzernden Sternen geschwängerten Nebel vergnügte. Wo die dämonischen Greifarme aber Nalaryss unwirkliche Seele berührten, verdorrten sie sofort und verwandelten sich in ausgetrocknete, schwarze Peitschen, die ihre zerschmetterte Seele malträtierten und Stück für Stück auseinanderrissen, nur um die Scherben nur Augenblicke später wieder zusammenzufügen.
»Anton!«, hörte er einen Chor von Stimmen schreien. »Komm zu mir! Umarme mich, Liebster!«
Sein Blick suchte nach dem Ursprung der sehnsüchtigen Stimmen. Instinktiv fixierte er den Wirbel, in dem Ashenya gefangen gehalten wurde. Er lag noch immer dort, wo er ihn schon die ganze Zeit über gesehen hatte. Ewig weit entfernt und doch unglaublich nah. Und dort erblickte er sie, Ashenya, klarer als je zuvor. Ihr Körper war von unglaublicher Schönheit. Die einstmals schuppige Haut schien aus poliertem Gold. Körperschmuck aus unwirklich erscheinenden Smaragden verzierte ihren entblößten Busen, während abstoßende Tentakel, die aus ihrem Rücken wuchsen, sich verspielt um ein zusätzliches paar Scherenhänden windeten, das mit edelsteinbesetzten Ketten verziert war. Dann breitete die riesige Gestalt ihre golden geschuppten Schwingen aus, worauf ihre Präsenz den ganzen Warp einzunehmen schien.
»Komm Liebster! Du hast es geschafft! Ich bin hier!«, donnerte der Chor lustvoller Schmerzensschreie.
Doch Anton reagierte nicht. Diese Kreatur war nicht Ashenya. Diese Kreatur war eine widerwärtige Ausgeburt des Chaos. Er hatte sich getäuscht. Die ganze Zeit über. Und doch schien er sich diesem Wesen anzunähern. Schneller, immer schneller näherte er sich den ausgestreckten Armen des Dämons. Was war er im Inbegriff zu tun? Er spürte, wie ein Teil seines Selbst sich ohne zu zögern dem Wesen hingeben wollte. All die freudige Befriedigung, die auf ihn warten würde! All das Glück wäre als Belohnung für seine erlittenen Qualen mehr als verdient gewesen wäre!
Die Tentakel der Kreatur wanden sich um ihn herum. Dann setzten sie zu einer entzückenden Umarmung an... und verkümmerten. Sein Geist wurde heftig durch den Warp geschleudert. Als die stürmischen Psiwinde sich beruhigten, fand er sich vor Nalaryss’ geschändeter Seele wieder, die in einem ekstatischen Tanz der Selbstverachtung über der seinen tobte. Irgendwo hinter tobenden Feuern unheiligster Natur, erblickte er den Dämon, der zuvor seine widerlichen Tentakel nach seiner Seele ausgestreckt hatte. Und er entdeckte entgegen jeder Vernunft seine eigene Seele. Erst jetzt wurde ihm klar, dass er sich sowohl bei Nalaryss als auch in der Umarmung des Dämons befand. Sein Wille war gespalten und ein Teil davon hatte sich bereitwillig dem Warp-Wesen, dass er für Ashenya gehalten hatte, genähert.
Mit dieser Einsicht aber veränderte sich etwas. Inmitten der dämonischen Umarmung tobte ein schrecklicher Sturm. Die in tausend Stücke zerrissene Kugel, die Teil seines Verstandes hätte sein sollen, widerstand den lustvollen Berührungen der Tentakel, die sie umschlangen. Unwirkliche Blitze aus finsterer psionischer Energie zuckten durch die blasphemischen Sturmwolken, die seine Seele umhüllte. Die Sturmwolken schien all die glänzenden Farben, welche von dem Dämon ausgehend in den Warp strahlten, aufzusaugen, so dass alles in einem sich selbst widersprechendem Schwarz-Weiß zurückblieb.
Anton wusste, dass er Zeuge von etwas war, dass nie ein Sterblicher hätte erblicken sollen. Der Warp barg mehr Geheimnisse, als der Inquisition bekannt war. Es gab Dinge, deren Macht ebenso groß war, wie die Macht der Chaosgötter. Mit diesen Dingen konnte er bekommen, nach was es ihm dürstete. Ashenya war verloren – wahrscheinlich war sie schon immer verloren gewesen. Anton war getäuscht worden. Doch wenn er Ashenya nicht besitzen konnte, so würde er an jenen Rache nehmen, die sie ihm entrissen hatten. Das Werkzeug dieser Rache wartete auf ihn. Es war gierig darauf, ihm zu dienen. Ein Angebot, dass Anton nicht ausschlagen würde.
Mit diesem letzten Gedanken wurde er aus dem Warp geschleudert. Etwas war nun ein Teil von ihm. Etwas so abstoßendes, dass selbst Slaaneshs gierige Tentakel nicht danach greifen konnten. Die abscheuliche Sturmwolke würde seinem zersplitterten Verstand eine neue Heimat sein.
Antons war wieder in Dalrailac. Er wusste nicht, wieviel Zeit vergangen war, doch er war noch immer in seiner Kammer. Nalaryss lag bewusstlos auf ihm. Anton hasste sie zutiefst, fand an ihrer Anwesenheit aber dennoch gefallen. Sie hatte sich an ihm festgekrallt und sich in einen unergründlichen Abgrund hinuntergeworfen. Und in diesem Abgrund fand Anton nicht nur die Wahrheit, sondern auch seine Bestimmung. Ashenya war tot. Der Imperator war machtlos. Das Chaos hatte bereits seine Fänge nach ihm ausgestreckt.
Angesichts dieser Wahrheit gab es nur etwas, das verhindern konnte, dass Antons verwundete Seele dem Warp erlag. Rache. Ein endloser Vernichtungskrieg.
Schwach dröhnte ein wimmerndes Flüstern durch Antons Kopf.
»Anton... nicht... Ich... Vergiss... mich... nicht... Anton... Anton...!«
Er erkannte Ashenyas Stimme. Sie wirkte völlig entkräftet. Doch er durfte nicht auf sie hören. Ashenya war tot. Er würde den Dämonen des Warp, die Ashenyas einst so liebevolle Stimme für ihre Lügen missbrauchten, kein Gehör mehr schenken.
Inzwischen war auch Nalaryss wieder zu sich gekommen. Anton spürte, wie sie erschöpft ihren Körper von dem seinen löste und sich zur Seite rollte.
»Es hat begonnen...«, keuchte sie, einen verstörenden Ausdruck völligen Wahnsinns auf dem Gesicht. Dann erhob sie sich langsam.
***
Hector keuchte angestrengt, während er seinem Widersacher durch die finsteren Korridore nachhechtete. Bald musste er die Verfolgung erschöpft aufgeben. Die Sicht betrug kaum mehr als zehn, zwanzig Schritte und die beißende Kälte machte jeden Atemzug zu einem schmerzvollen unterfangen. Die feuchte Luft ließ den schwarzen, erdrückenden Felsen der labyrinthartigen Sklavenquartiere mystisch funkeln, doch Hector ließ sich nicht von der unwirklichen Szenerie ablenken. Sein rechtschaffender Zorn würde ihm helfen, seine Ziele zu erreichen. Zumindest solange sein ausgemergelter Körper noch seinem Willen zu gehorchen vermochte.
Die vergangenen Tage waren hart. Und jede Stunde, die er in dieser finsteren Hölle verbrachte, zerrten weiter an seinen Kräften. Die erbärmlichen Speisereste, mit denen die Dark Eldar ihre menschlichen Sklaven fütterten, reichten mitnichten zum Überleben. Jek konnte immerhin genug davon auftreiben, damit sie beide vom Hunger verschonte geblieben waren. Die Hoffnungslosigkeit derer, die weniger rücksichtslos waren, zwang sie zu unaussprechlichen Grausamkeiten, an die Hector kaum zu denken wagte. Waren die Vorräte wieder besonders knapp, hörte man sie an den Knochen ihrer Brüder und Schwestern nagen. Wie wilde, bestialische Tiere.
Hector hatte schon viel gesehen. Das Imperium kämpfte für das Überleben der Menschheit, nicht zu ihrem Wohlergehen. Es gab viele Missstände und unzählige Grausamkeiten, die es im Namen des Imperators zu erdulden galt. Die Zustände in diesem Abgrund aber, die einzig und allein die Dark Eldar zu verantworten hatten, übertrafen all die Schrecken des Imperiums bei weitem.
Jakub vertrat diesbezüglich eine andere Ansicht. Er hatte sich schon vor langer Zeit entschlossen, die Verdammnis zu umarmen und predigte sie als gerechte Strafe. Als Test des Glaubens. Erst hatte Hector angenommen, diese Überzeugung sei für den Sklavenführer eine notwendige Annahme, um den Verstand nicht zu verlieren. Erst später stellte er fest, dass Jakub all die Qualen und den Schmerz zu genießen schien. Nicht, dass das für Hector von Belang gewesen wäre, denn Jakubs Tod war schlicht und einfach eine Notwendigkeit, völlig egal, wie verkommen seine Seele auch sein mochte.
Es machte die Sache für Hector dennoch angenehmer. Sein Plan zu fliehen wurde dadurch zu einem rechtschaffenden Kampf gegen die Schrecken, die Jakub und seine Xenos-Herren den armseligen Sklaven aufgezwungen hatten.
Vor Hector lag eine Wegkreuzung. Gerade im letzten Moment hatte er gesehen, wie Jakub nach rechts abgebogen war. Nachdem er seinem Gegner gefolgt war, und merkte, dass Jakub in eine Sackgasse geflohen war, erhöhte sich sein eigener Puls unangenehm. Er spürte, wie sein Körper mit Adrenalin vollgepumpt wurde. Die blasse, totenähnliche Gestalt des selbsternannten “Sprecher” der Sklavenbewohner stand nur einige wenige Schritte vor ihm.
»Dann ist die Zeit nun endlich gekommen«, hauchte Jakub mit dünner Stimme.
»Deine Schreckensherrschaft ist beendet, Jakub«, antwortete ihm Hector. »Du hast diese Menschen missbraucht. Du hast sie dazu gebracht, aufzugeben. Du hast sie gebrochen. Du hast sie diesen Xenos ausgeliefert!«
Jakub lachte bitter.
»Du sprichts von Schrecken, ohne zu wissen, was wahre Schrecken sind. Ich habe meinen Brüdern und Schwestern etwas gegeben, dass ihre Seele besänftigt. Ihnen das unausweichliche Schicksal erträglich gemacht. Ich habe die Ordnung aufrechterhalten, verhindert, dass sie sich in noch verkommenere Schatten wandeln. Du bringst ihnen Schmerz und Tod, wo ich ihnen Gleichgültigkeit gebracht habe.«
»Deine selbstgerechten Lügen schrecken mich nicht!« fauchte Hector.
»Meine Niederlage ist vollkommen«, flüsterte Jakub. »Möge der Imperator mit vergeben.«
Hector näherte sich, den knöchernen Dolch fest umschlossen. Ein gezielter Stich mitten ins Herz würde reichen, um die Ketten zu sprengen, die die unzähligen Menschen in dieser Hölle dazu zwangen, sich widerstandslos den Launen der Xenos auszuliefern.
Er hob den Dolch, um Jakub zu beseitigen. Doch er hatte einen entscheidenden Fehler begangen. Der Sprecher hatte nur scheinbar aufgegeben. Trotz seiner gebrechlichen Gestalt waren seine Reflexe die eines wahrhaftigen Kriegers. Er wich flink zur Seite aus und schlug Hector die Waffe aus der Hand. Mit einem starken Tritt gegen das Schienbein brauchte er den Veteranen ins Straucheln, wenn auch Hector verhindern konnte, zu Boden zu gehen.
»Ich war Soldat, oder hast du das schon vergessen?« zischte Jakub düster. »Ich werde bis zum letzten Atemzug kämpfen. Ich weiß, was mit denen passiert, die in Gefangenschaft geraten. Ich habe es selbst getan. Immer wieder. Ich werde mich niemals ergeben!«
Hector merkte, wie alles Leben aus Jakubs Augen gewichen war. Er kannte den leeren Blick. Er hatte ihn schon oft gesehen. Es war der Blick eines Soldaten, der längst vergangene Schlachten kämpfte. Dieser Kampf hatte nichts ehrenhaftes an sich. Hector musste Jakub töten, so oder so. Und Jakub schien sich dermaßen vor der Gefangenschaft zu fürchten, dass ihm jedes Mittel recht war, um sich Hectors gerechtem Zorn zu entziehen.
Ehe der Veteran seine Gedanken ordnen konnte, stürmte Jakub auf ihn zu. Gemeinsam gingen sie zu Boden. Schmerzhaft schlug Hector auf den kalten, feuchten Felsen auf. Gerade im letzten Moment konnte er seinen Kopf mit seiner rechten Hand genug schützen, damit sein Schädel nicht zerbarst.
Jakub saß auf seiner Brust und drosch mit seinen Fäusten auf ihn ein. Nach mehreren äußerst schmerzhaften Schlägen gelang es ihm jedoch, den Alten abzuwerfen und die Plätze zu tauschen. Sich am Boden windend, wie raufende Barbaren einer der unzivilisierten Urzeitwelten, rangen die zwei Männer um den Sieg. Jakub rammte seine fauligen Zähne in Hectors Hals, der den wilden Angriff mit einem kraftvollen Hieb seines Ellenbogens vergalt. Ein paar Faustschläge später fand sich Jakub in einem Hebelgriff wieder. Hector zögerte keinen Moment und brach die durch Mangelernährung geschwächten Knochen seines Gegners. Nun hatte sich das Blatt endgültig gewendet. Er lockerte seinen Griff, um den zuvor verlorenen Dolch zu ergreifen, der gleich neben ihm am Boden lag. Einen Augenblick später bohrte sich der angespitzte Knochen mitten in die fahle, haarlose Brust Jakubs, dessen Lumpenkleider im Kampf derart zerfetzt wurden, dass sie ihren Zweck nicht mehr länger erfüllten. Gleich neben der tödlichen Verletzung – direkt über dem Herzen - erkannte Hector sodann eine verblasste Tätowierung: Cadia steht! 523. Regiment!
Für einen Moment empfand Hector Mitleid. Wie er selbst, war Jakub ein Soldat, der wohl erst durch das, was ihm widerfahren war, zu dem geworden war, was er war. Sein Mitleid legte sich aber sofort, als er erkannte, dass der Imperiale Adler, der oberhalb des Schriftzuges lag, mit einem anderen Symbol überstochen worden war. Er kannte dessen Herkunft nicht, dass der boshaft grinsende Schädel mit blutroten Fledermausschwingen aber über dem Zeichen des Imperiums gestochen wurde, zeugte eindeutig von Verrat. Ganz egal, ob er in dieser Hölle seinen Glauben wiedergefunden hatte oder nicht, als Deserteur war er nichts weiter als ein ehrloses Schwein.
Mit Genugtuung lauschte er dem qualvollen Gurgeln, als Jakub langsam am eigenen Blut erstickte.
»Eeee-hehe«, grunzte Jek, der endlich zu Hector aufgeschlossen hatte und aus der Dunkelheit den zur Sackgasse werdenden Korridor betrat. »Du hast das gute Vögelchen gar nicht singen gehört! Wie schade!«
Hector blickte den Metzger finster an. »Wieso hat das so lange gedauert, Jek? Du hast Glück, hat mich dieser Hurensohn nicht umgebracht!«
»Hehe, nein, nein. Jek hört gut. Jek hört alles. Jek hätte gehört, wenn das Vögelchen die Oberhand gewonnen hätte. Ich wäre dir ganz, ganz schnell zur Hilfe geeilt. Ich lasse den Chef doch nicht einfach so sterben... nein, nein, nein!«
Das Jek ihm nicht zur Hilfe gekommen war, stimmte Hector ärgerlich. Er versuchte aber, seinen Unmut zu verdrängen. Hier unten waren sie beide aufeinander angewiesen und Jek hatte schon mehrfach gezeigt, dass man auf ihn zählen konnte. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als dem Metzger zu vertrauen – darauf, dass er den Ausgang des Kampfes irgendwie vorausgesehen hatte.
Der untersetzte Schlächter schritt auf Hector zu und blieb gleich neben ihm stehen. Ungewohnt kameradschaftlich klopfe er ihm auf die Schulter.
»Nun beginnt der wahre Spass«, murmelte Jek, während zähflüssige Speichelfäden aus seinem Maul tropften. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, ging er an sein grausiges Werk. Gierig vor Leidenschaft, aber dennoch mit vorsichtiger Eleganz, machte er einen langen Schnitt rings um Jakubs Brust. Dann stülpte er die Haut vorsichtig hoch und schob seine klobigen Händchen darunter, um das Werk zu vollenden. Jeks erregtes Schnauben ergänzte das unangenehme Schaben und Schneiden seiner Klinge und erschuf eine widerwertige Symphonie der Abartigkeit. Nach mehreren grausigen Minuten, die Hector wohl nur durch ähnlich traumatische Ereignisse ohne jeglichen Ekel durchstehen konnte, hatte Jek sein Tun vollendet. Er hatte Jakubs Kopf abgetrennt, ohne die darüber liegende Haut zu verletzten. Ein Teil der Wirbelsäule war vollständig von Fleisch befreit und diente als widerwärtiges Griffstück. Der selbsternannte Sprecher der Sklaven hatte sich in eine groteske, übergroße Handpuppe verwandelt.
Hector wollte nicht daran denken, was er selbst noch zu tun gedachte. Doch die sowohl seelisch als auch körperlich gebrochenen Sklaven waren von Jakub mit großem Erfolg auf Schrecken konditioniert worden. Sie würden ihm nur Gehör schenken, wenn sie sahen, dass er zu ähnlichen Scheußlichkeiten bereit war.
»Lass uns gehen«, sprach er zu Jek, der zufrieden grinsend sein Werk bestaunte. »Es ist Zeit, dass wir hier verschwinden.«
Ein paar dutzend Schritte vor dem Zugang zur großen Kammer im Herz des Sklavenquartiers, hielt das ungleiche Paar inne. Hector schaute wenig begeistert auf den hautbehangenen, blutverschmierten Kopf Jakubs, den Jek wie ein altes Leinenbündel hinter sich herzog. Der Metzger hatte ein breites Grinsen im Gesicht, wissend, was kommen würde.
»Dann schauen wir mal, ob unser Freund seinen Zweck erfüllt«, flüsterte Hector sarkastisch, um seine Laune etwas zu heben. Dann schritt er zu Jek hinüber und hielt ihm fordernd seine Rechte hin. Der Metzger nickte enthusiastisch und zog Jakubs leblosen Kopf hoch.
»Ich will ihn behalten, wenn wir hier fertig sind!«
»Du kannst damit machen, was immer du willst«, gab Hector zurück und griff unter die blutenden Hautfetzen. Hector zuckte kurz zusammen, als er den feuchten, schleimigen Knochen zu fassen bekam. Er hatte keine Probleme mehr damit, Jek bei seinem grausamen Handwerk zu beobachten, doch würde er sich nie an das Gefühl gewöhnen, dass ihn überkam, wenn er menschliche Überreste selbst anfassen musste. Nachdem er den ihn überkommenden Ekel abgeschüttelt hatte, hob Hector die grausige Handpuppe wie ein Szepter hoch. Die Sklaven sollen eindeutig sehen, wer nun das Sagen hatte. Langsam schritt er in die Halle, während Jek wie ein tollgewordener Kultist um ihn herum hüpfte und ihm zujubelte. Hector war nicht sicher, ob der Metzger die nahende Befreiung feierte, oder aber den abgetrennten Kopf als widerlichen Götzen-Fetisch verehrte.
Der ebenso groteske wie schreckliche Auftritt zeige aber auf jeden Fall volle Wirkung. Jene Sklaven, die sowieso genug von Jakubs selbstzerstörerischem Regime hatten, formten sofort eine kleine Traube in Hector und johlten ihm zu. Die anderen waren etwas vorsichtiger, während die wenigen, die Jakubs Schreckensherrschaft und seine ketzerische Philosophie unterstützen, sich furchtsam in den dunkelsten Winkeln der riesigen Kammer versteckten. Um sicherzugehen, dass möglichst viele Sklaven hören würden, was er zu verkünden gedachte, durchquerte Hector die Halle einmal im Kreis, ehe er auf einen aus der Decke gebrochenen Felsbrocken kletterte, von dem er gut über die paar hundert ausgemergelten Sklaven blicken konnten, die sich versammelt hatten.
»Bürger des Imperiums!« begann er mit lauter, mächtiger Stimme.
»Euer Sprecher ist tot. Jakub ist nicht mehr. Er hat euch die ganze Zeit über belogen, weswegen ich seinem Leben ein Ende setzen musste. Er hatte euch glauben lassen, die Gefangenschaft unter diesen schändlichen Xenos sei eine Prüfung des Glaubens. Doch ich sage euch, zur Hölle mit dem Glauben! Wir werden an unseren Narben gemessen, nicht an unserem Glauben. Unsere Narben sind es, die unseren Wert bestimmen. Es sind die Narben, die uns im Kampf gegen die Feinde der Menschheit geschlagen wurden, nicht aber solche, die wir, versunken in Resignation, uns freiwillig haben schlagen lassen. Brüder und Schwestern! Denk daran, was diese Xenos euch angetan haben. Dieses Schicksal fordern sie ebenso für alle anderen der unseren - für eure Eltern, Geschwister, Kinder. Für alle Mitglieder unserer ruhmreichen Spezies! In dem ihr euch dem Schmerz hingebt und das Xenos-Joch akzeptiert, unterstütz ihr den Feind in seinen perfiden Plänen. Dies muss hier und jetzt ein Ende haben! Ich bin ein einfacher Soldat, kein Kommissar. Ich fordere nicht, dass ihr irgendeine Pflicht gegenüber dem Imperium erfüllt. Ich fordere, dass ihr die Pflicht gegenüber euren Mitmenschen und euch selbst erfüllt! Folgt nicht mir, sondern der Freiheit! Lasst dieses Gemäuer unter unseren hasserfüllten Schritten erzittern und die Eldar den Zorn der Menschheit spüren!«
Während Hector zu der Menge sprach, schlich Jek durch die Ränge und verteilte die von ihm improvisierten Waffen. Natürlich waren die aus Knochen geschnitzten Dolche und Klingen nicht viel Wert, aber sie reichten allemal, um ein paar Kehlen aufzuschlitzen.
Nach dem Ende der Ansprache wurden erste bejahende Zurufe laut. Vergeltung und Freiheit waren Worte, die schon lange niemand mehr zu hören gewagt hatte. Jakubs Herrschaft der Sühne und stiller Duldung war endgültig vorbei. Eine unaufhaltsame Dynamik verwandelte die erschöpfte Menge langsam in eine hasserfüllte Flutwelle, die das Blut ihrer Herren forderten.
Hector warf Jakubs Überreste achtlos zu Boden und schritt einem Feldherrn gleich durch die aufgebrachte Menge verlorener Seelen, die begierig darauf warteten, jemandem folgen zu können. Einige jubelten ihm zu, andere murmelten düstere Litaneien des Mordes und wieder andere folgten nur apathisch der todesverachtenden Prozession, die sich hinter ihm zu bilden begann. Zielstrebig schritt er aus der Halle und folgte dem Gewölbe in die Richtung, die zum Palast der Dark Eldar führte. Jek folgte ihm einige Schritte entfernt und wirkte wie ein bösartiger Schatten, der seinen Herrn geleitet.
Schließlich kamen sie langsam zu dem bewachten Tor, dass sie in die Freiheit führen konnte – oder in einen äußerst schmerzlichen Tod.