Nachdem mich Emu ein wenig motviert hat, poste ich euch einfach mal ein paar Zeilen aus meiner Feder, bzw. Tastatur.
Kurz zur Story: Shadowrun ist ein PnP ähnlich wie DSA, D&D und Co. Spielt allerdings im Jahre 2060. (Um genau zu sein 2050-2070) SR ist Cyberpunk. Kybernetik mischt sich mit Magie. Selbige ist erneut erwacht...
Wer genaues wissen will, gönnt sich nen Blick bei Wikipedia. Falls ihr SR nicht kennt, werdet ihr wahrscheinlich nichts von der Story verstehen. Ist dann auch wumpe
Wie so oft, habe ich nie weiter geschrieben. Kritik und Kommentare sind natürlich erwünscht.
- Genug Blabla: Viel Spaß beim lesen!
Niemand
1 - Eins
Krachend landete die Faust in dem
breiten Gesicht des Orks. Stöhnend ging er zu Boden. Ohne sich mit
dem gefallenen Gegner aufzuhalten, wirbelte Nemo herum, und rammte
dem nächsten Gangmitglied seinen Ellenbogen in das Gesicht.
Zufrieden stellte er fest, das mit einem hässlichen und feuchten
Krachen mehr als nur die Nase brach. Jetzt hatte er einen Moment
Luft.
Zwei Orks am Boden. Ein Mensch sackte
gerade neben ihm zusammen. Dann musste er auf den nächsten Angriff
reagieren. Ein drahtiger und flinker Elf tauchte aus dem Nichts vor
ihm auf. Ebenso in die grünen Gangfarben gekleidet wie seine anderen
drei Kollegen.
Nemo festigte den Stand und runzelte
die Stirn. Der Elf führte tatsächlich ein Schwert mit sich. Eines
dieser japanischen Schwerter. Er musste grinsen. Auf diese Entfernung
hätte Nemo seinen Ares Predator gezogen, das Magazin gewechselt und
zielen können, ehe die Klinge überhaupt in die Nähe seines Körpers
kam. Aber er kämpfte ohne seine Waffe.
Die Keilerei mit der Straßengang kam
ihm gelegen. Die Ganger wollten Ärger, und Nemo konnte Dampf
ablassen. Natürlich war er den Jungs bei weitem überlegen. Aber das
Adrenalin des Nahkampf tat ihm gut. Berauschte ihn, ließ ihn sich
lebendig fühlen.
Der Elf schoss vor und hackte mit der
langen und schmalen Klinge nach Nemo. Dieser hatte allerdings nicht
die Klinge selbst, sondern die Schultern des Gangers beobachtet. So
konnte er den Angriff vorhersehen und wich ihm spielend aus.
Überrascht musste der Elf einen
Schritt nach Vorn machen, da ihn der Schwung mit sich führte und ins
Leere riss. Fast spielerisch tänzelte Nemo um den Schwertschwinger
herum und hob wie ein Boxer die Fäuste.
Dann kam alles anders.
Für den Bruchteil einer Sekunde sah
Nemo etwas im Gesichtsausdruck der Gangers, als seine eigenen Ohren
dieses Etwas ebenfalls registrierten. Das fast lautlose Husten einer
automatischen und schallgedämpften Waffe.
Nemos Körper und seine Reflexe
übernahmen die Kontrolle. Während sein Verstand sich noch darüber
wunderte, warum der Elf jetzt panisch an ihm vorbei starrte, ließ
sich sein Körper fallen.
Die Geschosse pfiffen dicht über Nemos
stürzendem Körper hinweg und Schlugen in den Elf ein. Die Wucht der
kinetischen Energie riss den Ganger nach Hinten.
Ehe dieser auf den Boden aufschlagen
konnte stand Nemo schon wieder auf den Beinen. So abstrakt und bizarr
es auch sein mochte, aber sein Verstand schien noch auf dem Boden zu
liegen. Völlig verwirrt hatte er das Bild der öligen Pfütze im
Kopf, in welcher er eben noch lag und wunderte sich über die
schillernden Farben, als seine Hand in die Jacke griff und den
Predator zog. Nemos Augen registrierten den Schützen, der völlig
perplex über den Lauf seine MP zu ihm schaute. Nemos Ohren hörten
wie der Ganger endlich auf dem Boden Aufschlug. Und dann war da
plötzlich sein eigener Schuss. Ohne das er es selbst registriert
hatte, hatte sein Körper den Arm ausgestreckt und geschossen. Ein
einzelner sauberer Schuss. Genau zwischen die Augen. Dann schien sein
Verstand endlich wieder den Körper einzuholen. Bewusst senkte er die
Waffe, und sah zu wie der letzte Ganger fiel. Ein Zwerg. Das war ihm
gar nicht aufgefallen. Zumindest nicht bewusst.
Das gedämpfte Klatschen von
Handschuhen ließ ihn herumfahren. Wieder waren seine Refelxbooster
angesprungen und hatten das Denken für ihn übernommen. Verblüfft
sah er, wie der Predator auf den Kopf eines Mannes in einem weiten
ledernen Mantel zielte. Dieser schien völlig unbeeindruckt von Waffe
und Schnelligkeit zu sein.
„Bravo Nemo, jetzt schlachtest du
wehrlose Ganger ab. So weit ist es mit dir gekommen?“
Süffisant lächelnd kam der Mann näher
und schob fast beiläufig den Waffenarm beiseite. Der Mann trug nicht
nur einen Mantel, der an ein vergangenes London erinnerte. Er trug
auch einen Zylinder und einen passenden Spazierstock. Als wäre er
aus einem Trid entsprungen.
Seufzend ließ der Mantelträger Nemo
stehen und stieß den jungen Elf mit dem Fuß an „Du hast nicht
einmal gemerkt, dass das ein Adept war, oder?“
Endlich schaltete Nemos Verstand wieder
einen Gang höher „Was willst du Fogg?“
Der Mann drehte sich um und lächelte
ihn mit einem perfekten weißen Gebiss an. Phileas Fogg wie er
sich selbst nannte, benahm sich wie ein englischer Gentelman.
Zumindest die meiste Zeit über. Denn Nemo hatte schon einige Male
mit dem Magier gearbeitet und wusste, das er neben Tee und Keksen
auch ein verdammt brutales Arschloch sein konnte. Hinter der eher
lächerlichen Fassade des
britischen Edelmannes steckte ein
kaltblütiger, kalkulierender aber auch hochtalentierter Magier.
„Oh, mein lieber lieber Nemo.
Entschuldige meine Unhöflichkeit. Nachdem du dich nun erleichtert
hast, würde ich mich gerne mit dir unterhalten. Eine kleine
gepflegte Konversation.“
Nemo runzelte die Stirn und verstaute
seine Waffe „Du standest da schon die ganze Zeit. Hast mich
beobachtet, hm?“
Wieder klatschte der Magier in die
Hände. Trotz des Spazierstocks in der Rechten klang schon alleine
diese Geste perfekt herablassend. „Du erstaunst mich aufs Neue mein
Lieber. Ich habe dich beobachtet, seit du aus der Monobahn
ausgestiegen bist. Natürlich habe ich einen kleinen Zauber genutzt,
um unsichtbar zu bleiben.“
Schnauben verschränkte der Samurai die
Arme vor der Brust „Und dann bewegst du deinen steifen Arsch erst,
als mich der Zwerg fast erschießt?“
Missbilligend schüttelte der Magier
den Kopf und strich sich eine blonde Strähne aus dem blassen
Gesicht. „Aber aber? Was ist denn das für eine fürchterliche
Gossensprache mein lieber Nemo? Ehe ich meinen Zauber fallen lassen
konnte, war dieser Herr mit der automatischen Waffe bereits tot.“
Innerlich verdrehte Nemo die Augen.
Dieser eingebildete Lackaffe ging ihm auf die Nerven. Dennoch war ihm
die momentane Beziehung zu dem Magier lieber, als ihn zum Feind zu
haben.
Vor einigen Jahren hatten die beiden
zusammen in einem Team gearbeitet. Als sie sich kennen lernten war
der Magier ebenso kalt und herablassend zu ihm, wie zu jedem anderen
auch. Erst als Nemo seinen Namen nannte, reagierte Fogg anders. Auf
dem Weg zu einem Labor von Ares erzählte ihm der Magier von
irgendeinem Bücherwurm, der einen Roman geschrieben hatte. Es ging
um einen seltsamer Kapitän, der in einem gewaltigen U-Boot lebte und
unendlich tief unter dem Meer arbeitete. Er überfiel gelegentlich
andere Schiffe und raubte sie aus. Ähnlich wie ein Shadowrunner. Und
was den seltsamen Magier so begeisterte war die Tatsache, das dieser
komische Typ genauso wie Nemo hieß. Kapitän Nemo.
Nemo fand das Ganze zwar sehr
merkwürdig, aber da der Run tierisch in die Hose ging, und Fogg nur
ihm den Arsch rettete war er ganz froh über diese seltsame
Faszination des Magiers.
Zwei – 2
Krachend landete das massive Beil in
dem blutigen Körper. Der Leib zuckte unter Wucht, Blut spritzte.
Erneut krachte das blanke Metall der Klinge auf den Leib nieder,
wobei mit einem feuchten Knirschen der Knochen gänzlich zerbrach.
Zufrieden sah Butcher auf den
verstümmelten Leichnam. Der Kopf war vom Rumpf getrennt, Arme und
Beine ebenfalls. Ein gewaltiges Loch klaffte in der leeren Brust. Sie
war ebenso hohl wie der Bauchraum.
Brummend machte sich der massige Mann
daran die Extremitäten noch etwas zu zerkleinern. Immer wieder
spritze etwas Blut, und besudelte die schmuddelige weiße
Plastikschürze, die sich um seinen beachtlichen Bauch spannte.
Rabiat aber zugleich auch äußert
sorgfältig zerlegte er die Reste des Menschen auf dem kalten
OP-Tisch.
Als er seine Arbeit beendet hatte zog
er sich die Handschuhe von den Finger und setzte sich blutverschmiert
auf einen Hocker. Völlig ungerührt von den Körperdüften des Toten
begann er damit ein Sandwich auszupacken. Gerade als er hinein beißen
wollte drehte er den Kopf
„Guten Abend Tamir.“
Lautlos wie ein Schatten war der junge
Mann hinter dem Schattenarzt, mit dem so treffenden Namen
aufgetaucht. Schwer seufzend erhob sich dieser wiederum und sah
seinen nächtlichen Besucher an „Wie geht es dir Junge?“
Schweigend hob Tamir die die schmalen
Schultern. Der Junge war schon als Ghul zur Welt gekommen. Seine
Eltern, beide selbst Ghule, hielten es für eine Gute Idee ihrem Sohn
den Namen des bekannten Tamir Grey zu geben. In seinen Tagebüchern
verfasste der Ghul den Angriff von Ares Macrotechnologie auf die
Insektengeister in Chicago, das Sterben der Ghulpopulation durch das
Strang-III, und das Leben in den gesetzlosen Ruinen.
„Die Augen fühlen sich etwas seltsam
an, und ich bin oft müde.“ Die Stimme des junge war rau und
kratzig. Ließ ihn älter klingen als er war.
Der Butcher erhob sich und nickte „Das
sind die Nachwehen der Operation. Außerdem musst du bedenken, das
magische Wesen wie ihr nicht für Cyberware geschaffen seid.“
Wieder blieb der Junge stumm und nickt
dem Arzt zu.
Als dieser sich wortlos umdrehte und
den Operationssaal verließ schritt Tamir näher an den Toten heran.
Ein kräftig gebauter Mensch, Muskeln zierten die Reste seines
Körpers. Das Gesicht war nicht mehr zu erkennen. Es war nur noch
eine blutige Masse.
Vorsichtig und fast ehrfürchtig
strecke der junge Ghul die langen Finger aus, und berührten die
verstümmelten Reste des Menschen mit den krallenähnlichen
Fingernägeln.
„Hunger?“ Ohne das er es gemerkt
hatte, war Butcher zurückgekehrt und hatte sich hinter ihm
aufgebaut. Natürlich war Tamir zusammengezuckt wie ein geprügelter
Hund. Das breite und rötliche Gesicht des Schattenarztes zierte ein
schmales Lächeln „Bedien dich...“
Tamir zögerte einen Moment. Dann zog
er ein Messer aus dem Schaft an seinem Bein. Vorsichtig setzte er die
scharfe Klinge am Unterschenkel des Toten an.
„Wer war er?“
„Ist das von Bedeutung?“
„Nein, nur...“
„Ein Straßensamurai. Viel Cyberware,
übergroßes Ego und nicht kugelsicher.“
Lautlos ließ der junge Ghul die Klinge
durch das Fleisch gleiten. Das geschnittene Stück war nicht
sonderlich groß. Und mit seinen messerscharfen Zähnen, und den
Klauen hätte er mehr ergattert. Dennoch verspürte er so etwas wie
Ehrfurcht. Dann biss er langsam in das blutige Gewebe und kaute.
Der Doc hatte seinen eigenen Weg die
nichtverwertbaren Reste der Toten zu Geld zu machen. Tamir war ein
Bote der ansässigen Ghulgemeinschaft. Monatliche zahlten die
Mitglieder eine gewisse Summe an den Arzt, welcher sie als
Gegenleistung mit frischem Menschenfleisch versorgte.
„Ich habe das Konto überprüft
Junge. Die NuYen sind da. Du kannst also das Fleisch mitnehmen.“
Als er die letzte große Kühlbox auf
die Ladefläche des Pickups gewuchtet hatte hielt Tamir einen Moment
inne. Der dunkle Hinterhof der Schattenklinik war einsam und
verlassen. Unrat stapelte sich am Straßenrand, und irgendwo schien
eine Teufelsratte mit einer Katze zu kämpfen.
Jetzt war es für ihn an der Zeit heim
zu kehren in den Untergrund. Ein Teil des Abwassersystems der Stadt
in welchem sich die örtlichen Ghule breit gemacht hatten. Es störte
Tamir etwas. Es war nicht die Tatsache, das sich manche Mitglieder
der Gemeinschaft wie Tiere verhielten, es war die Tatsache, das sie
sich verstecken mussten.
Schweren Herzens musste er daran denken
wie der Clan auf sein Eintreffen reagieren wurde. Sie fielen über
die Boxen her, rissen das Fleisch mit bloßen Händen von den Knochen
schmatzten und kauten. Kämpften untereinander um die besten Stücke.
Nicht mehr als wilde Tiere.
Es machte Tamir nichts aus das Fleisch
von toten Menschen zu essen. Er kannte es von klein auf. Und er war
sogar der festen Überzeugung, saubereres Fleisch zu essen, als die
anderen Bewohner der Stadt. Dennoch schämte er sich manchmal wenn
seine eigenen Leute wie ein Rudel halbverhungerter Schakale über das
Fleisch herfiel. Sein Onkel zum Beispiel war nicht einmal in der Lage
vernünftige Sätze zu sprechen. Und dennoch war er in der Gemeinde
aufgenommen worden.
Seufzend öffnete er die Tür des
Pickups und schwang sich hinter das Lenkrad. Ein Blick über die
Dächer verriet ihm das die Sonne bald aufgehen würde. Zwei Gründe
sich nun doch zu beeilen.
Er vertrug kein Sonnenlicht.
Es war nicht so wie man es von den
Vampiren aus den Trideo-Filmen kannte: Er würde sicher nicht zu
Staub zerfallen. Aber nach nur kurzer Zeit würde seine Haut anfangen
extrem zu jucken. Und nach nur einer halben Stunde ungeschützt in
der Sonne, würde seine bleiche Haut schmerzhafte Blasen werfen.
Der andere Grund sich zu beeilen war
die Tatsache das er niemandem begegnen wollte. Dieser Teil der Stadt
war zwar recht einsam, LoneStar würde hier sicher keine Streifen
herschicken, aber man konnte nie wissen.
In einer toleranten Welt, wo Orks neben
Zwergen lebten, Trolle und Elfen zusammen arbeiteten und selbst SURGE
bewundert wurde, waren Ghule noch immer der Abschaum. Doch das würde
sich ändern. Eines Tages. Das schwor sich Tamir.
Drei – 3
Stimmen. Da waren Stimmen in seinem
Kopf. Und keine Davon war seine eigene. Aus einem schwarzen und
samtweichen Sumpf der Benommenheit kämpfte sich sein Verstand träge
an die Oberfläche. Ein Spanier. Er fluchte. Nemo verstand nicht die
Worte, aber ihren Sinn. Der Südländer musste sehr aufgebracht sein.
Nemo konzentrierte sich und versuchte
die Augen zu öffnen. Aber es gelang ihm nicht. Die Stimmen kamen
jetzt irgendwo von Links. Also war er doch noch nicht verrückt.
Er saß. Auf einem Stuhl? Vermutlich.
Warum gehorchte sein Körper nicht?
Die Stimmen wurden lauter, ein
Streitgespräch. Alles spanisch. Trotz des Redeschwalls der Südländer
nahmen seine modifizierten Ohren einen anderen Laut wahr. Sofort
trennte sein selektiver Geräuschfilter den Laut heraus, und Nemo
erkannte ihn als ein Wimmern. Leise, angsterfüllt und leidend.
In seinem Unterbewusstsein regte sich
etwas. Er wusste, das dieses Geräusch hier sein musste. Aber er
konnte sich nicht daran erinnern warum. Und während er noch zu
ergründen versuchte, was zum Teufel er eigentlich mit den Spaniern
zu tun hatte, registrierte er mit der Klarheit von Kristall ein
zweites Geräusch: Jemand spannte den Hahn einer schweren Pistole.
Ein Colt Manhunter. Definitiv!
Endlich konnte Nemo auch seine Augen
öffnen. Und binnen weniger Sekunden analysierte er seine Umgebung.
Er saß auf einem Hocker. In einer schwach beleuchteten Lagerhalle.
Die Docks? Vier Männer standen in einem Halbkreis vor einem
Lichtkegel. Eine junge Frau kniete vor ihnen und wimmerte. Panik wie
ein gehetztes Tier im Blick. Trotzdem rührte sie sich nicht.
Erstarrt wie eine Maus vor der Schlange. Hypnotisiert starrte sie in
den Lauf des Manhunters, den einer der Spanier ihr genau vor die Nase
hielt.
Tief in seinem Inneren versuchte eine
leise Stimme Nemo darauf aufmerksam zu machen, dass das alles seine
Richtigkeit hatte. Aber ein wehrloses Mädchen erschießen?
Endlich gelang er die Kontrolle über
seinen Körper zurück. Schlaff richtete er sich auf und wollte den
Mund öffnen. Wollte den Spanier zurechtweisen. Doch seine Zunge
fühlte sich geschwollen an. Vier mal so dick wie üblich, und
staubtrocken. Mühsam schluckte er, hob die Hand und öffnete die
Lippen. Dann peitschte der Schuss.
Mit perverser Genauigkeit registrierte
Nemo jedes winzige Detail. Das Projektiel schlug in den Kopf des
jungen Mädchens ein, riss das schmale Gesicht auf. Zerfetzte
Fleisch, ließ Knochen splittern und verteilte Blut. Das braune,
leicht ungepflegte Haar flog wie eine Mähne im Wind, vermischte sich
mit Blut, Fleisch und Hirnmasse.
Dann riss die kinetische Energie den
Kopf aus seinem Sichtfeld. Dennoch machte er aus, wie die Reste ihres
Auges sich im Raum verteilten, ehe ihr lebloser Körper auf den Boden
aufschlug.
Völlig gebannt starrte er auf die
Leiche des Mädchens. Wie alt sie wohl war? 16? 18? Nicht mehr als
ein Kind. Dieser Spanier hatte sie einfach erschossen. Nein
exekutiert. Und Nemo stand da, und hatte es geschehen lassen.
Wieder war es die leise Stimme in
seinem Inneren die ihn versuchte darauf aufmerksam zu machen, das
alles seine Richtigkeit hatte. Aber das hatte nichts mit den
Tatsachen zu tun. Er wusste nicht wo er war. Er wusste nicht warum er
hier war. Und vor allem wusste Nemo nicht, warum ein hilfloses Kind
den Tod verdient hatte.
Seine Überlegungen schienen endlose
Stunden zu dauern. Er hatte das Gefühl, als würde sein Verstand
unendlich langsam arbeiten. Ob Trolle sich so fühlten?
Das Schnappen der Sicherung des
Manhunters ließ ihn ins Hier und Jetzt zurück kommen. Die
Hinrichtung hatte nur wenige Sekunden gedauert. Und die Spanier waren
plötzlich still.
Einer von ihnen drehte sich um,
lächelte und öffnete den Mund „Ahh senior ningún..“
Weiter kam der Südländer nicht.
Nemos Körper hatte die Kontrolle
übernommen, während sein Verstand noch immer vor sich hin dümpelte.
Überrascht, aber auch zufrieden stellte Nemo fest, das seine Hand
den Predator gezogen hatte, und dem Spanier ein Loch in die Stirn
geschossen hatte. Der fast lautlose Schuss hatte sich durch den
Schädel des Mannes gefräst. Ehe er zusammenbrach konnte Nemo durch
das Loch im Kopf, vorbei an Knochen und Hirnmasse die Hallenwand
hinter dem Mann erkennen.
Dann wirbelte sein Körper herum und
schoss wieder. Ein herzhaftes und südländisches „Fuck“ und zwei
weitere Schüsse waren das Letzte vor der erdrückende Stille in dem
Lagerhaus.
Langsam verstaute Nemo den Predator,
während sein Verstand wieder zu arbeiten begann. Mit unmenschlicher
Schnelligkeit hatte er die Spanier erschossen. Jeden einzelnen genau
in den Kopf. Nun stand er mit fünf Leichen in eine verlassenen
Halle. Ganz langsam dämmerte ihm, das er diese Männer nicht hätte
erschießen sollen. Nicht hätte erschießen dürfen. Sie schienen
ihn zu kennen. Waren ihm nicht feindselig begegnet. Der eine hatte
ihn kurz vor seinem Tod angelächelt. Schmierig zwar, aber dennoch so
als würde er sich mit einem Kumpel über einen dreckigen Witz
amüsieren.
Und dann war da noch das Mädchen.
All das überforderte Nemo. Er war
nicht dumm. Aber in letzter Zeit hatte er immer häufiger das Gefühl,
sein Verstand würde Urlaub machen. Und als Runner tat er das einzig
Richtige, was er in einer solchen Situation hätte tun können: Er
verließ sich auf seine Instinkte. Und diese machten ihm klar, das er
auf schnellstem Weg verschwinden musste.
Vier – 4
Stimmen. Da waren Stimmen in seinem
Gang. Niemand außer Tamir und seinem Vater kannte den geheimen Weg
zu dem Unterschlupf der Ghulgemeinde. Und jetzt hörte er, wie sich
mehrere Leute in dem Zugang unterhielten. Das war falsch. Ganz
falsch!