[40k] Gewölbe

  • Servus! Ich will gar nicht allzu viel dazu sagen, nur: viel Spaß, und lasst mich wissen, was ihr davon haltet.


    Gewölbe


    Der Wind heulte eiskalt durch die blutgetränkten Felder der kleinen Siedlung. Nichts stand dort noch aufrecht, die bescheidenen Hütten des Dorfes waren niedergebrannt und ihre Ruinen von tausenden Füßen zu Staub zermalmt worden. Nichts regte sich, und nur der Wind sang sein schauriges Klagelied inmitten der vollkommenen Stille. Dicht gedrängt lagen hunderte tote Männer und Frauen, in Uniformen, Arbeitskleidung oder Rüstungen in einem Meer aus Blut. Kein Grashalm fand zwischen ihnen den Platz zum Schaukeln. Riesen in schwarzen Rüstungen lagen zwischen Soldaten in weiß-roten Uniformen, Soldaten zwischen Siedlern und Siedler hinter Riesen in weißen Rüstungen. Dann, als selbst der Wind innehielt, flüsterte eine tiefe, traurige Stimme ein einziges Wort: „Justine“.


    Die Welt selbst schien den Atem anzuhalten, ein wohl bekanntes Gefühl für Danilo. Er konzentrierte sich wie schon so oft auf den beruhigenden Takt seiner beiden Herzen und drückte zwischen zwei Schlägen ab. Das Brüllen der Waffe zerriss die Stille, und gleich darauf zerriss sein Geschoss seinen Gegner. Triumphierend spie er seinem ehemaligen Bruder seine Verachtung entgegen. Was hat ein Verräter besseres zu erwarten als den Tod? Stärke? Ruhm? Ehre? Keines dieser Konzepte konnte einem Feind des Gottimperators bekannt sein, kannten sie doch nicht einmal die Liebe zu ihren Mitmenschen, zu denen, die sie beschützen sollten. Bruder Arden neben ihm schien genauso zu fühlen, als sein Kampfmesser durch den Hals eines weiteren Verräters drang und ihn niederstreckte. Der erste Renegatentrupp war erledigt, jetzt galt es, den Verteidigungsstreitkräften jenseits des Palisadenwalls zu helfen. Den Feind im Kampf Mann gegen Mann entgegenzutreten. Die toten Verräter einfach zurücklassend, stieß Sergeant Desmonds Trupp im Laufschritt vor. Gemäß den Vorschriften des Codex wechselte Danilo vor dem Beginn des blutigen Gemetzels zuerst das Magazin seiner Waffe, denn ein nur halb geladener Bolter hatte schon so manchem Helden ein zu frühes Ende beschert. Und wenn ein Astartes stirbt, wer schützt dann den Bruder an seiner Seite? Wer übernimmt seine Aufgabe, seine Verantwortung für die zahllosen Millionen Leben, die im Imperium auf einen Astartes kommen? Er kann es sich nicht leisten, zu sterben. Nicht, wenn er den Lehren des Imperators folgt und die Menschen liebt. Während er das alte Magazin in die Gürteltasche schob, aus der er das neue, noch volle gezogen hatte, fiel sein Blick auf eine kleine Gestalt, die sich zitternd an den Rest einer Mauer kauerte. Seine Autosinne filterten leises Schluchzen aus dem allgemeinen Lärm des Gefechts heraus. „Überlebende gefunden“, teilte er seinen Brüdern mit und bewegte sich auf die Gestalt zu. Ein kleines, blondes Mädchen blickte mit schmerzverzerrtem Gesicht zu ihm auf, seine Augen von Todesangst erfüllt. Ihr noch mehr Angst zu machen könnte Herzversagen verursachen, wusste Danilo, und wunderte sich gleichzeitig über die Zerbrechlichkeit seiner Schutzbefohlenen. Er berührte einen kleinen Druckkopf an seiner Halskrause, und zog sich den Helm vom Kopf. Er kniete sich vor sie und wollte ihr sagen, dass sie sich nicht zu fürchten brauchte, doch blieben ihm die Worte im Halse stecken, als er das rote Rinnsal zwischen ihren auf ihren Bauch gepressten Fingern sah. Grauen erfüllte ihn, seine Augen weiteten sich vor Schock und längst vergessene Erinnerungen tauchten wieder an die Oberfläche seines Geistes. Sein Atem beschleunigte sich, und zwischen zwei abgehackten Stößen flüsterte er zitternd nur ein einziges Wort: „Justine“.


    Der Junge hat sich weinend im Keller des Anwesens versteckt. Was wollen diese Riesen hier? Warum machen sie das alles? Was hatte seine Familie ihnen denn getan? Warum mussten Vater und Mutter sterben? Vater, der ewig fröhliche Leiter des Maunfaktorums, mit seiner stinkenden Tabakpfeife, dessen Gesicht aschfahl geworden war, als die Sirenen ertönten. Der sich selbst und seinem ältesten Sohn Waffen aus dem immer abgeschlossenen Schrank im Wohnzimmer geholt hatte und danach für immer verschwunden war. Und Mutter, mit den sanften Augen, die ihm noch vor wenigen Tagen die schöne, leuchtend blaue Strickjacke geschenkt hatte, die jetzt zerfetze Ärmel hatte und deren Farben bleich und kalt schienen. Wenn er sich doch nur an ihre Gesichter erinnern könnte, sie sind so verschwommen! Draußen vor der Tür donnerte es, und der Junge zog die Hände über den Kopf. Wer weiß schon, was draußen geschieht? Wer will es wissen? Hier können sie nicht rein, hatte Vater immer gesagt, hier beschützt uns der Imperator. Sein goldener Aquila, der die halbe Wand des Gewölbes bedeckt, spendet ihm Trost und Wärme. Aber halt – ist das nicht das Geräusch, das immer ertönt, bevor jemand den Raum betritt? Eine Augenkontrolle, hatte ihm sein Vater einmal erklärt. Die schweren Kolben gleiten zischend zur Seite, und tatsächlich öffnet sich die Tür. Wer konnte hier noch herein? Hatte Vater gelogen? Wohl kaum! Vater würde nicht lügen, das hat er niemals getan! Wer versteckt sich da im Schatten? Justine! Also lebt zumindest seine Schwester noch. Auch ihr von blonden Locken eingerahmtes Gesicht ist verschwommen. Tränen der Angst werden zu Tränen der Freude, als sie ihm entgegenrennt und die Sicherheitstür sich wieder geschlossen hat. Er vergräbt sein Gesicht in ihrer Schulter und schämt sich nicht einmal mehr. „Justine“, flüstert er.


    Danilo nahm das sterbende Kind auf den Arm, so behutsam, wie er schon lange nichts mehr berührt hatte. Leise sprechend versuchte er ihr Trost zu spenden und sie zu beruhigen, aber wie kann man ein kleines Mädchen beruhigen, das seinen eigenen Tod herannahen fühlt? Riesige Tränen liefen ihr über beide Wangen, und ihr abgehacktes Schluchzen brach ihm das Herz. Wenn er nur irgendetwas tun könnte, wenigstens ihre Schmerzen lindern! Er stand auf und folgte seinem Trupp. Dank der magnetischen Halterung an seiner rechten Beinschiene war sein Bolter griffbereit, wenn er auf einen Feind stoßen sollte, und er konnte seine Rechte nun benutzen, um dem Mädchen den Kopf zu streicheln. Ihr Schluchzen wurde schwächer, langsamer, und ihr kleines Gesicht war leichenblass. Nun sah er, dass nicht nur ihr Bauch getroffen worden war, die Splitter eines Boltgeschosses hatten ihr den Großteil ihres Unterleibs zerschmettert. Wieder war die Welt in unheimliche Stille getaucht; er konnte nur ihr leises Weinen, den unregelmäßigen Takt seiner Herzen und ein anderes, tieferes Geräusch hören, das ihm zwar vertraut schien, es aber noch nie gehört hatte.


    Zusammengekauert hocken die beiden Kinder an der Wand des Kellergewölbes. Mit zitternder Stimme singt Justine leise ein Lied, das ihre Mutter immer gesungen hatte, wenn eines der tobenden Gewitter die giftgrünen Wolken des Himmels ihrer Heimat zu monströsen Fratzen verzogen und den Kindern Angst gemacht hatte. Danilo drückt sich enger an sie. Die wohlige Wärme ihres Körpers spendet ihm für den Moment Trost. Dann tritt wieder Stille ein, drinnen und scheinbar auch draußen. Justine kann sich nicht mehr an die letzte Strophe erinnern. Während sie angestrengt, beinahe hektisch nachdenkt, leuchten an der Sicherheitstür fünf rote Punkte auf, und sie biegt sich durch, bevor sie einfach aus der Wand gerissen und forgeschleudert wird. Ein Riese in schwarzer Rüstung mit einem glühenden Handschuh erscheint, mit einem Gesicht wie aus einem Albtraum. Sein mörderisches Grinsen wendet sich einen Moment lang ab, doch dann betritt er das Gewölbe. Hinter ihm folgen drei weitere Hünen, die sich langsam die steinerne Treppe hinabbewegen. Der Erste von ihnen tritt vor sie, stößt Danilo mit dem Fuß gegen die Wand, dass ihm die Luft wegbleibt und lächelt Justine mit gefletschten Zähnen an. Sie stellt sich mutig vor ihren kleinen Bruder und breitet schützend die Arme aus. Ihr wütendes Geschrei verwandelt sich in einen Schrei aus Angst und Schmerz, als der Riese sie mit dem glühenden Handschuh in der Körpermitte packt, sodass ihr Fleisch verbrennt und seinen Begleitern bedeutet, sie mit ihm festzuhalten. Der kleine Junge starrt geälhmt vor Entsetzen auf die Gruppe von Männern, die seine Schwester bei lebendigem Leib auseinanderreissen, ihr Blut saufen und ihr Fleisch fressen. Die gequälten Schreie verstummen erst nach einer Ewigkeit, und werden vom Lachen ihrer Mörder begleitet.


    „Justine“, sprach Danilo fassunglos, als das kleine Mädchen in seinem Arm leblos zusammensackte. Ihre schweren Wunden hatten sämtliches Leben aus ihr hinausströmen lassen, während noch nicht einmal alle ihre Tränen vertrocknet waren. Endlich wurde er sich bewusst, welches Geräusch er noch gehört hatte – sein eigenes Schluchzen, wie damals im Kellergewölbe seiner Familie. Er löste seinen Bolter von der magnetischen Halterung und schritt auf die tobenden Nahkämpfe zu. Seine Brüder waren zahlenmässig unterlegen, aber das registrierte sein von Trauer und Schmerz vernebelter Verstand nicht mehr. Er hob die mächtige Waffe, zielte auf den nächstgelegenen Verräter, und drückte ab. Der Rückstoß war ihm schon lange vertraut, und doch


    brechen seine Knochen, als er die Waffe des ersten gefallenen Riesen aufnimmt und auf seinen Begleiter feuert. An der Kellertür tauchen nun weitere Riesen auf, doch diese tragen weiße Rüstungen. Lichtgestalten, vom Imperator selbst gesandt, um ihn zu sich zu holen, denkt er bei sich. Justines Mörder fallen einer nach dem anderen unter dem mächtigen Feuer der weißen Helden. Wie in Zeitlupe sieht er seine Feinde stürzen, jeder von ihnen mit einem faustgroßen Loch in der Rüstung. Die Wand mit dem Aquila hinter ihm war beschädigt worden, eine der stilisierten Federn ist nur noch durch ein winziges Stück mit dem restlichen Flügel verbunden. Danilo fühlt den Schmerz seiner eigenen Verletzungen kaum noch, als er es von der Wand reißt, sich dabei die Hände aufschneidet und immer und immer wieder auf das Gesicht des am Boden liegenden Feindes einsticht. Bis zu den Ellbogen ist


    seine weiße Rüstung nun mit dem Blut der Getöteten besudelt, und doch wollte das Töten kein Ende nehmen. Die Verteidigungsstreitkräfte waren beinahe bis auf den letzten Mann aufgerieben worden, und auch einige seiner eigenen Brüder lagen bereits tot auf dem Feld. Mit der linken Hand drückte er immer noch das tote Kind an seine Brust, während er mit der Rechten sein lange zerbrochenes Kampfmesser schwang und, ungeachtet seiner eigenen Verletzungen, wieder und wieder auf seine Feinde einhieb. „Es ist vorbei,“


    spricht einer der weißgerüsteten Riesen sanft, als er vor Danilo kniet. Auch sein Gesicht ist auf diese unheimliche Art und Weise verschwommen. Er schulde dem Imperator sein Leben, und so soll er ihm von jetzt an als einer seiner Champions dienen und ihm diese Schuld eines Tages zurückzahlen. Behutsam hebt er den kleinen Jungen auf und trägt ihn zu dem draußen vor dem Anwesen wartenden Transporter. Dann verlässt Danilo sein Bewusstsein, und als


    er wieder erwachte, lag Sergeant Desmond mit eingeschlagenem Schädel neben ihm. Keiner der Verräter lebte mehr, überall nur Tote. Danilos eigener geschundener Körper war über und über voll mit Blut, sowohl mit seinem eigenen als auch dem seiner Brüder und seiner Feinde. Wieder war die Welt still, nur der Wind sang ein leises Klagelied für seine Brüder und die armen Seelen, die ihr Leben gelassen hatten. Sein verbleibendes, immer schwächer werdendes Auge schweifte auf das tote Mädchen, das für die Ewigkeit sicher in seinem Arm ruhen würde, doch er konnte ihr Gesicht nicht mehr erkennen. Stattdessen konnte er deutlich seine seit Jahrhunderten toten Eltern und seine Schwester vor sich sehen, so klar wie seit Beginn der Transformation nicht mehr. Sie standen stolz und glücklich lächelnd vor ihm und winkten ihm zu. „Justine“, flüsterte er mit trauriger Stimme.