• Ja, ich wollte seit langem mal wieder etwas schreiben, mal etwas anderes und hatte gerade etwas Zeit. Ist erst der Anfang, mal schauen was sich daraus noch so entwickelt...

    1


    Ich stehe in dem Personen-Lifter und halte mich mit der linken Hand an den dafür angebrachten Griffen fest. In der Rechten halte ich das kleine Holobuch fest in der Hand, um es im Gedränge nicht zu verlieren. Die Personen-Lifter sind auf 30 Menschen ausgelegt, allerdings sind diese so früh morgens immer überlastet. Doch trotz der nahezu unerträglichen Enge erkenne ich in den Augenwinkeln, wie jeden morgen, Menschen die versuchen soweit wie möglich von der Menge wegzukommen. Ich beobachte diese Menschen seit Wochen. Seit ich jeden morgen zur gleichen Zeit auf Ebene 24 in den Personen-Lifter steige. Sie stehen immer an denselben Plätzen. Manchmal ist nur einer, manchmal sind sie zu zweit oder zu dritt. Sie unterscheiden sich von den anderen Menschen. Und das wissen sie. Man sieht es ihnen an. Ich kenne solche Menschen. Es gibt sie auf jedem Planeten. Sie sind of gezeichnet. Manchmal sind es Zeichen körperlicher Gewalt. Narben im Gesicht. Eine eingedrückte Nase. Manchmal sind es Zeichen der körperlichen Verwahrlosung. Starker Körpergeruch, ungekämmtes, strähniges Haar, oder schmutzige Kleidung. Ich finde es jedes Mal interessant, wie das Verhalten dieser Menschen dem der Cogboys ähnelt. Sie sind Außenseiter. Nur unter sich. Und das ist das schwierige an meinem Beruf. Das ist der Grund warum ich den Job auf Ebene 32 angenommen habe. Man kommt unter Menschen. Man sieht sie, man riecht sie, man spürt sie an sich vorbei gleiten. Da, das Signal, Ebene 31 erreicht. Aber auf das Signal hätte ich nicht warten müssen. Schon zwei Ebenen zuvor wurden die Außenseiter nervös. Sie drängen sich an mir vorbei Richtung Ausgang. Sie meiden dabei jeden Blickkontakt. Machen große tollpatschige Schritte. Und dann, die Tür des Lifters ist kaum geöffnet, drücken sie sich durch den Ausgang und sind verschwunden. Ich stehe immer noch auf meinem Platz und wende mich wieder meinem Buch zu. Ich brauche nicht hinter ihnen herzugehen. Sie werden morgen wieder an ihrem Platz stehen. Das Gesetz des Lifters denke ich mir mit einem Schmunzeln. Ich muss sie weiter beobachten. Aber die Chancen stehen schlecht. Meistens sind es einfach vom Glück verlassene Individuen. Oft verrichten sie sogar den größten Teil der gesellschaftlichen Arbeit. Aber das tausendstel Promille der Schuldigen und Verdammten zu erkennen, das ist mein Job. Als ich von der Schola Progenium rekrutiert wurde, dachte ich, ich wäre bereit für diesen Job. Nun weiß ich es besser. Viel Besser. 80 % der Zeit mischst du dich unter die Menschen. 15 % der Zeit erledigst du den Papierkram. Tja. Ich bin mal auf die restlichen 5 % gespannt…



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    Den Lifter habe ich hinter mir gelassen. Nun bin ich auf dem Weg zu Schleuse 32-43. Auf zur Arbeit. Nur Schade das meine Arbeit nichts mit meinem Job zu tun hat. 8 Stunden am Fließband stehen und Batterien in Haushaltsgeräte einbauen. Wenn ich es mir recht überlege bin ich froh, dass meine Arbeit nichts mit meinem Job zu tun hat. Die Arbeit ist Tarnung. Der Job die Erfüllung meiner Pflicht. Am Fließband angekommen fange ich an mit den Batterien. Nur nicht zu schnell arbeiten um nicht aufzufallen. Ich muss schon froh sein das mich noch keiner beim lesen im Personen-Lifter erwischt hat. Das könnte schmerzhaft werden. Für die Anderen versteht sich. Ach, ich hasse den Alltag. Und ich liebe ihn. Mal langweilt sich und mal lernt. Man lernt in den Menschen zu lesen ohne mit ihnen zu reden, ohne sie zu kennen. Man lernt worauf es ankommt. Worauf es dem Imperator ankommt…

  • 3


    Mittagspause. Ich laufe mit der Meute Richtung Kantine. Bedacht darauf mich nicht zu sehr und nicht zu wenig unter sie zu mischen. Ein paar freundliche Blicke hier und da, das eine oder andere Kopfnicken. Meinen langen braunen Trenchcoat werfe ich locker über den Hocker bevor ich zur Essensausgabe schlendere, um mir den alltäglichen Synthi-Proteinmix abzuholen. Wenigstens in Form könnten sie es pressen denke ich mir als ich mit dem Tablett zurück zu meinem Platz gehe. Auch hier spielen sich die gleichen Szenen ab wie überall. Die Gutaussehenden, beliebten Menschen rotten sich zusammen und lassen sich unterhalten, während die Außenseiter ein paar Tische in der Nähe des Ausgangs besetzt haben. Ich setze mich und fange an den bräunlich-gelben Schleim in mich reinzudrücken. Mein Blick gleitet immer wieder zu den Tischen beim Ausgang hinüber. Auch hier nichts wirklich verdächtiges. Sie scheinen sich gut zu verstehen, lachen und reden miteinander, untereinander. Wenn einer der "Beliebten" vorbeikommt wird es still. Ein leichtes lächeln geht mir übers Gesicht. Nein, auch hier brauche ich mehr Zeit.
    Ich beneide oft meinen Beruflichen Urgroßvater. Er hatte... Fähigkeiten. Nun, auch ich habe die meinen. Allerdings sind es eher defensive Fähigkeiten. Das kann von Vorteil sein... Nun, ich lese oft Gideons Bücher. Ich lese sie, aber ob ich sie verstehe, wer weiß. Manchmal ist er mir gar nicht wichtig. Die Worte gehen durch gleiten durch meinen Kopf, inspirieren mich, verwirren mich, bringen mich zum schmunzeln. Das lachen wurde mir auf der Schola Progenium abgewöhnt. Aber für ein Schmunzeln bin ich gerne zu haben. Manch einen würde es wohl verwirren, dass ich zu meinen beruflichen Urgroßvater, den ich persönlich nie kannte, ein besseres Verhältnis habe, als zu meinem vermeintlichen Mentor und Ausbilder.
    Als ich meinen verträumten Blick abschüttele bemerke ich, dass die Tische in der Nähe des Ausgangs nicht mehr besetzt sind. Nun gut. Sie werden morgen wieder da sitzen. Ich weiß so etwas. Das gehört zu meinen Fähigkeiten…

  • 4


    Schichtende. Ich hab geschwollene Fingerknöchel von der Arbeit. Man sollte meinen man gewöhnt sich an diese Tätigkeiten. Naja. Vielleicht in ein, zwei Jahren. So lange werde ich nicht hier sein. Hoffe ich. Manchmal beneide ich meinen sogenannten Mentor. Er wäre mit 20 Gardisten durch die unteren Ebenen der Metropolen gestampft, mit viel getöse. Und hätte wahrscheinlich ein Blutbad angerichtet. Unter den falschen versteht sich. Die Statistik spricht gegen ihn. Ich glaube nicht das er mich gewählt hätte. Es war der Wunsch seines ehemaligen Mentors gewesen. Ich hätte mir angenehmere Bedingungen zum erlernen meines Jobs gewünscht. Nun gut. Ich mische mich wieder unter die Menge. Vorbei an Schleuse 32-43. Auf dem Weg zum Personenlifter spüre ich eine Unregelmäßigkeit. Langsam und unauffällig bewege ich mich Richtung Wand. Ich versuche den Überblick zu bekommen. Ein Strom aus Menschen zieht an mir vorbei. Hunderte, Tausende. Aber es ist schon vorbei. Entweder ist das was ich spürte außer Reichweite. Oder schlimmer, es hat sich abgeschirmt. Verflixt. Ich hasse es wenn der Gegner die gleichen Tricks anwendet wie ich...

  • 5


    In meinen 12 Quadratmetern auf Ebene 24 setze ich mich an meine Werkbank. Ich aktiviere das Nullschild, welches mich von meiner Umgebung abschirmt. Ich kann jetzt nicht schlafen. Obwohl in 5 Stunden die nächste Schicht beginnt. Ich habe mich einfach noch nicht an den 39 Stunden Tagesrythmus gewöhnt. 3 Schichten a 8 Stunden und dazwischen 5 Stunden Ruhezeit. 12 dieser Tage hintereinander. Dann einen frei. Nein, ich beneide die Menschen hier nicht um ihr Schicksal. Ich arbeite lieber an meinem neuesten Schmuckstück. Ich liebe Technik. Ich habe sie immer geliebt. Im Gegenteil zu meinem Mentor. Er verabscheut die Technik. Er sieht darin eines der Übel der Menschheit. Vielleicht bin ich im falschen Ordo gelandet, wer weiß. Ich habe gehört der Ordo Xenos beschäftigt jede Menge Technik-Freaks. Im Ordo Häreticus hat man es da um einiges schwerer. Auch wenn die Technik einem hilft seinen Job zu tun. Mein aktuelles Schmuckstück ist nur für mich gedacht. Ich hoffe, heute die neuen Samarium-Spulen einbauen zu können. Und dann die ersten Tests. Ich bin sehr gespannt. Vielleicht bin ich bis zur nächsten Schicht fertig.
    Technik... ich liebe die Technik...

  • 6


    Ich habe Kopfschmerzen. Wie immer wenn ich zu lange an meiner Werkbank sitze. Aber es hat sich gelohnt. Es ist fertig. Bald werde ich sehen ob die antiken Baupläne korrekt waren. Es ist wunderschön geworden. Es hat die Form eines kleinen Vogels, nicht größer als mein Daumen, tiefschwarz, Schriftzweichen sind in filigranem Gold und Silber eingelassen und es pulsiert vor Kraft. Es wird meine Fähigkeiten stärken, sie fokusieren. Ich liebe Vögel. Es sind mir die liebsten Lebewesen. Sie erinnern mich an mich selbst, an meine Gedanken, an meine Seele. Die Gedanken sind frei heißt es in einem Äonenalten Lied. Das Lied muss aus besseren Zeiten stammen. Es gibt nichts freies in dieser Galaxy, am allerwenigsten die Gedanken der Menschen. Nun, zumindest die der meisten Menschen. Meine Gedanken sind frei. Das gehört zu meinen Fähigkeiten. Deshalb wurde ich rekrutiert. Meine Gedanken können nicht gelesen werden, oder besser, konnten bis jetzt nicht gelesen werden. Nur der Imperator weiß was in mir vorgeht. Mein Mentor ist ziemlich unglücklich, um es harmlos auszudrücken, über diese Situation. Er versucht ständig in mir zu lesen, ich spüre es. Aber er sieht nichts. Ich hingegen kann sehen. Ich kann die Gedanken der Menschen nicht lesen, aber ich sehe was sie ausstrahlen. Und ich sehe wenn sie etwas verbergen. Für meinen Mentor ist die Galaxie Schwarz/weiß. Für mich hat sie tausende Farben. Was den Job nicht einfacher macht. Ich hänge mein neues Artefakt an einer Kette um meinen Hals und verberge es unter meinem Hemd. Dann trinke ich ein Glas Wasser. Ich trinke immer zu wenig, was die Kopfschmerzen nicht besser macht. Dann ziehe ich mir den Trenchcoat über und verlasse meine 12 Quadratmeter in Richtung Personen-Lifter. Und lasse in Gedanken einen Vogel fliegen...