[Schnulze] Jeder verdient es glücklich zu werden...

  • Es ist eine Kurzgeschichte, die ich für eine Bekannte geschrieben hatte, da ich es versprochen hatte..


    lest selbst, aber achtung, schnulzig


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    Er hämmerte mit seiner rechten Faust auf den Schreibtisch, während er mit der linken Hand wild gestikulierte. Er zuckte zusammen, als er merkte, dass sich sein Ohrhörer löste und runter zufallen drohte. Schnell versuchte er ihn wieder in sein Ohr zu drücken, damit das Gespräch nicht abbrach. „Nein, ich hab ihnen doch schon gesagt, dass ich die Unterlagen für den Kapersy-Fall nicht habe. Die hat Dorethy schon ins Archiv gebracht. ...Was nein! Natürlich nicht, woher sollte ich denn wissen, dass.... Ja, ist okay, ich weiß. Ja! JA! Ich kümmere mich drum. Ja, es wird besser laufen, ich bin nur etwas .. Ja..Nein.. Okay, ich hab verstanden. Ja, auf wiederhören.“ Er griff nach dem dünnen Kabel dass zum Ohrhörer führte und zog es sauer heraus. „Verdammte Scheiße!“, brüllte er und warf mit einem weit ausgeholten Schwung den Ohrhörer auf den Boden. „Verdammte Scheiße! Dieser Arsch!“ Vorsichtig wurde die Tür zu seinem Büro geöffnet und eine Frau steckte ihren Kopf durch die einen Spalt aufstehende Tür. Es war seine Sekretärin Dorethy. Sie schaute mitleidig zu ihrem tobenden Vorgesetzten. „Sir, kann ich was für sie tun? Wollen sie vielleicht einen Kaffee?“ Wutendbrand starrte John seine Sekretärin an. „Kaffee?“, blaffte er sie an: „Kaffee?“ Er griff zu seiner leeren Tasse, die auf seinem Schreibtisch stand und warf sie gegen die Wand neben dem Kopf von Dorethy. Diese zuckte vor Schreck zusammen und schloss schnell die Tür, bevor sie weinend dahinter zusammensackte und gegen die Tür gelehnt weinte. John hatte ihr noch etwas hinterher gebrüllt, doch dass hatte sie nicht mehr verstanden.


    Zehn Minuten später, nachdem sich John ein wenig beruhigt hatte, ging er vor die Tür und sah, dass der Raum leer war. So verließ er den Raum und trat in den Vorflur. Überall wusselte Personal rum, doch von Dorethy keine Spur. Er hielt sich links und ging zur Informationsstelle. Hier hätte sie vorbei kommen müssen. Maridice hatte gerade Dienst, also wollte er sie fragen, ob sie seine Sekretärin gesehen hatte. Als er vor ihr am Pult stand, funkelte sie ihn böse. Sie schaute weg und beobachtete ihn gar nicht mehr. „Maridice, haben sie Dorethy gesehen?“, fragte er, obwohl sie sich sichtlich nicht dafür interessierte. Sie schaute dennoch kurz hoch und schnautze ihn an: „Das wüssten sie wohl gerne. Wollen sie noch mehr Tassen nach ihr werfen? Sie hat gekündigt und Beschwerde eingereicht. Aber das wird ihnen unser Chef schon persönlich sagen.“ John schaute verwirrt drein und wie aufs Stichwort tauchte auch schon sein Chef neben ihn auf. „Kommen sie bitte mit in mein Büro!“, sprach er mit gemäßigter, jedoch verärgerter Stimme.


    Beide betraten das geräumige Büro und John setze sich auf einen Lederstuhl vor dem dunklen Edelholzschreibtisch seines Chef´s. Dieser ging um den Tisch rum, setzte sich jedoch nicht, sondern stemmte sich mit seinen Fäusten auf dem Tisch ab und schnauzte los: „Sind sie eigentlich noch ganz bei Trost? Was sie gemacht haben ist unhaltbar für unsere Kanzlei und für unser Ansehen. Einfach seine Sekretärin mit einer Tasse zu bewerfen!“ John streckte die Arme in einer Geste der Unschuld von sich und versuchte zu erklären: „Ich wollte das nicht, ich hab einfach reagiert, ich bin aus meiner Haut gefahren, ich wollte..“ „Mir ist egal, was sie wollten!“, unterbrach ihn sein Chef: „Sie hat gekündigt, ich hab sie überredet zu bleiben, da sie hier schon seit Jahren einen guten Job macht, aber sie sind fristlos entlassen.“ John blieb die Sprache weg. „Aber..“ „Nichts aber, verlassen sie mein Büro und packen sie ihre Sachen! Sie haben hier nichts mehr zu suchen!“ John stand auf und ging. Er war schwer getroffen und spürte die Hass und die Freude, die es den Leuten bereitete, ihn so gebrochen zu sehen. Wobei er es am offensichtlichsten bei Maridice spürte. Er betrat sein Büro und ließ die Tür langsam hinter sich zufallen, bevor er sich daran machte seine Sachen zu packen.


    John verließ, gerade durch den Haupteingang das Gebäude der Kanzlei und wollte gerade zu seinem Auto gehen, als er merkte das etwas nicht stimmte. Sein schöner Prosche hatten einen eingekratzen „Arschloch“-Schriftzug und einen Spiegel weniger. Außerdem waren zwei Reifen durchstochen.



    John kletterte über die Brüstung und hielt sich mit beiden Armen am Geländer fest. Er schaute in die Tiefe und sah den Fluss, unter sich hinweg rauschen. Die Wellen schienen ihn förmlich zu rufen. Er wollte sich fallen lassen, als er plötzlich eine Frau neben sich bemerkte. „Gehen sie, ersparen sie sich diesen Anblick.“, flüsterte er ohne sich zu ihr umzudrehen. „Nein, ich bleibe hier stehen, ob sie nun springen oder nicht.“ John erschrak. Als er die Frau sah, wurde ihm ganz anders. Sie schien so vertraut. Ihr langes braunes Haar wurde seicht im Wind bewegt. Sie war wunderschön, fand John. „Ich meine es ernst, ich werde springen.“ rief er ihr zu, doch sie erwiderte nur trocken: „Tun sie es.“ Er hatte eigentlich vor gehabt zu springen, doch er traute sich nicht wirklich. Er wollte nicht vor dieser Frau in den Tod springen. Er wusste nicht einmal wieso er inne hielt. Wollte er ihr den Anblick ersparen? Oder oder empfand er auf dem ersten Blick etwas für sie? Er wusste es nicht, war jedoch verunsichert, was er nun tun sollte. Er schloss die Augen und versuchte eine Entscheidung zu fällen. Er lehnte sich nach vorne über, hielt sich jedoch mit seinen Händen nach hinten hin fest. Er sah das Wasser vor sich und stellte sich vor, wie er nach unten fallen würde. Er ließ seine Gedanken durch seine Vergangenheit schweifen. Warum sollte er weiterleben wollen. Er hatte alles verloren und er war selbst daran schuld. Er hatte seine Sekretärin dazu veranlasst zu kündigen und sein Auto zu beschädigen. Er hatte seinen Job verloren und seine Frau hatte ihn verlassen. Das alles war zu viel für einen Tag. Zu viel für ihn. Er erschrak leicht, als ihn die Frau leicht am Arm fasste. Er sah ihren Blick. Es war, als würde sie verstehen, was er fühlte und es nahm ihn ein Teil der Traurigkeit. John wendete den Blick ab und zog sich wieder ans Geländer zurück, bevor er drüberstieg und sich mit dem Rücken gegen gelehnt, hinsetzte. Die Frau hockte sich neben ihn hin und legte ihren Arm um seine Schulter. John brach in Tränen der Verzweiflung aus. Er hatte es nicht zurückhalten können, es war komisch für ihn, sich so offen zu zeigen, dennoch schämte er sich nicht und weinte weiter.


    Sie begleitete ihn, während er langsam nach Hause lief. Er erzählte ihr, was ihm alles in letzter Zeit passiert war und was ihn dazu gebracht hatte, sich beinahe das Leben zu nehmen. Sie hörte einfach nur zu, schien jedoch nicht im geringsten Überrascht zu sein. John fragte sich, ob sie ihn auch wirklich ernst nahm, verwarf den Gedanken jedoch, als ihm die Dummheit dieser Frage bewusst wurde. Sie hatte ihn davon abgehalten zu springen, da würde es jeden interessieren warum. So erzählte er davon, dass ihn seine Frau verlassen und er seinen Job verloren hat. Aber immer noch keine Frage von ihr, warum. Ahnte sie, dass er es ihr eh erzählen würde oder wollte sie ihm bloß zuhören? Er schlenderte mit ihr gerade eine Seitenstraße der Altstadt entlang und die orange leuchtenden Gusseisenlaternen hüllten die alte Straße in ein seichtes warmes Licht. Sie liefen an einer Bar entlang, wo der Wirt gerade dabei war, alles für die Schließung vorzubereiten. Ansonsten war alles ruhig. John hielt inne mit seinem Gespräch und beschaute sich die Umgebung genauer. „Malerisch oder?“, fragte die Frau. John drehte sich zu ihr um. Es war ihm gar nicht aufgefallen, aber es war das Erste, was sie zu ihm gesagt hatte, seitdem sie von der Brücke weg waren. Sie schaute ihn lächelnd an. „Ich meine, ist doch schön hier oder nicht?“ Sie legte leicht ihren Kopf zur Seite und schaute ihn fragend an, in der Hoffnung endlich eine Antwort zu bekommen. John blickte sich nochmal um und es muss so gewirkt haben, als würde er erst jetzt mitbekommen, wo sie waren. Sie lachte daraufhin und lief einen Schritt nach vorne. „Komm schon. Und diesmal verschließe nicht die Augen beim Laufen.“ John schmunzelte und folgte ihr. „Wie heißt du eigentlich?“, brachte er nun heraus. Sie drehte sich zu ihn um und sagte: „Selly.“


    Sie hatte ihn noch bis zu ihm nach Hause begleitet und so standen sie nun unten vor der Haustür. John stand verlegen da und wusste nicht, wie er reagieren sollte. Es war ihm irgendwie peinlich, da er sich wie ein kleiner Junge fühlte, der nach Hause gebracht werden musste. „Wo wohnst du?“, fragte er sichtlich nervös: „Ich meine, wenn du weit weg wohnst, kann ich dich da hin bringen oder du kannst mit hoch kommen und dann schlafe ich auf der Couch oder..“ Ihr Kichern unterbrach ihn und er wurde rot. „Ich bin zur Zeit in einem Hotel hier, da kann ich gerne mit hoch kommen.“ Sie strahlte ihn förmlich an und John merkte, wie sein pochendes Herz im ganzen Körper zu spüren war. Er schaute sie verlegen an und sie lächelte nur. Sie legte wieder den Kopf leicht zur Seite. „Du musst schon aufschließen.“, sagte sie mit einem Grinsen. John strahlte über das ganze Gesicht, versuchte es jedoch zu verbergen und schloss auf.
    Als sie oben ankamen, zeigte er ihr kurz die Wohnung und holte schließlich eine Decke und ein Kissen aus dem Schlafzimmer, um sie auf die Couch zu legen. Selly sah sich das Schlafzimmer genauer an und ließ sich aufs Bett fallen. „Danke!“, rief sie ihm ins Wohnzimmer zu. John blickte auf und rief zurück: „Wofür?“ „Dass ich heute bei dir schlafen kann. Bis zum Hotel wäre es doch noch ein ganzes Stück gewesen.“ John wollte sich gerade hinlegen, als Selly wieder ins Wohnzimmer trat. Nur mit einem knappen Höschen und einem leichten Top bekleidet stand sie da. „Wo ist nochmal die Toilette?“, fragte sie zaghaft. John, der sich erst wieder sammeln musste stammelte: „Hinten links.“ Selly bedankte sich und ging. John schaute ihr noch immer ungläubig hinterher. Sie war so bezaubernd schön, dass er es noch nicht ganz begreifen konnte. Ihm kam es komisch vor, dass sie so auf ihn reagierte. Warum war sie sofort mit hoch gekommen? Als sie wieder vorbeikam, versuchte er ihr nicht hinterher zu schauen, da er die Befürchtung hatte, sie würde es merken können. Als er sich hinlegte dachte er über die Situation an der Brücke nach und wie alles gelaufen wäre, wenn er gesprungen wäre.


    Er wurde geweckt, als er ein Klimpern aus der Küche gehört hatte. Er riss die Augen auf und schnellte hoch. Er sah, wie Selly gerade an seinem Hängeküchenschrank nach etwas suchte. Sie streckte sich und ihr Top zog sich bis über den Bauchnabel hoch. Sie blickte nach links zu ihm und lächelte: „Guten Morgen. Wo ist denn der Kaffee?“ John kam in die Küche gelaufen und holte aus dem Schrank neben ihr den Kaffee raus und befüllte die Kaffeemaschine. „Guten Morgen, konntest du gut schlafen?“, fragte er über die Schulter und nahm eine Tasse aus der Spüle und säuberte sie. Selly lehnte sich gegen die Küchentischplatte und stütze sich mit den Händen ab. „Ach...“, stöhnte sie leise: „Ich hab wunderbar geschlafen, geradezu himmlisch.“ Sie stieß sich leicht ab und kam zu John rübergelaufen. „Fast wie ein kleiner Engel.“, kicherte sie. John drehte sich zu ihr um. Er hatte ihr bereits Kaffee in eine Tasse gefüllt und sie nahm die Tasse dankend entgegen. „Was hast du für heute geplant?“, fragte sie ihn. John goss sich selber was in eine Tasse und beobachtete sie, wie sie sich wieder gegen die Tischplatte lehnte. „Ich hab keine Ahnung, ich denke ich werde heute nirgends hingehen.“, nuscheltet er, indem er in die Tasse schaute. Selly schaute ihn weiterhin lächelnd an und trank einen Schluck. Sie riss die Augen auf und hustete. John schaute auf: „Schmeckt er nicht?“ Selly schüttelte den Kopf: „Nein, er ist gut, ziemlich stark.“ Sie stellte die Tasse neben sich und und nahm John die Tasse weg und stellte sie in die Spüle. „Weißt du was?“, fragte sie: „Wir gehen jetzt erst einmal in die Stadt und dort kommen wir auf andere Gedanken. Sie hielt ihn an der Hand fest und zog ihn hinter sich her. Kurz vor dem Schlafzimmer ließ sie ihn los und drehte sich zu ihn um. „Ich zieh mir was an und du machst dich auch fertig.“ schmunzelte sie und verschwand hinter der Tür. John stand leicht verwirrt und überrumpelt vor dem Zimmer und wollte einen Schluck nehmen, als ihm auffiel, das er die Tasse schon längst nicht mehr in der Hand hielt. Er drehte sich aufgrund der Verwunderung kopfschüttelnd um und ging ins Bad.


    Beide warteten gerade an der Haltestelle auf den Bus. John beobachtete Selly immer wieder genauer. Sie schaute meist in die Richtung aus der der Bus kommen sollte, doch ab und zu drehte sie sich zu ihm um und ihre Blicke trafen sich. Dann fing sie immer wieder an zu lächeln und John lächelte verlegen zurück und drehte den Kopf weg, da es ihm peinlich war, ertappt worden zu sein, dass er sie beobachtete. Als der Bus kam stiegen sie beim Fahrer ein und John kramte in seiner Hosentasche, um seine Brieftasche rauszuholen und sah, wie Selly einfach vorbeiging, ohne einen Fahrschein zu kaufen oder vorzuzeigen und ohne das sich der Fahrer beschwerte. Er bezahlte sein Ticket und setzte sich neben ihr hin. „Hast du gar nicht gezahlt? Ich meine, du hast ja nicht mal nen Fahrschein vorgezeigt.“ Selly lächelte ihn an und sagte: „Ähm doch, du hast es vermutlich bloß nicht gesehen.“ Sie legte wieder ihren Kopf leicht schräg und kniff fröhlich ihre Augen zusammen. John ließ sich von ihrem Lächeln anstecken, schaute jedeoch wieder weg. Es beschäftigte ihn immer noch. Warum hatte sie ihn abgehalten und warum verhielt sie sich so komisch ihm gegenüber. Er mochte es, wie sie war, so lebhaft und gradezu niedlich, doch warum? Selly stieß ihn mit dem Ellenbogen gegen die Schulter und als John zu ihr hinsah stand sie auch schon auf und zog an seinem Arm. „Komm, lass uns hier aussteigen, ich denke ich will mal da durch“, sagte sie und zeigte auf eine große Einkaufsmeile. John schüttelte leicht lachend den Kopf. „Frauen, immer nur shoppen gehen wollen. Aber nagut, wenn du hier aussteigen willst, dann gerne.“ Er schaute sich um und sah, wie ihn einige Fahrgäste anschauten, als sei er von einer anderen Welt. Es störte ihn jedoch nicht und so stieg er, ohne sie eines Blickes zu würdigen, er musste sich eh bemühen, Selly nicht aus den Augen zu verlieren. Es schaute sich genauer um, doch er wusste bereits schon nicht mehr, wo sie war. So schob er sich an einigen Leuten vorbei und ließ seine Blicke durch einige der Geschäfte wandern.
    Er hatte gehofft, sie so zu finden und wurde belohnt. Gerade als er in eines dieser Nobel-Schuhgeschäfte schaute, sah er ihren Kopf gerade oberhalb der Regale wandern. Er drängte sich durch eine Frauenmeute durch und entschuldigte sich fast bei jeder einzelnen für sein Handeln, dass er sich einfach zwischen sie durch drängte. Er kam ins Geschäft und blieb verdutzt stehen. Er hatte sie schon wieder aus den Augen verloren und kratze sich laut ausatmend am Kopf und drehte sich in alle Richtungen, um Selly zu suchen. Ein Mann trat von der Seite an ihn ran und fragte höflich: „Kann ich ihnen irgendwie helfen, Mister?“ John erschrak, da er den doch recht kleinen Mann übersehen hatte. Er fuchtelte mit den Händen und deutete in Richtung der Hinteren Regalreihen, wo zuvor Selly gestanden hatte und stammelte: „Ähm, ja. Ich warte auf eine Bekannte sie ist vor nicht mal zwei Minuten hier reingekommen und hat sich da hinten umgeschaut.“ Er deutete wage auf eine Richtung, da er es sich nicht genau gemerkt hatte. „Wie meinen?“, fragte der Verkäufer nochmals, da sich John´s Stimme im Nichts verloren hatten und nur genuschelt raus kam. „Da!“, sagte er nun lauter und seine Stimme ging fast zu einen Flüstern über. „Ich warte auf eine Bekannte.“ Er räusperte sich um seine Stimme zu normalisieren und war sich sicher, dass der Verkäufer sehen konnte, wie peinlich ihm das Gespräch war. „Ich warte auf eine Freundin, sie müsste gleich da hinten sein.“ Beider schauten in die Richtung in die er gezeigt hatte. Sie starrten zehn Sekunden und der Verkäufer schüttelte schon leicht mit dem Kopf. John war jedoch wie erstarrt und sagte schließlich: „Ich muss weg.“
    Er machte auf dem Hacken kehrt und verließ noch bevor der Verkäufer sich zu ihm umdrehen konnte auch schon das Geschäft. Auf dem Weg nach draußen stieß er fast gegen Selly. Verwundert blickte er sich nach hinten ins Geschäft um und wollte gerade fragen, wie sie unbemerkt an ihm vorbeigelaufen sein konnte. Doch als er wieder zu ihr blickte, lächelte sie bloß und legte ihren Kopf leicht schräg. Zu zog ihm am Ärmel und zerrte ihn leicht hinter sich her. „Komm, ich will ein Eis essen gehen.“ Er fühlte sich leicht überrumpelt, folgte ihr jedoch. Selly stürmte geradezu in die nächste Eisdiele und hatte schon an einem Tisch platz genommen. Sie winkte ihn zu sich hin. John ließ sich in den Stuhl fallen und nahm die Eiskarte. Die Auswahl war schon recht ansehnlich, doch er suchte nach einen Eisbecher, den er schon in Kindestagen mochte. Die Bedienung kam an den Tisch und John schaute auf. Sie war bezaubernd. Ihm war schon klar, dass gerade Bedienungen an sich nicht unbedingt unattraktiv waren, aber sie hatte etwas Besonderes an sich.
    Ihr Lächeln wirkte nicht gestellt und als er zurück lächelte, schob sie verlegen ihren Pony beiseite. „Was darf ich ihnen bringen?“, fragte sie mit weicher Stimme und Suchte ihre kleine Tasche nach dem Notizblock ab, damit sie die Bestellung aufnehmen konnte. John schaute kurz zu Selly und zuckte kurz zusammen, da er merkte, dass sie erneut verschwunden war. Er schaute sich schnell in alle Richtungen um, um dann als er wieder nach vorne sah, mitzubekommen, dass die Kellnerin gerade wieder zu ihm blickte. „Ähm..“, begann er: „Mir reicht ein kleiner Kaffee.“ Die Bedienung nickte kurz und fragte: „Gefällt ihnen unser Eis nicht?“
    John war verblüfft und konzentrierte sich nun doch vollständig auf das Gespräch. „Ähm. Nein, also doch, aber mir ist gerade nicht nach Eis, ich wollte bloß wissen, was es hier so für eine Auswahl gibt.“, log er. Er lächelte und sie schaute verlegen wieder auf den Notizblock. John überlegte ob er fragen sollte, dich er kam sich albern dabei vor. Er suchte nach Worten, wie er am besten anfangen könnte und fragte schließlich: „Ist es ihnen eigentlich gestattet eine Einladung eines Gastes anzunehmen?“ Die Kellnerin schaute ihn leicht erschrocken an und ihr Gesicht färbte sich leicht rötlich. Wieder wischte sie eine Strähne hinter ihr Ohr und sagte schließlich: „Ja, während meiner Arbeitszeit ist es mir untersagt, aber wenn sie nichts dagegen haben, würde ich dieses Angebot nach Schichtende annehmen. John nickte. „Klar, gerne.“ Die Kellnerin freute sich sichtlich und nickte. „Freut mich. Ich heiße übrigens Sahra.“, sagte sie und reichte ihm die Hand. Er stand auf und nahm sie. „Ich heiße John.“


    Er hatte der Kellnerin seine Handynummer auf der Rechnung hinterlassen, sodass sie ihn anrufen konnte. Sie hatten zwar schon einen Termin ausgemacht und wollten ins Kino gehen, doch falls sie sich melden wollte, konnte sie dass nun. Er lief gerade die Passage entlang und fand Selly auf einer Bank sitzen. Sie leckte gerade an ihrer Eiswaffel und sah zu John. Er kam zu ihr gelaufen und wollte ihr gerade einen Vorwurf machen, dass er sich Sorgen um sie gemacht hatte, doch Selly schaute ihn an und fragte schließlich: „Und? Ist sie nett?“ Johns Gedanken blieben abrupt stehen. „Woher..? Wieso weißt du davon, du warst doch gar nicht da?“ Selly leckte wieder an ihrem Eis. Ich hab dich gesehen, ich war kurz auf Toilette und wollte euch nicht stören.“ John war verwundert, wie Selly reagierte. „Wie war sie nun?“, fragte sie wieder aufgeregt. John überlegte kurz, ob er es ihr sagen sollte oder weiterhin auf seine Frage, wo sie war zu beharren. Er wusste, dass es eh unnötig wäre auf eine Antwort zu hoffen und sagte schließlich: „Sie ist sehr nett, ich hab mich heute mit ihr verabredet und wir wollten ins Kino gehen.“ John sah das lächeln auf Sellys Gesicht. „Und dich stört das nicht?“, fragte er, da er die ausbleibende Reaktion nicht verstand. „Nein.“, sagte sie fröhlich. „Das ist doch toll für dich. Wann gehen wir hin?“ John wollte ihr nicht zu nahe treten, und so gab er nur Satzfetzen als Antwort. „Ich weiß nicht ob... und ich mein... Ich hatte sie eingeladen und... ich weiß nicht ob du... und ich will..“ Plötzlich unterbrach ihn Selly: „Hey, ist doch gar nicht schlimm, ich komme mit rein, ich tu so als würde ich dich nicht kennen und setz´ mich eine Reihe hinter euch. Ich wollte heute eh ins Kino.“ Sie lächelte und eh John etwas dagegen sagen konnte, sprang sie auch schon wieder auf und zog ihn hinter sich her. „Los, du musst dich noch schick machen.“


    John stand vor dem Spiegel seines Kleiderschranks und rückte seinen Hemdkragen zurecht. Er fragte sich die ganze Zeit über, wieso Selly nicht anders reagiert hatte. Es war ihm unverständlich. War sie sauer auf ihn und würde nun das Date manipulieren oder würde sie doch einfach nur mitkommen. Es machte für ihn keinen Sinn. Selly klappte die Schranktür zu und rückte nun den Kragen zurecht. John fühlte sich wie überfallen, was aber daran lag, dass er sie gehört hatte, wie sie zu ihm kam. „Fertig?“, fragte sie ihn und legte ihre Hände auf seiner Brust ab. John nickte nur. Und Selly klopfte kurz einmal gegen seine Brust, bevor sie sich abwendete. „Gut, dann mal los.“ Sie strahlte eine Vorfreude aus, die John nicht verstehen konnte. Er öffnete den Schrank und richtete seinen Kragen erneut.


    John war sehr zurückhaltend gegenüber Sahra und wusste nicht so recht, ob er sie zur Begrüßung umarmen sollte oder nicht. Er hatte bereits die Karten gekauft, so wie sie es abgemacht hatten. Sie schauten sich eine Liebesdrama an, was John irgendwie typisch vorkam, obwohl er sich nicht sicher war, ob es nicht auch einen Teil seines derzeitigen Lebens wiederspiegelte. Sahra war bezaubernd und hatte ihre dunkelblonden mittellangen Haare zu leichten Locken geschwungen und die langen Strähnen an ihrem Kopf nach hinten geflochten, sodass es wie eine kleines Diadem aussah. Sie lächelte ihn an und wusste genauso wenig wie John, wie sie sich begrüßen sollten. Sahra deutete eine Umarmung an, als John ihre gerade die Hand reichen wollte, sie wichen beide zurück, lachten und John wollte sie gerade umarmen, als Sahra ihm nun die Hand reichen wollte. Wieder zog sie zurück und lachte nun noch mehr. John schüttelte mit einem lächeln den Kopf. Schließlich nahmen sich beide kurz in den Arm und begrüßten sich. Selly beobachtete das Ganze aus sicherer Entfernung und grinste zielsicher.
    Sie hatten einen Platz ziemlich genau in der Mitte bekommen und Selly saß tatsächlich genau hinter John und Sahra rechts von ihm. Es war den ganzen Film über ruhig gewesen und es näherte sich der emotionale Höhepunkt. John sah, dass Sahra feuchte Augen hatte und ihre Sitzhaltung leicht zu ihm verlagerte. John wusste nicht, ob er einen Arm um sie legen sollte oder ob er ihr damit zu nahe trat. Plötzlich griff Selly von hinten an seine Schulter und zog den Arm hoch. John versuchte sich seine Verwirrtheit nicht anmerken zu lassen und reagierte nicht auf Selly, sondern ließ sie gewähren, da Sahra noch nicht auf sie aufmerksam wurde. In John Gesicht stand die Frage “Was?“. Selly hingegen ignorierte sein Gesichtsausdruck und legte nun seinen Arm über Sahra, bevor sie sich schnell in den Sitz zurückfallen ließ. Sahra lehnte sich mit ihrem Kopf gegen Johns Schulter. John verstand nun, was Selly wollte, konnte sich aber nun nicht mehr nach hinten umdrehen, ohne das Sahra was bemerkt hätte. So hielt er sie leicht gegen sich gedrückt und sie legte ihre linke Hand auf seine Brust.


    Als der Film vorbei war, brachte John Sahra noch nach Hause. Selly folgte ihnen, ließ jedoch soweit Abstand, dass Sahra sie nicht bemerkte. Sie genossen den Weg zu ihrer Wohnung. Sie liefen zusammen, während John noch immer seinen Arm über sie gelegt hatte und sie kuschelte sich an ihn. Vor der Wohnungstür verabschiedete sie sich bei John mit einem Kuss. Sie würde sich nochmal bei ihm melden. John ging den Hausflur nach unten und sah Selly draußen stehen. Er öffnete die Tür und sah sie fragend an. Selly war gegen die Briefkästen gelehnt und richtete sich nun auf. „Dann ist es ja vollbracht.“, sagte sie freudestrahlend. John begriff nicht und wollte gerade nachhaken, als sie schon fortfuhr. „Naja, jetzt hast du eine neue Chance.“ „Aber.. warum stört dich das nicht?“, fragte John, um endlich auszusprechen, was er schon länger dachte. Selly lächelte und legte den Kopf schräg. „Wundert es dich nicht, was passiert ist? Leute gucken dich komisch an, mal tauch ich auf, mal bin ich weg? Kein anderer nimmt Notiz von mir?“ John wurde es in dem Moment bewusst, wo sie es sagte.
    Die Sache im Bus. Sie hatte keinen Fahrschein, da sie eh keiner sehen konnte, daher auch die Blicke bei der Unterhaltung. Darum hatte der Verkäufer sie nicht gesehen und deshalb konnte sie in der Eisdiele so einfach verschwinden. Das war der Grund, warum sie auftauchte, als er seinem Leben ein Ende setzten wollte. Deshalb hatte sie, für ihn so unverständlich reagiert. „Warum?“, war das Einzige, dass er raus brachte. „Weil du einen brauchtest, der dir Hilft, der dir einen Stups in die richtige Richtung geben konnte. Einen Schutzengel.“ John schaute ihr tief in die Augen, als er begriff. Nun erst konnte er die Flügel sehen, die Selly in ein strahlendes Weiß tauchten. Sie lächelte und drehte sich um und ging los. „Danke.“, hauchte John. Sie blieb wieder stehen, warf ihm ein Blick über ihre Schulter zu und lächelte. „Jeder verdient es glücklich zu werden.“, sagte sie und ging weiter. Sie verschwand in einer Wand aus Licht. John war dankbar für das, was ihm ermöglicht worden war und schaute hoch zu Sahras Wohnung. Diesmal würde es anders laufen, diesmal würde er alles richtig machen.
    Lächelnd ging er nach Hause.


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