[Sonst./Hum./Horr] Der Vampirjäger

  • Der Vampirjäger


    Es war ein ganz normaler Tag auf Burg Dunkelstein. Wobei Nacht wahrscheinlich der bessere Ausdruck für die Tageszeit ist und ganz normal in einem äußerst relativem Verhältnis gesehen werden muss, denn die Bewohner der Burg sind keine geringen Leute, sondern ein überaus ambitionierter Vampirgraf mit guter Leibgarde. Er, also der Vampir, heißt Sean McRoyo und ist ein Musterbeispiel von Vampir. Single, gutaussehend, unsterblich, intelligent und mit genügend Reichtum und Macht gesegnet. Darüber hinaus ist er überaus ambitioniert und versucht Nacht für Nacht seine ebenso ambitionierten Welteroberungspläne in die Tat umzusetzen. Wenn da nicht immer diese Helden und Aufstände gewesen wären. Statt seine Pläne in die Tat umsetzen zu können musste er sich ständig vor wütenden Mobs seiner Bevölkerung zur Wehr setzen, die von den Helden das Eine ums Andere mal aufgestachelt wurden. Diese Helden waren genauso lästig wie die Flöhe bei seinen Lieblingshaustieren, den Werwölfen. Aber egal, darum geht es jetzt nicht.


    Also, wo war ich stehen geblieben bevor ihr mich abgelenkt habt? Ach so, genau, ich wollte ja erst richtig anfangen. Also, es war ein ganz normaler Tag auf Burg Dunkelstein. Der Graf Sean McRoyo stand, wie so oft, in seinem Arbeitszimmer an seinem großen Kartentisch und grübelte. Die Welteroberung stand noch lange nicht bevor, erst müsste Phase Eins aller seiner Pläne abgeschlossen sein. Für all die Unwissenden unter euch, Phase Eins seiner Pläne bedeutet nur Ruhe zu schaffen in der Heimat. Die schwerste aller Aufgaben. Vor allem weil immer wieder namenlose Helden aufkreuzten und binnen Minuten die nichts dazu lernende Bevölkerung um den Finger wickelten, ehe sie sich wieder verzogen. So ähnlich war es auch heute wieder gewesen. Wieder stand ein wütender Mob vor den geschlossenen Toren der Burg und verlangte seinen Kopf oder alternativ einen Pflock in seinem Herzen. Sie waren so ideenlos und es langweilte ihn. Was ihn auch langweilte war das inzwischen standardmäßige Verfahren in solchen Situationen. Jetzt gleich käme bestimmt ein zufällig bestimmter „Glückspilz“ aus seiner Leibgarde, um ihm vom Mob zu berichten. Als ob er das nicht selbst schon wüsste. Und wo er das dachte, geschah es auch schon. Die Tür zum Arbeitszimmer flog auf, krachte gegen die Wand und ein gehetzt wirkender Leibgardist kam herein und fing direkt an mit dem stottern.


    „He ... Herr … dra... draußen h .. h .. hat sich ... ein ... m... ob ver.... sammelt!“


    Der Graf schüttelte nur den Kopf und hielt sich eine Hand vors Gesicht. Das konnte doch nicht wahr sein. Wie hatte dieser Vollhorst es in seine Leibgarde geschafft? Das alte Vorurteil über die schwere Beschaffung von guten Angestellten bewahrheitete sich mal wieder. Na ja, er würde seine Personalabteilung wieder einmal anweisen müssen, Bewerber genauer unter die Lupe zu nehmen und sie auch in Stresssituationen zu testen. Das vergaßen die Leute immer wieder.


    „Ich weiß bereits vom Mob. Er ist kaum zu überhören.“


    Das war leider Realität. Die hiesigen Mobs gingen immer einher mit einer menge Geschrei. Das ging ihm tierisch auf den Nerv. Nie konnte ein Mob mal leise sein. Er bekam von den ständigen Mobs Kopfschmerzen. Und Kopfschmerzen waren schlecht. Schlecht für seine Laune und für die schlechten Angestellten (weniger für die Angehörigen besagter schlechten Angestellten. Die Rente, die der Graf für Verstorbene zahlte, war nicht von schlechten Eltern).


    „Wie heißen sie? .... Ach egal, kommen sie einfach mal kurz her.“


    Der Mann gehorchte. Es waren langsame Bewegungen, wie von einem Tier, das den Tod voraussieht, aber nichts dagegen unternehmen kann. Der Graf nahm eine Kopfschmerztablette und schluckte diese, als der Gardist nah genug bei ihm stand. Nun ging es schnell von statten. Er ging in unglaublicher Geschwindigkeit hinter den Mann, biss ihm in die Kehle und spülte mit dessen Blut die Aspirin herunter. Als er fertig war mit aussaugen ließ er die Leiche einfach fallen und klingelte nach seinem Butler, James. Dieser erschien prompt in seinem Butleroutfit.


    „Ihr habt gerufen.“


    Die Stimme war aalglatt und versprach gewissenhafte Erledigung aller und damit meine ich wirklich aller Aufträge. Der Graf hatte schon oft überlegt seinen Butler ebenfalls zum Vampir zu machen. Praktisch als Gratifikation für die guten Dienste.


    „Ich habe zwei Aufträge für dich. Zum Einen entsorge die Leiche hier auf die übliche Art und Weise und sag dem Personalbüro bescheid. Wenn du dann direkt schon mal dort bist kannst du denen dort eben sagen, dass sie die Bewerber genauer aussortieren müssen. Die müssen in Stresssituationen geprüft werden und nicht nur so lachhaft mit einem Fragebogen. Ach, und weißt du warum da schon wieder ein Mob vor meiner Haustür gegen mich rebelliert?“


    „Die Aufträge sind schon so gut wie erledigt. Und der Mob wurde von Jay Victor Frances aufgewiegelt. Das ist ein Vampirjäger aus dem Nachbarland. Er will das was alle diese schrecklichen Helden wollen.“


    Das war interessant. Ein Vampirjäger. Solche Leute waren seit Jahren nicht mehr da gewesen. Die Tradition verlangte von beiden, sich selbst zu zeigen und sich direkt im Zweikampf zu bekämpfen.


    „Sag James, hat sich der Vampirjäger gezeigt?“


    „Jawohl Herr. Er hat den Mob angeführt und wartet nun vor den Toren auf eure Reaktion.“


    „Dann werde ich mich wohl selbst darum kümmern müssen. Na ja, zumindest ist es mal wieder etwas Abwechslung vom tristen Alltag.“


    Kurze Zeit später stand der Graf oben auf der mauer. Er hatte die Waffenkammer aufgesucht und sich dort kurz eingekleidet. Nun trug er einen schweren, schwarzen Harnisch mit seiner persönlichen Heraldik, einem hellblauen Vollmond auf dunkelblauem Grund. Dazu gesellte sich sein alter Zweihänder, ein Kurzschwert in der Scheide hinten am Plattengürtel und noch dazu zwei Steinschlosspistolen, jeweils eine an jedem Oberschenkel. Einen Umhang trug er nicht, wäre zwar stilvoll gewesen, aber er erinnerte sich an so manchen Helden, dem so ein Umhang zum Verhängnis geworden war. Diesen Fehler würde er nicht begehen.
    Jetzt rief er jedenfalls von der Mauer herab.


    „Wo ist der Vampirjäger? Zeige dich, du elendiger Schuft!“


    und es kam die Reaktion, die er erwartet hatte. Der Mob verzog sich vom Helden und nahm Abstand vom geschehen. Keiner wollte sich in diese Sache hereinziehen lassen. Der Held hatte wohl auf die Unterstützung des Mobs gebaut und wurde nun schwer enttäuscht.


    „Hey, nicht abhauen! Nur gemeinsam können wir ihn bezwingen! Vergesst das nicht! Also los, zu mir!“


    Ein Bauer meldete sich ungefragt zu Wort.


    „Äääh, Herr Vampirjäger, hier vor der Burg unseres Grafen zu demonstrieren und seine ewige Absetzung zu fordern ist eine Sache, aber einen Vampir töten zu wollen ist etwas vollkommen anderes. Wir müssten total lebensmüde sein, um dies zu versuchen. Eigentlich wollen wir alle ja auch nur sehen wie der Kampf ausgeht, wenn ihr versteht was ich meine.“


    Dem Helden war der Schock richtig anzusehen. Es war zu spät um nach hause zu gehen und es sich anders zu überlegen. Er hatte den Grafen schon herausgefordert und nun würde er das Schlamassel ausbaden müssen. Er gab aber nicht auf, sondern versuchte es noch einmal.


    „Und warum .... und warum tragt ihr alle Heugabeln und Fackeln und so einen Kram, wenn ihr das nicht benutzen wollt?“


    Es meldete sich wieder derselbe Bauer, der auch vorhin schon gesprochen hatte.


    „Nennt es einfach Macht der Gewohnheit. Wir dachten eben es würde einer unserer Standardmobs werden.“


    Die Menge nickte und der Held schüttelte resigniert den Kopf. Der Graf hatte sich das Schauspiel amüsiert angesehen. Nun hatte der Graf aber auch nicht ewig Zeit und machte deshalb noch mal auf sich aufmerksam.


    „Vampirjäger, bringen wir es endlich hinter uns. Danach können meine Haustiere den Mob hier auflösen und alle können in Ruhe ihrem Tagwerk nachgehen.“


    Ohne noch länger zu fragen sprang der Graf einfach vom Torbogen und landete keine zwei Meter vom Vampirjäger entfernt. Der wiederum blieb starr wie eine Statue und sah sein leben vor seinem inneren Auge ablaufen.


    „Können wir nicht noch einmal darüber re ....“


    Der Held sah den Gesichtsausdruck des Grafen und brachte die Frage nicht zu ende. Die Antwort wusste er auch so, sie war einfach und lautete „Nein“. Er wollte seine Haut aber nicht kampflos aufgeben. So ging er einige Schritte zurück und zog sein Schwert. Der Mob wich die selbe Distanz zurück, die der Held nach hinten wich.


    „Bleib stehen oder ich werde dich vernichten!“


    „Ich habe doch noch gar nix getan. Spar dir das Gesülze und greif an!“


    Und er griff tatsächlich an. Er rannte auf ihn zu und hieb einmal mit seinem Schwert nach dem Grafen. Der parierte aber gähnender weise einhändig. Der Vampirjäger presste sein Schwert mit aller Macht in den Zweihänder, aber es brachte nix. Er konnte den Arm des Untoten nicht bewegen. Also versuchte er es noch mal. Sprang zurück und schlug noch mal zu. Wieder parierte der Graf mühelos. Der Held versuchte es noch zwei weitere erfolglose Male, ehe er es sich anders überlegte und in Richtung des Mobs stürmte. Dort zog er sich eine schöne Frau aus dem Mob und hielt ihr sein Schwert an den hals. Der Mob floh zirka zehn weitere Meter nach hinten, um nicht in die Schusslinie zu geraten und beschloss den Helden bei einer weiteren Aktion dieses Schemas einfach in Heugabeln zu ertränken.


    „Ha, damit hast du nicht gerechnet! Ergib dich oder die Frau ist des Todes!“


    Der Graf blinzelte verstört. Das war doch normalerweise eher sein Part. Das Leben dieser Frau bedeutete ihm nichts. Wobei, attraktiv war sie schon. Ein guter Grundstein für seinen persönlichen Antistressharem, den er sich schon immer hatte aufbauen wollen.


    „Ääähm, Vampirjäger, weißt du, das Geiselnehmen gehört normalerweise in den Aufgabenbereich des Bösen, aber okay, lassen wir das jetzt mal so stehen. Ich will das schnell über die Bühne bekommen. Das Leben der Frau bedeutet mir nichts, aber bevor ich jetzt deinen kompletten Plan ruiniere lass mich die Frau eben was fragen.“


    Der Vampirjäger nickte langsam. Das Geiselnehmen war also doch eine blöde Idee gewesen.


    „Werte Frau sie werden sterben, das ist Realität und unabwendbar. Aber ich will heute mal nicht so sein. Ich habe ein Jobangebot für sie. Stimmen sie zu und ich mache sie zu meiner ersten Kurtisane aus meinem dann neugegründeten Antistressharem. Das geht direkt mit der Verwandlung in einen Vampir und einem schmucken Zimmer in meiner Burg einher. Zum Vampirdasein gehört auch ewige Jugend und Schönheit und hin und wieder auch der Blutdurst. Dazu dann noch seltener eure dienste als Kurtisane für mich. Wie sieht es aus? Nehmen sie an?“


    Die Frau schluckte. Der Graf hatte recht, sie würde sterben und das Angebot war gut. Etwas Dienstbarkeit in einem alten ehrwürdigen Gewerbe gegen Unsterblichkeit und ewige Jugend. Das konnte sich sehen lassen. Verheiratet war sie auch nicht, also gab es kein Hindernis. Sie nickte.


    „Ich nehme das Angebot an.“


    Die Meute schrieb gedanklich schon mal die Beileidskarten für die Familie und der Held reagierte wie es sonst nur Bösewichter tun. Er schrie:


    „Nein, das kann nicht sein! ICH BIN UNBESIEGBAR!“


    Der Graf machte ein paar Schritte nach vorne, und rammte seinen Zweihänder durch Frau und Vampirjäger. Dann zog er es schnell wieder heraus und fing die Frau behutsam auf, während der Vampirjäger schmerzhaft auf den Boden fiel. Nun geschah die übliche Szene. Der Graf biss der Frau in den hals, trank etwas ihres Blutes und ließ sie danach etwas seines Blutes trinken. Sie starb seufzend in seinen Armen und er legte sie ab. Dann wandte er sich dem Vampirjäger zu. Der fragte auch nur noch mit letzter kraft:


    „Verrate mir eines .... warum tust du all das?“


    Der Graf hatte keine Lust mehr, zog seine Pistole und erschoss den Vampirjäger. Erst jetzt antwortete er.


    „Nein!“


    Ein paar Sekunden vergingen, der Graf zog nun seine zweite Pistole und schoss nur eben um sicherzugehen dem Vampirjäger eine zweite Kugel direkt zwischen die Augen, ehe er ihn mit seinem Zweihänder köpfte. Der Vampirjäger würde ihm ganz sicher keinen Ärger mehr bereiten. Er ging nun zurück in Richtung Burg, warf sich seine neue Vampirkonkubine über die Schulter und verließ das „Schlachtfeld“. Sobald er hinter solider Deckung und außerhalb des Gefahrenbereichs war rief er nur noch.


    „Lasst die Werwölfe los! Vertreibt den Mob!“


    Und so ging erneut ein gewöhnlicher Tag .... äh eine Nacht auf Burg Dunkelstein zuende.


    (c) by Sebastian van Lück


    edit: der kommentarthread hierzu befindet sich hier: Kommentare zu "Der Vampirjäger"

    "I have a bad feeling about this!"


    "Vertrauen sie mir. Ich weiß was ich tue."


    "Kiss my Wookie!"