Leutnant a.D. "Grabenkeule" Kessler
Auf Teutorian ist es der Traum eines jeden Jungen, zu dem gut gedrillten, fast wie eine Maschine-funktionierenden Militärapparat zu gehören, welcher die teutorianischen Regimenter der Imperialen Armee darstellt. Noch erstrebenswerter für die heranwachsenden teutorianischen Männer ist jedoch der Weg einer glanzvollen, hart erarbeiteten Karriere innerhalb eines dieser Regimenter, da meist nur adlige Kadetten aus jahrhundertealten Offiziersfamilien die begehrten Stellen erhalten.
Eine solche Karriere wurde der Grundbaustein für die tragische Geschichte des jungen Offiziers Heinrich Kessler. Bereits im Jugendkorps der Beste, fiel der Junge schon früh durch Disziplin, Taktik-Verständnis und vor allem durch den unerschütterlichen Glauben an die Imperiale Wahrheit auf. In fast jeder Hinsicht seinen Altersgenossen überlegen wurde der junge Kessler bald zum Musterbeispiel und dem Ebenbild der teutorianischen Propaganda. Natürlich musste auch Kessler mit Beginn seines siebzehnten Lebensjahres einem der Regimentsschulen beitreten, wobei er diese Pflicht eher als Ehre und Genugtuung für sein Streben betrachtete.
Wieder begann eine steile Karriere; als Infanterist im fünften Zug des 218ten Infanterieregiments, genannt „Bären von Hadria“ , erkannte Heinrich Kessler seine Bestimmung und erkämpfte sich seinen Weg nach Oben durch die Ränge.
Auch die erste Schlacht sollte nicht lange auf sich warten lassen. Mittlerweile Feldwebel, wurde Kessler zusammen mit seinem Regiment und dutzenden anderen Kampfverbänden auf die Feudalwelt Alpha Coronis III, wo ein erbitterter Grabenkrieg gegen die dem Chaos verfallene Bevölkerung seit mehr als 6 Jahren im Gange war.
Kessler hatte sich bald als eines der verlässlichsten Individuen der Front etabliert; egal wie massiv der Beschuss, unabhängig von der Stärke der feindlichen Offensive, der von Kessler und seinen Soldaten gehaltene Abschnitt war der buchstäbliche Fels in der Brandung.
Nach der Großoffensive der Verräter während der kalten Wintermonate des achten Kriegsjahres, in der Kessler mit mindestens 21 Schuss- und 13 Nahkampfverletzungen unbeirrt alleine seinen Abschnitt hielt, während sein gesamter Trupp vom vorherigen Trommelfeuer zerfetzt wurde, ernannte man ihn zum Leutnant. Kurz darauf jedoch wurde Kesslers stoische Hingabe und sein felsenfester Glaube vor der imperialen Großoffensive im Sommer zu seinem Verhängnis: Während eines nächtlichen Bombardements, welches stärker als sonst auf ihren Grabenabschnitt fiel, wurde Kessler Opfer eines Granateinschlages. Von der Wucht der Granate von den Beinen gerissen, wurde Kessler mehrere Meter durch die Luft, aus dem Graben und direkt ins Niemandsland geschleudert.
Wieso Kessler sich zur Zeit des Bombardements jedoch im Freien befand, ist unklar: Einige seiner Männer behaupten, er wollte nach einem im Graben verbliebenen Kameraden suchen, andere Gerüchte sprechen von Kesslers unbändigem Vertrauen auf Schutz durch den Imperator. Kritischere Stimmen behaupten, der Leutnant solle auf Grund seiner starken Lohstäbchen-Sucht den Bunker, in welchen striktes Rauchverbot herrschte, verlassen haben. Diese Stimmen wurden allerdings bisher recht schnell vom Kommissariat zum Schweigen gebracht.
Welchen Grund es auch immer gab, Leutnant Kessler überlebte; im fahlen Morgengrauen nach Ende des Bombardements erschien unbemerkt von den Wachen eine mit Schlamm und Blut bedeckte, zerfledderte Gestalt im Graben.
Der Mann, der einst Leutnant Heinrich Kessler war, existierte fortan nur noch auf den Papieren des Munitorums: Das Wesen, welches sich nunmehr in Kesslers Körper aufhielt, hatte kaum noch etwas von seinen alten Eigenschaften. Stumm, mit wirren, unsteten Blick und einer ständigen Grimasse irgendwo zwischen Zorn und Verwirrung verfolgt Heinrich Kessler die Regimenter der teutorianischen Einheiten. Obwohl unberechenbar und wahnsinnig, erlaubt das Oberkommando der teutorianischen Armee dennoch aus Respekt vor seinem früheren Leben und Rang seine Anwesenheit unter den kämpfenden Truppen.
Von den Soldaten immer noch als Leutnant Kessler angesprochen, kämpft der gebrochene Held heute allein dort, wo ihn seine wirren Gedanken hintreiben. Ziehen die teutorianischen Truppen weiter, so ist er stets beim Einschiffen anzutreffen. In einer dunkeln Ecke oder Kajüte des Truppentransporters, weit ab von den anderen Soldaten sitzt so eine gebückte Gestalt in abgewetzter Offiziersuniform, wartend auf das nächste Gefecht.
Jedes Schlachtfeld scheint ein Stück mehr von Kessler zu vernichten, doch keines bringt den Mensch, der er einst war, zurück.