Aufstieg zum Sternenmeer
Kapitel 1: Segel in der Nacht (Teil 1)
-Zeit des Winters; Fenris
Hjalfnar starrte ins Feuer. Es faszinierte ihn. Es ermöglichte Leben, ohne seine Wärme würde der Clan der Donnerfäuste in den kalten Wintern ihrer Welt erfrieren. Aber es konnte auch Leben vernichten, wenn es außer Kontrolle geriet oder im Sommer, vom Auge des Russ heraufbeschworen, Inseln in flüssigem Gestein versinken ließ. Aber selbst dann konnte Leben entstehen, wenn sich neue Inseln bildeten. Es war ein ewiger Kreislauf, jedes Jahr wiederholte sich dieser Zyklus, mehr oder weniger alle 700 Monde.
Er schreckte hoch. Irgendetwas hatte ihn aus seiner Trance geweckt, ein Geräusch. Ein Kratzen auf Eis, ein leises Flattern wie von Seevögeln. Aber zu dieser Jahreszeit waren keine Vögel mehr in der Luft, sie würden beim ersten Windstoß erfrieren. Sie waren in die warmen Hallen der gefallenen Krieger und der Götter nach Asaheim geflogen, um sich von den Resten der Festmahle zu nähren.
Ein weiteres Kratzen drang an sein Ohr, diesmal näher als zuvor. Es hallte leise über das Eis, und brachte Hjalfnar zum schaudern. Er kannte diesen Laut. Kufen. Eiskufen unter Drachenbooten, getakelt für das Eissegeln, um zu jagen oder zu töten. Aber es war nichts zu sehen, was nur eins bedeuten konnte: schwarze Segel. Heimlichkeit, List und Trug, aber auch Verhandlung und Aussicht auf Profit verhießen diese Segel. Doch wenn sie bei Nacht die Schiffe unsichtbar werden ließen, war die Absicht der Besatzungen klar.
Hjalfnar, Jungschmied der Donnerfäuste, war erst in seinem siebten Jahr, aber sehr groß für sein Alter, und erfahren im Umgang mit Axt und Hammer. Bisher hatte er jedoch noch nie seine Waffen im tödlichen Kampf gegen einen anderen Mann erhoben. Es sah so aus, als sollte sich dies heute ändern.
Fluchend richtete er sich auf, und wollte gerade das Horn an den Mund setzen, um seinen Clan zu warnen, als ihn ein kurzes Aufblitzen warnte. Abrupt lies er sich in den Schnee fallen und entkam der über seinen Kopf hinwegwirbelnden Wurfaxt um Haaresbreite. Der Feind war bereits hier! Und er hatte sie nicht bemerkt!
Vor von Scham und Wut glühendem Gesicht sprang er auf, zog seine eigene Wurfaxt und schleuderte sie mit einem lauten Schrei dem ersten Feind ins Gesicht, als dieser in den tanzenden Lichtkreis des Feuers trat.
„Auf, Donnerfäuste, der Feind ist hier!“, schrie er in die Nacht, und sein Ruf hallte von den Hügeln der Insel wieder. Gleichzeitig zückte er seine zweite Wurfaxt, wirbelte herum und warf sich in die Schatten jenseits des Lichtscheins. Ein gedämpfter Fluch ertönte hinter ihm, als seine Gegner ihn aus den Augen verloren, und er sah warum die feindlichen Späher ihn verdammten: Eine schemenhafte Gestalt mit einer Fackel in der Hand war aus einem der Langhäuser getreten, und rief seinen Namen den Hügel hinauf.
„Hjalfnar, was soll die Drachenscheisse?! Du weckst noch den ganzen Clan!“
Er begriff entsetzt. Thoralf, Erster der Huskarle und nur dem Jarl unterstellt, hielt das ganze für einen Scherz! In diesem Moment erkannte er zwei Schatten auf der anderen Seite des Feuers. Einer von ihnen hob gerade etwas an über die Schulter. Ein Speer! Er wollte den Huskarl töten! Mit einem tiefen Knurren warf er seine zweite Axt und traf den Schatten in den Unterleib. Ein schreckliches Kreischen schwoll immer lauter an und ließ das ganze Dorf hochschrecken, bis es abrupt abbrach. Die Gestalt am Fuß des Hügels verharrte noch einen Moment, bevor sie sich blitzartig umdrehte und wie wahnsinnig brüllend den schmalen Weg zwischen den Hütten zur Jarlshalle hinunterstürmte.
„Donnerfäuste! Auf, auf! Feinde!“, schrie Thoralf, und die Donnerfäuste antworteten. Männer stürmten aus den Langhäusern und -hütten, die meisten mit Helm, Schild und Waffen in den Händen.
Ein weiterer Fluch veranlasste Hjalfnar, seinen Blick vom Dorf abzuwenden und wieder zu den Angreifern hinüberzublicken. Der Letzte stürmte gerade am Feuer vorbei auf ihn zu, die Axt erhoben, um ihn für seine Warnung bezahlen zu lassen. Verzweifelt irrte Hjalfnars Blick zu seinem Hammer, der noch am Feuer lag. Er hatte nur eine Chance. Mit schnellen Schritten stürzte sich der junge Krieger dem in Felle gehüllten Feind entgegen und schleuderte diesem eine Ladung Schnee ins Gesicht. Der Axthieb, der seinen Lebensfaden durchtrennen sollte, ging ins Leere, und Hjalfnar warf sich vorwärts auf seinen Hammer, rollte sich ab und kam gerade wieder rechtzeitig auf die Beine, um mit dem Schaft einen weiteren Axthieb abzuwehren. Dann griffen die Reflexe, die ihm sein Vater eingebläut hatte. Er schob die Axt beiseite und stieß dem Gegner den Griff seiner Waffe ins Gesicht. Als der feindliche Krieger unter wüstem Geschimpfe zurückwich, schmetterte er ihm den Hammerkopf gegen das linke Knie, und als der Kämpfer ächzend zur Seite kippte, schlug Hjalfnar ihm fast schon routiniert den Schädel ein. Der Helm des Spähers zersprang unter dem heftigen Hieb und der Schädel platzte auf wie...ihm fiel kein passender Begriff ein, aber es war ekelhaft und faszinierend zugleich, wie sich Blut und Gehirnmasse im Licht des Feuers leuchtend über den Schnee verteilten.
Mehrfaches lautes Knirschen und Knacken ließ ihn ihn erneut herumfahren. Ein dutzend Drachenboote mit schwarzen Segeln raste auf ihren Kufen über das Eis auf den schneebedeckten Strand, und dick in Felle gepackte, gerüstete Krieger sprangen in die weissen Schneewehen. Sie sammelten sich schnell um ihre Schiffsführer, um dann in großen Gruppen den Hügel hinauf zum Dorf vorzurücken.
In diesem Moment erhellte ein vorbeihuschendes Licht für einen Moment die Feinde, und ein lauter Knall erschütterte die Insel.
'Ein Zeichen der Götter!', fuhr es Hjalfnar durch den Kopf. 'Sie beobachten uns!'
Ein Gefühl der Unbesiegbarkeit durchfuhr ihn. Er hatte die Möglichkeit, sich vor den Göttern auszuzeichnen, und diese Chance würde er nutzen! Den Hammer in den Himmel gestreckt, heulte er den Feinden seine Herausforderung entgegen, und diese antworteten ihrerseits mit einem gebrüllten Kriegsschrei. Und ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, stürmte er den dutzenden von Kriegern entgegen.
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