Auf Kommentare zur fertigen Version freue ich mich sehr. Diese dann bitte in diesen Thread
Falls euch Ungereimtheiten in der Formatierung oder auch in der Schreibweise auffallen; Kritik ist immer erwünscht
Und jetzt viel Spaß mit der Story
Sanft neigte sich das saftig grüne Gras im frischen Wind. Ein einzelner Baum stand am Ende jener schier endlosen Grasfläche. Gleich einem wohlwollenden Wächter, gab er auf den Rand dieser milden, grünen Welt acht und bewahrte scheinbar ein jeden davor, über den Rand der steilen, dunklen Klippe zu stürzen, die dort still hinter der Ebene lag. Morgendlicher Tau hatte sich auf den Blättern des geduldigen Baumes niedergelassen. Sie glänzten in dem fahlen Sonnenlicht, das vom Horizont hinter dem grünen Meer her, seinen goldenen Glanz abgab. Die ganze Welt wirkte wie in eine warme, goldene Decke gehüllt. Es herrschte wunderschöne Stille. Nur das leise Rascheln des Grases und der Blätter lag in der kühlen Morgenluft.
Doch auch ein kleiner Bach suchte sich leise plätschernd seinen beschaulichen Weg zwischen den Pflanzen hindurch. Er entsprang zwischen den Wurzeln jenes einsamen Baumes und schlängelte sich gemächlich der frühen Sonne entgegen. Der Duft des frischen Grases lag in der Luft. Alles wirkte so sanft. So schmeichelnd. Es streichelte die Sinne. Doch kein Lebewesen war da, um all dies wahrzunehmen.
– Normalerweise nicht.
Mit einem Fauchen flammte ein greller Blitz auf. Ein mechanisches Klicken und Rattern durchbrach die einstige Stille. Ein stetiges Schleifen erfüllte nun die Luft. Es war nicht sanft; es war so unerbittlich wie unerträglich. Es übertönte den ruhigen Wind, brachte alles durcheinander. Das Gras wurde erbarmungslos in alle Richtungen geknickt. Die einstigen sachten Wogen der Pflanzen waren nun grausam durchbrochen.
Ein Bild flammte an der Frontseite des erbarmungslosen Eindringlings auf. Eine Stimme ertönte. Sie war blechern durch das Funkgerät und verzerrt durch die Übermittlung. Sie zerschnitt alles, was von der einst so wunderschönen Atmosphäre noch übrig geblieben war.
Der bislang stille Beobachter, der bis jetzt regungslos im Gras verharrt hatte, richtete sich nun auf. Er zerdrückte das Gras unter seinen Händen und hob sich nun deutlich von der Kulisse ab. Lediglich das fahle Sonnenlicht glitzerte noch stellenweise auf seinem Gesicht – reflektiert von blankem Metall. Kurz strich er sich noch durch die abstehenden, schwarzen Haare und streckte sich, wie um richtig wach zu werden, bevor er zu jener kantigen, stählernen Kugel aufschaute, die von einer kleinen Turbine in ihrer Mitte etwa anderthalb Meter über der gemarterten Wiese gehalten wurde.
Der Bildschirm der Drohne offenbarte ihm ein nur allzu bekanntes Gesicht.
Der Mann, dessen Gesicht und Torso sich auf der Maschine, vor einem nur schwach rot beleuchteten Hintergrund abzeichnete, war in mittlerem Alter. Seine braunen Haare waren kurz gehalten und sorgfältig gekämmt und trotz des ansatzweise runden Gesichts, strahlten die Augen Härte und Selbstbewusstsein aus.
„Es wird Zeit für dich.“ meinte der Mann in dem Bildschirm, den der Angesprochene als seinen Mentor, Zoîn, wiedererkannte, knapp.
„Schade,“ erwiderte der bislang stille Beobachter mit einem verhaltenen Lächeln, „es war so schön ruhig hier.“ Er blickte sich etwas verträumt um, ehe er aufseufzte.
„Das hier ist wirklich mal eine Abwechslung gegenüber dem ewig lärmenden Gewimmel des Blocks. Am liebsten würde ich einfach noch eine Weile hier bleiben.“
„Red' doch nicht so einen Quatsch.“ meinte Zoîn ruhig, mit einem angedeuteten Lächeln. „In einer Weile ist hier die Hölle los. Ich hoffe du hast das in den zwei Stunden Ruhe nicht schon verdrängt.“
„Wie könnte ich je meine Prüfung vergessen?“ meinte der jüngere Mann fröhlich. „Ich habe immerhin schon lange genug darauf gewartet!“ fügte er hintergründig hinzu.
Erneut lächelte Zoîn schwach, bevor sein Gesicht zunehmend ernst wurde.
„Bist du dir wirklich sicher, dass du es schaffen kannst?“
„Natürlich!“ antwortete der Angesprochene blitzartig und voller Zuversicht. „Ich will ja schließlich auch endlich dazugehören!“
„Das war aber keine echte Antwort auf meine Frage. Das hier ist keine Frage des Willens, sondern der Ausbildung.“ meinte Zoîn streng „So früh wie du, hat schließlich noch niemand diese Prüfung ablegen wollen.“ Irgendwie kam dieser Satz etwas lahm daher.
„Ich bin ja aber auch kein Niemand!“ rief der Jüngere mit einer Mischung aus Ironie und Selbstvertrauen.
Er hielt kurz inne, bevor er etwas nüchterner fort fuhr: „Ich bin mir wirklich sicher, dass ich es schaffen werde. Ich habe doch mittlerweile wirklich genug gesicherte Trainingseinheiten absolviert. Wie viel schwerer kann das hier schon sein?“ Er lächelte.
Der Mann hinter der Drohnenkonsole musste seufzen. Das Lächeln des Prüflings wich.
Er klang jetzt leicht verunsichert „Weißt du, ein bisschen Zuspruch wäre ja schon nett.“ versuchte er es hoffnungsvoll.
„Den wirst du von mir aber nicht bekommen.“ schmetterte der Mann in der Drohne die Bitte kalt ab, „Das hier ist deine Prüfung. Die musst du ganz alleine schaffen. Ich bin hier um dich zu bewerten, nicht um deine Nervosität zu verarbeiten.“ betonte er deutlich.
Leise Nebengeräusche drangen aus dem Lautsprecher der Drohne und im dunklen Hintergrund des Bildschirms konnte der Anwärter einige Schatten vorbeigehen sehen. Zoîn blickte kurz über die Schulter.
„Die anderen gehen auch gerade an ihre Konsolen. Es geht los.“
Ein ganzes Dutzend weiterer heller Blitze strahlte plötzlich auf. Das Rauschen und Schleifen wurde mit einem Mal um ein Vielfaches lauter – noch unerträglicher. Zum Vorschein kamen zwölf weitere der Maschinen. Allesamt nach derselben Bauart wie die erste und allesamt genauso fehl am Platz. Überall über der Wiese blitzten nun die Reflexionen der Sonne auf verchromtem Metall. Sofort nach ihrem Eintreffen begannen die Neuankömmlinge damit, in weiten Kreisen um den Anwärter zu fliegen, ihre noch schwarzen Bildschirme stets auf den einsamen Menschen gerichtet.
Immer noch etwas verunsichert, blickte dieser sich nun um; erblickte all die Drohnen, die bald Zeuge seiner Prüfung werden sollten. Aufregung erfasste ihn und er spürte, wie er, trotz der kühlen Morgenluft und dem sanften Wind, leicht zu schwitzen begann. Langsam strich er sich mit seiner Hand die vereinzelten Schweißperlen von der Stirn – und strich dabei über jene merkwürdigen Metalllinien, die sich quer durch sein sonst gewöhnliches Gesicht zogen, deren Ursprung bis jetzt niemand hatte ergründen können.
Er selbst wusste ja nicht einmal woher sie stammten – woher er überhaupt stammte!
Seine eigenen Erinnerungen begannen ja überhaupt erst in jenem dunklen, kalten Verlies des W.K.G. und sein Leben hatte ja überhaupt erst begonnen, als Zoîn und ein paar andere Hüter ihn da endlich raus geholt hatten - leider erst nach einer gefühlten Ewigkeit von Qualen und Experimenten.
Das W.K.G.! Zorn staute sich bei dem Gedanken an diesen raffgierigen HERV an. Nicht nur, dass sie wahrscheinlich an seinem jetzigen Zustand, dem Verlust seiner vorherigen Existenz und all den Rätseln, um sein Leben schuld waren, nein, sie waren auch einer der unsäglichen HERVs, die Block C unter sich aufgeteilt hatten. Sie hatten ihm indirekt selbst nach seiner Befreiung ein normales Leben versagt. Sich von den despotischen Regierungen der einzelnen Verbände beherrschen zu lassen, war für ihn einfach nicht zu ertragen gewesen. Deshalb war er nach über einem Jahr der Sinnsuche in dieser beschissenen, unübersichtlichen Stadt endlich zu dem Entschluss gelangt, sich seinen Rettern, den Hütern anzuschließen. Denn die Hüter waren wohl die einzigen, die sich nicht beherrschen ließen! Deshalb dieser ganze Zirkus an diesem Tag. Deshalb diese Prüfung!
Die zwölf Bildschirme der übrigen Drohnen flammten nun ebenfalls auf und rissen den Anwärter aus seinen finsteren Gedanken. Weitere Gesichter erschienen nun darauf, die den angehenden Hüter allesamt musterten. Manche streng, andere wohlwollend, manche interessiert, manche gelangweilt. Doch auffallend war: Allesamt waren sie unterschiedlich. Es gab Männer und Frauen. Chimären und Mechanen. Menschen und andere, undefinierbare Wesen. Manche trugen farbige Kleider, aus der jetzigen Mode oder auch aus längst vergessenen Epochen, andere hatten gleich bunte Gliedmaßen, wieder andere sahen auf den ersten Blick doch nur menschlich aus und dazu noch schlicht gekleidet – Wie Zoîn zum Beispiel. Alleine unter diesen 13 Gesichtern zeigte sich schon die Vielfalt, die im gesamten Block C und insbesondere unter den zahlreichen Individuen zu finden waren, die sich die Hüter nannten.
Ein blonder Mechane, der seine breite, muskulöse Gestalt in einen albernen Kunsthermelinmantel gehüllt hatte, flog nun seine Drohne etwas aus dem Kreis der anderen hervor. Mit einer ausladenden Geste mit der übergroßen Metallpranke, die er anstelle seines rechten Armes trug, begann er zu reden.
Der Prüfling kannte ihn. Sein Name war Lear. Ein aufgeblasener Wichtigtuer und doch ein Hüter. Dazu noch ein sehr angesehener, da er es auf eigenartige Weise geschafft hatte, sich mit einem Großteil der anderen Hüter gut zu stellen, was nicht nur wegen seines Auftretens verwunderlich war, sondern auch wegen der schieren Zahl an unterschiedlichsten Charakteren, die er mittlerweile zu seinen Freunden zählte.
Wie üblich war seine Sprache zügig und unglaublich gestelzt, als er zu sprechen begann, was nicht zuletzt an seiner übertriebenen und unglaubwürdigen Betonung lag.
„Nun, ich denke wir alle wissen worum es sich hier handelt. Lasst uns also keine weitere Zeit verlieren. Beginnen wir nun also mit der Ersten der Phasen: Unbewaffneter Nahkampf.“ Weitestgehende Zustimmung tönte daraufhin in sämtlichen Tonlagen und doch stets verzerrt, aus den Lautsprechern der Drohnen – es waren lediglich drei dagegen.
Ein weiterer greller Blitz blendete fauchend die Anwesenden. Und so brach die Hölle los.