Verwirrend wird es, wenn wieder die Farbrezeptoren ins Spiel kommen. Wie wir aus der letzten Woche wissen, befinden sich im Auge Zapfen/Farbrezeptoren für Rot, Grün und Blau, die Primärfarben der additiven Farbmischung. So weit so gut, dann geht es im Text aber weiter mit:
Zitat
To create a full image of what we actually see in our brain, we need three types of information:
RED / GREEN
YELLOW / BLUE
BRIGHT / DARK
Dazu gibt es eine Infografik, aus der man eigentlich nicht so richtig schlau wird. Warum werden die additiven Primärfarben aufgezählt, dann aber mit Gelb ergänzt, wo kommt das jetzt auf einmal her?
Zu allererst basiert unsere farbliche Wahrnehmung auf Rot, Grün und Blau, weil dies die Lichtwellen sind, für deren Wahrnehmung wir Rezeptoren besitzen (Zapfen), dazu haben wir natürlich Rezeptoren für Helligkeitswerte (die Stäbchen). Dementsprechend sind dies die Grundbausteine unserer Wahrnehmung, darauf ist unsere "Hardware" praktisch ausgelegt und andere Formen der "Eingabe" nehmen wir nicht wahr (das für uns nicht-sichtbare Lichtspektrum). Wir haben keine Rezeptoren für Mischfarben, diese entstehen erst im Gehirn, das die "Eingabe" erstmal verarbeiten muss und somit die Rolle der "Software" übernimmt. Diese "Software" ist so programmiert, dass sie aus diesen Vier Bausteinen (Rot, Grün, Blau, Helligkeit) sämtliche Farbnuancen erstellt, die wir wahrnehmen können, dazu möchte ich einen weiteren Farbraum vorstellen, den lab-Farbraum:
Dieser Farbraum arbeitet wie die "Software" in unserem Gehirn und unterscheidet sich maßgeblich vom RGB-Farbraum (additive Farbmischung, Darstellung am Monitor/durch Lichtemission) und dem CMYK-Farbraum (subtraktive Farbmischung, Darstellung im Druck, der Malerei/über Lichabsorbtion bzw. Remission). Sowohl RGB als auch CMYK sind Farbräume, die für bestimmte Medien bzw. Darstellungsmethoden ausgelegt sind, dementsprechend sind sie für das jeweils andere Medium ungeeignet, da dies die eigentlich objektiven Werte verfälscht. Beim lab-Farbraum ist das nicht der Fall, sein Medium ist die menschliche Wahrnehmung, sodass es ein "allgemeingültiger" oder "objektiver" Farbraum ist.
Was die Grafik darstellt: Wir haben drei Komponenten - l für Helligkeit (Lumineszenz) sowie a und b für die Farbliche Wahrnehmung (a und b sind dabei nur frei gewählte Variablen bzw. Buchstaben). l reicht dabei von 0-100, a und b haben jedoch auch negative Werte, hier werden Farben praktisch gegenübergestellt; a+ ist Cyan, a- ist Magenta, b+ ist Gelb und b- ist Blau. Das Prinzip dahinter ist recht simpel, jede der drei Achsen stellt Werte gegenüber, die unmöglich gleichzeitig wahrgenommen werden können: Reines Gelb kann kein Blau enthalten, reines Weiß (100% Licht) kein Schwarz (0% Licht) etc.
Hier können wir nochmal kurz auf die "Farbsohle" zurückkommen, denn sie basiert auf dem lab-Farbraum bzw. eben der menschlichen Wahrnehmung:
In dieser Grafik sehen wir nochmal zwei RGB-Farbräume sowie einen CMYK-Farbraum, wie man sieht überlappen sich die RGB- und der CMYK-Farbraum nur teilweise, das ist der Grund für die angesprochene Farbverfälschung bei unpassenden Ausgabemedien. Was in der letzten Grafik lediglich als "menschliche Wahrnehmung" bezeichnet wurde, wird hier nun lab genannt und wie man sieht umfasst dieser Farbraum sämtliche für uns wahrnehmbare Farben sowie natürlich die anderen (kleineren) Farbräume.
Mit dem lab-Farbraum lässt sich die Infografik von Massive Voodoo nun endlich nachvollziehen (ganz schön komplex, dafür dass sie die Dinge eigentlich leichter verständlich machen soll ^^):
Das "visible spectrum" sind die Lichtwellen an sich, das nicht sichtbare Spektrum interessiert uns dabei (zwangsläufig) nicht und wird daher außen vor gelassen. Bei a) kommt unsere Netzhaut ins Spiel bzw. die Stäbchen (Hell-Dunkelwahrnemung) sowie die Zapfen (Farbwahrnehmung) auf unserer Netzhaut. Hier sind die Primärfarben praktisch noch rein und ungemischt, das passiert erst bei b), wenn die Reize vom Gehirn verarbeitet werden. Die Helligkeitswerte werden überwiegend von den Reizen der Stäbchen bestimmt, aber auch über die Zapfen werden Reize diesbezüglich wahrgenommen, daher führen von allen Rezeptoren die Linien zur Helligkeit. Die Farbeindrücke der Zapfen werden dabei jedoch direkt gemischt und was dabei rauskommt, sind die a- und b-Achsen des lab-Farbraumes. Wie man merkt, ist dieser Farbraum jedoch ziemlich abstrakt, solche Daten werden nicht leicht verarbeitet, daher "filtert" unser Gehirn im letzten Schritt die Eindrücke in leichter erfassbare Werte: Helligkeit, Farbton und Sättigung.
In Bezug auf die Komplementärkontraste finde ich es schwierig ein genaues Fazit zu sehen, aber meine persönliche Meinung ist folgende: Die im Artikel zuerst vorgestellten Komplementärkontraste (Gelb-Blau, Magenta-Grün und Rot-Cyan) basieren auf "rechnerischen" Werten, sie sind sehr theoretisch und entstehen praktisch vor dem letzten Schritt im Gehirn, also bevor sinnvoll verwertbare Informationen entstehen. Die eher klassischen Komplemtärkontraste (Gelb-Violett, Blau-Orange, Rot-Grün) basieren dabei auf den "gefilterten" Eindrücken, deshalb halte ich sie für besser/leichter erfassbar. Kräftig sind ohne Zweifel beide Varianten und sicher ist keine von beiden der anderen wirklich unterlegen, mir persönlich scheinen die klassischen Komplementärkontraste jedoch mehr auf den letztendliche Farbeindruck an sich zu basieren, wobei sie auch Helligkeit und Farbtemperatur mit einbeziehen. Umgangssprachlich erscheint mir die andere Variante sehr viel "quietschiger", die Wirkung ist vor allem bunt und die Farben konkurrieren besonders heftig. Bei der klassischen Version sind die Kontraste nicht ganz so heftig, allerdings etwas harmonischer, hier konkurrieren die Farben nicht mehr so extrem, sondern verstärken sich mehr gegenseitig.
Als völlig subjektives Fazit wäre mein Schluss daher: Die klassischen Komplementärkontraste eignen sich auch für großflächige Anwendungen, während sich die "rechnerischen" dabei schnell ins Gehege kommen. Dafür sind letztere für besonders starke Akzente geeignet und können dadurch selbst kleine Flächen sehr deutlich hervorheben.