[sonst] Auch Worte tun weh

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    Auch Worte tun weh
    (Alle Rechte bleiben beim Autor)


    Nico ging über den Schulflur. Die Blicke, die ihm folgten,
    konnte er kaum ertragen. Verdammt, was dachten die eigentlich
    was er war? Etwa ein Tier im Zoo, dass man nach belieben
    begaffen konnte? Aber es war immer noch besser, sie schauten
    nur, als das sie wieder anfingen über ihn zu lachen, oder noch
    schlimmer ihn zu beleidigen.
    Was war heute morgen bloß in ihn gefahren? Eigentlich
    konnte er sich doch so gut der Sprüche erwehren, die er hin
    und wieder kassieren musste. Er entsprach halt nicht der norm.
    Na und? Das musste nicht bedeuten. Bis jetzt konnte er genau
    das auch immer so rüber bringen. Wie oft musste er sich diesen
    Satz nur anhören?
    „Bist du Schwul“
    Nicht einmal hatte er daran gedacht wahrheitsgemäß mit „ja“ zu
    antworten. Bis heute morgen.
    Stefan hatte ihn gefragt. Es war mitten im
    Geschichtsunterricht, vollkommen aus der Luft gegriffen. Noch
    ehe Nico richtig darüber nachdenken konnte, hörte er sich auch
    schon sagen
    „Ja bin ich. Na und?“
    In diesem Moment hatte es angefangen. Innerhalb der Klasse
    hatte es sich noch in dieser Stunde herum gesprochen.
    Unzählige Blicke ruhten auf einmal auf Nico. Was hatte er sich
    nur dabei gedacht? Er hätte es doch eigentlich ahnen müssen,
    was passieren würde. Dennoch hatte es ihm gereicht. Warum
    sollte er sich denn verstecken. Was zum Teufel war so verdammt
    verkehrt an ihm. Er liebt nun mal einen Jungen. Und, war das
    eine straf würdige Handlung? Wohl kaum. Dennoch, war ihm schon
    nach dieser Stunde, als Nico eine rauchen gehen wollte
    vollkommen klar, dass er sich ins abseits befördert hatte. Das
    getuschel nahm nur noch zu, nach dem er den Raum verlassen
    hatte. Kaum war er durch die Glastür auf den Hof verschwunden
    und hatte sich um die Ecke der dunklen Häuserfassade gedrückt,
    um sich eine anzustecken, hörte er auch schon die Stimmen
    einiger Anderer.
    „Würdest du dich etwa in der Arsch ficken lassen?“
    „Das ist doch ekelhaft.“
    „Ganz meine Meinung, Mann. Das ist einfach krank. Der Typ
    ist einfach krank“.
    Auf der Stelle, erkannte Nico, dass es um ihn ging. So
    schätzen sie also von nun an ein. Er war krank. Krank, weil er
    sich zu sich selbst bekannt. Krank, weil er sich nicht mehr
    verstecken wollte. Krank, weil er genau so geboren worden war.
    Schweren Herzens war er zurück in die Klasse gegangen. Was
    würde ihm nur bevorstehen. Er konnte es sich lebhaft
    vorstellen und Nicos Phantasie wurde nicht enttäuscht. Ein
    heiden Aufstand herrschte in der Klasse. Er als er den Raum
    wieder betreten hatte, wurde ihm klar, warum. An der Tafel
    prangte in Großen Buchstaben „Nico ist schwul“.
    Er versuchte es zu ignorieren, doch es glückte ihm nicht
    ganz. Wie sollte man so etwas auch ignorieren können? Es stand
    dort, direkt vor ihm und versuchte ihn zu verhöhnen. Sollte er
    darauf reagieren? Er entschied sich dagegen. Sollten sie sich
    zu ihrem eigenen Schluss kommen. Was machte es schon aus, was
    sie dachten? Wen interessierte es schon? Ihn interessierte es.
    So ungern er es sich auch eingestand, er machte sich etwas aus
    der Meinung der Anderen.
    Mal gerade vier Stunden waren zwischen seinem Outing und
    diesem Moment vergangen. Es hatte nicht lange gedauert, bis es
    sich überall herum gesprochen hatte. Keine Zeit wurde
    verschwendet.
    Die Pausen, die zweite große Pause hatte gerade geendet,
    waren genutzt worden. Gab es eigentlich noch einen einzogen
    Schüler, der nichts wusste. Wohl kaum. Alle schauten Nico an.
    Die Blicke ruhten schwer auf ihm. Wie sollte er nur damit
    umgehen? Was konnte man gegen eine solche geballte Übermacht
    tun?
    Aber das schlimmste waren nicht die Blick oder getuschel,
    hinter seinem Rücken. Es waren die Beleidigungen, die man ihm
    ins Gesicht sagte. „Schwule Sau“, „Arschficker“,
    „Schwanzlutscher“. Bei jeder Beleidigung starb auch ein Teil
    von Nico. Es tat weh. Es schmerzte mehr, als es jeder Schlag
    ins Gesicht hätte tun können. Es war mehr als Nico ertragen
    konnte. Diese Worte taten weh.