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Ich kann mich noch an dich erinnern. Du warst es, der mich
immer beschütze hast. Ich weiß noch, damals in der
Grundschule, ich war gerade eben erst eingeschult worden. Ein
Großer Kerl versuchte mich einzuschüchtern. Ich wusste, ich
hätte nie eine Schnitte gegen in gehabt. Und doch wart mir
nach kürzester Zeit bewusst, dass ich keine Angst haben
musste. Plötzlich waren du und deine Freunde bei mir. Dieses
Bild, wie ihr hinter mir standet, verließ mich nie. Ihr wart
einfach bei mir, schütztet mich.
Immer warst du mein Vorbild gewesen. Ich liebte dich. Ich
wusste, dass alles was du machst, seine Richtigkeit haben
müsste. Du warst mein großer Bruder, da wäre nichts gewesen,
was ich dir nicht geglaubt hätte.
Schicksalsschläge. Wir beide standen sie durch. Es schweißte
uns näher zusammen. Wie wussten, wir konnten uns nur
aufeinander verlassen. Niemand anderes wäre für uns
eingestanden, doch wir wollten zusammenhalten. Wir schworen es
uns. Für immer und immer, wollten wir Freunde bleiben. Du hast
mir eine Narbe auf dem Handrücken zugefügt, um es zu
besiegeln. Ich tat es dir gleich. Ich für dich, du für mich.
Wir waren eine Einheit. Es sollte immer so bleiben. Wir
wussten es, so wie ein sechsjähriger es eben wissen kann.
Was war es dann, was dich von mir weg bewegt hat? Was half dir
zu deinen Entscheidungen, war soviel stärker als ich? Ich
liebte dich, doch war es dir nicht genug. Meine liebe, die
liebe all der anderen, war es nicht genug?
In der Schule fühltest du dich ganz allein. Niemand war da,
der hinter dir stand. Du warst ewig außen vor. Doch da war
etwas was dich mit den wenigen anderen verband. Sie wollten
es, so wie du es anscheinend brauchtest.
Es fing harmlos an. Es war der Joint, der von Hand zu Hand
ging. Es war so leicht, zu ziehen, zu beschaffen, immer weiter
zu machen. Es war nur der Anfang.
Ich habe dich damals gesehen. Ich habe die geliebt, als du es
machtest. Ich liebte dich für das was du bist. Du warst mein
Bruder, wie hätte ich dich nicht lieben können? Aus der Tüte
am Abend wurden die Tüten am morgen, die Bong am Mittag, der
Eimer am Abend, und ich liebte dich noch immer. Ich wusste,
meist warst du nicht bei uns, doch warst du der Mensch, dem
ich folgen wollte.
Ich wollte dir folgen, doch gingst du einen Weg, der sich mir
nicht öffnen sollte. Immer weiter gingst du den Dingen
entgegen, die dich zerstören. Immer weiter entferntest du dich
von mir. Schließlich wusste ich nicht einmal wer du warst,
wohin du gehen wolltest. Alles was einmal so offen vor mir
gelegen hatte, blieb mir nun verborgen.
Du hattest dich nun neuen Freunden zugewendet. Nur eines noch
interessierte dich, dein nächster Trip. Du hattest dich aus
dem hier und jetzt verabschiedet. Warst endgültig nicht mehr
bei mir. Ich spürte den Verlust. Es war mir klar, dass ich
dich verlieren würde. Wie lange konntest du so leben? Wie
lange konntest du so ein leben ertragen?
Das was du führtest, war kein leben, du vegetiertest vor dich
hin. Hast dich von Trip zu Trip gerettet. Und mit jedem kick,
den du genossen hast, kam die Forderung nach mehr. Du
verlangtest nach mehr. Härteres musste ran. Ich spürte es,
auch wenn ich es nicht verstand.
Ich liebte dich noch immer, nur ließt du mich nicht mehr an
dich ran. Ich wollte bei dir sein, für dich da sein, doch du
hast mich weg gestoßen. Du driftetest immer weiter weg.
Entferntestes dich immer weiter. Ich weinte, da ich mir dessen
bewusst wurde. Doch du lächeltest mir immer noch ins Gesicht.
Es war dieses lächeln, dass nicht hierher zu gehören schien.
Es war in einer Welt geboren, zu der ich keinen Zugang hatte.
Schließlich wurde dir alles zu viel. Wie gerne wäre ich in
diesem Moment für dich da gewesen. Wie gerne hätte ich dir den
reichten Weg gewiesen, doch du suchtest den Weg nur in den
Drogen. Du suchtest dich selbst und verlorst dich darüber.
Gerne hätte ich dich wieder zu dir geführt, doch dein Sein
hatte sich verirrt. Du warst nicht mehr da. Ich konnte nichts
für dich tun. Ich musste mich vor dir schützen. Du, der du
immer mein Beschützer gewesen warst, warst nun meine Bedrohung
geworden. Ich hätte dich so gerne nochmal in die arme
genommen, doch du wolltest nur noch das eine: deine Droge.
Zurück gefunden hast du nie. Der Mensch, der du einmal gewesen
warst, kehrte nie zurück. Was Ich heute betrachte, wenn ich
die wiedertreffe, ist eine leere Hülle. Medikamente und Entzug
zeichneten dich. Sie töteten alles, was einst noch in dir war.
Ich weiß noch, wie du damals vor unzähligen Jahren der
achtjährige Junge warst, der mir Schutz geboten hat. Im hier
und heute bist du immer noch der achtjährige liebe Mensch.
Doch nun brauchst du meinen Schutz.
Aber was kann ich dir geben. Ich weiß soviel von dir. Doch du
weißt nichts von mir. Du hast keine Ahnung mehr wer ich bin.
Das einzige was dir gewahr geworden ist; ich hab dich längst
überflügelt. Ich wollte es nicht, doch es ist das was das
Leben forderte. Ich war der kleine Bruder; ich wurde zum
Großen. Ich lieb dich. Mehr als ich mich selber liebe. Du bist
es, der mich davor bewahrt mich selber zu vergessen, der mich
warnt, was mir passieren kann.
Heute, viele Jahre später, kann ich dich verstehen. Ich habe
deine Weg gesehen, ihn ein Stück weit beschritten, und mich
dann meinem ganz eigenen hingegeben. Immer wieder sehe ich die
Parallelen unsrer Leben.
Und doch frage ich dich: „Wie konntest du dich so diesem
falschen Sein hingeben, wie konntest du dich so verlieren?“