[Wunsch] Und sie nannten ihn Hundsfott

  • Und es begab sich zu einer Zeit, als die Männer noch wie Männer rochen und die Frauen gar furchtbar unpraktische Kleider trugen, da lud der Großherzog bei Hofe ein. Von nah und fern und Orten, die zuvor noch keiner Menschenseel' bekannt, strömten all die Edlen und Parfümierten, und auch einige nicht ganz so Feinen, herbei, um sich an Labsal, Gesang und Tanz zu erfreuen. Nie ein Kind von Traurigkeit und keinesfalls gewillt, in den Ruf eines elendigen Kaufmanns zu kommen, wurde dem Herrscher zu Ehren ein großes Turnier ausgerichtet, welches zusätzlich für dekadente Unterhaltung sorgen sollte. Zu den berüchtigsten Edelleuten, die eigens für die eitle Zurschaustellung des männlichen Schwertarms herbeiströmten, gehörte Sir Kunibert, vom heiligen Nussbaum, von und zu Dunkelbach, hinter seinem Rücken ob seines unleidigen Temperaments vom Gesinde auch einstweilen nur mit Schimpfnamen gerufen. So höret denn, und urteilet selbst über den Charakter dieses Mannes, immerhin tratschten die Waschweiber lautstark über ihn, ohne den Funken des Erkennens seinerseits, als er unerwartet dazu stieß. Nicht daran interessiert, zu ergründen, wem die wüste Schimpfrede gegolten haben mochte, lachte er nur schallend und nannte prompt sein Pferd nach dem Namen, den er besonders vulgär fand. Dauert nun das arme Tier, das fortan nur noch auf den Namen „Hundsfott“ hörte.


    Beinahe bevor die Tore für das traditionelle Saufgelage am Abend zuvor geschlossen wurden, traf ein letzter Reiter ein. Es war ein schweigsamer Grafensohn, aus einem fernen Land, der niemandem persönlich bekannt war und dessen unschicklich exotischer Name für genug Spekulationen und Tratsch sorgte, obwohl niemand gewillt war, ihn sich letztlich einzuprägen. Das Fest schritt voran und alles empfand eine ausgelassene Heiterkeit, die dem Pfarrer durchaus des Teufels gewesen sein mochte. Alles, bis auf den fremden Adligen. Er aß und trank wenig, beinahe bishin zu asketischen Grenze der Gastgeberbeleidigung, während Ritter Kunibert soff und fraß, was sein Leib zu behalten vermochte. Allgemeiner Radau erhob sich, als der Gastgeber verkündete, wer auch immer das Turnier gewinnen mochte, erhielte als Dreingabe auch die Hand seiner Tochter. Wohl mochte sich beim Gedanken an die Hochzeitsnacht auch der ein oder andere Gürtel gelockert haben, aber das mag auch ein Kind der Völlerei gewesen sein. Lady Berelinde jedenfalls (zur Vollendung ein wohlgeformtes „e“, darauf legte sie Wert), gähnte nur hinter dezent vorgehaltener Hand. Turniere langweilten sie, das Geschrei zu laut und der Gestank ungewaschener Männer in schwitziger Rüstung zuviel für das zarte Näschen. Dennoch gab es noch eine letzte Pflicht für eine sittsame Adelstochter, bis sie sich, Erschöpfung und Magengrimmen vortäuschend, zurückziehen durfte. Ein kleiner Beweis ihrer Gunst, ein Becher voll süßem Wein, dem vielversprechendensten Herausforderer huldvoll eingeschenkt. Am folgenden Tag zwischen den Ritten, würde sie weiterhin der Mundschank für die tapferen Rittersleut sein.


    Als der Tag und das Turnier ihren vorherbestimmten Lauf nahmen und sich die Recken nach und nach ins Lazarett oder unter den Tisch verabschiedeten, standen sich bald nur noch zwei Herausforderer gegenüber. Der unbekannte Streiter ritt eine sehnige Falbstute, die wachsam tänzelte. Angetan mit einer einfachen grauen Schabracke, machte sie wenig Eindruck, ebenso wie der simple, aber offensichtlich sorgsam gepflegte Plattenpanzer ihres Reiters. Kunibert saß auf seinem Lieblingsstreitross, ein stampfendes Ungetüm von einem Rappen, das durch einen tragischen Unfall zum Wallach geworden war. Dennoch hatte Hundsfott nichts von seinen üblen Manieren verloren. Als Stute, sofern man ihn nicht bereits eine halbe rufen mochte, wäre er sicher nicht um ein „Bissmähre“ herumgekommen. Der erste und einzige Erbe von Dunkelbach führte eine schwarze Prunkrüstung ins Feld, mit rotgefärbten Pfauenfedern am schwingengekrönten Helm. Ein prachtvolle Erscheinung, fürwahr. Heimliche Seufzer ins parfürmierte Taschenbuch unter den adligen Matronen war kein seltener Anblick, obwohl diese natürlich nicht der Rüstung an sich galten.


    So war denn nun der Moment der Entscheidung gekommen und Zeit für den gekonnten Streich gegen die ehrgesalbte Rüstung des Selbstbewusstseins – die traditionelle Herausforderung der Kontrahenten vor dem Ritt. Unerhörterweise blieb just in diesem Fall der eine stumm, denn er war viel zu sehr aufs Zuhören bedacht. Denn der fremde Ritter tat sich schwer mit der Mundart seines Gegenübers, neigte dieser doch zu einer gar absonderlichen Betonung: „IhR SeeiHeD dEs ToDess!“
    Geschrei erhob sich, als Hufe in die Bahnen donnerten und den Staub aufwühlten. Jubel, Schmährufe, das Gewieher der Pferde, das Ächzen des Leders und das Geklirr des Rüstzeugs. Ein ohrenbetäubender Lärm und über allem, der siegessichere heisere Schrei Kuniberts. Allerdings schien ihm sein Schild heute besonders schwer zu scheinen, denn er brachte nicht die ihm sonst so geläufige Abwehrhaltung zustande.


    Kurz bevor die gegnerische Lanzenspitze seine Schulter hätte treffen müssen, geschah jedoch das Unfassbare. Mit einem Laut, als habe man einen Sack voll alter Nachttöpfe von den Zinnen geworfen, kippte Sir Kunibert, vom heiligen Nussbaum, von und zu Dunkelbach aus dem Sattel und in den Schmutz. Betroffene Stille senkte sich über den Turnierplatz. Selbst Hundsfott stand nur mit hängendem Kopf neben seinem Herrn, bis... ja, liebe Leut', ich glaubt' es beinahe selber nicht, die oh so süße Frucht des edlen Hauses lauthals lachte. Und sich schier ausschütten wollte vor Lachen, bis jedem trinkfesten Manne vom Vortag beinahe die Röte in die Wangen stieg. Mit der Eleganz und Anmut eines Vögelchens warf die junge Maid einen Strauß Mohnblumen über die Brüstung und rauschte die Treppen hinab.


    Es geht die Mär, der fremde Ritter habe Lady Berelinde danach einfach über die Kruppe seines Pferdes geworfen und sei mit ihr auf und davon. Eine andere Stimme mag ihn dagegen das Heiratsgebot ausschlagen haben hören, und allein auf Nimmerwiedersehen zurück in sein fernes Land. Aber hört nicht auf mich, ihr leichtgläubiges Volk, wir Barden nehmen es mit der Wahrheit nie so genau.