[40K] Mitter-Ende auf Dahlem

  • hierbei handelt es sich um einen auszug, aus einer längerern geschichte


    Auf Dahlem tobte der Kampf in den Straßen der Makropolen und des Raumhafengeländes. Leutnant Mitter trieb seine Männer in die nächste Deckung. Kaum waren sie aber aus dem Schatten eines ausgebrannten Warenlagers heraus, als auch schon aus verschiedenen Richtungen MG-Feuer auf sie abgefeuert wurde. Schwere Boltersalven und Fragmentgranaten unterstützten den todbringenden Geschosshagel. Diese verdammten PVS-Truppen hatten sich hier einen perfekten Hinterhalt zurecht gelegt. Mitter befahl den Chimären vorzurücken und so eine mobile Deckung für die restlichen Truppen zu bilden. Die Taktik ging auf. Sie kamen ein gutes Stück voran. Die imperiale Armee wollte die Dahlem Truppen aus mehreren Sektoren gleichzeitig drängen und machte daher mit mehreren Kompanien, die wie an einer Schnur aufgefädelte Stellungen hatten, Druck. Mitters Einheit war das eine Ende dieser Schnur. Über Funk hatte er schon ein paar male gehört dass er mit seiner Einheit etwas zurücklag. Die Vorgesetzten wollten, dass er Tempo machte. Grade als er glaubte er könnte nun zu den anderen Einheiten wieder aufholen ging die erste Chimäre in Flammen auf. Mitter verlor wieder einige Männer als der Tank des Panzers explodierte. „Verdammt!“, schrie er seine Frustration heraus. Diese dreckigen Rebellen hatten da eine Laserkanone versteckt. Sie hatten den ganzen Tag Mitters Männer mit allen möglichen Waffen und Raketen beschossen, aber diese Laserkanonen hatten sie sich bis zum Schluss aufgehoben. Extra für seine Panzer! „Los alles raus aus den Panzern! Raus!“ rief er den Turmschützen, der Chimären zu. Doch da strichen schon weiter Laserstrahlen über die Seiten der Panzer. Die hinteren Ausstiegsluken sprangen auf und hustende Soldaten stürzten ins Freie. Einige brannten, andere versuchten mit Feuerlöschern sie zu löschen, oder noch wichtige Ausrüstung aus dem brennenden Panzern zu bergen. Das war’s also mit seiner mobilen Deckung gewesen. Eines der drei brennenden Panzerwracks hatte noch Flüssigbrennstoff für die Flammenwerfer geladen und explodierte in einem heißen, hellen und Ohren betäubenden Feuerball, dessen Druckwelle einen Großteil von Mitters Männern erfasste und sie durch die Gegend schleuderte. Kaum waren sie so aus dem toten Winkel der Panzer heraus, als die Rebellen auch schon wieder mit ihrem Feuerzauber loslegten. Diese Hunde! Sahen sie denn nicht, dass seine Männer schon halb tot am Boden lagen.


    „Alles in Deckung! Rückzug zum Warenlager!“ Mitter rannte und wich dabei den um ihn herum einschlagenden Geschossen aus. Er spürte ein, zwei Einschläge in den Rücken, doch seine vor der Schlacht gesegnete Plattenrüstung schützte ihn zuverlässig. Hinter einen Mauervorsprung warf er sich in den Staub und verschnaufte kurz. Als sich nur einen Augenblick später sein Funker neben ihn warf, griff er sich das Funkgerät und verlangte gereizt eine Verbindung zum Hauptquartier. Bald sprach er endlich mit Jemandem der verantwortlich war. Seine Wut hatte sich in eine kontrollierte Gelassenheit gewandelt. „…Guter Mann, hören sie mir zu. Meine Einheit und ich werden uns hier nicht einen Schritt mehr weiter bewegen, bevor hier nicht etwas schwere Unterstützung für uns auftaucht. Ich habe grade drei meiner Chimären an den Feind verloren und bin nicht im Geringsten motiviert, das gleiche Schicksal zu erleiden. Also schicken sie uns jemanden vorbei, der die Laserkanonenstellungen für uns knackt. Ehre ihm auf Erden.“ Der Leutnant kappte die Verbindung und gab seinen Sergeants das Zeichen zum pausieren. So gut es ihre jeweiligen Stellungen zuließen machten es sich die Soldaten bequem und harrten der Dinge, die da kommen würden.


    Nun lagen sie schon fünf Minuten tatenlos im Dreck und das Oberkommando hatte sich noch nicht wieder gemeldet. Weder negativ noch positiv. Hatte man sie etwa vergessen? Mitter fühlte sich irgendwie unbehaglich. So, als würde ihn jemand beobachten. Er drehte sich um und hätte beinahe seine Zigarette fallen lassen, die er sich angesteckt hatte. Vor ihm stand ein ganz in Metall gekleideter Hüne und fixierte ihn mit emotionslosen Augen. Ein Black Angel! „Wir sind ihre Unterstützung, Leutnant! Wo liegt das Problem?“, sprach der Space Marine mit ernster Stimme. „Sergeant Unger erkunden sie die Lage!“ Unger, der ganz in der Nähe an einer Mauer gekauert hatte, warf seine Zigarette weg, die er sich grade vom Leutnant geschnorrt hatte und setzte seinen Stahlhelm auf. Geduckt schlich er bis zum äußersten Rand des Mauerstückes und lugte vorsichtig um die Ecke. Alles schien ruhig. Doch grade als er eine Schritt aus der Deckung heraus machen wollte, schlug eine MG-Salve vor ihm ein und bespritzte ihn mit Dreck. Mit einem hastigen Sprung hatte sich Unger wieder in Sicherheit gebracht und zuckte nur entschuldigend mit den Schultern. „Ich verstehe. Warten sie auf mein Signal! Dann könne sie ihren Vormarsch fortsetzen.“ Der Black Angel drehte sich um und rannte mit dem Bolter im Anschlag aus der Deckung. Als der Kugelhagel wieder einsetzte bemerkte Mitter fünf weitere Black Angels, die sich auf die Mündungsfeuer der Rebellenstellungen zu bewegten. Kurze Bolterfeuerstöße antworteten den MG-Salven und schalteten gezielt die Schützen aus. Die Rebellen wehrten sich mit allem, was sie hatten und entfesselten ein wahres Lichtgewitter aus Laserschüssen, Leuchtspurmunition und Maschinenkanonenprojektilen. Sogar die Laserkanonen wurde ein paar Mal auf die Space Marines abgefeuert. Diese revanchierten sich mit Flammenwerfer und Kettenschwert. Nach wenigen Minuten war alles vorbei und über Funk meldete sich der Black Angels, der schon zuvor mit Mitter gesprochen hatte. „Sie können weitermachen. Kein Ketzer ist mehr am Leben!“ Unter Mitters Männern brach Jubel aus und die Soldaten erhoben sich neu motiviert aus ihrer Deckung. Leutnant Mitter gab das Zeichen zum Aufbruch und drückte seine Zigarette aus. Die Pause hatte ihm gut getan. Auch war er zufrieden, sich beim Hauptquartier durchgesetzt zu haben. Von diesem kleinen Sieg, gegenüber den teilweise schon zu bürokratischen Strukturen im Oberkommando, konnte er noch eine Weile zehren.


    Die Black Angels schienen die imperialen Soldaten noch ein Stück begleiten zu wollen und hatten Positionen an den Flanken von Mitters Einheit eingenommen. Nun gut, soll mir nur recht sein, dachte sich der Leutnant und beobachtete aufmerksam die Fensteröffnungen der umliegenden Ruinen und Gebäude, die noch nicht eingestürzt waren oder brannten. Fehlte noch, dass irgendein Scharfschütze die augenblicklich gute Moral der Truppe, durch einige gut gezielte Schüsse wieder zunichte machte. Das dämmrige Zwielicht machte die Aufklärung aber nicht grade leichter und Mitter dachte schon daran sein Nachtsichtgerät aus der Kampftasche zu holen, als ihm auffiel, dass er zuschauen konnte, wie es immer dunkler wurde. Er stutzte und schaute auf seinen Armbandchronograph. Dann blickte er erstaunt zum Himmel und danach wieder auf den Chronometer. Es war kurz nach Mittag. Die Sonne hätte normalerweise ihren höchsten Stand erreicht haben müssen, stattdessen verdunkelte sich der Himmel zusehends. Sergeant Unger kam zu ihm und raunte ihm ins Ohr, dass etwas nicht stimmte. Der Kampflärm, der seit Tagen schon so alltäglich geworden war, dass Mitter ihn kaum noch wahrgenommen hatte, hatte in den umliegenden Sektoren merklich abgenommen und war auf vereinzelte dumpfe Donnerschläge zusammengeschrumpft. Doch dann verstummten auch diese. Nun war es fast ganz stockdunkel und Mitter rief nach seinem Funker. „Stellen sie eine Verbindung zum Oberkommando her, ich will wissen, was das hier zu bedeuten hat.“ Der Schemen, der die Stimme des Funkers hatte, schien den Kopf zu schütteln. „Keine Chance Leutnant. Das Netz ist total überlastet. Da gibt es kein Durchkommen. Sogar die Kanäle des Dahlem-Militärs, die ich manchmal reinkriege, sind stumm.“ Verdammt, was war denn nur jetzt schon wieder schief gegangen? Handelte es sich hierbei um eine neue Waffe des Feindes oder der imperialen Armee? Oder war grade der Weltuntergang für Dahlem angebrochen?


    Die Nacht senkte sich über das Schlachtfeld.

    Gefallene Engel
    Es ist die alte finstere Mähr von zwei Vermaledeiten/die ohne Rast und ohne Ruh fort durch die Hölle schreiten.
    Von zweien, die voll Hochmut einst verschmäht des Himmels Frieden/ und eine Seligkeit hindurch sich fremd und stolz gemieden.
    Von zwei Vermaledeiten, die so fern nun allem Reinen, sich suchen, finden, halten, ach! /Und weinen, weinen, weinen.

    Ada Christen (1839-1901)

    Einmal editiert, zuletzt von Darklu ()

  • Gleich nachdem die Black Angels das riesige Objekt am Himmel bemerkt hatten, waren sie mit Sack und Pack verschwunden um an anderer Stelle, wo sie dringender gebraucht wurden zu zuschlagen. Mitter war zwar nicht ganz wohl bei dem Gedanken gewesen aber schließlich hatten die Spacemarines ja alle gefährlichen Gegner ausgeschaltet. Und er war ja auch kein Schwächling. Seine Einheit hatte schon auf ganz anderen Welten in ganz anderen Kriegen gekämpft. Momentan schien auch der Gegner mit anderen Problemen beschäftigt zu sein denn die unvereinbarte dauerte nun schon eine halbe Stunde an. Mitters Männer hatten in der Zeit viel Boden gut gemacht und waren jetzt halbwegs planmäßig dort, wo sie auch sein sollten. Da ihm weitere Anweisungen fehlten und ein eigenständiger Selbstmordangriff ohne Unterstützung der andern Truppenteile in der Nähe, das letzte war, was er jetzt wollte, hatte er eine Pause angeordnet.


    Der Funker versuchte noch immer Kontakt zu Hauptquartier zu bekommen, war aber bisher erfolglos gewesen. Die Reste der Einheit hatten sich um ihn herum in der Nähe verteilt und nutzten die unverhoffte Ruhephase so gut es ging aus. Da wurde aufmunitioniert und die Waffe überprüft, dort wurden kleiner Verletzungen behandelt und einige schafften sogar das Kunststück sofort in einen leichten Schlaf zu fallen, um sich zu erholen. Mitter konnte es seinen Leuten nicht verübeln. Diese Dahlem-Revolte zog sich schon zu lange zu zäh dahin. Die imperialen Truppen hatten nicht im Mindesten mit soviel Widerstand gerechnet und so kompetenten und verschlagenen Verteidigern. Die hatten die Jahre die sie vom Imperium noch unbehelligt gewesen waren gut genutzt. Der ganze Planet war zu einer einzigen Falle für die Imperialen Truppen geworden. Das Oberkommando sah sich außer Stande das Problem selbst zu lösen und hatte dann um die Hilfe von Spacemarines gebeten. Die Black Angels hatten dann auch einen ihrer Schlachtkreuzer geschickt, der mit der Raumabwehr der Rebellen kurzen Prozess gemacht hatte. Die Raumschlacht hatten sie jede Nacht beobachtet.


    Doch vor einigen Stunden schien etwas schief gelaufen zu sein. Auf den Befehlsfrequenzen hatte man etwas von einer unerwartete eingetroffenen neuen Raumschiffflotte gehört deren Identität noch nicht ermittelt werden konnte. Dann schien es größere Gefechte im Dahlem-System zu geben. Und nun war der Himmel verdunkelt worden. Es war schon...“Leutnant! Leutnant Mitter! Ich krieg wieder was rein. Das müssen sie sich anhören.“ Funker Barnes kam geduckt angelaufen. Er hielt den Hörer des Gerätes in der Hand und spielte mit der anderen an den Reglern um den Empfang zu verbessern. „Leider können wir zurzeit nur empfangen und nicht senden.“ Mitter hörte durch statisches Rauschen verzerrte Stimmen, die panisch Befehle brüllten oder schockiert von neuen Angreifern berichteten, die aus dem Nichts zu kommen schienen und alles angriffen was nach imperialen Truppen aussah. Hatten diese Rebellen tatsächlich Verstärkung aus dem All bekommen? Waren die Black Angels etwa gescheitert? „Verdammt das klingt nicht gut. Was soll das bedeuten?“, fragte Sergeant Unger. „Sagen sie den Männern sie sollen sich bereit machen. Alle Waffen scharf machen. Wir schießen erst und fragen dann, verstanden?“ Mitter holte seine Boltpistole aus dem Holster und kontrollierte das Magazin. Unger nickte. Seine Sinne hatten sich bereits auf die neue Situation eingestellt.


    „Sir, da kommen Dahlem-Rebellen! Sieht so aus als würden die vor etwas weg laufen.“, kam Dadells Stimme über den Kurzreichweitenfunk. Dadell war einer der Soldaten die die Umgebung im Auge behalten sollten. Mitter stutzte. „Verdammt, da kommen...Was sind das für Viecher?...Leutnant da sind Xenos, die die Rebellen jagen!“ Dadells Stimme überschlug sich. Und dann rannten schon die versprengten Reste einer Dahlem-PVS-Einheit durch das provisorische Lager. Die imperialen Soldaten waren so verblüfft, das sie ganz vergaßen auf ihre Gegner zu feuern. Doch schon Sekunden später pfiffen leuchtende Geschosse durch die Luft und streckten einige der Rebellen nieder. „Was zur Hölle...“ Mitter schoss aus Reflex auf die Xenokreaturen. Seine Männer folgten seinem Beispiel und machten die seltsamen nichtmenschlichen Gegner nieder. „Das sind Kroots. Nichts wie weg hier!“, schrie einer der Soldaten. Wie ein Mann rannten alle los und suchten sich eine neue Deckung. Mitter wurde einfach mitgerissen und schoss immer noch wie automatische auf die Außerirdischen Angreifer. „Unger bilden sie da hinten bei den Säulen eine neue Stellung und geben sie uns Feuerschutz!“ Nun übernahm wieder der Leutnant in Mitter die Oberhand und schickte den geschockten Zivilisten wieder in die Tiefen seines Unterbewusstseins. Die Krootkrieger hatten ihn überrascht. Alle hatten sie schon von den grausamen Xenos gehört, die ihre Gegner bestialisch abschlachteten und dann über die Überreste der Toten herfielen, um sie zu verspeisen. Mitter selbst war ihnen erst einmal im Leben begegnet. Bei einer Mission ins Tau Imperium waren sie die Bodentruppen der grauhäutigen Schwächlinge. Sie hatten aus einem Wald heraus angegriffen und waren kurz darauf wieder in ihm verschwunden, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen. Nur die toten Reste der Gefallenen. Verdammt was machen die denn hier? Mitter konnte sich kaum vorstellen das die Tau sich für das Dahlem-System interessierten. Und wenn doch, das sie sich einfach so in einen bestehenden Konflikt einmischten.


    „Sir, der hier ist noch am Leben.“ Mitter rannte hinter die Deckung und hockte sich neben den Sani der einen der Dahlem-Rebellen behandelte. Mitter rannte hinter die Deckung und hockte sich neben den Sani, der einen der Dahlem-Rebellen behandelte. Der Mann hatte einen Streifschuss erhalten und stand offensichtlich unter Schock. Mitter griff ihn sich. „Was beim Imperator geht hier vor? Wie habt ihr den Himmel verdunkelt? Los Mann, rede!“ Der bleiche Mann schien auf die Worte zu reagieren. „Wie...? Das wart nicht Ihr?“, stammelte der Rebell verstört. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. „Aber wir dachten das Imperium hätte eine neue Waffe.“ Mitter verlor die Geduld. Der Mann war immer noch nicht ganz da. Mit einigen schallenden Ohrfeigen würde er ihn schon zum Reden bringen. Es schien zu wirken. Angst wich Verblüffung. Diese wurde durch Trotz abgelöst. Der Mann schwieg eisern. Er hatte seinen Schock überwunden und musste feststellen dass er sich in Feindeshand befand. Aber das schien immer noch besser als die blutgierigen Kroot, die seine Einheit aufgerieben hatten. „Leutnant, da kommen neue Xenos. Das werden immer mehr! Wir sollten hier verschwinden.“, rief Sergeant Unger über das Geräusch feuernder Lasergewehre hinweg. Lange würden die Lasergewehre und die zwei letzten schweren Bolter, die seiner Einheit verblieben waren, nicht mehr gegen den Ansturm der Angreifer standhalten. Zumal die Munition der Bolter schon vor dem Einsatz knapp gewesen war. Mitter musste mit seiner Einheit auf eine sichere Position zurück weichen. „Unger, wir ziehen uns zurück in Sektor drei. Dort werden versuchen Anschluss zu unseren Truppen zu finden.“ „Aber da kommen wir doch grade her.“, sagte der Sani.


    Mitter sah wieder zu dem Gefangenen und überlegte kurz. Vielleicht gab es ja noch eine andere Lösung. Ihm fiel auf, dass der Rebell seine Laserpistole gezogen hatte. Warum hatte ihn niemand entwaffnet? Er trug die Uniform eines Unteroffiziers der Dahlem-PVS. Er war also kein einfacher Soldat, sondern ein erfahrener Veteran. Jemand der kein blutiger Anfänger mehr war und seine Heimat bisher verbissen verteidigt hatte. Aber im Moment hatte dieser Mann wohl beschlossen das Mitter und seine Soldaten wohl das kleiner Übel waren. Gut, der Mann machte nicht den Eindruck, als würde er jeden Moment abhauen wollen. „Wie ist ihr Name Soldat?“ „Gessel!“, antwortete Gessel unfreundlich. Das schien alles zu sein, was er sagen wollte. „Gut, Gessel. Ich hoffe das da sind nicht ihre Freunde. Denn zurzeit brauch ich jeden Mann. Ich schlage also vor, dass sie uns ein Stück begleiten. Sie sehen ja selbst das wir momentan andere Probleme haben, als ihre lächerliche kleine Rebellion.“ Als Mitter die Rebellion erwähnte, schien Gessel ihn mit seinem Blick verbrennen zu wollen. Aber er riss sich zusammen und nickte nur grimmig. Er würde Mitter helfen. Aber der Leutnant war sich sicher, dass Gessel eine wandelnde Zeitbombe war.


    Der Unteroffizier war nicht einfach nur ein einfacher Soldat, der die Befehle seiner Vorgesetzten fraglos akzeptierte. Nein, Gessel schien an das zu glauben, wofür er kämpfte. Er bekämpfte nicht nur die imperialen Truppen, die seine Planeten zurückerobern wollten, sondern auch das, wofür die Imperiale Armee stand. In Gessels Augen hatte sich Dahlem schon vor Jahren aus dem Würgegriff eines rückständigen und despotischen Imperiums befreit, das nur noch durch ein wirres Geflecht aus Gewalt und blindem Religionsfanatismus seit Jahrtausenden zusammengehalten wurde. Er war nicht nur ein Mitläufer sondern ein Überzeugter der Idee, der Rebellion von Dahlem. In dieser Hinsicht unterschied er sich nicht von einem anderen Ketzer oder Kultisten. Ein Kommissar könnte wahrscheinlich nicht überzeugender sein. Alle gehörten einer Gruppe von Fanatikern an, die sogar für ihre Idee sterben würden. Mitter würde Gessel im Auge behalten müssen, wenn er nicht wollte, dass dieser die neue Situation trotz aller Versprechen ausnutzte, um einige Imperiale Soldaten mit in den Tod zu nehmen. Er brauchte nur eine Handgranate im richtigen Moment zu zünden. Also warum schoss Mitter ihn nicht einfach nieder? Nun er brauchte diesen Mann noch. Gessel kannte sich in der Makropole viel besser aus und hatte als höherer Dienstgrad auch Zugang zu Informationen, über die ein einfacher Soldat nicht verfügte. Vielleicht kannte er den einen oder anderen Bunker, den die Imperiale Armee noch nicht entdeckt hatte.

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    Ada Christen (1839-1901)

  • Es gelang ihnen die Kroot abzuhängen. Diese widerwärtigen Kreaturen hatten sich über die Leichen der Toten hergemacht und sie nicht weiter verfolgt. Sie konnten sich im Schatten einer eingestürzten Ruine verschanzen und Mitter schickte seine Männer aus, um die Gegend zu erkunden. Funker Barnes sollte es noch einmal mit dem Funkgerät versuchen. Es konnte doch nicht sein, dass die Einheit mitten im wildesten Kampfgetümmel verloren ging. Barnes teilte ihm mit das es nicht am Gerät selbst lag, sondern daran, dass niemand sendete. Vielleicht hatte man die zentrale Funkstation getroffen oder das Hauptquartier war von einem Bombenangriff vernichtet worden.


    Verdammt, waren sie also wirklich abgeschnitten? Gestrandete in einer Millionenstadt voller Feinde und versprengter Verbündeter. Mitter holte aus seiner Montur die taktischen Karten, die ihm bei der letzten richtigen Besprechung ausgeteilt worden waren. Wie lange war das wohl schon her? Ein, zwei Tage? Mitter konnte sich nicht mehr richtig erinnern. Es kam ihm unwirklich vor. Aber wenn die anderen Einheiten ähnliche Probleme bei der Offensive gegen die Rebellen gehabte hatten bevor sich der Himmel verdunkelte, dürften auch sie nur langsam vorangekommen sein. Er rechnete die durchschnittlichen Geschwindigkeiten und Fähigkeiten der einzelnen Kommandeure durch und rekonstruierte eine provisorisch neue Karte. Dann holte er den Auspex aus seiner Feldtasche und nahm einige Messungen vor. Gut, das könnte klappen. Er würde mit seinen Männern nach Westen gehen und hoffentlich auf die versprengten teile von Leutnant Markwards treffen. „Unger herkommen!“ reife er und wartete bis sein Sergeant zu ihm kam. „Neue Befehle, Leutnant?“ Der Sergeant hatte sich erneute eine Zigarette angesteckt, diesmal aber darauf verzichtet sie gleich wieder wegzuwerfen, als ihn sein Chef zu sich gerufen hatte. Wer weiß schon wann er das nächste Mal wieder an neue kam? Mitter sah über diese Kleinigkeit hinweg, schließlich war Unger sein bester Mann und hatte sich in seinen Augen ein paar Privilegien verdient. „Sie sollten sich mal überlegen, ob beim Psi-Korps noch eine Stelle frei geworden ist Unger. Sie erscheinen mir talentiert.“, scherzte Mitter um die Situation etwas aufzulockern. „Nee Leutnant, bin so schon genug eingespannt.“, erwiderte Unger lächelnd. „Was soll ich für sie erledigen, Chef?“
    Das war sein Unger! Immer gleich auf den Punkt, immer direkt. „Nun, sie nehmen sich zwei verlässliche Männer und eines der Funkgeräte und machen uns die Vorhut. Ich brauche ein paar fähige Späher die für uns einen halbwegs sicheren Weg durch die Ruinen nach Westen suchen. Ich brauche sie als meine Augen und Ohren an vorderster Linie. Hier ist eine ungefähre Karte mit den möglichen Positionen unserer Jungs aus Markwards Haufen. Die will ich heute noch treffen.“ Mitter reichte dem Sergeant die überarbeitete Karte. Unger nickte. „Verstehe. Ich melde mich dann, wenn ich was zu melden habe.“ Mitter klopfte ihm auf die Schulter und kramte in seinen Taschen. Dann hatte er die Schachtel Glimmstängel gefunden die er sich auf der Besprechung gemopst hatte. „Hier. Aber lassen sie mir eine übrig, die ich dann nach dem Einsatz noch rauchen kann, verstanden?“ Unger lächelte ein weiteres Mal und salutierte. Dann wandte er sich ab und suchte sich zwei Soldaten aus die ihn begleiten sollten.


    „Gessel ich brauche ihre Hilfe!“ Mitter hatte sich eine Packung Feldration rausgesucht und hielt sie in Gessels Richtung. Der schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht, ganz so als würde Mitter ihm einen Haufen Hundekot anbieten. „ Und mit dem verdorbenen Zeug wollen sie mich bestechen? Also bitte!“ Der Rebell holte sich einen Proteinriegel aus einer seiner Uniformtaschen und biss demonstrativ ab. Mitter ignorierte das kindische Gehabe des Dahlemners und setzet sich ihm gegenüber. „Können sie mir ungefähr sagen, was sich in Richtung Westen befindet, ohne mir gleich wieder mit ihrer Patriotentour zu kommen, von wegen >ich werde mein Volk nicht verraten! < ?“ Gessel blitzte ihn böse an, schien aber trotzdem über Mitters Frage nachzudenken. „Vor der Invasion nannten wir diesen Abschnitt, die Dreckschleudern. Dort befanden sich einige unsere größten Industrieanlagen für Treib- und Sprengstoff-Produktion. Allerdings haben wir das meiste davon bereits verlegt als der Krieg losging. Wohin ist egal, klar? Das einzige, was sich da jetzt noch befindet sind einige Lagerkammern. Wir haben sie für Nachschub umgerüstet.“


    Mitter ging die taktischen Möglichkeiten eines solchen Lagers durch. Es wäre sicherlich das Ziel für jeden Fahrzeugführer. Dort konnten zum Beispiel Panzer aufgetankt und die Waffen aufmunitioniert werden. Also würden sich im Umfeld um dies Lager viele Truppen beider Parteien aufhalten. Und natürlich auch die neuen Angreifer. Mitter hoffte aber dort wieder auf einige Black Angels zu treffen. Die Krieger der dunklen Bruderschaft würden sicherlich keine Probleme haben, sich wirksam gegen die Aliens zur Wehr zu setzen. Auf jeden Fall würden die Überlebenschancen von Mitters Einheit in der Nähe dieser Space Marines um ein mehrfaches steigen. „Gut Gessel. Werden wir dort auf Rebelleneinheiten stoßen? Wäre doch schade wenn sie mitten im heißesten Gefecht von ihren eigenen Leuten erledigt werden, oder? Ich würde diesem Ärger lieber ausweichen soweit es mich und meine Männer betrifft.“ „Ist das etwa die imperiale Gefechtsdoktrin für brenzlige Einsätze? Ist die Armee in den letzten sechs Jahren etwa schon so runtergekommen, das sie Feiglinge zu Leutnants macht?“


    Gessel sah die Faust nicht mal kommen, verspürte aber ihre schlagkräftige Wirkung umso mehr. Er fand sich auf dem Boden wieder und wollte grade nach seiner Waffe greifen, als Mitter schon auf seiner Brust saß und ihm einen weiteren Schlag versetzte. Seine Laserpistole wurde ihm aus der Hand getreten und Mitter drückte ihm eine kleine Klinge an den Hals die er irgendwie in seine Hand gezaubert hatte. „Es reicht Gessel. Nur weil ich sie nicht gleich beim ersten Mal habe erschießen lassen, heißt das noch lange nicht, dass sie sich aufführen können, wie ein gleichrangiger Offizier. Nur weil ich sie ein bisschen über die Makropole ausgefragt habe, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht auch ohne sie auskomme.“ Der Druck der Klinge verstärkte sich und Gessel spürte, wie sie in seine Haut ritzte. Über sich sah er den zornigen Leutnant, der ihm jederzeit das Licht ausblasen konnte und er befürchtete, dass er den Bogen endgültig überspannt hatte. „Und nur weil ich mich nicht fanatisch und um jeden Preis für eine sinnlose Sache wie diese lächerliche Rebellion opfere, sollten sie die Sorge um das Überleben meiner Männer nicht mit Feigheit verwechseln. Ich bin für sie verantwortlich und sie folgen mir, weil sie wissen, dass ich sie nicht grundlos aufreiben lassen werde. Wenn wir kämpfen dann zu den idealsten möglichen Bedingungen. Ich habe mich nicht jahrelang gegen einen mir zugewiesenen Kommissarsberater gewehrt, nur um mich jetzt von ihnen beleidigen zu lassen. Was wissen sie schon von mir? Von meinen Männern?“ Gessel spürte Blut seinen Hals entlang tropfen. „sagen sie mir einen Grund warum ich…“


    „Leutnant, es ist gut. Ich glaube der Sanitäter wollte sie sprechen.“ Eine Hand legte sich auf Mitters Schulter und zog ihn von Gessel runter. Es war der Funker. Mitter erhob sich und wischte das kleine blutige Messer an seiner Uniform ab. Zwischen all dem Staub und Dreck fiel das gar nicht weiter auf. „Gut Barnes. Entwaffnen sie den Mann und fesseln sie ihm die Hände. Ab sofort wird er als der dreckige Gefangene behandelt, der er ist.“ Dann ging Mitter davon. Gessel hatte sich selbst in aus geschossen. „Man bei dem haben sie jetzt aber verschissen. Los her mit der Waffe und dem Holster! Die Munitionstaschen auch. Gut und jetzt da an den Mauerrest stellen. Gerber komm mal her und behalte den Mann im Visier, während ich ihn weiter abklopfe.“ Gerber, ein muskelbepackter Hüne schleppte immer ein schweres MG mit sich herum, weil er der einzige in der Einheit war der es alleine tragen und zur Not auch alleine abfeuern konnte. Jetzt richtete sich die große Mündung auf Gessel. „Komm, gib mir´nen Grund dich in Brei zu verwandeln!“, grinste er den Rebellen fies an. Verdammt jetzt habe ich wirklich verschissen, dachte der Dahlemner, aber wenigstens hat mich der Leutnant nicht abgestochen. Offenbar hatte er bei dem Mann einen empfindlichen Nerv getroffen.

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    Ada Christen (1839-1901)

  • Mitters Männer hatten die Ruinen des Treibstofflagers schon lange hinter sich gelassen. Dort war alles zerstört und restlos geplündert gewesen. Nicht einen Tropfen Benzin oder Öl hatten die Invasoren zurück gelassen. Nichts außer den toten Körpern der imperialen Verteidiger. Der Leutnant war mir den Resten seiner Truppe fast knietief durch die Leichen gestolpert. Immer in der Angst vor einem neuen heimtückischen Überfall der Xenos, die aus dem Hinterhalt angriffen. Mitter war schon lange Soldat in den Diensten der Imperialen Armee und glaubte schon fast alles gesehen und miterlebt zu haben. Doch was er hier auf Dahlem jetzt sah, würde ihn höchstwahrscheinlich bis an sein Lebensende in seinen Alpträumen verfolgen. Die Männer der Dahlem-PVS hatten am Ende wohl sogar mit den imperialen Truppen zusammen gegen die neue Gefahr durch die Invasoren gekämpft. Mitter konnte grob einige schnell improvisierte Verteidigungsstellungen ausmachen, die wohl in aller Eile ausgehoben worden waren. Doch sie hatten den Menschen nichts genutzt. Ihre Leichen waren stellenweise verstümmelt und zerhackt worden. Einigen fehlten die Skalps anderen sogar die ganzen Köpfe. Und überall waren das Blut und der Gestank nach Tod.


    Gessel hatte schon seit einer ganzen Weile nichts mehr gesagt. Er stand unter Schock und Tränen liefen ihm übers Gesicht. Die ganze Rebellion gegen das Imperium war nun sinnlos geworden. Alles war zerstört worden worum er Gekämpft hatte. Die Makropole lag in Trümmern. Alle Fabriken und Lager waren geplündert und demontiert worden. Nichts was von Wert war, war geblieben. Nicht eine Schraube von den Fertigungsanlagen. Nicht ein Korn aus den riesigen unterirdischen Lagersilos. Allein das Anlegen dieser Vorräte, womit man die östlichen Sektoren der Makropole für mehrere Monate versorgen hätte können, hatte sich Wochen hingezogen. Und die Invasoren hatten es in nur wenigen Stunden geschafft, so wie es aussah. Er bezweifelte, dass es in den Siloanlagen der anderen Sektoren anders aussah. Wenn der Krieg vorbei war, würde nichts mehr bleiben, womit man Dahlem neu aufbauen konnte. Alle Pläne von einer freien autarken Welt waren zunichte gemacht. Und das Imperium hatte gesiegt. Dahlems Rebellion war vorbei. Doch nun gab es auch nichts mehr, dass für das Imperium von Interesse sein könnte. Stattdessen eine von einer außerirdischen Invasion zerstörte Welt, deren Bevölkerung eher um Güter und Unterstützung betteln würde, als Abgaben ans Imperium zu leisten. Dahlem würde fallen gelassen werden.


    Mitter dachte das Gleiche und er konnte in den Augen des Rebellen lesen, das dieser wusste, was Mitter durch den Kopf ging. Fast hatte der Leutnant so etwas wie Mitleid mit dem Dahlembewohner. Doch dafür war keine Zeit. Alles was jetzt noch zu tun blieb, war die Vertreibung der fremden Invasoren. Er wollte grade Sergeant Unger befehlen die Männer zu sammeln, als ihm wieder einfiel, dass der Sergeant beim letzten Angriff einer gut bewaffneten Piratengruppe gefallen war. Er war von mehreren Salven einer Mitter unbekannten Xeno-Waffe zerfetzt worden. Mitter hatte nicht nur seinen Sergeant verloren sondern auch einen Freund. Doch er durfte sich seine Trauer und Verzweiflung nicht vor seinen Männern anmerken lassen. Alles was ihm blieb waren die Erinnerung an viele Jahre gemeinsamen Dienstes und seine Rache. Und das war auch die neue Motivation für seine Einheit. Er hatte schnell reagiert und den geschockten Soldaten keine Zeit gelassen um in Panik zu verfallen. Wie ein fanatischer Prediger hatte er die Männer aufgefordert im Namen ihrer toten Kameraden die Xenos zurück zu schlagen. Wie ein Kommissar hatte er angedroht jeden zu bestrafen, der flüchtete statt die Invasoren für das bluten zu lassen, was sie Sergeant Unger angetan hatten. Und es hatte geklappt. Zum ersten Mal waren sie nicht geflohen sondern hatten die verdammten Xenos zum Rückzug gezwungen. Danach war er wieder zur Besinnung gekommen und er hatte sich Gedanken gemacht, wie er die letzten Männer seines Zuges heil durch diesen sinnlosen Kampf bekam. Ihm war klar, dass seine Gedanken schon an Meuterei grenzten.


    Doch wo kein Kläger, da auch kein Richter. Die Herren Generäle vom Oberkommando saßen irgendwo in ihren Bunkern oder meist auch in ihren Schiffen in der Umlaufbahn und hatten keine Ahnung was auf dem Schlachtfeld wirklich passierte. Die wenigsten guten Taktiker kämpften wirklich an vorderster Linien mit. Momentan war sowieso alles durcheinander geraten. Schon seit Stunden hatte Mitter keinen Funkkontakt mit irgendjemand bekommen und er war auch keiner anderen imperialen Einheit mehr begegnet. Von den Toten hier überall mal abgesehen. Er hing sozusagen in der Luft und musste das Beste aus seiner Situation machen. Wie durch ein Wunder hatten sie die blutigsten Gemetzel und Massaker verpasst oder umgangen. Mitter war alles andere als ein religiöser Mann, aber langsam glaubte er, dass das Schicksal vielleicht andere Pläne mit ihm hatte, als ihn hier auf Dahlem verrecken zu lassen. Sein Gruppenfunkgerät rauschte. „Leutnant wir haben hier was gefunden. Am besten sie kommen mal schnell nach vorn und sehen sich das selbst an.“ Das war Ferringers Stimme. Er hatte ihn und Korms nach vorne geschickt um die Gegend zu erkunden. Mitter nahm das schwere Automatikgewehr auf, das er den klammen Fingern eines Toten entrissen hatte, als er keine Munition für seine Dienstpistole mehr gehabt hatte, und rannte los. Auf alles war er gefasst. Vielleicht hatten die beiden Männer je einen Überlebenden gefunden. Oder einen sicheren Unterschlupf für die kommende Nacht. Falls es je wieder richtig dunkel wurde und das riesiger Objekt das den Himmel verdunkelte, irgendwann einmal wieder verschwand. Was der Leutnant entdeckte als er bei Korms und Ferringer eintraf, war ein, unter einer eingestürzten Mauer begrabener, Raumtransporter. Eindeutig außerirdischer Herkunft aber unzweifelhaft ein kleines Raumfahrzeug zum Truppentransport. Das Ding musste wohl über der Straße geschwebt sein, als es abgeschossen wurde.


    Die ehemalige Besatzung des Raumschiffs lag in der Nähe und war von Laserwaffen und Boltersalven vernichtet worden. In Mitter keimte etwas Stolz auf. Hier waren die Invasoren auf massiven Widerstand gestoßen und hatten den Kürzeren gezogen. Wo die imperialen Verteidiger waren, konnte er nicht sagen, aber das interessierte ihn nun auch nur noch am Rande. Der Raumgleiter war ein Geschenk des Imperators. Die perfekte Gelegenheit seine Männer aus diesem Schlamassel heraus zu bringen. Er handelte schnell und ohne sich groß von den moralischen Bedenken ablenken zu lassen, die ein imperialer Offizier eigentlich haben sollte, wenn er das tat, was Mitter nun vorhatte. Mit Handzeichen und Befehlen teilte er seine ihm verbliebenen Männer ein. Einige sollten Wache halten. Andere befreiten den Raumgleiter vom Schutt der Mauer. Mitter selbst war mit einigen Soldaten im Inneren der außerirdischen Maschine und warf die letzten toten Alienkörper raus, die es wohl noch in die scheinbar sichere Deckung ihres Vehikels geschafft hatten bevor sie von den Boltern der Space Marines zerfetzt worden waren. Während er sich vom stinkenden Rest eines Kadavers reinigte dachte er nach, in welcher Richtung das nächste Nachschublager lag. Diese Nachschublager waren außerhalb der Makropole angelegt worden nachdem feststand, dass der Großteil der imperialen Armee am Raumhafen in die Falle der Dahlem-Rebellen gegangen war. Die Black Angels hatten mit ihren Thunderhawks von diesen Nachschublagern ihre Angriffe auf die Makropole begonnen und waren so der Schlinge, die sich um den Raumhafen gezogen hatte entgangen.

    Gefallene Engel
    Es ist die alte finstere Mähr von zwei Vermaledeiten/die ohne Rast und ohne Ruh fort durch die Hölle schreiten.
    Von zweien, die voll Hochmut einst verschmäht des Himmels Frieden/ und eine Seligkeit hindurch sich fremd und stolz gemieden.
    Von zwei Vermaledeiten, die so fern nun allem Reinen, sich suchen, finden, halten, ach! /Und weinen, weinen, weinen.

    Ada Christen (1839-1901)

  • Die Nachschublager waren von da an die Startpunkte der neuen Offensive gegen die Rebellen gewesen. Die imperiale Armee hatte einfach von außen angefangen, die Makropole Sektor um Sektor zurück zu erobern, anstatt vom Raumhafen, wie anfänglich geplant. Mitter wusste, dass in diesen Nachschublagern auch die Oberkommandos mit ihrem Stab saßen und die Schlachten von dort aus, in ihren sicheren gepanzerten Fahrzeugen und Bunkern, leiteten. Er hatte nun vor den Raumgleiter zu einem dieser Lager zu fliegen. Der Gleiter war ein Stück äußerst nützlicher Xenotechnik mit einem bestimmt interessanten Datenkern und einigen wichtigen Hinweisen auf die mysteriösen Invasoren. Im Krieg waren Informationen fast wichtiger als Waffen. Es nützte nichts mit dem schwersten Geschütz auf den Gegner zu feuern, wenn dieser sich schon längst an anderer Stelle neu formiert hatte. Mitter war sich sicher, dass ihm keiner einen Vorwurf machen konnte, wenn er alles unternahm um potentiell kriegswichtige Informationen ans Hauptquartier weiterzuleiten. „Leutnant, der Gleiter ist jetzt freigelegt worden.“, meldete ein Soldat von draußen.
    „Gut. Alle Mann an Bord kommen!“, befahl Mitter. „Nehmt auch einen von denen da mit! Aber einen Vollständigen!“ Sein Finger deute auf den Haufen Xenoleichen, die sie aufgeschichtet hatten. Als alle an Bord waren, schauten sie gespannt auf ihren Leutnant. Dieser hatte schon seit einigen Minuten relativ erfolglos versucht mit den fremden Konsolen des Gleiters klar zu kommen. Er war eben Leutnant und kein Pilot. Die Blicke seiner Männer brannten in seinem Nacken. Entschlossen drehte er sich um. „Wer von euch hat Flugerfahrung oder ist schon vor der Einberufung geflogen?“ Es war mehr ein Befehl als eine Frage. „Wer kriegt den Kasten hier in die Luft? Los nicht so schüchtern Leute!“ Alles blieb still. Doch dann hoben zwei der Soldaten zögernd die Hände. Puh, Glück gehabt! Die beiden hatten Mitter vor einer peinlichen Schlappe bewahrt. Aber er hatte gewusst, dass viele seiner Männer vor ihrer Dienstzeit auf Frachtern und Raumstationen gelebt hatten. Im Gegensatz zu ihm, der von einem zurückgebliebenen Agrarplaneten kam, hatten sie bestimmt schon das eine oder andere Mal am Steuer eines Raumfahrzeugs gesessen. Ohne ein weiteres Wort zu verschwenden und mit seiner Stimme womöglich seine Erleichterung zu verraten, machte er eine einladende Geste in Richtung des engen Cockpits. Die beiden Soldaten setzten sich jeweils auf einen der Sitze und begannen mit einer Art Startvorbereitung, bei der sie prüften, welcher Knopf wohl welche Funktion erfüllte. Nach wenigen Augenblicken, die Mitter, wie eine Ewigkeit vorkamen, begannen irgendwelche Maschinen zu brummen und zu summen und der Gleiter erhob sich unsicher in die Luft. Mitter beschloss sich die Namen der beiden Männer für eine spätere Belobigung zu merken.


    Leicht eiernd und trudelnd schwebte das Gefährt knapp über den zerstörten Gebäuden um nicht unnötig als Zielscheibe aufzufallen und womöglich noch von imperialen Truppen abgeschossen zu werden.

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    Ada Christen (1839-1901)

  • Sie flogen nun schon einige Stunden in langsamen Flug über die Ruinen der brennenden Makropolenbezirke. Aus der Luft hatten sie die verschiedenen Brennpunkte der schlimmsten Kämpfe beobachten können. Ein paar Mal hatten sie versucht, eigene Truppen zu unterstützen, indem sie mit ihren Waffen aus den offenen Luken des Raumgleiters feuerten. Aber schwerer Raketenbeschuss und die Gefahr inmitten der Feinde abzustürzen, hatte sie zum Weiterflug gezwungen. Die Makropole war ein Hexenkessel. An allen Ecken und Enden wurde brutal gekämpft. Die imperialen Truppen hatten sich mit den letzten Resten des Adeptus Arbites, die jahrelang nur auf das Eintreffen starker imperialer Verbände gewartet hatten, um gegen die Rebellion loszuschlagen, und loyalen Bürgern zusammen geschlossen und kämpften, unterstützt durch die Space Marines der Black Angels und einiger Dark Angels, gegen die rebellischen Planetarischen Verteidigungsstreitkräfte von Dahlem.


    Gleichzeitig tobten überall Aufstände von dubiosen Sekten und mysteriösen Kulten durch die Makropole, die alles und jeden angriffen, der nicht zu ihnen gehörte. Sie waren zwar schlecht bewaffnet, doch zahlenmäßig jeder militärischen Einheit überlegen. Und in ihrer fanatischen Raserei waren sie unfähig, auch nur die geringste Angst zu empfinden. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil gegenüber den imperialen Soldaten, die meist nur noch um das nackte Überleben kämpften. Und mitten in dieses Chaos war dann auch noch die fremde Invasionsstreitmacht eingebrochen und hatte die wichtigsten wirtschaftlichen Zentren und Industrieanlagen geplündert. Ganz so, als hätten sie auf eine günstige Gelegenheit gelauert. Die fremden Krieger hatten gezielt die Truppen angegriffen, die wichtige taktische Positionen verteidigt hatten oder gerade dabei gewesen waren, solche zu besetzen.


    Mitter versuchte wieder einmal, sich an der Umgebung zu orientieren. Wahrscheinlich hatte der außerirdische Raumgleiter auch ein gut funktionierendes Navigationssystem, aber niemand an Bord hatte es geschafft, es anzuschalten. Auch wollte Mitter nicht unnötig auf sich und seine Männer aufmerksam machen. Darum war er strengstens dagegen gewesen, einfach auf die verschiedene Knöpfe zu drücken und abzuwarten, was passierte. Wahrscheinlich hätte das nur zu einem vorzeitigen Absturz des Raumgleiters geführt. Deshalb hatte er sich Gessel gegriffen und ihn an eine der Luken gezerrt.
    Von dem rebellischen Mann, der Mitter noch vor Stunden hochmütig die Stirn geboten hatte und stolz jede Kooperation mit dem imperialen Leutnant abgelehnt hatte, war nicht mehr viel übrig. Der Rebellen-Korporal hatte sich schweigsam in eine Ecke des Gleiters gekauert und dort bewegungslos verharrt. Wo einst der Stolz in Gessels Augen aufgeflammt war, sah Mitter nun nur noch Trauer und Resignation. Der Mann war zerbrochen, als er durch die unzähligen Toten seines Volkes gewatet und durch die geplünderten Ruinen seiner einstigen Heimat gezogen war. Auch hatten sie schon seit langer Zeit kaum noch Rebellen gesichtet. Nur verbissene Feuergefechte zwischen Imperialen und Kultisten, Plünderern, Space Marines und Invasoren. Also war der Widerstand zumindest in der Makropole entweder gebrochen oder zurück gedrängt worden. Aber eigentlich war das nun auch nicht mehr von Belang.


    Wenn die Black Angels mit der Makropole fertig waren, würde sich kein einziger Rebell, Ketzer oder Kultist in ihr mehr aufhalten. Die Space Marines waren von Anfang an konsequent vorangestürmt und hatten jeden Widerstand ohne Rücksicht auf die eigenen Verluste niedergeschlagen, doch seit der Schlachtkreuzer LICHTBRINGER der Black Angels in der Raumschlacht gegen die Invasoren zerstört worden war, kannten die Ordensbrüder kein Halten mehr. Hatten sie vorher mit den imperialen Truppen noch relativ erfolgreich zusammen gearbeitet, so kämpften sie nun nach gänzlich anderen Maßstäben. Sie hatten sich auf einmal in seelenlose Kampfmaschinen verwandelt, die mit ihrem beeindruckenden Waffenarsenal jeden nieder schlachteten, der auch nur entfernt mit den Invasoren oder den Rebellen zu tun hatte. Die Kommunikation zum imperialen Oberkommando hatten sie von sich aus abgebrochen und hielten sich auch nicht mehr an eine, der vorher durchgeplanten Aktionen. Sie hatten mitten in der Rebellion ihren eigenen Krieg angefangen und alle imperialen Kommandeure taten gut daran, ihnen nicht im Weg zu stehen. Die beiden Soldaten, die Mitter für die Steuerung des Raumgleiters eingeteilt hatte, konnten nur mit Mühe einem konzentrierten Beschuss von Laser- und Plasmakanonen ausweichen, den eine Einheit Dark Angels auf sie entfesselt hatte.


    „Sir, hier tut sich was!“, rief einer der Soldaten, die im Cockpit saßen. Mitter drängte sich an den Soldaten, die mit schussbereiten Lasergewehren in der Nähe der Luken saßen, vorbei und kam nach vorne. „Was ist los? Werden wir schon wieder angegriffen?“ Er bemerkte, dass auf den Konsolen viele Lämpchen zu blinken begonnen hatten. „Nein, Sir. Aber der Gleiter hat auf einmal neue Zielkoordinaten rein bekommen und hat auf den Autopiloten umgeschaltet. Und hier laufen so unverständliche Symbole über den Schirm. Sieht ganz so aus, als würden wir neue Befehle bekommen und sollen uns an den neuen Koordinaten sammeln.“ Mitter brauchte einige Sekunden, um das eben Gehörte zu verarbeiten. „Schalten sie es ab und fliegen sie weiter Richtung Westen. Ich habe ihnen doch gesagt, dass wir aus der Makropole raus wollen, oder etwa nicht?“ „Ähm.. Sir. Das haben wir schon versucht. Jedes Mal, wenn wir einen neuen Kurs eingeben, schaltet diese Schüssel wieder auf Autopilot. Sieht so aus, als ob die Invasoren was dagegen haben, dass wir ihnen ihr Spielzeug abnehmen wollen.“ „Ist das da der Autopilot? Die Konsole, die da so blinkt?“, fragte Mitter. „Ich glaube ja, Sir.“ Der Leutnant zog seine Pistole aus dem Holster und drückte ab. Funken sprühten, Plastik schmorte und bläulicher Qualm verbreitete einen verbrannten Gestank im Cockpit. Dann piepte ein Sicherheitsalarm, um die Piloten auf den Ausfall des Autopiloten hinzuweisen. Ein zweiter Schuss lies das Piepen verstummen. „Noch Fragen?“ Mitter steckte seine Waffe wieder weg. Die beiden Soldaten schüttelten die Köpfe und kämpften mit vereinten Kräften um die Kontrolle über den nun stark trudelnden Gleiter, der stetig an Höhe verlor.


    „Verdammt! Beim Imperator! Ich glaube wir schmieren ab. Die Kiste lässt sich nicht mehr steuern, Sir!“, fluchte einer der beiden zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Dann soll es wohl nicht sein. Versuchen sie uns so gut, wie möglich, runter zu bringen, klar!“ Mitter schaute gehetzt durch die Sichtfenster. Dann hatte er etwas gesehen, das ihm neuen Auftrieb gab. „Da vorne! Seht ihr diese Schneise da zwischen den beiden Bunkerkomplexen? Versucht da zu landen!“ Ohne auf eine Antwort zu warten rannte er nach hinten. „Alles herhören! Haltet euch irgendwo fest. Dieser Kasten hier fällt gleich auseinander! Macht euch auf eine harte Landung gefasst!“

    Dann wurde es endlich wieder hell.

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    Ada Christen (1839-1901)

  • Die Landung war alles andere als sanft gewesen. Die beiden Soldaten die den Gleiter gesteuert hatten, waren bis an die Grenzen des ihnen Möglichen gegangen, um die Maschine daran zu hindern sich senkrecht in den harten Boden zu bohren. Mit viel Glück und dem Segen des Imperators, da war sich Mitter sicher, war es ihnen gelungen, auf einem relativ trümmerfreien Stück Straße aufzusetzen. Doch leider war der größte Teil dieser Straße, von wem auch immer, vermint worden und so wurde das Fahrgestell des Gleiters noch bei voller Geschwindigkeit zerstört. Die Maschine setzte auf und löste weiter Minen aus, die den Gleiter nach und nach zerfetzten. Nach Minuten, die Mitter wie eine Ewigkeit erschienen waren, kamen die Reste des ehemaligen Alientransporters endlich zum liegen und die kräftig durchgeschüttelten Soldaten taumelten vorsichtig aus dem nun schwelenden Wrack.


    Sie hatten Glück gehabt. Keiner war bei dem Sturz ums Leben gekommen und auch die Minen hatten der relativ gut gepanzerten Außenhülle nicht soviel anhaben können. Doch alle abstehenden Gleiterteile, wie Flügel, Waffenkuppeln und Sendeantennen waren verschwunden. Als der letzte Soldat in die nun wieder auf Dahlem nieder scheinende Sonne fiel brachen alle in spontanen Jubel aus. Doch sie hatten nicht lange Zeit gehabt ihre Wunden zu lecken. Der Absturz des Gleiters war nicht unbeobachtet geblieben und schon kurz darauf hatten Mitters Männer die Kampfrufe aus hunderten von Kehlen wahrgenommen, die sich ihrer Position näherte. „Verdammt das müssen Kultisten sein! Die scheinen eindeutig in der Überzahl zu sein. Alles auf! Los schnell, Beeilung! Beeilung! Wir ziehen uns in die Richtung der großen Gebäude dort zurück! Hat das jeder verstanden? Gut! Los! Marsch, marsch!“ Mitter wies seinen Männern die Richtung, während er seine Pistole aus dem Holster holte und entsicherte.


    Der Imperator schien ihn heute nur prüfen zu wollen, wie es den Anschein hatte. Und dann konnte er auch schon die ersten der Kultisten auf den Ruinen erkennen. Es war als würde man einen Insektenschwarm beobachten. Einige dieser Ratten trugen doch tatsächlich schwere Waffen! Mitter durfte sie nicht unterschätzen, wenn er und seine Männer am Leben bleiben wollten. Diese Ketzer kannten keine Angst und hatten hier auf Dahlem in dieser zerschossenen Trümmerwüste eindeutig den Heimvorteil. Er blickte sich um, seine Männer waren größtenteils schon auf dem Weg. Hmm, dachte er, wenn sie mich sehen werden sie auch zu mir kommen wollen. Also wenn ich mich etwas weiter da drüben hinstelle und dort nachher ein paar gut gezielte Schüsse in den Antrieb des Gleiters setze, würden sie zuerst durch die letzten noch nicht ausgelösten Minen müssen und dann noch von der Antriebsexplosion aufgehalten werden. Das sollte ihnen etwas von ihrem Schwung nehmen. Langsam ging er rückwärts, immer darauf achtend, nicht auf eine noch weiter Mine zu treten.


    „Sir, was machen sie da? Kommen sie! Die anderen sind alle schon in Deckung.“, hörte er die Stimme eines der Soldaten. Ferringer. „Verdammt machen sie, dass sie weg kommen! Sagen sie den anderen, sie sollen eine halbwegs starke Feuerlinie bilden! Ich werde gleich nachkommen. Keine Angst Soldat ich bin schließlich nicht lebensmüde!“, schrie Mitter so laut er konnte über das, nun immer näher kommende, Geschrei der anstürmenden Horde Wahnsinniger. Lebensmüde vielleicht nicht, sagte eine Stimme in seinem Innern, aber vielleicht etwas übergeschnappt? Mitter hob die Pistole. Sorgfältig zielte er auf die Stelle, wo er den Tank des Gleiterantriebs vermutete. Dann wandte er den Blick wieder den zahlreichen Feinden zu. Als sie die erste der Minen auslösten und die Feuerwolke viele der vordersten Kultisten einhüllte, drückte er zweimal ab. Die Kugeln durchschlugen die, vom Absturz geschwächte und halb aufgerissene. Panzerung und schufen große Löcher, durch die der flüssige Treibstoff austrat und sich rings um den Gleiter verteilte. Ein dünnes Rinnsal floss auch in Richtung der Angreifer. Gut! Mitter schoss nun den Rest des Magazins in den immer größer werdenden Mob, um die Wahnsinnigen von seinem Plan abzulenken. Beim Imperator, wie viel kommen denn da eigentlich noch? Ich muss doch völlig den Verstand verloren haben. Schnell drehte sich Mitter, Leutnant der imperialen Armee und ausgezeichnet mit vielen Ehrungen, um und rannte los. Hinter sich spürte er die Detonationen weiterer Minenexplosionen.


    Ferringer erreichte die anderen, als sie sich gerade in einem noch relativ intakten Gebäude eine sichere Stellung suchten. „Hey, wo ist der Chef? Eben war er doch noch hinter uns!?“ fragte Korms laut, als er Ferringer abgekämpft angelaufen kam. „Haben sie ihn erwischt?“ Auch die anderen Männer sahen nun zu dem völlig außer Puste geratenen Soldaten. „Hhh…Nein! Wir soll…Hhh…wir sollen eine Feuerlinie bilden und …Hhh…und dann auf seine Rückkehr warten…Hhh“, presste Ferringer zwischen tiefen Atemzügen hervor. Er war gerannt als wäre der Mob hinter ihm her gewesen. „Hä? Wie jetzt Rückkehr? Ist er etwa freiwillig da geblieben?“ fragte Soldat Gerber, der das schwere Maschinengewehr getragen hatten und noch nicht einmal ins Schwitzen gekommen war. Während er sprach, machte er es schussbereit ohne auch nur einen Blick auf seine Hände zu werfen, die die routinierten Handgriffe wie von selbst taten. Auch andere Soldaten suchten sich nun eine halbwegs sichere Stellung und gruben sich ein. Magazine wurden ausgetauscht oder weitergegeben. „Nein, er wird gleich kom…“ Ein Folge gewaltiger Detonationen lies die Ruine des Gebäudes erzittern. Staub rieselte langsam von eingestürzten Decken herunter. „…men.“, hauchte Ferringer nun in die geisterhafte Stille, die nach dem lauten Donnern entstanden war. Verdammt, was war das gewesen? Alle lauschten angestrengt auf das kleinste verräterische Geräusch, doch niemand konnte etwas hören.


    Die vorher unterschwellig wahrgenommenen Rufe der Kultistenmeute waren verstummt. Dann Schritte. Alle Waffen des Trupps richteten sich nun auf die zwischen den Trümmern erscheinende Gestalt, die sich mit letzter Kraft zu ihnen schleppte. Gerber legte an und lud das MG durch. In den nächsten Sekunden würde er den dreckigen Abschaum zu blutigen Brei schießen. Sein Finger suchte schon den Druckpunkt als eine Hand den MG-Lauf zur Seite riss und die erste Salve nur wenige Meter neben der Gestalt einschlug. „Erkennst du unseren Leutnant nicht? Mann, um ein Haar hättest du ihn umgenietet!“ Barnes der Funker erhob sich mit dem Lasergewehr hoch über dem Kopf. Das Zeichen für alle anderen nicht zu schießen. Mit schnellen Schritten war er bei Mitter, dessen Uniform stark abgebrannt und rußig aussah. „Es ist unser Leutnant!“, rief er und fiel in den erleichterten Jubel der anderen Soldaten mit ein. „Und würde mir nun mal jemand helfen ihn zu stützen?“

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    Ada Christen (1839-1901)

  • Zurzeit war es ruhig. Die Männer hatten ihm eine provisorische Trage aus den Resten eines zertrümmerten Schrankes gebastelt und schaukelten ihn nun durch die zerstörten Straßen einer leidenden Makropole. Zusätzlich hatten sie ihn an nur allen erdenklichen Stellen seines geschundenen Körpers mit Binden und Kompressen verbunden. Er fühlte sich wie die Mumie eines mächtigen Pharaos, aus der fernen Vergangenheit der Menschheit, auf dem Weg zu seinem Pyramidengrabmal. Wie eine talarnische Karawane zuckelten sie zwischen den Ruinen herum immer in Richtung Westen auf der Suche nach einer rettenden Oase. Mitter musste lächeln, über seine träumerischen Gedanken. Das waren sicherlich die schmerzstillenden Medikamente, die seine Männer in ihn gepumpt hatten. Soviel Fürsorge kam ihm peinlich vor, aber seine Männer behandelten ihn nun wie ein rohes Ei und ließen nicht zu, dass er sich auch nur etwas anstrengte.


    Gleich nachdem er wieder zu sich gekommen war, hatte ihm Ferringer bewundernd berichtet, dass er allein die Kultisten besiegt haben sollte. Keiner dieser Wahnsinnigen sei auch nur in die Nähe der Stellung gekommen. Das hatte Eindruck bei seinen Männern gemacht und ihnen neuen Auftrieb gegeben. Schon jetzt war Mitters Aktion Stoff für Legenden. Ein einzelner imperialer Leutnant, bewaffnet nur mit einer Pistole, stoppte einen Sturmangriff von mehreren hundert Mann. Na toll, das hatte ihm gerade noch gefehlt. Der Druck der auf ihm lastete, war schon vorher groß genug gewesen. Doch nun war er um ein Vielfaches gestiegen. Künftig würden seine Männer weiter solche Wunder von ihm erwarten. Dabei hatte er einfach nur verdammtes Glück gehabt, das der Imperator einen kurzen Moment seine schützende Hand über ihn gehalten hatte. Aber keiner glaubte ihm, dass er gar nicht damit gerechnet hatte, die Kultisten zu stoppen. Nun ja, es gab Schlimmeres. Mitter wollte den Augenblick der ruhe auch nicht ungenutzt verstreichen lassen und hatte befohlen, den Marsch nach Westen fortzusetzen. Wenn er sich nicht ganz vertan hatte, mussten sie inzwischen die Zone der heißesten Gefechte hinter sich gelassen haben und in den schon befriedeteren Gebieten der Makropole sein.


    Es lag in der Natur der imperialen Armeeorganisation, dass ständig neue Truppen zur Front vorgeschickt wurden. Zumindest aber folgten den kämpfenden Truppen immer Scharen von Nachschubzügen und Versorgungstransporter. Im Schlepptau meist religiöse Vertreter der Ekklesiarchie, die die Truppen im Glauben stützten und demotivierte Soldaten wieder aufrichteten. Auch sorgten sie dafür, das alle Ketzer die in Gefangenschaft gerieten bereuten und bekehrt wurden oder bestraft. Auch durften Sanitäts-Einrichtungen nicht zu weit von der Front entfernt sein, wenn nicht die meisten verletzten auf dem Transport dahin sterben sollten. Und Mitter wollte nicht mehr Leutnant sein, wenn sich hier nicht auch Kommissare rumtrieben, die nach Deserteuren suchten. Eigentlich hätten sie schon längst einer dieser Gruppen begegnen sollen. Es konnte doch nicht sein, dass sie alle umgangen haben sollten. Diese Tatsache hatte ihn schon seit Stunden beschäftigt. Sie hatten nirgends Spuren von imperialen Truppen gefunden. Nur zerschossene und unrettbar zerstörte Ausrüstung und Tote. Nicht eine einzige Patrone die sie gefunden hatten, war noch brauchbar gewesen. Und sie brauchten dringend Munition. Die ständigen Scharmützel mit Kultisten, Xenos und einfach nur wütenden Mobs hatten ihre Vorräte bedenklich schrumpfen lassen. Schon jetzt hatten die meisten seiner Männer sich mit Rohren, scharfkantigem Metallschrott und Stangen ausgerüstet um sie in einem Nahkampf als Keulen und Hellebarden einzusetzen. Mitter hatte befohlen die Bajonette aufzupflanzen und nur noch gezielt zu schießen, soweit das möglich war.


    Nun unterschieden sie sich nicht mehr großartig von den Gegnern die sie angriffen. Sicher die eine oder andere Feuerwaffe der Feinde lies sich noch verwenden, aber verfügten auch sie nur über einige wenige Schuss. Aber wo waren denn die Versorgungs- und Nachschubzüge. Waren sie etwa alle von den fremdartigen Xenos überrascht und geplündert worden? Das konnte Mitter bald nicht mehr glauben. Aber noch verfügten sie ja über etwas Munition für die Lasergewehre und das MG. Doch lange würde das nicht mehr ausreichen. Wo waren eigentlich diese Verdammten Space Marines, wenn man sie mal wirklich brauchte? Sicher, hier war nicht mehr viel los. Die harten Gefechte würden nun östlich ihrer Position stattfinden. Aber bis auf das eine Mal hatte er nicht viel von ihnen bemerkt. Und auch der verdammte Funk schien immer noch gestört. Das Funkgerät war mittlerweile schon dreimal auseinander genommen, gereinigt und wieder zusammengesetzt worden, ohne auch nur einen Fehler zu entdecken. Trotzdem gab das Ding keinen Ton mehr von sich. Der Funker meinte es läge nicht am Gerät sondern an den Ruinen und den Trümmern, die ja viele störende Komponenten enthalten würden. Aber, und das betonte er besonders, es war auch möglich, dass niemand mehr sende oder empfange.


    Und das wollte Mitter auf gar keinen Fall glauben. Sein Blick streifte umher und blieb an der schmutzigen abgekämpften Gestalt von Gessel hängen. Der ehemalige Rebell trug nun auch die improvisierten Waffen, wie alle anderen Soldaten und hatte sein stolzes Gebaren abgelegt. Der Mann war gebrochen gewesen und hatte eingesehen, dass seine Heimat nicht mehr zu retten gewesen war, so wie er sich das vorgestellt hatte. Bei den kurzen Überfällen von Xenos und Kultisten hatte Mitter beschlossen, dass auch der Korporal seine Anteil am Überleben der ganzen Gruppe zu leisten hätten und ihm ein Gewehr zugebilligt. Der Mann war trotz allem ein gut ausgebildeter Soldat und konnte gut schießen. In der Zeit nach der Invasion, der fremden Xenos hatte er durchgehangen und war in eine Art Schock gefallen, doch dann hatte er wohl beschlossen Trost in der Nähe der ihn umgebenen Soldaten zu suchen, die eigentlich seine Feinde hätten sein müssen. Aber die Umstände schweißten zusammen. Schließlich saßen sie alle im gleichen Boot. Auch hatte sich seine Ortskenntnis als durchaus nützlich erwiesen. Er konnte auch bei noch so zerstörten Ruinen die wichtigsten Bezugspunkte heraus erkennen und so die Position besser bestimmen, als Mitter mit seinen ungenauen Karten die auf Vermutungen beruhten.


    „Und Gessel, wo befinden wir uns gerade? Können sie irgendetwas erkenn, dass uns weiterhelfen würde?“ Der Angesprochene hob den Kopf und musterte seine Umgebung nun mit neuem Blick. Dann deutet er auf die brennenden Trümmer eines Wolkenkratzerstumpfes. „Das da war mal ein großes Konzerngebäude. Ich war einmal oben. Man konnte das ganze Fabrikareal überblicken.“ „Fabrikgelände?“ Mitter sah sich erstaunt um. Gessel nickte nur und lies dann traurig die Schultern hängen. „Meine Eltern sind hier aufgewachsen und haben es als Maschinenaufseher zu bescheidenen Wohlstand gebracht. Wir hatten sogar eine eigene kleine Wohnung nur für uns allein. Hier wurden Agrarfahrzeuge produziert und sogar in den Weltraum exportiert. Soweit das Auge hier reichte war alles mit Wohnunterkünften und Fabrikhallen übersät. Der Himmel war immer grau gewesen von den vielen Schloten der Schmelzöfen und Werkhallen.“ Gessel schien in seine Vergangenheit gereist zu sein. „Richtig ungewöhnlich nun diesen gelben Himmel das erste Mal ohne den Smog zu sehen. Ich meine hier.“ Sein Blick ging direkt in den Himmel und ein kleines Lächeln erhellte sein Gesicht. Die schwarzen Wolken der brennenden Ruinen schien er gar nicht zu bemerken. „Hier war immer viel los gewesen. Tausende waren immer zwischen den Gebäuden unterwegs. Ungewöhnlich, das wir noch niemandem begegnet sind.“

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    Ada Christen (1839-1901)

  • Das hatte sich auch Mitter schon gedacht als der Dahlemner die Wohnunterkünfte erwähnt hatte. Er kannte solche Fabrikstädte schon von anderen Welten. Die Arbeiter waren eigentlich nichts weiter als etwas bessere Servitoren. Wie Ameisen lebten sie zusammen gepfercht in Massenunterkünften und verteidigten das bisschen Eigentum, was sie nur für sich hatten, eifersüchtig und sogar mit dem leben. Es war nicht ungewöhnlich das ganze Familienclans in der ein und derselben Fabrik arbeiteten, lebten und starben. Hier war meist jeder mit jedem verwandt. Wenn Gessels Eltern wirklich eine Wohnung mit mehreren Zimmern besessen hatten, mussten sie in der Clanhierarchie ziemlich weit oben gestanden haben.


    Nach dem überraschenden Überfall und der plötzlichen Dunkelheit stellten auch solche Fabrikanlagen potentiell wichtige Ziele dar. Es wunderte den Leutnant nicht, dass hier kaum noch ein Stein auf dem anderen lag. Die Bewohner hatten diese Anlagen höchstwahrscheinlich verbissen verteidigt. Waren diese Maschinen doch oft der einzige Lebensinhalt den diese traurigen Gestalten besaßen. Die einzige Heimat, die sie kannten. Auch hatten sie bestimmt nicht gewusst wohin sie hätten fliehen sollten. Diese Gegend hier war ihr Bau gewesen und die Invasoren hatten sie wohl wie ein verängstigtes Tier in die Enge getrieben. Anhand der Schäden sah Mitter das hier ein Haufen schweres Geschütz aufgefahren worden war, um die Fabriken zu knacken. Die Menschen, die hier gelebt hatten waren keine fanatischen Einfaltspinsel gewesen, die gedankenlos und mordend durch die Makropole gezogen waren.


    Nein, hier war um die eigene Existenz gekämpft worden. Die Arbeiter waren vielleicht nicht so gut bewaffnet gewesen, aber mit dem richtigen Werkzeug und keiner Chance auf Flucht genauso tödlich. Hier waren nicht nur ein paar hundert Wahnsinnige bereit gewesen den Rest der Ungläubigen auszumerzen. Hier waren Tausende gezwungen mit allem zu kämpfen was sie in die Finger bekommen konnten, um endlich wieder geregelte Verhältnisse zu schaffen oder ihr Leben so teuer wie möglich zu verkaufen. Nun da sie doch alles verloren hatten, waren sie nur noch gefährlicher geworden. Sicher gab es immer noch genug Überlebende in den Ruinen, die jemandem suchten, dem sie die Schuld für das Alles geben konnten. Jemandem an dem sie sich rächen konnten. Viele hatten alles verloren und wussten nicht wie sie in den nächsten Tagen leben sollten, so ganz ohne den Schutz der Fabrik.


    Mitter wollte nicht die Zielscheibe für diese Menschen sein. Nicht mit nur so wenigen Männern und noch weniger Munition. Seine Gedanken arbeiteten auf Höchsttouren. Bisher war alles mehr oder weniger gut gegangen aber Dahlem war kein normales Schlachtfeld mehr. Der Leutnant hatte schon eine Menge erlebt und mitgemacht. Aber noch nie war so auf sich allein gestellt gewesen. Falls er das hier wirklich überleben sollte, würde er sich ernsthaft Gedanken machen, ob er solch eine Situation noch einmal erleben wollte. Da wurde er durch die plötzlichen Bewegungen seiner beiden Träger aus seinen trüben Gedanken gerissen. Die Männer gingen in Deckung und schleppten ihn hinter einen großen Betonbrocken. Jetzt war es wohl soweit, das was Mitter gerade befürchtet hatte, würde nun eintreffen. Doch es blieb alles ruhig. „Was ist los? Warum diese Aufregung?“ Mühsam raffte er sich in eine sitzende Position auf und zog die Pistole.


    Einer der Soldaten, die dicht bei ihm saßen deutete nach vorn. Zwischen den Ruinen war eine Staubwolke oder Rauch sichtbar. Und als Mitter sich mit einer Hand am Boden abstützen wollte, spürte er leichte Vibrationen. Keiner sagte ein Wort. Man hielt ihm ein Binokular hin und er beobachtete den Abschnitt vor ihnen genauer. „Die Männer sollen sich bereit machen. Ich glaube wir werden gleich angegriffen.“ Vielfach vergrößert sah der Leutnant, wie der Staub und Schutt auf einigen Häusertrümmern zu vibrieren begann. Größere Brocken lösten sich und fielen zu Boden. Mitter kannte diese Vibrationen. Das waren die Vorzeichen schwerer Kettenfahrzeuge. Bestimmt hatten die Fabrikarbeiter einige der Agrarfahrzeuge gerettet und für den Kampf umgerüstet. Er hatte schon auf anderen Welten gesehen, wie modifizierte Normalfahrzeuge in den Händen findiger Aufständischer zu kampfstarken Vehikeln geworden waren, die sogar mit imperialen Panzern konkurrieren konnten. Oft konnte man die Bewaffnung nur schwer einschätzen. Aber gegen Mitters Häuflein mitgenommen aussehender Soldaten hatten sogar etwas besser gepanzerte Mülltransporter eine Chance. Seine Männer besaßen nicht eine schwere Waffe, mit der sie solch ein Fahrzeug stoppen konnten. Einen Augenblick später sah er die ersten bewaffneten Zivilisten auf sich zu rennen. „Gerber zu mir!“ Der große Soldat schmiss sich mit dem MG im Anschlag neben ihn und hatte bereits die Waffe durchgeladen. Weitere Soldaten, die weiter hinten gewesen waren, legten sich unaufgefordert neben ihn in Stellung. Wo ihr Leutnant war, würden auch sie sein.


    „Wartet bis sie in Reichweite sind. Zielt genau und schießt nur wenn ihr sicher seid das ihr auch trefft. Wie viele Granaten haben wir noch?“ Einige Männer hoben die Hände und zeigten mit den Fingern die Zahl der Granaten die jeder bei sich trug. Die Zahl machte Mitter nicht glücklich. Nun kamen immer mehr Zivilisten durch die Lücke in den Ruinen. Und auch das Vibrieren war stärker geworden. Allmählich wurde auch ein leichtes Brummen hörbar, das zunehmend lauter wurde. Die Fabrikarbeiter schienen es eilige zu haben. Sie schrieen sich Kommandos und Befehle zu und schienen Mitters Männer noch gar nicht bemerkt zu haben. Deutlich konnte er durch das Binokular sehen, wie sie verbissen nach Deckung zu suchen schienen. Diese Menschen führten keinen Angriff, sondern flüchteten vor etwas. Es wurden immer mehr. Mitter sah auch Frauen und Kinder bei den Bewaffneten. Einige trugen selbstgefertigte Waffen und brennende Fackeln bei sich. Andere trugen schwere Behälter mit brennbaren Chemikalien, die sie an bestimmten Stellen auf den Boden gossen und anzündeten. Sofort wallten dicke schwarze Rauchwolken empor. Sie sollten wohl den Rückzug der fliehenden Menschen decken und die Sicht behindern. Mitter war beeindruckt vom Einfallsreichtum und der fast militärischen Disziplin der Fabrikarbeiter.


    „Keiner schießt ohne meine Befehl, klar?“, rief er leise seinen Leuten zu. „Sie scheinen uns nicht bemerkt zu haben. Also werden auch nicht auf uns aufmerksam machen.“ Er sah, dass seine Männer nicht die geringste Lust verspürten, sich mit einer mehrfachen Überzahl anzulegen, der sie kaum etwas entgegen zu setzen hatten. Barnes kroch nach vorn und hielt ihm den Hörer des Funkgerätes ans Ohr. Durch statisches Rauschen und brummende Motorengeräusche konnte er die Funksprüche einer kämpfenden imperialen Einheit hören. Endlich hatten sie wieder Kontakt zu Truppen, die keine feindlichen Absichten ihnen gegenüber hatten. „Sie haben einen nur konzentrierten kleinen Sende-Bereich. Ich bin durch Zufall darauf gestoßen. Scheint nur für Kampffrequenzen vorgesehen zu sein.“ Mitter nickte als Zeichen das er verstanden hatte und lauschte weiter. Gleichzeitig hielt er die Ruinenbewohner im Auge. „Diese Dreckratten versuchen durch ein Schlupfloch...kschh...men. Takuja unterbin...krschhzt...feuern.“ Kurz darauf erfolgte der Donner mehrerer Kampfgeschütze. „...haha, denen haben wir kräfti...zrrrktsch...eizt! Mist da bewegen sich immer noch welche! Feuer!“

    Gefallene Engel
    Es ist die alte finstere Mähr von zwei Vermaledeiten/die ohne Rast und ohne Ruh fort durch die Hölle schreiten.
    Von zweien, die voll Hochmut einst verschmäht des Himmels Frieden/ und eine Seligkeit hindurch sich fremd und stolz gemieden.
    Von zwei Vermaledeiten, die so fern nun allem Reinen, sich suchen, finden, halten, ach! /Und weinen, weinen, weinen.

    Ada Christen (1839-1901)

  • Wieder Kampfgeschützfeuer. Große Brocken fielen nun von den höher gelegenen Stockwerken eines ausgebrannten Fabrikgebäudes. Immer mehr Menschen kamen nun in panischer Flucht aus der Lücke zwischen den Ruinen, bevor sie unpassierbar werden würde. Einige rannten auch auf Mitters Stellung zu. Oh nein, kommt sucht euch eine andere Richtung. Nicht hierher. Kommt nicht näher. Mitters Gedanken überschlugen sich fast. Doch es war schon zu spät. Ein ganzer Trupp Fabrikarbeiter kam auf sie zu. Sie waren alle bewaffnet und würden damit auch Mitters Soldaten gefährlich werden, wenn er nichts unternahm. „Gerber, Feuer!“ Das MG ratterte los und spie einen tödlichen Schwarm Geschosse in Richtung der Fabrikarbeiter.


    „Alle Mann, Feuer!“ Nun war es zu spät für schonende Maßnahmen. Die verängstigten Menschen gerieten ins Kreuzfeuer zweier imperialer Einheiten und fanden den Tod. Mitter war klar, das keiner der Makropolbewohner in die Nähe seiner Leute kommen durfte. Wenn sie sehen würden dass hier nur ein Häuflein Männer lauerte, wäre der Bluff dahin. So aber glaubten sie vielleicht zwischen zwei kampfstarke Einheiten geraten zu sein. Mitters Taktik hatte Erfolg. Nach zehn Minuten, waren die meisten Fabrikleute entweder tot oder geflohen. Keiner war mehr auf den Beinen, um Widerstand zu leisten.


    Dann bahnten sich Leman Russ Kampfpanzer einen Weg durch die Trümmer.


    Es folgten Chimären und einige Radpanzer. Zuletzt zwei Züge Infanterie in imperialen Uniformen. Die Gesichter der Männer waren grimmig aber einige schienen auch erfreut befreundete Truppen zu sehen. Die Luken einer Chimäre öffneten sich und ein Oberst bahnte sich den Weg durch seine Truppen. Der Mann trug einen Kampfanzug und machte auch sonst ganz den Eindruck eines kämpfenden Profis. Kein Schreibtischhengst der sicher in seinem Bunker saß und mit den Truppen Schicksal spielte. Ein Pluspunkt für ihn, dachte Mitter. Es kam nicht oft vor das er solch hohen Dienstgrade an vorderster Front bei ihren Männern sah. Der Oberst inspizierte die Leiche einiger gefallener Fabrikkämpfer. „Sir, wollen wir uns nicht endlich zu erkenn geben. Das scheinen doch unsere Leute zu sein.“ Barnes Blick war fast flehend. Mitter erhob sich und ging in entspannter Haltung auf die Imperialen Truppen zu. Dicht gefolgt von Gerber, der das MG schussbereit hielt, Ferringer und Barnes. Die drei schienen wohl während seiner Ohnmacht vom Rest seiner Männer zu seiner persönlichen Leibwache gewählt worden zu sein. Nun ihm war es nur recht. Zusammen ergaben sie genau das Bild, abgekämpfter Soldaten, die bis zur letzten Patrone alles gegeben hatten und nun auf Nachschub hofften. Jedenfalls würde ihnen niemand Feigheit vorwerfen können. Als man sie bemerkte richteten sich die Waffen der Panzer auf sie.


    „Wer sind sie? Identifizieren sie sich und legen sie die Waffen nieder!“, tönte es aus einem der Außenlautsprecher. Mitter lies sich nicht einschüchtern. Trotz seines bestimmt abgerissen aussehenden Äußeren war er immer noch Leutnant der imperialen Armee und brauchte sich von einem Panzerfahrer gar nichts befehlen zu lassen. Nein, nun musste er die typische Arroganz eines Imperialen Offiziers an den Tag legen, um gar nicht erst Zweifel an seiner Stellung aufkommen zu lassen. „Ich bin Leutnant Mitter. Meine Männer und ich legen die Waffen nicht nieder,mit denen wir den Willen des Imperators hier auf Dahlem durchgesetzt und verteidigt haben.“, schrie er trotzig in Richtung des Panzers, von dem die Stimme gekommen war. „Meine Männer und ich brauchen dringend frische Vorräte und Munition, um den Kampf gegen die Rebellen fortsetzen zu können.“ Bei jedem seiner Worte war er einen Schritt weiter nach vorn gegangen und schickte böse Blicke zu den Zieloptiken und einigen Soldaten, die rings um den Panzer standen. Als er geendet hatte, blickte er herausfordernd in die Runde und lies seine Blick auf dem Oberst ruhen.


    Der Oberst schien Mitter mit dem Blick eines Raubtieres zu messen, das gerade die Fährte eines Konkurrenten gewittert hatte. Mit festen Schritten kam er auf die kleine Abordnung Soldaten zu, die da aus dem Nichts aufgetaucht war. Mitter stählte sich innerlich auf die kommende Begegnung. Dann war der Oberst heran und blickte dem, ausgebrannt aussehenden, Leutnant tief in die Augen. „So, so. Sie haben also gegen die Rebellen gekämpft, richtig?“ In der Stimme des Mannes lag ein lauernder Unterton. Das Bild einer Schlange, die ihre Beute hypnotisierte, kam Mitter in den Sinn. „Jawohl Herr Oberst!“ Beinahe hätte es kriecherisch geklungen, aber Mitter riss sich zusammen und unterdrückte ein erschöpftes Zittern. Er hatte absolut keine Lust, sich jetzt mit einem höheren Dienstgrad anzulegen. Er war müde und merkte, dass sein angeschlagener Körper nun langsam seinen Tribut forderte. Nur wenige Schritte hinter dem Oberst befanden sich imperiale Medikamente, Munition und vernünftiges Essen. Alles was er und seine Männer schon so lange entbehrt hatten.


    „Und was machen sie dann hier? Weit hinter der kämpfenden Front? Wenn ich mich nicht irre liegt die Kampfzone in der Richtung, aus der sie gekommen sind.“ Jedes Wort ein Vorwurf. Barnes zuckte zusammen und Gerber begann sich zu versteifen. Nur Ferringer blieb ganz ruhig. Mitter war nicht bereit, sich in die Rolle des feigen Deserteurs drängen zu lassen und setzte zum Gegenangriff an. Seine Müdigkeit war verflogen.
    „Das haben sie richtig erkannt, Herr Oberst. Wie ich schon sagte, haben wir sämtliche Munition und Vorräte verbraucht und waren auf dem Weg zu einer Nachschubstation. Dort werden wir uns mit allem Nötigen versorgen und wieder der kämpfenden Truppe anschließen. Leider haben wir schon seit geraumer Zeit den Kontakt zum Oberkommando verloren. Und auch zu anderen imperialen Verbänden bekamen wir keine Verbindung.“ Noch hatte sich Mitter im Griff.


    „Das könnte aber mit der mysteriösen Finsternis zu tun haben, in deren Gefolge uns eine nicht identifizierte Streitmacht angriff. Bei dieser heimtückischen Attacke habe ich viele gute Männer verloren. Oder aber sie wurden auch von marodierenden Kultistenmobs überrascht, die alles und jeden angreifen. Beim Imperator, dabei habe ich weitere Männer verloren. In der darauf folgenden Funkstille und mit den nicht mehr zu ignorierenden Verlusten, schien es mir das Logischste zu sein, neue Befehle einzuholen. Aber die erste imperiale Einheit, die uns seitdem über den Weg gelaufen ist, ist ihre verdächtig frische Truppe, die sich Scheingefechte mit Zivilisten liefert, die nur ums nackte Überleben kämpfen, anstatt unsere Truppen mit Höchstgeschwindigkeit mit ihren Panzern zu unterstützen. Der Imperator weiß, wie nötig wir die gebraucht hätten. Stattdessen reißen sie mit ihnen die Gebäude der Makropole ein, die wir doch gegen die Rebellion verteidigen sollten. Was mich angeht sehe ich hier nicht einen Rebellen.“

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    Ada Christen (1839-1901)

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  • Mitters Stimme war immer leiser geworden und hatte dabei an Kühle zugenommen, die jedem, der seine Worte hörte eine Gänsehaut bereitete. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass seine Eskorte noch angespannter wurde und sogar Ferringer ihn jetzt mit Angst in den Augen ansah. Doch am Oberst, auf dessen Namensschild Kralov stand, schienen Mitters harte Worte abzuperlen, wie Regenwasser. „Dieser Abschaum hat die Rebellion unterstützt und sich der Imperialen Armee widersetzt. Das macht auch sie zu Verrätern am Imperium und nicht besser als die Rebellen selbst.“ Kralov deutete mit der Hand auf die toten Fabrikarbeiter. „Mit denen werden wir jedenfalls keine Probleme mehr haben. Und hätten nicht ihre Leute auch auf sie geschossen, würde ich glatt annehmen, dass sie mit dem Feind gemeinsame Sache machen. Was den Rest ihrer feigen Ausrede angeht, will ich Milde walten lassen, weil ich sehe, in welch miserablen Zustand sie und ihre Männer sind. Andernfalls hätte ich sie wegen Feigheit vor dem Feind und Desertion schon längst erschießen lassen.“


    Der Oberst legte eine Hand auf sein Pistolenhalfter und blickte Mitter herausfordernd an. Mehr unbewusst merkte der Leutnant, wie er seine Waffe zog und auf den Oberst anlegte. Sein Körper reagierte bevor selbst daran dachte, Kralov sofort niederzuschießen. Barnes und Ferringer stürzten vor und rissen seinen Arm runter. Barnes entwand ihm die Waffe. Gerber hatte das MG im Anschlag. „Tun sie wozu sie Lust haben, Herr Oberst. Ich habe nichts mehr zu verlieren und meinen Teil an diesem Konflikt schon geleistet. Es gibt nichts mehr, was sie mir noch antun könnten, was ich hier nicht schon erlebt habe. Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Meine Männer und ich haben alles gegeben und sind bereit den Kampf gegen wen auch immer fortzuführen.“ Hinter sich hörte er, wie seine Männer die wenigen noch einsatzbereiten Waffen entsicherten. Sie würden ihn verteidigen oder beim Versuch dabei sterben, dass wusste er.


    Der Oberst starrte ihn kalt an und bewegte sich nicht. Seine Soldaten hatten alle Lasergewehre erhoben und auf Mitter und seine Begleiter gerichtet. Dieser hatte sich aus Barnes Umklammerung befreit und schaute sein Gegenüber stolz in die Augen. Niemand sagte ein Wort. „Die Waffen runter!“, schrie Kralov und drehte sich zu seinen Männern um. Als sie seinem Befehl Folge geleistet hatten, ging er ohne ein weiteres Wort zurück zu seiner Chimäre und bestieg sie. Kurz darauf setzte sich der Transportpanzer in Bewegung und rauschte davon. Alle anderen Soldaten rannten schleunigst zu ihren Fahrzeugen und folgten ihrem Kommandeur. Alles was noch blieb, war die aufgewirbelte Staubwolke aus Ruinenschutt. Doch als sich der Staub legte, sahen Mitters Männer einige Kisten. Etwas Munition und Feldrationen für mehrere Tage.


    „Die scheinen sie wohl vergessen zu haben.“, sagte Gerber, als er eine der Kisten geöffnet hatte. „Ja scheint so.“, bestätigte Barnes, der neben ihm stand und sich mehrere Magazine in die leeren Munitionstaschen stopfte. Offenbar schienen nicht alle Offiziere solche Fehlzünder zu sein, wie die, von denen sie angeführt wurden, dachte Mitter und winkte dem Rest seiner Männer. Schade dass diese Begegnung so negativ verlaufen war, aber es hätte auch schlimmer kommen können. Aber offenbar hatte er Kralovs Stolz angekratzt. Nun ja, niemand wurde gern für feige gehalten. Schon gar nicht vor den eigenen Leuten. Hätte Oberst Kralov ihn vor allen standrechtlich erschossen hätte er nur Mitters Worte noch bestätigt. Das hatte ihm wohl das Leben gerettet. „Was ist das für ein Krieg, wenn sich sogar schon die eigenen Leute bekämpfen wollen? Welchen Sinn soll das ergeben?“ Gessel war neben ihn getreten. Mit feuchten Augen blickte er auf die toten Menschen, die einmal zu seinem Volk gehört hatten.

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  • Gessel hatte sich unauffällig abgesetzt, als die Männer eine weitere Rast eingelegt hatten. Sie waren nun in den Randbereichen der ehemaligen Makropole und der imperiale Funkverkehr hatte wieder zugenommen. Es würde nicht mehr lange dauern und die Männer würden auf weitere imperiale Truppen stoßen. Aber er hatte sich seinen Anteil aus den Gütern gesichert, welche die Panzertruppe vor zwei Tagen zurückgelassenen hatte, und würde sich so ein paar Tage lang allein durchschlagen können. Um ihn herum die Ruinen seiner Heimat. Das tote Gerippe der einstigen Makropole, die alles gewesen war, was ihn ausmachte. Nun fühlte er sich wie diese zerstörte Stadt. Besiegt, verlassen und ausgebrannt. Mit einem ironischen Lächeln dachte er zurück an die Zeit bevor das Imperium kam, um sich seinen ihm zustehenden Teil zu holen. Bevor die imperiale Armee landete und die Black Angels als Verstärkung nachholten. Wie hochnäsig sie doch alle gewesen waren. Wie arrogant, zu glauben sie seien gewappnet, gegen alles was da kommen würde. Sie hatten angenommen sie seien zu unwichtig, als das der Arm des Imperators mit ganzer Härte zuschlagen würde. Keiner hatte damit gerechnet sich gegen einen unbekannten Dritten zu verteidigen. Jemand, der den Bürgerkrieg auszunutzen wusste, um Dahlem alles zu nehmen, was sich noch irgendwie verwenden lies. Keiner hatte mit den Massen von Xenos und Piraten gerechnet, die wie Heuschreckenschwärme über die sich bekämpfenden Menschen herfielen. Keiner hatte gewusst, dass es möglich war, plötzlich den Himmel zu verdunkeln.


    Er hatte ein angeschlagenes Stabstagebuch der Dahlem-Miliz aus den Fingern eines Toten geborgen und den Speicherchip aktiviert. Die Makropole, die einst das Herz von Dahlem war, war nur eines von vielen Zielen gewesen. Die mysteriösen Fremden waren auch über anderen wirtschaftlichen Zentren Dahlems aufgetaucht und hatten geplündert und getötet. Einige Meldungen waren noch von den verbliebenen zwei Kontinenten herüber gekommen, bevor jegliche Verbindung zu ihnen abgebrochen war. Diese Invasion war der Todesstoß für das Dahlem-Militär gewesen, dass nun auch aller Nachschubwege und Rohstoffquellen beraubt war. Die Imperiale Armee würde sich in ihre Raumschiffe zurück ziehen, die sie abholen und zu neuen Welten bringen würden. Aber Gessel und sein Volk, oder das was davon noch übrig war, mussten nun wieder von ganz vorne anfangen. Alles was sie sich in Jahrtausenden nach der ersten Kolonisierung von Dahlem erarbeitet hatten, war nun vergessen. Das Imperium würde seinen Griff um Dahlem nie wieder lockern. Die Rebellion war gescheitert.


    Der ehemalige Korporal war sich sicher, dass er, sobald er mit Mitters Männern eines der Imperialen Lager erreicht hätte, sofort als Verräter erschossen worden wäre. Irgendein ehrgeiziger Kommissar oder Offizier fand sich immer für eine solche Aufgabe. Nein, dann lieber allein durchschlagen und versuchen zu überleben. Irgendwo waren weitere versprengte Dahlem-Rebellen. Irgendwer würde wissen, wie es weiterging. Ja, er würde für Dahlem kämpfen. Er würde sich dem Imperium nie geschlagen geben. Keiner würde das Volk diese Planeten wirklich unterdrücken können. Er schwor sich dafür zu kämpfen, solange er lebte. Verdammtes Imperium! Zum Chaos mit dem Imperator! >Klick<


    Klick?


    Gessel schaute zu Boden. Doch da explodierte die versteckte Mine auch schon.

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    Ada Christen (1839-1901)

  • Das Schott zum Laderaum öffnete sich und die massige Gestalt des Veteranensergeants quetschte sich durch die enge Öffnung. Kaum hatte er den Raum betreten, als er auch schon eine Stimme ohne größere Anstrengung ertönen lies.
    „In Ordnung ihr Ratten! Macht euch bereit, eurem Imperator zu dienen!“ Der Sergeant griff zu seiner Pfeife und pfiff nerv tötend das Signal zum fertig machen. Hunderte von eng beieinander stehenden Männern, die vorher mehr schlecht als recht auf dem dreckigen Boden gekauert hatten, erhoben sich nun und nahmen eine improvisierte Formation ein. Der Sergeant pfiff ein weiteres Mal und alle Männer luden ihr einziges Magazin in die Gewehre. Es waren altertümliche Karabiner, die Pulverprojektile verschossen. Sie waren aus Holz oder Metall gefertigt und einige hatten sogar Bajonette an den Spitzen. Einige wenige trugen die etwas moderneren Automatikwaffen oder einen improvisierten Flammenwerfer. Aber alles in allem war, es doch eine ziemlich erbärmlich ausgerüstete Streitmacht von Kriegern des Imperiums.


    Mitter stand zwischen ihnen und klammerte sein Automatikgewehr fester. Mit seiner schmucklosen Uniform im unscheinbarem Grau fiel unter den anderen Männern kaum auf. Nur an seiner Haltung und einigen wenigen Gesten, konnten manche seiner neuen Kameraden erahnen, dass er mal mehr gewesen war als ein Sträfling. Wie vor jedem dieser Einsätze überfielen Mitter nun auch jetzt wieder die Erinnerungen an seine letzten Tage als Leutnant. Damals auf Dahlem, als er gegen die Rebellen gekämpft und fast alle seine Männer dabei verloren hatte. Mit Mühe und den leeren Magazinen war es ihnen dann gelungen einen der Sammelpunkte zu erreichen, die von der imperialen Armee genutzt wurden. Dahlem war nun eine besiegte und geplünderte Welt gewesen und die imperialen Truppen hatten sich zum Aufbruch bereit gemacht.


    Alles schien in Ordnung zu sein, bis man ihm den Prozess machte. Sein abgelieferter Bericht und alle Aussagen seiner Leute wurden als Lügen beurteilt und man klagte sie der versuchten Fahnenflucht, Befehlsverweigerung und Feigheit vor dem Feind an. Besonders die Zeugenaussage des Panzerkommandeurs Kralov, einem Oberst der Panzerstreitkräfte, belastete ihn schwer und all die Ungereimtheiten seines Berichtes wurden gegen ihn verwendet. Eine Erschießung war gefordert worden.


    Doch Mitter war nicht ohne Freunde gewesen. Die Aussagen verschiedener anderer Leutnants und die Bürgschaft eines Generals bewahrten ihn vor der Hinrichtung und wandelten die Todesstrafe in eine Versetzung zu den Straflegionen um. Mehr hatte man für ihn nicht tun können. Seine Akte wurde gelöscht und der Offizier Leutnant Mitter hörte auf zu existieren. Stattdessen trug er nun einen Strichcode und eine Nummer in die Haut eintätowiert. Seitdem hatte er an verschiedenen Schlachten auf vielen Welten teilgenommen, als kleines Rädchen in der Kriegsmaschinerie der Imperialen Armee. Die Straflegionen waren die entbehrlichsten Truppen auf dem Feld. Mit nur minimaler Bewaffnung schickte man sie in Scharen gegen den meist gut verschanzten Feind. Die Massen dieser Legionen bestanden aus dem Abschaum des Imperiums. Schwerverbrecher, Mörder, Piraten.


    Aber auch Ex-Militärs und in Ungnade gefallene imperiale Beamte, die neben harmlosen Zivilisten in die Schlacht geworfen wurden. Viele hatten noch nie eine Waffe in der Hand gehalten und überlebten nicht einmal die ersten Stunden des Gefechts. Nur die härtesten und klügsten Männer überlebten lange genug, um in die übergroßen Landungsschiffe zurück zu kehren und zum nächsten Brennpunkt verschifft zu werden. Ihr weiteres Leben würde ein beständiger Kampf ums Überleben sein. Ihre einzige Stärke war ihre Masse. Die Laderäume der Landungsschiffe wurden immer wieder aufgefüllt. Aufgefüllt aus einer nie versiegenden Quelle von Sträflingen.
    Das Landeschiff begann zu trudeln und zu schwanken. Gefechtslärm war durch die Außenwände zu hören. Dumpfe Einschläge hallten durch den Laderaum. Das Abwehrfeuer des Feindes. Wieder der Pfiff der schrillen Pfeife.


    „Hört ihr das? Der Feind wartet schon auf uns! Seine Kanonen schießen auf uns! Seine Soldaten kämpfen gegen uns! Und wir?...“, schrie der Sergeant sein wohlbekanntes Motto. „WIR WEHREN UNS!!“, schrie es aus unzähligen Kehlen. Mitter schrie mit.
    „Wir kommen von den Sternen auf diese Welt um den Imperator zu dienen! Wir kommen von den Sternen um unsere Schuld zu sühnen! Wir kommen von den Sternen um?...“ Gab die Stimme des Sergeanten den Text vor. „DEN FEIND ZU BESIEGEN!!“ war die einstimmige Antwort.


    Der Sergeant wiederholte diese Litanei noch einmal. Und noch einmal schrieen alle mit einer gewaltigen Stimme, die die Außenwände vibrieren lies. Dann gab es einen letzten gewaltigen Ruck und das Landungsschiff hatte aufgesetzt. Mitter zitterte vor Aufregung und mit ihm alle umstehenden Männer. Die Litanei war das letzte Ritual vor jeder Landung. Ein letztes Mal waren alle zusammen, bevor sie in die Schlacht geschickt wurden. Und jedes Mal wurden alle von der Macht der Stimmen in ihren Bann gezogen. Das Adrenalin wurde freigesetzt und jeder wollte nur noch aus diesem engen schaukelnden Sarg raus, der jeden Moment abgeschossen werden konnte. Mitter fragte sich, was für eine Welt es diesmal sein würde? Vielleicht wieder ein Wüstenplanet wie das letzte mal? Oder eine Todeswelt auf der sie gegen aggressive Xenos kämpfen würden? Oder würde es sein, wie auf Dahlem? Die Erinnerungen an sein Schicksal machten ihn wütend. Das war gut. Die Wut würde er im Kampf gegen seine Feinde brauchen. Dann öffneten sich die riesigen Außenschleusen und Mitter wurde von den Massen seiner Schicksalsgefährten in die Schlacht mitgerissen.


    Vielleicht würde er diesmal sterben.
    Vielleicht würde er aber auch weiter leben.


    Ende


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