Vorgeschichte zur Geschichte:
Auf der Heimfahrt war mir heute einfach danach mal wieder ein paar Zeilen zu verfassen. Und weil ich bei dem Eindösen wärend der Vorlesung dunkle, albtraumhafte Visionen hatte habe ich mir gedacht ich nutze die Gelegenheit und versuche mal hier neue Opfer zu finden, dennen ich das wahre Ausmaß meines Wahnsinns zeigen kann.
Also lehnt euch zurück, verdunkelt euer Zimmer und lasst leise ein passendes Liedchen laufen. Und erblicked die dunklen Abgründe dessen, was mein Verstand ist.
Kapitel 1
Das Gefängnis aus Angst
Die eiserne Tür zu seinem Kerker öffnete sich langsam und kreischend. Das Geräusch war verstörend, gerade zu Angst einflößend.
Wie ein Chor von gequälten Seelen, welche einen Kanon des Grauens einstimmten, dessen durchdringender Klang sich bis in die eigene Seele fraß.
Doch er nahm es kaum noch wahr. Sicherlich hatten ihn die ersten Tage erschüttert. Mehr als das. Er war zu Tode erschrocken, verängstigt und verwirrt gewesen.
Der Anblick der Dunklen Stadt allein war so Schreckens erregend gewesen, dass manche der Gefangenen bereits in Tränen und Schreien ausgebrochen waren. Ihre Entführer hatten die Angst und das Geschrei mit boshaftem Lachen erwidert. Sie hatten sich nicht nur über das Elend ihrer Gefangenen belustigt, sie schienen sich sogar daran zu laben. Sie lecken sich die spröden Lippen und starrten die Gefangenen mit hungrigen Augen an. Als wären sie Vieh. Vieh, welches man zur Schlachtbank führte.
Als sie im Begriff gewesen waren sich einem der grotesken, schwarzen Türme zu nähern hatte er gewusst, dass er alle Hoffnung fahren lassen konnte.
Türme welche aus unergründlichen Tiefen zu wachsen schienen. Tiefen welche nur das Zwielichts gesäumte Labyrinth erahnen ließen in dem sie sich befanden.
Türme aus schwarzem Metall, an manchen Stellen im unwirklichem Licht glänzend während andere in undurchdringliches Dunkel gehüllt waren.
Türme an deren Oberfläche unzählige abstoßende Abbilder zu sehen waren. Gräueltaten, namenlose Bestien und unbegreifliche Formen. An deren Spitzen Leichen hingen und verwesten, umkreist von geflügelten Wesen, annähernd humanoid doch mehr Raubtier als etwas anderes.
Bevor sie mit ihrem schlanken Schiff an einem dieser Schreckenstürme anlegten entrissen die dunkel gerüsteten Krieger des Schiffes einer Mutter ihr weinendes Kind. Ihr herzloses Lachen wurde noch lauter als sie die verzweifelte Mutter zurück auf ihren Platz prügelten und das schreiende Kind in die Leere hinabwarfen. Die vor Verzweiflung wahnsinnig werdende Mutter stieß einen fast unmenschlich wirkenden Schrei aus und wäre beinahe hinter ihrem Kind in den Tod gesprungen. Doch einer der lachenden Krieger stieß sie brutal mit einer langen, gezackten Waffe zurück, so dass sie weinend auf dem Boden des Schiffes zusammenbrach.
Wahrscheinlich war es besser, dass sie so nicht sehen konnte, wie ihr Kind im Fall von einer der geflügelten Kreaturen gepackt und in Richtung von etwas getragen wurde, was scheinbar das Nest dieses Wesens war. Wahrscheinlich wäre ein tödlicher Sturz weitaus gnädiger als das, was das Kind in ihren Klauen erwartete. Das Kreischen der Kreatur, als sie das weinende Kind zu seinem Nest trug was auch für die anderen Gefangenen bereits mehr gewesen als sie ertragen konnten. Es war besser, wenn die Mutter nichts davon mitbekam.
Sie merkte auch nicht wie die Mörder der Kreatur und einigen sie umkreisenden Flügelwesen zuwinkten und dass sich das gleiche Schauspiel auch auf mehreren der anderen Schiffe abspielte. Sie sah nichts davon. Doch alle anderen konnten es sehen und sie verstummten, vor dem Grauen welches sich ihnen darbot bis ins Mark erschüttert.
Es war also nicht verwunderlich, dass solche banale Dinge wie die Tür eines Kerkers, welche man oft genug zu hören bekam, ihn nicht mehr den gleichen Schauer über den Rücken jagten wie es die ersten Tage und Wochen der Fall war. Er zuckte nicht mehr vor jedem Geräusch zusammen, krümmte sich vor Furcht wenn sie kamen um ihn oder einen anderen Gefangenen zu holen, ihn zu niederen, meist gefährlichen, Arbeiten zu zwingen, zu foltern oder einfach nur zu schikanieren. Das hatte er nach den ersten Wochen hinter sich gelassen, genau wie sein bisheriges Leben.
Wobei er unmöglich sagen konnte wie viel Zeit seit seiner Ankunft tatsächlich vergangen waren. In der Dunklen Stadt gab es weder Tag noch Nacht, nur ewiges Zwielicht, das verdorbene Licht der schwarzen Sonnen und den undurchdringlichen Schatten in den unzähligen Ecken und Nischen. Er wusste nur, dass er jenseits von Angst und Mitleid war. Es kümmerte ihn kaum noch was mit ihm oder anderen geschah. Hatte er doch solch entsetzliche Dinge gesehen und erlebt, dass er keinen Moment mehr Ruhe haben würde, selbst wenn der Alptraum einmal enden sollte.
Als die Tür sich öffnete erwartete er sein Schicksal mit dem stoischen Mut der Hoffnungslosigkeit. Bereit sich allem zu stellen, was seine grausamen Meister mit ihm vorhatten.
Er wusste nicht, dass er im Begriff war das Grauen neu kennenzulernen. Wie hätte er auch ahnen können, dass dies alles nur ein Vorspiel war, in einem Schauspiel welches er nicht einmal im Stande war zu begreifen?
Als die dunkle Türe schließlich offen stand und das fahle, unnatürliche Licht aus dem Gang dahinter in den Kerker eindrang, wie ein Eindringling verstörend und unerwünscht, zeichnete sich die Silhouette der Kreatur ab, welche ein jedes Mal den Beginn des Leidens einleitete. Der Vorbote der Foltern und Erniedrigungen. Das Ziel des unverblümten Hasses jedes Gefangenen in diesem Kerker.
Die verdrehte Gestalt wirkte abnormal dunkel und unwirklich im stumpfen Schein, welcher in den Kerker eindrang. Fast wie ein Schatten aus einem Albtraum, aus dem man nicht vollständig erwacht war. Und im Grunde war dies alles auch nicht viel anders als solch ein Albtraum. Ein nicht enden wollender Albtraum, so unwirklich und schrecklich, dass man alles tun würde um ihm zu entfliehen.
Gefesselte Geschöpfe zuckten ängstlich, manche fast panisch, zurück als die grotesken Umrisse sich vom Eingangsbereich lösten und in die düstere Kälte des Kerkers tauchten. Sie wanden sich und zuckten vor dem Folterer zurück, dem gefühllosem Diener jener gesichtsloser Meister, welche nie jemand der Gefangenen erblickt hatte. Sie fürchteten jede Berührung des kalten Fleisches, widernatürlich und durch unbegreifliche Abartigkeiten verunstaltet. Der missgestaltete, bis zur Unkenntlichkeit pervertierte Leib erfüllte einen Normalsterblichen unweigerlich mit Übelkeit. Das einst so perfekt geformte Äußere war zerstückelt und neu zusammengesetzt worden. Knochen, Stahl und unmöglich zu interpretierende Elemente ragten aus dem neu geformten Fleisch. Verfärbt von ekelerregenden Flüssigkeiten, welche durch dessen Adern flossen. Eingehüllt in eine ledrige, Narben übersehte Haut, welche nicht zum Rest des Körpers passen wollte. Sie wirkte wie ein billig gefertigtes Kleidungsstück, verhüllte den vernarbten Körper vor den Augen der Unwürdigen, welche ohnehin nicht verstehen konnte wie ein fühlendes Wesen sich freiwillig derartigen.. Verunstaltungen unterziehen konnte.
Welche Schmerzen diese Kreatur jeden Augenblick seines Lebens erdulden musste! Selbst ein so abstoßendes Abbild er abartigen, morbiden Gelüste der Wesen, dessen Gefangene sie nun waren, erzeugten in den meisten noch menschliche Gefühle. Trotz ihrer Abscheu und ihres Hasses fühlten manche sogar Mitleid mit dem Wesen, welche sie selbst immer wieder ein Stückchen weiter zu dem machte, was es selbst schon war. Ein groteskes Spielzeug seiner Meister so fern von Menschlichkeit wie man nur sein kann.
Vielleicht war gerade das der Grund, warum sich manche auf solche Gefühle einließen. Sie wussten, oder fürchteten zumindest, dass sie irgendwann einmal so enden könnten wie die Kreatur von ihnen. Und das erfüllte sie mit unaussprechlicher Angst.
Doch Durian hatte solche Gefühle bereits von sich abgelegt. Er hatte aufgegeben sich an Emotionen zu klammern, welche ihn nur noch tiefer in die Agonie stürzten, welche jeden Gefangenen langsam von innen heraus auffraß. Man wurde hier wahnsinnig, egal für wie willensstark man sich hielt. Man konnte einfach unmöglich all das Grauen um sich herum ausblenden. All das Leid, all den Schmerz und vor allem all diese Furcht. Er hatte Wesen gesehen, welche er nicht einmal identifizieren konnte, Xenos, Abschaum des Universums, Kreaturen, von denen er geglaubt hatte, das sie keine Spur Menschlichkeit enthalten konnten, Kreaturen welche er geglaubt hatte aus tiefster Seele zu hassen. Doch diese Xenos waren Gefangene wie er selbst, durchlitten die selben Qualen, den selben Schmerz und die selben Ängste. Sie wirkten plötzlich so.. menschlich, so voller Dinge, von welchen er angenommen hatte, dass nur Menschen sie haben konnten. Das stille flüstern und Beten in Sprachen welche er nicht verstand und welche ihm doch so vertraut vorkamen. Er hatte diese abstoßenden Feinde der menschlichen Rasse Flehen und Rufen hören. Dinge von denen er früher angenommen hätte, dass sie ihn erfreuen müssten, das Verderben von jenen, welche die Menschheit bedrohten und zu vernichten versuchten. Doch als er sie nach ihrer Mutter, ihren Familien und ihren Göttern hat schreien hören konnte er nicht anders als zu erkennen, dass hier alle Wesen gleich waren. Alle Gefangenen hatten den gleichen Wert, jeder war im inneren identisch zu jedem anderen in diesem Raum. Genau gleich wertlos und verdammt.
Das alles hatte ihn in seinem Innersten erschüttert, seinen Glauben und seine Vorstellungen zerschmettert und ihn zerbrochen. Wer war er überhaupt noch? Wie konnte er sich noch als Mensch sehen? Als Sohn des Gottimperators, dem Beschützer seiner Rasse, den Erretter und Bewahrer?
Ja. Der Imperator war allmächtig und beschützte die Seelen seiner Anhänger. Würden sie auch sterben und ihre Körper vergehen, so würden sie auf ewig an seiner Seite verweilen, errettet vor den Schrecken des Universums.
Welch ein verlogener Unsinn das alles doch war!
Wo war der Imperator als diese grauenhaften Xenos über seine Heimatwelt gekommen waren? Wo war er als er zusehen musste wie Menschen vor seinen Augen vom widernatürlichem dunklen Licht ihrer grausamen Waffen verdampften? Wo war der Imperator, als sie sich von ihren schwebenden Schiffen auf die Soldaten vor ihm herabstürzten, sie mit grausigen Waffen dahinrafften?
Er würde niemals die Schreie derer vergessen können, welche von den grässlichen Geschossen ihrer Gewehre getroffen zu Boden sanken, sich in höchster Qual vor Schmerzen wanden, sich ihre Gesichter verfärbten und sie mit grausig verzerrten Gesichtern schließlich starben. Eingefroren im Moment unaussprechlicher Schmerzen. Ein Abbild des furchtbarsten Schreckens, welchen man sich vorstellen konnte.
Wo war der Imperator als sie ihn gefangen genommen hatten? Wo war er als man ihn, zusammen mit den Überlebenden der Stadt welche sie überfallen hatten, in ihr fremdartiges Reich aus Finsternis und Tod brachten, ihn folterten, erniedrigten, jeden Lebenswillen langsam aus seinem Körper saugten?
Zum Warp mit dem Imperator! Soll er und die dunklen Kreatur welche dort hausten sich doch gegenseitig auslöschen! Sollte doch das gesamte Imperium zum Warp fahren und jeder, welcher ihm die Lügen des gnädigen Imperators eingetrichtert hatten nun an seiner Stelle in diesem Kerker verrotten!
Durian wurde aus dem verbitterten Grübeln gerissen als er etwas direkt vor ihm wahrnahm. Der Folterer! Diese Abnormität stand direkt vor ihm und beugte sich über sein Gesicht!
Durian verzog angewidert das Gesicht. Also war er wieder an der Reihe. Er sollte es sein, den diese Kreatur jede Würde nahm und ihn Leiden ließ, scheinbar um des bloßen Leidens willen. Er wand sich dem Folterer zu, sah im direkt in seine stumpfen, ausdruckslosen Augen. Wenn er ihn haben wollte, dann sollte er nur kommen! Irgendwann würde sich eine Gelegenheit ergeben. Dann würde er diese Fehlgeburt eine nameaschen Beutelratte schon zeigen was es hieß sich mit im anzulegen! Durian Marcius war kein Mann, der sich kampflos ergab. Wer würde dieser Bestie entkommen und wenn er sie mit seinen Zähnen und Nägeln bearbeiten musste. Niemand konnte ihm all dies ungestraft antun!
Durians Verstand schrie und baumelte sich auf, ließ Hass und Wut in ihm aufkochen. Doch Äußerlich blieb er ruhig. Egal was er sich selbst einredete, Durian wusste, dass es kein Entkommen gab. Selbst wenn er den Turm irgendwie verlassen konnte lauerten unzählige Schrecken im Zwielicht dieser abnormalen Dimension. Er wusste auch, dass mit Sicherheit vor der Tür mehrere der dunkel gerüsteten Krieger standen, welche ihn ohne Mühe überwältigen würden. Ihm war inzwischen sogar bewusst, dass die Ketten welche er trug nicht dazu gemacht waren ihn vor der Flucht zu hindern. Sie dienten vielmehr dazu, dass sich keiner der Gefangenen selbst oder einem anderen das Leben nahm. Denn so sehr sie alle gequält und gefoltert wurden, sie wurden alle am Leben und sogar in relativer Gesundheit gehalten. Diese wahnsinnigen Kreaturen wollten sie leben und leiden sehen. Und genau das erreichten sie auch.
Es gab kein Entkommen aus dieser Hölle. Keine Hoffnung und kein Erbarmen. Nur die Gewissheit, dass es nicht für immer andauern würde. Immer wieder hatten sie einzelne Gefangene herausgeholt, wie wie zu den alltäglichen Folterungen immer wieder einige aus dem Kerker holten, die aber nie wieder zurück kamen. Ob sie getötet, oder irgendwo anders hingebracht wurden, niemand der Gefangenen konnte das wissen. Und selbst wenn, würde man es nicht von jemand anderem erfahren, denn jeder Gefangene war geknebelt um zu verhindern, dass sich jemand die eigene Zunge abbiss um sich umzubringen. Auch war jeder an die Wand gekettet, viele in einer halb gestreckten Position, so dass sie keine Möglichkeit hatten irgendwie an ihren eigenen Körper zu kommen.
Aber wer wollte das schon unter diesen Umständen? Wer hatte schon tatsächlich Interesse daran herauszufinden was genau mit dem eigenen Körper passiert war, nachdem man bei der letzten Folter das Bewusstsein verloren hatte? Und wer verspürte schon das Bedürfnis sich anderen mitzuteilen, wenn alles was man erfahren oder weitergeben nur noch mehr Schmerz und Leid war? Wer hatte schon ein Interesse an...
Seine Fesseln öffneten sich und Durian sackte schlapp auf den kalten, glasigen Boden des Kerkers herab. Bevor er überhaupt richtig begriff was geschah hatte der Folterer ihn bereits an einer Kette um seinen Hals wieder auf die Beine gezerrt. Durian hatte nicht einmal mitbekommen, wie er ihm die Kette angelegt hatte. Fast hätte er über seine eigene Distanziertheit zu all dem was um ihn herum geschah lachen müssen. War er denn schon so abgestumpft, dass er nicht einmal wahrnahm wenn sein Peiniger ihn zur Folterbank führte? War es schon so weit mit ihm? Wie lange würde es dauern, bis er seinen Meistern nutzlos vorkam und sie ihn entsorgen würden?
Durian wusste es nicht. Und zumindest im Moment interessierte es ihn auch nicht.
Durian stolperte der Kreatur hinterher, welche ihn an einer Kette um seinen Hals führte. Der Folterer vor ihm hatte einen ungleichmäßigen Gang, humpelte leicht und es war schwer für ihn sich seinem Schritt anzupassen. Das musste er allerdings, denn der Folterer hielt die Kette gestreckt, so dass sie sich festzog und ihn würgte, wenn er zurückblieb. War er zu schnell riss die Kreatur daran, was sich so anfühlte, als würde sie ihm auf diese Weise den Kehlkopf zerdrücken wollen. So verdreht und missgestaltet das Ding auch war, es hatte viel Kraft in seinen Armen.
Und Durian war geschwächt und müde. Schlaf ereilte die Gefangenen in diesem Turm nur aus Erschöpfung. Die Albträume welche jeden einzelnen verfolgten ließen aber auch diesen kaum Erholung finden. Jeder Gefangene durchlebte seine Folter mehr als nur einmal. Sobald man die Augen schloss sah man den Folterkeller. Sah man die widerwärtige Gestalt über sich gebeugt, Gottimperator weiß was tun. Sobald sich die Stille im Kerker breitmachte hörte man gedämpfte Schmerzensschreie, das Stöhnen der Gefolterten. Ob nun real oder das Echo dessen, was sich im eigenen Verstand eingebrannt hatte. Das war ohne Bedeutung. So oder so waren sie nur zu real. Zu real um ignoriert zu werden, zu unfassbar um dem Verstand nicht zu schaden.
Durian war ein Wrack. Langsam aber unaufhaltsam hatte ihn dieser Kerker in etwas verwandelt von dem er niemals gedacht hätte, dass er dazu werden könnte. Er war ein Schatten seiner selbst. Kraftlos, hilflos, antriebslos. Ein gebrochener Mann.
Wie er erwartet hatte standen vor dem Eingang zum Verließ zwei dunkel gerüstete Krieger, ihre mit gezackten Klingen versehenen Gewehre bereitgehalten.
Nicht immer wurden Gefangene von solch einer Eskorte begleitet. Viel häufiger war es, dass die Folterer in einer kleinen Gruppe auftauchten und mehrere Gefangene mitnahmen, welche sie dann in die nahe gelegenen Folterkammern führten. Nah genug, dass auch die anderen Gefangenen die Schreie der Gequälten hören konnten. Gedämpft durch die kalten, glatten Wände, doch nicht minder furchtbar.
Doch immer war diese verfluchte Missgeburt vor ihm dabei. Durian hatte gelernt die Xenos an Hand von bestimmten Eigenheiten auseinanderzuhalten und zumindest diesen einen glaubte er auch unter hunderten seiner Art wiedererkennen zu können. Immer kam er, suchte die Gefangenen heraus als wären sie eine Wahre, welche er verkaufen wollte. Als wären sie nichts als Fleisch. Fleisch welches es zu bearbeiten galt.
Durian war aufs tiefste angewidert von dieser Kreatur. Wie pervers und krank musste jemand sein um so etwas zu werden? Dieses Wesen war noch nicht so sadistisch und brutal wie die Krieger, welche sie begleiteten. Diese schikanierten und quälten die Gefangenen zu ihrem Vergnügen. Sie schienen es sogar als eine Art Sport oder ähnliches zu sehen. Manchmal glaubte Durian bei ihnen eine so tiefe Befriedigung darin zu sehen, dass er zu zweifeln begann jemals begreifen zu können wie sadistisch und verdorben diese Wesen tatsächlich waren.
So verstörend das auch war, damit konnte Durian wenigstens etwas anfangen, es irgendwie nachvollziehen. Aber diese Folterer waren etwas ganz anderes. Sie arbeiteten mit Eifer und Begeisterung, gingen ganz in ihrer Arbeit auf. Doch er konnte keine Befriedigung in ihren Augen sehen. Keine Freude, keinerlei Genugtuung. Zu keiner Zeit.
Sie schienen ihm irgendwie noch weitaus schlimmer als die Krieger, da er ihre Motive unmöglich nachvollziehen konnte. Was sie taten ergab in seinen Augen keinen Sinn und war einfach pure, sinnlose Grausamkeit.
Aus diesem Grund hasste Durian den Folterer. Nicht nur, dass er einer dieser Monster war. Er war scheinbar so etwas wie ihr Kerkermeister, derjenige, welcher für sie alle zuständig war. Er sah ihn jeden Tag. Jeden Tag kam er und holte einen Gefangenen heraus. Jeden verfluchten Tag musste Durian mit ansehen wie sich das grausame Spielchen wiederholte. Wie konnte man so jemanden nicht aus tiefster Seele hassen?
Wobei Durian zugeben musste, dass es schwer war die Zeit überhaupt auf irgendeine Weise zu messen. Es gab hier weder Tag noch Nacht, überhaupt nichts mit dem sich die Zeit wirklich messen lassen konnte. Er hatte nur zwei Dinge an denen er die Zeit maß. Das Auftauchen des Folterers und das Schlagen seines eigenen Herzens. Beides wahr nicht gerade zuverlässig musste sich Durian eingestehen. Und jedes Mal wenn er versuchte die Zeit anhand einer dieser Dinge zu messen wünschte er sich sie würden für immer aufhören und ihn von diesem Albtraum erlösen.
Nach einem knappen Wortaustausch zwischen dem Folterer und den Kriegern, Durian glaubte inzwischen genug von der Sprache dieser Monster zu verstehen, dass er es als Aufforderung zur Eile interpretierten konnte, wurde Durian an der Kette um seinen Hals durch die Gänge gezogen. Einer der Krieger ging mit dem Folterer voraus, der andere folgte Durian. Weit genug hinter ihm, dass er, selbst wenn er sich frei bewegen und nicht vor Schwäche kaum Schritt halten konnte, ihn nicht hätte erreichen können. Doch mit Sicherheit nah genug um ihn mühelos mit seiner langläufigen Waffe erreichen zu können um ihn mit den scharfen Klingen in Stücke zu schneiden.
Durian erinnerte sich noch immer gut daran wie seine Kameraden von diesen Klingen durchbohrt und aufgeschlitzt worden waren. Nicht dass er besonders viel für sie übrig gehabt hätte, Durian hatte kaum Zeit gehabt sie überhaupt kennen zu lernen und selbst wenn es nicht so gewesen wäre war er nie der Typ gewesen welcher sich viel aus anderen gemacht hatte. Aber es war ein erschreckendes Schauspiel gewesen als er hatte zusehen müssen, wie die panisch flüchtenden Menschen um ihn herum durch die Klingen der Krieger fielen. Das wahr ein Schicksal welches Durian nicht unbedingt mit ihnen teilen wollte. Zumindest nicht wenn es zu vermeiden war.
Also folgte er anstandslos. Nicht das er eine Wahl gehabt hätte.
Durian merkte trotz seines hängenden Kopfes sofort als sie die Folterkammern passierten ohne davor stehen zu bleiben. Er hatte diesen Weg oft genug beschritten um sich jeden Schritt eingeprägt zu haben. Jeder Atemzug, jeder Herzschlag war Routine. Eine Vorbereitung auf das was folgen würde.
Doch diesmal folgte nichts. Sie hielten nicht vor der schweren Türe aus kaltem Stahl. Sie betreten nicht den Raum welcher bereits auf die Entfernung von einem dutzend Schritte nach Schmerz und Leid stank. Sie gingen an der Türe vorbei, an dem Gestank und am Leid.
Zum ersten Mal seit Monaten, zumindest soweit Durian das einschätzen konnte, hatte er den Kerker verlassen und war nicht auf der Folterbank geendet. Zum ersten Mal seit so langer Zeit würde er keine Torturen durchleiden, würde er nicht durch Schmerzen in die Leere der Ohnmacht sinken.
Durian packte die blanke Angst. Angst wie er sie nicht mehr verspürt hatte seit er diesen Weg zum ersten mal beschritten hatte. Der Schweiß brach ihm aus jeder Pore, seine Augen weiteten sich und sein Blut rauschte so laut durch seinen Körper, dass er nichts um sich herum mehr wahrnehmen konnte. Sein Herz schlug so heftig, dass er glaubte es würde ihm aufbrechen. Tatsächlich spürte er eine Hitze in sich aufsteigen, dass er fürchtete es wäre bereits geschehen. Und würde jeden Moment tot zusammenbrechen. Seine Brust schmerzte, ihm war schwindlig und sein Atem ging schnell und in unregelmäßigen Stößen. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen, konnte nicht einmal den Köpf heben um sich umzusehen. Er wurde nicht in die Folterkammer gebracht! Man brachte ihn nicht zur Folterkammer! Er war an der Folterkammer vorbeigegangen! Man würde ihn nicht foltern!
Man müsste annehmen, dass Durian vor Erleichterung und Freude die Kontrolle über sich verlieren würde, doch war es die blanke Angst die ihn übermannt hatte. Panik wie er sie noch nie in seinem Leben verspürt hatte ergriff ihn. Ungeachtet seiner Fesseln, ungeachtet der Wachen und der Tatsache, dass er in einem Turm der wahrscheinlich voll von Kriegern und unnatürlichen Kreaturen war, in einer albtraumhaften Dimension aus der es kein Entrinnen gab. Ungeachtet all dieser Dinge hätte Durian sich am liebsten losgerissen und wäre davon gelaufen. Gelaufen soweit ihn seine Beine trugen, bis er zusammenbrechen und bewusstlos würde.
Der Wunsch war so stark, dass er nichts anderes mehr denken konnte. Er wollte nur noch fort. Nur noch laufen. Nur noch weg von diesem Ort. Doch er konnte nicht. Er war wie gelähmt. Seine Beine bewegten sich wie von selbst, in der gleichen Routine wie unzählige male zuvor. Er bemerkte nicht wenn der Folterer an seiner Kette zog und ihm die Luft abschnürte damit er sich schneller bewegte.
Wahrscheinlich wäre Durian einfach reglos stehen geblieben und hätte auf seine Füße gestarrt, ohne sie überhaupt wahrzunehmen, wenn der Folterer es nicht immer wieder tun würde. Durian war von der bloßen Tatsache, dass er an einer Tür vorbeigekommen war, ohne durch sie zu schreiten so erschüttert worden, wie er es noch nie in seinem Leben gewesen war. Und er hatte schon viel erlebt. Hatte so einige Grauen dieses Universums mit eigenen Augen gesehen.
Zumindest hatte er bisher angenommen zu wissen was Grauen bedeutete.
Erst als er einen heftigen, doch irgendwie stumpfen Schmerz in seiner Brust wahrnahm, welcher ihm die Luft aus den Lungen presste, blieb Durian stehen. Einen kurzen Augenblick lang war er zu verwirrt um irgendwie zu reagieren. Er war stehen geblieben, schlicht und ergreifend, weil sich sein Körper nicht weiter nach vorn hatte bewegen lassen.
Doch dann holte ihn der Schmerz ein und er krümmte sich vor Schmerz. Tränen drangen ihm in die Augen und seine Lunge brannte wie Feuer, als er schließlich wieder einen Atemzug machen konnte. Immer noch verwirrt nachdem er aus dem Gefängnis seiner Angst herausgerissen worden war blickte Durian auf. Die offensichtliche Quelle seines Schmerzes starrte ihn aus den schwarzen Schlitzen eines dunklen Helms an.
Der Dark Eldar Krieger war offensichtlich nicht erfreut darüber jemanden wie Durian eskortieren zu müssen. Er hielt sein Splittergewehr immer noch zum nächsten Schlag erhoben und schien nur darauf zu warten, dass ihm Durian einen Grund gibt ihm einen weiteren Hieb zu verpassen. Durian starrte ihn an. Langsam kam die Erinnerung an seine Situation zurück und ebenso kroch auch die Angst in seinen Verstand.
Durian wurde erneut aus seiner sich anbahnenden Starre gerissen, als ihn der Folterer an seiner Kette auf die Beine zerrte. Er musste um Luft ringen und es wurde ihm sogar kurz schwarz vor Augen, als der Folterer erneut an der Kette zog damit er sich in Bewegung setzte. Durian schwankte ihm hinterher, kaum etwas von seiner Umgebung wahrnehmend. Und so nahm er auch nicht die Größe oder die Ausschmückung des Portals wahr durch das er schritt. Erst als er innerhalb des Thronsaals mit einem Stoß zum stehen gebracht wurde merkte er, dass er sich an einem ganz besonderen Ort befand und das was in den nächsten Augenblicken in diesem Raum abspielen würde sein zukünftiges Leben für immer verändern würde.