Rheinland Omnibus [Astra Militarum, unvollendet]

  • "Am Beginn des großen Sabbatweltenkreuzzuges stand eine Operation, von deren Erfolg alle späteren Ereignisse Abhängig waren. Die Operation Redrake sollte Slaydo die Tür für die weiteren Operationen offen halten. Die Geschwindigkeit mit der die vier Planeten erobert werden würden, sollte darüber bestimmen, ob Slaydos Kreuzzug ein überraschungsangriff oder ein totales Desaster werden würde.
    Besonders zu beleuchten sind die Ereignisse, welche sich in dieser Zeit auf der Welt Indrid abspielten. Indrid stand unter dem Oberbefehl von Marschall Macaroth, dem späteren Kriegsherren und dieser spiegelte schon hier die Eigenschaften wieder, welche ihn später so bedeutend machten: Intelligenz, totale Risikobereitschaft und sehr viel Glück.
    Während er sich nämlich mit seiner Hauptstreitmacht durch die gemäßigten Täler Indrids schnell auf die feindliche Hauptstadt zubewegte, entblößte er seine Flanken.
    Indrid wäre durch dieses Vorgehen schon sehr früh gefallen, hätte es nicht einen Mann gegeben, welcher mit seiner Einheit ein Talent zeigte, welches in der Garde vollkommen untypisch ist:
    Eigeninitiative."
    -Aus "Geschichte der späteren imperialen Kreuzzüge"-
    Die Zeit gegen uns


    Sektor: Sabbatwelten
    System: Newfound Trailing Group
    Planet: Indrid
    Zeit: 755. M41
    Operation Redrake
    Region: Westlich der Makropole Lumos


    Kapitel 1


    "Wie Slaydo es wünscht, so wird es geschehen! Wir nehmen diese Welt in 4 Monaten!"
    --Generalleutnant von Krueger vor dem Angriff auf Indrid-


    Ein Pfeifen. Ein Heulen. Ein Kreischen. Es beginnt schwach, kaum vernehmbar - in der Ferne geboren. Es ertönt plötzlich, schwach und fliegt einen weiten weg durch die Lüfte. Doch es kommt näher und wird schnell stärker. Es hämmert sich unaufhaltsam wie ein Kampfpanzer in den Gehörgang und prägt sich dort auf eine Weise ein, dass es einen nie wieder verlässt. Es ist vollkommen durchdringend, erbarmungslos.
    Und es ist nicht allein.
    Nur wenige Augenblicke, nachdem es hörbar wurde, begannen die Grauen gestalten im Trümmermeer zu verschwinden. Nur wenige Augenblicke später verstarben die Stimmen, um als Blumen aus Feuer und Tod wieder geboren zu werden.
    Doch die grauen Gestalten bekümmerte diese morbide Schönheit nicht, die ihnen nur allzu herzlich die Vernichtung bringen würde. Sie waren mit diesem Schauspiel vertraut, mit ihm verbrüdert. Es würde ihnen nichts anhaben. Es könnte ihnen nichts anhaben.


    Das Bombardement dauerte knappe 15 Minuten. Wenn Kraft richtig geschätzt hatte waren gut über 300 Granaten schwerer und mittlerer Mörser von außerhalb der Stadt auf ihre Stellung runter gegangen. Naja, nicht ganz. Eher in der näheren Umgebung ihrer Stellungen. Der Kultistenabschaum, der in dieser Schlacht gegen sie stand, besaß zwar mächtige Artillerie, aber dafür erschreckend schlechte Schützen.
    In einem Umkreis von mehr als einem Kilometer um ihre Gräben herum wurden die Ruinen der Stadt noch kleiner geschliffen, aber direkt auf ihnen ging lediglich ein knappes Dutzend Granaten runter und die richteten überhaupt nichts aus. Dafür waren das 1. Rheinland einfach zu erfahren und zu gut eingegraben.
    Das Einzige, was vielleicht als gefährlich zu bezeichnen war, war das, was den Granaten folgte.
    Krafts Augen huschten kurz und prüfend über die Habitatsruinen, welche gut 700 Meter vor ihnen den "Horizont" und somit das Gebiet des Feindes bildeten. dann riss er sich seine Gasmaske vom Gesicht und blies stark in seine metallische Trillerpfeife. Der Geschmack von Eisen in seinem Mund ließ nunmehr keinen Zweifel über das Blutvergießen, was nun gleich kommen würde.


    Der Feind ließ nicht lange auf sich warten. Nach kurzer Stille ergoss sich eine wahre Flut von Gegnern aus den zerstörten Überresten der ehemaligen Wohnhäuser. Eine Mischung von semi-militärischen Kultisten mit primitiven Projektilwaffen, bis zu sabbernden Fanatikern, die mit schäumenden Mündern auf die Gräben des 1. Rheinlands zu hechteten. Verbunden durch die selbe Pestilenz. Mit fauliger Haut und von Pusteln und Beulen überzogen stürmten sie voran. Ihre Zahl ließ sich im Moment nicht einmal schätzen, aber das war auch nicht von Bedeutung.
    Der Schrei der Pfeife hatte die schlafenden, grauen Behemoths aus ihren Höhlen gerufen. Die zweite Kompanie erhob sich, gerüstet und zum Kampf bereit. Dreihundert Maskierte, die sich wie einer erhoben, um an den Rand des Grabens zu treten und ein jeder wartete nur noch auf die Worte eines Mannes.
    "Männer von Rheinland! Lasst diese Bastarde nicht vorbei, lasst sie nicht entkommen, LASST KEINEN AM LEBEN! GEBT IHNEN DEN TOD", Krafts aus voller Kehle geschrienen Worte erfüllten ihren Zweck und wurden mit einem donnernden "JAWOHL" beantwortet, auch wenn es durch die Gasmasken etwas gedämpfter klang.
    Die Gasmaske! Kraft hatte vergessen sich die Gasmaske wieder aufzusetzen und nun war der Feind schon zu nahe, um den Fehler zu korrigieren. In spätestens 10 Minuten würde er sich für seine Nachlässigkeit selber verdammen.


    Trotz der enormen Zahl des Gegners war der Kampf sehr kurz und einseitig, Aber dafür nicht minder blutig. Die genau auf diese Art der Kriegsführung spezialisierten Rheinländer machten kurzen Prozess mit den durch die Trümmer anstürmenden Feinden.
    Zuerst ertönte das gleichmäßige Stakato der gesalbten Maschienenkanonen, welche in Behelfsbefestigungen am Rande der Gräben saßen. Ihre schwere Munition ließ von der ersten Reihe des Gegners nicht viel mehr als eine blutige Wolke übrig. Die zweite Reihe wurde durch den hohen Durchschlag dieser Waffen ebenfalls in Fetzen gerissen. die meisten Kugeln wurden erst im fünften oder sechsten Feind stark genug gebremst um keinen weiteren schaden zu verursachen, aber bis dahin sind schon viele weitere Salven in die welle aus Fleisch und Blut eingetaucht.
    Nach den Maschinenkanonen erklang das gleichmäßige WUMPF der Mörserstellungen weiter hinter den Gräben. Das gesamte Feld vor der Stellung wurde schon lange vor dem ersten Angriff penibel von den Mörsertrupps ab gezirkelt. Sie könnten jeden Quadratzentimeter mit tödlicher Präzision abdecken. Es war für sie praktisch unmöglich, nichts zu treffen. Die leichten Granaten vielen wie Hagel auf die Kultisten und zwischen den Erdsäulen die einen Einschlag makierten konnte man auch immer wieder eine Feuerblume aufblitzen sehen, wenn eine Brandgranate ihr Ziel fand.
    Mittlerweile gingen auch die ersten Minen im Vorfeld hoch und rissen Dutzende mit sich in den Tod.
    Die meisten Gegner hatten nunmehr die Hälfte des Weges zurückgelegt. Unbeeindruckt von ihren horrenden Verlusten liefen sie immer noch, da sie wussten, dass noch nicht einmal die Hälfte von ihnen gefallen war und der Feind nunmehr greifbar schien.
    Doch der wahre Feuersturm würde erst noch auf sie niedergehen.
    Mittlerweile wurden die Trupps der zweiten Kompanie von ihren Feldwebeln in Stellung gebracht. Über dreihundert Lasergewehre der Serie V mit Trommelmagazinen und langen, dünnen Bajonette zeigten nun über den Rand des Grabens auf die Heranstürmenden. dreißig Feldwebel schauten erwartungsvoll auf ihren Oberleutnant.
    Dieser Hob das Kettenschwert und ließ es Richtung Feind fallen.
    Die Gewehrsalve, die daraufhin folgte, schaffte dass, was all die Waffen davor nicht zu schaffen vermochten: Sie ließen den Feind langsamer werden.
    In sehr schneller Folge forderten die Feldwebel nun Salve um Salve von ihren Männern und die maskierten, grauen Gestalten kamen diesen Forderungen mehr als nach.
    Der Effekt war vernichtend. Die schnell schrumpfende feindliche Welle wurde erst immer langsamer, hielt dann an, um sich schließlich in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen, das kollektive Bewusstsein hatte schließlich doch akzeptiert, dass der Feindliche Beschuss zu stark war. Von den über Tausend Menschen, die zum Sturm an rannten, waren mittlerweile nur noch knapp 200 übrig, die sich zur Flucht entschieden.
    Doch es war für sie noch nicht vorbei. Hinter ihren Reihen, bei dem hirnlosen Vormarsch unbemerkt, brachen knapp zwanzig schwer gerüstete Gestalten, in den selben Farben gekleidet, wie die immer noch schießenden Soldaten in den Gäben hinter ihnen, aus Verstecken in den Trümmern hervor, um der fliehenden Menge den Rückweg abzuschneiden. Fast jeder von ihnen Trug einen Flammenwerfer.
    Die weiß glühenden Zungen des brennenden Promethiums leckten durch die Zurückgebliebenen. Fleisch wurde zu Asche reduziert. Blut verkochte noch in den Adern, um explosiv aus der brennenden Haut zu entweichen. Lebende Fackeln wälzten sich auf der erde, um den Tod von ihrer haut abzustreifen, aber das Promethium klebte wie Leim an ihnen. Viele warfen ihre Waffen weg, um mit erhobenen Händen zurück zu den Gräben zu kommen, weg von den Flammen. Doch dieser Feind hatte sämtlichen Anspruch auf Gnade längst verwirkt. Hunderte Laserstrahlen aus den Gräben verdampften diese armseligen Kreaturen in Sekundenbruchteilen.
    Kein einziger Feind entkam dem Inferno.



    Der letzte Feind wankte noch einige Meter, von oben bis unten von Flammen umhüllt, bevor er schließlich um fiel. Der Kampf war gewonnen und Kraft war erleichtert über den glatten Ablauf. Doch wirklich freuen konnte er sich nicht. Der Gegner war vielleicht weg, aber sein Gestank blieb. Die fauligen Gase der Verwesung wabberten langsam aber stetig auf die Gräben zu. die Gasmasken der Rheinländer waren von bester Qualität und filterten diese starken Gerüche problemlos aus der Luft. Kraft verfluchte sich ob seiner Achtlosigkeit und er wusste, dass es nun ein nur noch größerer Fehler wäre, sich die Gasmaske wieder aufzusetzen.
    Während er auf seine Männer schaute, die begannen die Leichen zu verbrennen, kam einer seiner Stabsfeldwebel angelaufen, um Meldung zu machen. Obwohl er eine Maske trug, erkannte Kraft am Gang, dass es Feldwebel Metzer war. Ein eher gedrungener Mann, mit weiche Gesichtszügen, der immer für einen Spaß zu haben war. "Sir, feindliche Kräfte erfolgreich zurückgeschlagen und vernichtet. Unsere Verluste waren nur mini-", weiter kam er nicht, bevor Kraft ihm auf die Schuhe erbrach. Der faulige Gestank war einfach zu viel. Er wollte sich gar nicht ausmalen, was passiert wäre, hätte er sich die Maske wieder aufgesetzt.
    "Ähh... Sir, alles in Ordnung ?"
    "Nein, mir geht es bestens, ich...", wieder ein Schwall des Mageninhalts, "..., ich erbreche mich zum Spaß und zwar immer um diese Zeit, alte Angewohnheit." Trotz des schwachen Tonfalls seiner Stimme, kam noch mehr als genug Sarkasmus mit. "Wie viele Verluste haben wir den nun?"
    "Alles in allem zwölf Tote. Sieben von der zweiten Kompanie, vier unserer Sturmpioniere und einer des Mörserzuges wurde beim Bombardement zerfetzt. Dazu kommen noch 30 Männer mit ein paar Kratzern..."
    "Es gibt keine "paar Kratzer". Nicht im Kampf gegen die Fäulnis! Jeder, der offene Wunden hat lässt alles stehen und liegen und geht umgehend zum Batallionsarzt. Prügeln sie es diesen versoffenen Helden da unten notfalls ein, wenn die sich stur stellen."
    Während Kraft den Sachverhalt erläuterte kam sein zweiter Stabsfeldwebel, Förster, angelaufen. Er war sogar noch einfacher zu erkennen und dass nicht einmal wegen seiner hochgewachsenen, schlaksigen Statur. Förster trennte sich nämlich niemals von seinem Funkgerät.
    "Herr Oberleutnant, der Major will sie umgehend sprechen. Es kam gerade über Funk durch, Versammlung im HQ", brabbelte Förster über Helmkomm.
    Kraft machte sofort auf dem Absatz kehrt, als er dass hörte und fragte sich im Stillen,was der Alte nun schon wieder von ihm wollte.


    Der Weg von den Gräben zum HQ war so, wie er im Bereich hinter der Front einer Rheinländischen Kampfgruppe sein sollte: Vollkommen ereignislos.
    Kraft dankte dem Thron, dass sich die Qualität der Luft auf seinem Weg schnell besserte. Der ganze weg war in etwa einen Kilometer lang. Die zweite Kompanie lag im Südlichen Bereich des ersten Bataillons, während das HQ mittig hinter der ersten Kompanie, der Kompanie des Majors, lag.
    Etwa auf halben weg legte Kraft eine kurze Pause ein, da er langsam begann, sein Frühstück, welches nun auf den Stiefeln von Feldwebel Metzer verteilt war, zu vermissen. Er kramte in der linken Tasche seines langen blau-grauen Offiziermantels herum, bis er endlich einen Rationsriegel fand, welchen er sogleich herausholte und zum verzehr bereit machte. Während er sein Mahl lustlos herunter würgte, beobachtete Kraft die Umgebung.
    Beim Imperator, hatte diese Stadt gelitten. Wie hieß sie noch? Goldtor Stadt?
    Vor den Kämpfen lebten hier etwa 100000 Menschen, doch von Zivilem Leben war hier schon lange keine Spur mehr. Die gesamte Stadt war auf eine Trümmerwüste reduziert worden. Hier und da ragten noch einige wenige Gebäude aus dem monotonem Meer aus Schutt und Asche, um die Artilleriesten beider Seiten zu verhöhnen. Es war nicht so, dass die Rheinländer direkt für diesen Zustand verantwortlich waren. Eine Woche, bevor auch nur ein rheinländischer Stiefel die Stadtgrenze überschritt, begann schon die Bombardierung dieses Gebiets durch schwere und schwerste Artillerie des Imperiums, sowie durch schwere Bombereinheiten der Flotte. Hier stand schon kein Stein mehr auf dem anderen, lange bevor die ersten Laserstrahlen die Luft verdampften. Kraft schaute sich genauer um und erkannte, dass er in den Überresten eines zerstörten Gemeinschaftswaschraums stand, der wohl früher einem Habbitatsblock angeschlossen war.
    Während sein Blick über zerschossene Waschbecken und Toiletten wanderte, blieb er an einem Spiegel hängen, welcher wie durch ein Wunder intakt geblieben war. Für einen kurzen Moment erschrak Kraft ob seines Anblicks. Er hatte sich schon seit etwa einem Monat nicht mehr selbst im Spiegel gesehen und die Körperpflege war in dieser Zeit, durch die andauernden Kampfhandlungen auch etwas zu Kurz gekommen. Aus dem langen, dreckigen, blaugrauen Offiziersmantel stach ein von verfilzten schwarzen Haaren bedeckter Kopf hervor. Oberleutnant Kraft hatte das, was die Mädels auf Rheinland wohl "das Gesicht" nennen würden. Er hatte Gesichtszüge, welche damals die Damen reihenweise dahin schmelzen ließ. Alles war wohl proportioniert, alles bis auf die große Narbe, welche ihm vom verfiltzten Haaransatz bis zu den schwarzen Bartstoppeln quer durchs Gesicht lief. Ein Andencken an einen Chaosoffizier, der ihm mal im Kolonialsektor begegnet war.
    Der Major, damals noch sein Leutnant, sagte dazu zum Scherz immer: "Nimms nicht so schwer du Schönling, erstens lässt es dich verwegener aussehen und zweitens, guck dir doch den Chaosoffizier an, den haste nicht so gut wegkommen lassen!"
    Bei diesem Gedanken fiel Kraft ein, dass er sich besser spurten sollte, da er schon jetzt zu viel Zeit vergeudet hatte.

  • Kapitel 2


    "Wären wir geblieben, wären wir drauf gegangen. Wären wir abgehauen, wären wir drauf gegangen. Hätten wir gekämpft, wären wir drauf gegangen. Der Major hat die einzige Entscheidung getroffen, welche möglich gewesen war: Alles zusammen."
    -Kommissar Nietfeld zwei Jahre nach den Ereignissen-



    Keuchend kam Kraft am großen Platz vor der Kirche an, in welcher sich das HQ des ersten Rheinlands befand. Kraft war spät dran und das wusste er, daher legte er noch einen Zahn zu und rannte über den Platz auf das vollkommen zerstörte Gebäude zu.
    Die Kirche hatte unter den Bombardements wirklich schwer gelitten. Aus dem 200 Meter hohen Turm blieb wenig mehr als ein 50 Meter hoher Stumpf übrig und das Schiff war sogar noch schwerer betroffen. Lediglich die ehemalige, neben der Kirche liegende Abtei hatte alles gut überstanden. Der spartanische bunkerartige Bau wirkte neben den Ruinen zwergenhaft, obwohl er auch schon zweistöckig war.
    Kraft rannte an Soldaten der ersten Kompanie (der Leibkompanie vom Major) vorbei, die zur Sicherung dieses Gebietes Stellung genommen hatten. Ihre Haltung war im Vergleich zu den Fronteinheiten eher lässig. Die schweren blaugrauen Ledermäntel waren aufgeknöpft oder über die Schultern geworfen und die Gasmasken, die die Rheinländer im Gefecht fast nie ablegten, sicher im Koppel verstaut. Auch die steingrauen Helme und Flakwesten waren nur locker umgebunden. Viele saßen hinter ihren Sandsäcken und rauchten oder spielten Karten mit einander. Die, die Kraft sahen, salutierten sofort in strammer Haltung, gingen danach jedoch wieder zum Tagesgeschäft über.
    Die einzigen Soldaten die hier die Stellung bewahrten waren die Rheinwächter. Diese zwei hünenhaften Gestalten waren die Persönlichen Leibwächter des Majors. Die Eliteeinheit des rheinländischen Senats, welche nur den verdientesten Frontoffizieren zugeteilt wurden. Sie sagten nie was, man sah sie nie unter den normalen Soldaten, Kraft wollte verdammt sein, wenn er wüsste ob diese Jungs schlafen. Gerüchte besagen, dass die Rheinwächter gescheiterte Scouts der Paladine von Rheinland waren, die ihre Grundausbildung jedoch ohne ihre neuen Organe abgeschlossen hatten. Ihre Bewaffnung sprach auf alle Fälle dafür. Neben dem schweren Standardmantel, Helm und Gasmaske (welche diese Typen nie abnahmen) besaß jeder von ihnen einen schweren Sturmschild, welcher das Symbol der Paladine trug: schwarzes Kreuz auf weißem Grund.
    Kraft kam schlidernd vor ihnen zum stehen. "Na Leute", grinste er sie an, während er salutierte, "alles klar bei euch?". Sie antworteten nicht. Sie salutierten auch nicht, das taten sie nie, außer gegenüber ihren Schutzbefohlenen, in diesem Fall dem Major.
    Einer der beiden sondierte Kraft kurz und betätigte dann den Knopf für die Tür, welche sich daraufhin quietschend öffnete. Kraft wollte gerade eintreten, als sich plötzlich ein riesiger Arm um seinen Hals schloss wie ein Schraubstock. Die Wachen schauten unbeeindruckt zu, während der Offizier vor ihnen um Luft japste. "Passwort?", hörte Kraft das tiefe summen aus einer Gasmaske hinter sich. In Kraft stieg die Wut hoch. Er holte kräftig mit seinem Ellenbogen aus und rammte ihn mit voller Wucht dahin, wo er die Leber des Angreifers vermutete. Der Aufschlag war brutal. Nach einem kurzem und gedämpften Aufschrei löste sich der Schwitzkasten sofort. Kraft drehte sich um und riss dem nun am Boden liegenden Riesen die Gasmaske vom Gesicht.
    "Ich hab dir schon beim letzten mal gesagt, dass das passieren wird, Ferdinand du verdammtes *#~"*!"
    Obwohl sich Ferdinand De Vall, der Kommunikationsoffizier des Majors immer noch vor schmerzen krümmte, stand ihm die Hähme ins Gesicht geschrieben. "Gibs zu Winfried, du hast dich erschreckt"
    "Kein Stück."
    Kraft bot ihm die Hand an um ihn hoch zu ziehen. Er und De Vall wurden im selben Jahrgang eingezogen und dienten schon gemeinsam unter dem Alten als der noch Feldwebel und später Leutnant war. De Vall war ein wahrer Riese. Er überragte sogar die Wächter(die langsam ungehalten über die immer noch offene Tür wurden) noch um einen guten Kopf, obwohl die schon knapp 2 Meter groß waren. Sommersprossen und Blonde Haare rundeten den Gesamteindruck auf eine skurrile Art ab. Und natürlich De Valls Grinsen, welches im ganzen Regiment berüchtigt für die Ansteckungsgefahr war. De Vall war ein wahrer Sympatieträger im ersten. Profi für den Schwarzmarkt, Falschspieler, Geschichtenerzähler, Witzbold, Zauberer und Schnapsbrenner (als wäre der genormte Rheinländische Armeefusel, der dem Regiment von der Heimat zugeschikt wurde nicht schon reiner Alkohol).
    "Sag mal Ferdinand, haben die hohen Tiere schon angefangen?"
    De Vall kratzte sich kurz am Kopf und schüttelte dann selbigen: "Ich hab keine Ahnung, ich war den ganzen Tag unterwegs."
    Kraft überkam plötzlich ein ungutes Gefühl. Er verabschiedete sich schnell von De Vall und ging durch die Tür in die Abtei. Die Wächter schlossen sie sofort hinter ihm und Kraft stand alleine in der Notbeleuchtung des Bunkers. Kraft und das war untypisch für einen Rheinländer, hasste solch bunkerartigen Gebilde. Er konnte es nicht erklären. aber ihm überkam immer leichte Panik.
    Nachdem er den Weg zum Konferenzraum schnell zurück gelegt hatte und sich langsam an die muffige Luft gewöhnte, blieb er noch einen Moment vor den schweren Stahltüren des Konferenzraums stehen. er wusste irgendwie, das diese Besprechung keine guten Ergebnisse liefern würde.



    Kraft holte noch ein letztes Mal tief Luft und schritt dann durch die Tür. Im Konferenzraum war es dunkel. Nur das bläuliche Licht der taktischen Holokart die in der Mitte des Raumes stand spendete etwas flackerndes Licht.
    Kraft ging einige Schritte vorwärts und schaute sich um. Er erkannte zwar einige bekannte Gesichter, der Major war jedoch nicht zu sehen. Kraft wunderte sich, und fragte darum in den Raum: "Ist er Alte noch nicht da?"
    Eine Stimme in seinem Rücken antwortete. "Oberleutnant Kraft, nach über 8 Jahren gemeinsamer Dienstzeit, müssten sie doch eigentlich wissen, dass ich diesen Spitznamen nicht Schätze."
    Kraft rutschte das Herz in die Hose.
    Major Walther Tiberius Rossmann trat hinter ihm aus dem Schatten und schaltete das Licht ein. Der 1.90 große Offizier lächelte Kraft verstohlen an und wies auf einen freien Platz in der Runde der Offiziere.
    Wenn Kraft früher mal ein Schönheitsideal verkörperte, war Major Rossmann dass, was man als elegant bezeichnen würde. Er war hager und hatte markante Gesichtszüge. Sein stoppeliges, straßenköterblondes Haar und seine hagere, aber trotzdem muskulöse Statur verliehen ihn in gewisser Hinsicht das Aussehen eines Gentleman.
    Rossmann bedeutete Kraft, sich auf einen freien Stuhl zwischen den übrigen Offizieren zu setzten, was Kraft auch sofort tat. Zum erst mal sah er nun, wer sich alles im Raum befand. Zu seiner rechten saß Hauptmann von Steinberg, der Kommandant der dritten Kompanie. Der alternde Aristokrat war nach Oberst De La Rey mit 49 Jahren das zweitälteste Mitglied des ersten Rheinlands und verkörperte alle Eigenschaften, die man von einem adeligen Offizier von Rheinland erwartete. Er strahlte förmlich Würde, Stolz und eine gute Erziehung aus.
    Einen Sitz weiter saß Hauptmann Koch von der ersten. Koch war ein richtig zäher Hund und der Mann, den man rief, wenn es richtig blutig wurde. Seine vernarbte Haut war Zeuge von vielen Nähkämpfen und seine Bewaffnung zeigte sein gewöhnliches Vorgehen in diesen Kämpfen. auf Kochs Schoß lag seine geliebte Mark 4 E- Faust, zerkratzt, blutig und maßiv. Außer den beiden anderen Kompaniebefehlshabern waren auch noch die Kommandanten der Unterstützungszüge des Regiments anwesend. Da war Leutnant Jäger von den Spähern, auf den, müsste Kraft ihn mit einem Wort beschreiben, wohl am ehesten die Bezeichnung unheimlich passen würde und der bullige Leutnant Bärens von den Sturmpionieren, jenen Pyromanen, welche den Kultsten in den Rücken gefallen waren.
    Nachdem Kraft sich gesetzt hatte und allen Offizieren noch einmal höflich zunickte, schaltete Rossmann das Licht wieder aus und aktivierte die bläulich schimmernde Holokarte. Anhand des gezeigten Bildes wusste Kraft sofort worum es ging.
    Die Karte zeigte ein Flachrelief der momentanen Situation in Goldtor Stadt. Die Stadt lag mitten in den großen Darks Sümpfen, einer riesigen Moorlandschaft, welche sich über einen Großteil der östlichen Flanke von Macaroths Hauptvorstoßes erstreckt. Durch die Darks Sümpfe gab es nur eine sichere Verbindung: Den Fluss H`ka und die nördlich parallel zum Fluss verlaufende Schnellstraße. Goldtor Stadt war eine Art Insel in diesem Sumpf und wurde in der Mitte vom H´ka durch schnitten. Nur aus diesem Grund wurde in der Stadt gekämpft, da hier die einzige Stelle war, wo der Erzfeind die Flanke bedrohen konnte.
    Kraft erkannte auf der Karte sofort die drei Ovale, welche für die drei Kompanien des ersten Rheinlands standen. Sie waren vom südlichen Ufer des H´ka bis zum Sumpf quer durch die Stadt gespannt, mit dem Nordteil nur mit der großen Heilandbrücke verbunden, einem gigantischen Bauwerk, welches den 1km breiten Fluss in der Stadtmitte überspannte. Da die Taktiker im Südteil der Stadt nur schwache Feindkonzentrationen erwarteten hielten die Rheinländer dort alleine stand. Der Großteil der imperialen Truppen verteidigte die Schnellstraße im Norden. Das 14th Rembourg hielt die direkte Front, ein durchaus fähiges Regiment, aber noch grün hinter den Ohren und für den Notfall waren noch drei mechanisierte Kompanien der 154. Stahllegion im Nordwesten der Stadt als Reserve.
    Rossmann ließ den anwesenden Offizieren noch kurz Zeit, die Karte zu betrachten und fing dann an: „Meine Herren, wir haben ein Problem.“ Ein kurzes Kichern ging durch den Raum und Kraft wusste auch warum. Es war eine Marotte des Alten, jede schlechte Situation mit „Problem“ zu umschreiben. Dieses „Problem“ konnte dabei alles von einer verstopften Latriene bis zu einem überraschenden Exterminatus sein. Es wurde im Regiment zu einer Art duerwitz, da sich sogar schon der Oberst darüber lustig machte. „Was für eine Art Problem ist es den Herr Major“, kam die berechtigte Frage von Koch. Rossmann schaute sehr ernst in die Runde und sofort wurde jeder Ansatz von Heiterkeit im Keim erstickt.


    „Es ist die Art von Problem, welche dazu führen wird, dass wir wahrscheinlich in den nächsten Tagen in Scheiße ersticken werden.“
    Der Alte ließ diesen Eindruck kurz wirken, bevor er fort fuhr: „Wie sie alle wissen, ist vor zwei Wochen die Kommunikation zum Oberkommando abgerissen“, dies war wirklich schon länger bekannt, daher fragte Kraft sich, was plötzlich neu daran war. Der Abriss der Kommunikation, selbst für einen so langen Zeitraum, war zwar ungewöhnlich, aber nicht außergewöhnlich, wenn man Interferenzen und feindliche Störsender hinzuzieht. „Das Problem an der Sache ist, dass seit gestern auch der Kontakt mit dem nördlichen Stadtteil Tot ist,“ fuhr der Major unbeirrt fort, da er scheinbar die fragenden Gesichter seiner Offiziere sah. Das war wirklich ein Problem stellte Kraft fest und nicht nur ihm schien im Raum langsam ein ungutes Gefühl zu überkommen. Sollten es die Chaosstreitkräfte wirklich geschafft haben, den nördlichen Stadtteil einzunehmen, saß das Erste in der Falle wie eine Ratte. „Aber als wenn das noch nicht alles wäre, hat Hauptmann von Steinberg ihnen ebenfalls einen Höhepunkt des Heutigen Tages zu Berichten,“ die traurige Ironie in Rossmanns Worten stand förmlich greifbar im Raum. Von Steinberg stand derweil auf und ging zur Holokarte. Einige kurze Bedienungsgriffe und die Karte vergrößerte den Sektor der dritten. „Meine Herren, heute um 0800 gab es einen Zwischenfall in meinem Sektor. Wie sie wahrscheinlich alle mitbekommen haben, hat heute wieder ein Sturmangriff stattgefunden, nur das an meiner Linie nicht die üblichen geifernden Kultisten anzutreffen waren. Ich hatte das vergnügen auf semi Militärische Einheiten in doppelter Kompaniestärke zu treffen, zudem hatten meine Männer Kontakt mit drei leichten Panzern.“ Diese Nachrichten waren wirklich schlecht. Nicht nur, dass das Nordufer wahrscheinlich schon in Feindesshand war, nun begann der Erzfeind auch noch seine Elite in den Kampf zu werfen. Nachdem von Steinberg sich wieder gesetzt hatte, sprach der Alte das aus, was alle befürchteten: „Meine Herren, ich glaube wir haben es mit einer Gegenoffensive kapitalen Ausmaßes zu tun. Ich bezweifle stark, dass wir die nächste Woche lebend überstehen werden, wenn uns nichts einfällt oder ein Wunder geschieht.“
    „Wir könnten einen geordneten Rückzug angehen“, kam ein Vorschlag von Jäger. „Rückzug steht im Moment noch außer Frage. Wir haben Befehle und wissen nicht einmal was im Nordufer los ist. Kein Rückzug ohne nähere Informationen!“, Rossmanns Position war offensichtlich. „Ich sage, wir bleiben und Kämpfen!“, betonte Koch, während er mit seiner geballten(Menschlichen) Faust auf den Holotisch schlug, dass die Karte flimmerte. „Aber wenn die Situation so schlimm ist, wie wir es vermuten, dann wäre dass unser sicherer Tot“, meldete sich Kraft. „Eine Erkundungsmission“, kam es kehlig von Bärens herüber. Rossmann hob die Hand und der Raum verstummte. „Herzvoragende Idee Lutnant. Kraft, machen sie zwei ihrer Züge bereit und sie Jäger, ich will ihre besten Spä-“ Die Tür des kleinen Raums öffnete sich und einer der Rheinwächter zwängte sich durch die schmale Öffnung und steuerte direkt auf den Major zu. Der Hühne Senkte seinen Maskierten Kopf direkt an Rossmanns Ohr und murmelte etwas, dass nur der Alte verstehen konnte. Im Raum herrschte absolute Stille. Kraft war sich ziemlich sicher, dass er noch nie einen der Wächter reden sah. Rossmann nickte kurz und der Rheinwächter ging wieder nach draußen. „Offensichtlich bekommen wir Besuch, ich würde vorschlagen, wir gehen raus und begrüßen ihn.“
    Der kleine Trupp Offiziere hatte sich in einer ungeordneten Linie vor dem Bunker postiert und Blickte, mit der Hand vor der Stirn, in Richtung Sonne, um zu sehen, was sich da näherte. Bei genauerem Hinsehen erkannte man zwei Valkyren, die tief am Horizont auf Goldtorstadt einlenkten. „Ich hoffe, dass das nicht die Verstärkung ist. Da hätte ich mir nämlich mehr erwartet“,kam der Kommentar von Kraft, aber die Lage war zu ernst, um einen Lacher heraus zu kitzeln.


    Rossmann war der erste, der die Abzeichen auf den Flugmaschinen sah. Drei Totenköpfe und ein schwarzer Streifen. Noch wichtiger war aber, dass Rossmann wohl der einzige im Regiment war, der auch wusste was dieses Abzeichen zu bedeuten hatte. Es bedeutete ärger.


    Nachdem eine Ordonanz eine Magnetboje gesetzt hatte, schwenkten die Valkyren elegant zu Landung ein. Bis auf den Kommandeur, machte sich eine erwartungsvolle Stimmung breit. Mit einem Metallischen Wump setzte der erste Transporter zwanzig Meter von den Offizieren auf. Die Heckklappe öffnete sich langsam mit dem zischenden Geräusch einer Uralten Hydraulik. Die Rampe setzte auf dem Boden auf und zwei schwarze Gardisten stürmten heraus und nahmen stramme Haltung an den Seiten der Luke an. „AAACHTUNG, KOMMISSAR ANWESEND!“ schrie einer der beiden Lauthals. Die Offiziere zeigten sich weiterhin nicht beeindruckt. Als nächstes stiegen drei Kommissare aus. Ihre langen schwarzen Ledermäntel flatterten im Wind der Triebwerke. Einer der drei, ein Mann mittleren Alters mit pechschwarzem Haar und einem bulligen Körper trat vor und schnauzte die anwesenden Offiziere an: „Kommandierender Offizier sofort angetreten!“
    Rossmann trat aus dem Glied und ging mit sturem Blick auf die drei Kommissare zu und Salutierte kurz aber Zackig: „Major Rossmann zu ihren Diensten.“ Der mittelalte Kommissar warf Rossmann einen abschätzenden Blick zu und trat wieder einen Schritt zurück, um dem ältesten der drei Platz zu machen. Der alte Kommissar, Rossmann schätzte ihn ungefähr auf Mitte siebzig hatte graues Haar, ließ sich sein alter aber sonst nicht anmerken. Faltige Haut war über stramme Muskeln gespannt und der Gesichtsausdruck strahlte Mut und Entschlossenheit auf. Der Kommissar salutierte ebenso zackig wie Rossmann. „Imperator beschütz, Herr Major. Ich bin Lordkommissar Kirov, der junge Mann hinter mir ist mein Junior Nietfeld und der Kommissar neben mir hört auf den Namen Krieger. Wir wurden von Marschall Macaroth gesandt, um einen Möglichen Fall von Massendessertation an seiner Flanke zu untersuchen.“ Die zweite Valkyre war mittlerweile gelandet und ein zweiter Trupp Kommissariatsgardisten stürmte heraus. Plötzlich wurde Rossmann schmerzlich bewusst, wie groß doch der Haufen Scheiße war, in dem er begann zu ertrinken.



    „Wie sie hoffentlich sehen können, befinden sich hier keine Fahnenflüchtige, Lordkommissar Kirov, wir sind alle noch hier“, bemerkte Rossmann mit unterdrückter Wut. Er hätte mit vielem Gerechnet, was ihre Situation noch schlechter hätte machen können, aber so etwas? Das war eine kapitale Beleidigung des Munitorums an das Rheinländische Militär. „Wie sagt man noch so schön bei der Inquisition? Unschuld gibt es nicht, es gibt nur verschiedene Facetten der Schuld. Wenn sie behaupten, dass sie kein Fahnenflüchtiger sind, wie erklären sie sich dann die zweiwöchige Funkstille ihrerseits?“, Krieger drängte sich nach vorne und ließ eine gesunde Menge Übermut und Arroganz in seine Bemerkung einfließen, was Kirov scheinbar beides missfiel, doch bevor der alte Lordkommissar etwas sagen konnte, schoss Rossmann gezielt zurück: „Tja, ihr Oberkommando hat es offenbar ebenfalls nicht für nötig befunden, sich auf unsere Anfragen nach Befehlen und Unterstützung zu melden und ich bin nicht einfach los geflogen, um den befehligenden Offizier zu exekutieren.“ Gelächter folgte aus den hinteren Rängen. „Hüten sie ihre Zunge Major oder ich werde...“ „Sie werden hier überhaupt nichts Krieger! Sie überschreiten gerade extrem ihre Kompetenzen“, Kirov war scheinbar ähnlich ungehalten wie Rossmann über den Kommissar. Dieser warf Kirov einen vernichtenden Blick zu, ging aber schweigend einen Schritt zurück. „Ich bin überzeugt, dass es sich hier wohl um ein Missverständnis handelt Herr Major, aber wenn sie meinen Berufsstand kennen, wissen sie auch, dass ich es nicht bei ihren Worten belassen kann.“ Rossmann empfand Sympathie für den alten Mann, auch wenn es wohl daran lag, dass er neben Kirov erstens den höheren Rang hatte und zweitens definitiv das kleinere Übel war. Hoffentlich Irrte er sich da nicht.
    „Wenn sie die Güte hätten, würden sie mich bitte zu ihrem Funksender führen? Ich glaube, dass er eine Menge aufklären kann,“ Kirov gehörte scheinbar zu der Sorte, die nicht lange um den heißen Brei redete. „Natürlich, mein Adjutant De Vall wird ihnen sofort unser Kommunikationsproblem ans Herzen legen, vor allem, da sie und ihre Eskorte nach dem Abflug ihrer Mitfahrgelegenheit hier genauso festsitzen wie wir .“ Kirov schmunzelte und begann De Vall zusammen mit seinem Junior zu folgen, doch er drehte sich auf halben Weg zum Bunker noch einmal um: „Sie Irren sich, die zwanzig Gardisten sind nicht hier um mich zu schützen.“ „Sondern?“ „Sie sind hier, um sie und ihren Stab im Fall der Fälle zu exekutieren.“ Kirov ging weiter. Was er da ließ, war ein kalter Schauer auf Rossmanns Rücken und einen kochenden Kommissar. Krieger ging auf Rossmann zu: „Nur um sicher zu gehen, möchte ich gerne mit ihrem zugewiesenen Kommissar sprechen.“ Kirov hielt kurz vor der Tür an und drehte sich langsam um um, sagte aber nichts. „Das könnte schwierig werden, Herr Kommissar,“ Rossmanns Ton war deutlich genervt von dem schwarzen Mann. „Wiso?“, Krieger dachte offensichtlich, dass er etwas gefunden hatte und genießte diesen Triumph. „Weil wir keinen haben, Herr Kommissar.“ „Ist er etwa im Kampf gefallen?“ „Nein,“ Rossmann hielt Kriegers eisigen Blick problemlos stand und erwiderte ihn mit einem noch kälteren, „Herr Kommissar,“ fügte er noch nach einer Weile hinzu.. „Wie groß ist ihre Einheit Major?“, die Worte ließ Krieger sich auf der Zunge zergehen. „Bei antritt der Kämpfe hatte ich ungefähr 1000 Mann plus Munitorums Personal unter mir, im Moment sind es noch ungefähr 850. ich habe die heutigen Zahlen leider noch nicht,“ Rossmann wusste nun was der Kommissar wollte. „Interessant, bei einer solchen Größe ist mindestens ein Kommissar Vorschrift. Wenn in ihrer Einheit also im Moment keiner ist und er, nach ihren Worten, auch nicht im Kampf gefallen sei, dann lässt das eigentlich nur einen Schluss zu. Ein Schluss, der unter verräterische Einheiten üblich ist.“ Rossmann fasste sich mit Daumen und Zeigefinger ans Nasenbein, senkte den Kopf etwas und begann ihn zu schütteln, während Krieger seine Boltpistole zog. „Im Namen des Imperators-“ Was nun geschah, geschah Blitzschnell und erinnerte Rossmann daran, dass er dem Rheinländischen Senat wirklich dankbar zu sein hatte. Die Rheinwächter setzten sich mit fast unmenschlicher Geschwindigkeit in Bewegung. Der erste schirmte Rossmann mit seinem Sturmschild zur Gänze ab, indem er sich schützend zwischen Pistole und Major positionierte. Der Zweite hatte sein Kettenschwert surrend vor Kriegers Hals gehalten noch bevor dieser die Pistole zur Gänze gezogen hatte. Eine Kettenreaktion folgte. Die schwer Bewaffneten Gardisten legten ihre HE- Lasergewehre an und richteten sie auf die Wächter und den Alten. Ohne einen Befehl abzuwarten richteten alle anwesenden rheinländischen Soldaten und Offiziere, immerhin fast an die Hundert, ihre Waffen wiederum auf die Gardisten. Die Skurrile Situation hielt so einige Sekunden wie eingefroren an, bis sie von einer lauten Stimme von hinten unterbrochen wurde: „KRIEGER, ICH BEFEHLE IHNEN, DIESEN SCHWACHSINN SOFORT EINZUSTELLEN!! SENKEN SIE IHRE WAFFE!“ Kirov war wütender, als Rossmann es einem so alten Mann zutrauen würde. Krieger bewegte sich jedoch keinen Zentimeter und hielt die Waffe immer noch auf den Alten gerichtet. „Sie haben gehört was er gesagt hat, wenn die Tötung des leitenden Kommissars nicht ein eindeutiges Zeichen für Verrat ist, was dann?“ Kirov stürmte förmlich auf Krieger zu und schlug ihn mit einem mächtigen Hieb nieder. „Wenn sie unfähiger Haufen Scheiße schon nicht den geringsten Schein einer Ahnung von der Situation haben, sollten sie nicht mit ihrer Waffe herumfuchteln. Sie wertloser Hundesohn haben offensichtlich mal wieder gegen meinen Befehl gehandelt und sich die Informationen über den Einsatz nicht durchgelesen. Ich bin froh, dass sie nicht mein Junior sind, sonst hätte ich ihnen schon längste eine Kugel verpasst und dann mir, weil ich mich so schämen würde, so was wie sie ausgebildet zu haben. Dieses Regiment hatte nie einen Kommissar, genau wie jedes andere der vierzehn Rheinländischen Regimenter die im Kreuzzug dienen. Regimenter, die nach Methoden ausgebildet wurden, die von Astartes entwickelt und überwacht wurden, hätten auch keine Verwendung für so ein hässliches Arschgesicht wie sie und ich schwöre ihnen, noch so eine Scheiß Aktion und das letzte, was sie in ihrem Leben hören werden, wird das Klicken meiner Boltpistole sein.“ Kirov war rot vor Wut und stand über dem sich windenden Krieger wie ein Rachegott. Die Gardisten hatten längst ihre Waffen gesengt und auch die Rheinländer erkannten, dass sich die Situation wieder entspannte. Die Rheinwächter hatten sich wieder langsam hinter ihrem Major formiert. „Würden sie mich bitte begleiten, Major Rossmann?“ Rossmann nickte Kirov zu und folgte ihm zusammen mit dem rest der Offiziere in den Bunker, aber nicht ohne noch einmal mit langezogenen Grinsen einen Blick über die Schulter auf ein kochendes Arschloch zu werfen.


    „Wenn sie erlauben, Herr Major, ich würde ihnen bei ihrer Spähmission gerne Gesellschaft leisten“, Kraft war erstaunt. Rossmann hatte Kirov eben erst die Situation geschildert und der alte Kommissar hatte sofort zugestimmt und zudem scheinbar auch noch seine Hilfe angeboten. „Ich nehme ihre Hilfe gerne an, doch woher, wenn sie mir diese Frage erlauben, kommt diese, für ihren Berufsstand, eher untypische Hilfsbereitschaft?“ Rossmann war wohl einen Schritt über das Ziel hinaus. Kirov schien wütend. „Vergleichen sie mich bitte nicht mit solchem Material wie Krieger. Treu zum Imperator ergeben, aber zweifellos dumm wie Brot. Zu meiner Scham ist mein Angebot, wie sie vermutet haben, nicht ganz uneigennützig. Ich wurde ausgesandt um die ganze Kampfzone auf Loyalität zu untersuchen und die nördlich des Flusses stationierten Einheiten gehören auch dazu.“ Der alte nickte bloß, da er dieser Aussage nichts hinzu zufügen hatte. Kraft betete zum Thron, dass Kirov dort keine Abweichung finden würde. Das wäre mehr als nur die schlechteste mögliche Situation-
    „Kraft, wenn sie nun die Güte hätten, ihre Männer und Jägers Einheit in Bewegung zu setzten, wäre ich ihnen sehr verbunden.“, Rossmann wollte wohl keine Zeit mehr verschwenden. „Sir, zu dieser Sache hätte ich noch einen Einwand, wenn sie erlauben. Ist es Sinnvoll, den Kommandanten der Späher mit zu nehmen? Ich meine, im Moment können wir ihn doch eigentlich im Frontbereich besser gebrauchen.“ Rossmann runzelte kurz mit der Stirn und schmunzelte dann: „Kraft, mittlerweile sollten sie Leutnant Jäger eigentlich besser kennen. Würde ich ohne ihn auf eine Spähmission gehen, würde er nach zehn Standartminuten eine Lücke in meinem Befehl finden, sich von seiner Einheit absetzen und wahrscheinlich noch vor mir am Zielpunkt sein. Und sie wissen hoffentlich noch, was dass damals auf Kamper 5 für eine Sauerei war.“ Kraft salutierte noch kurz und verließ dann im Laufschritt den Raum.


    Rossmann setzte sich seine blaugraue Schirmmütze auf, steckte sich seine Spezialpistole ins Halfter und band sich sein E – Schwert Mark 2 an den Gürtel. Er wollte gerade den Raum verlassen, als Kirov ihn noch einmal ansprach: „Verzeihen sie Herr Major, aber ich habe noch eine persönliche Frage. Als ihre Leibwächter sich heute ohne zu zögern zwischen sie und Krieger geworfen haben, fand ich das nicht weiter sonderbar, da sie etwas besonderes an sich zu haben scheinen und offenbar auf bedingungslosen Einsatz geschult sind. Aber als ihre Männer ihre Waffen kompromisslos auf einen Imperialen Kommissar UND zwei ganzer Trupps Kommissariats Gardisten richteten, war ich gelinde gesagt überrascht. Wie kam es dazu.“
    Rossmann schien kurz verunsichert, fasste sich aber schnell: „Nun, sie haben es doch heute selbst gesagt. Kein Rheinländisches Regiment beinhaltet aufgrund seiner Ausbildung einen Kommissar. Genau genommen wissen meine Männer nicht einmal, was ein Kommissar ist. Für sie sind sie, ihr Junior und Krieger nur Munitorums Offiziere in schwarzen Ledermänteln. Und meine Männer würden es nie dulden, dass solche Leute ihre Waffen auf mich richten. Sie sollten eins immer verstehen Kirov,“ Rossmann wurde sehr ernst „ Die Loyalität meiner Männer gilt zuerst dem Imperator, dann mir und dann erst irgend welchen Munitorums Offizieren.“ „Ich bin nicht ihr Feind Major, solange der Imperator noch an erster Stelle steht.“ „Das dachte ich mir“
    Die Beiden grinsten sich gegenseitig an und verließen den Raum.
    Der Feind rief.

  • Kapitel 3


    „Leutnant Rüter! Der Feind greift schon wieder an!“ „Dann Kämpft!“ „Aber er überrennt uns!“
    „Dann kämpft härter!“
    -Funkspruch zwischen Feldwebel Thorn und Leutnant rüter, der während der Kämpfe um die Heilandsbrücke aufgezeichnet wurde-


    Kraft dankte dem Goldenen Thron, dass der Weg vom HQ in der Kathedrale bis jetzt ereignislos verlaufen war. Zwar hörten sie etwa zehn Minuten nach Abmarsch wieder das einsetzende wummern der Artillerie, aber dies war nur wieder das Einläuten für einen neuen Angriff und sie ließen fähige Offiziere zurück, die dieser Aufgabe gewachsen waren, daher machte Kraft sich keine sorgen.
    Ihre kleine siebzig Mann starke Gruppe war in den letzten zwei Stunden gut voran gekommen und standen nun nur noch einen knappen Kilometer vor der Heilandsbrücke. Kraft hatte seinen Zug aus fächern lassen um unbeliebte Überraschungen in den angrenzenden Ruinen schnell zu erkennen. Er selbst ging mit dem Oberst, den drei Kommissaren und Leutnant Rüter, dem Kommandant des Zuges in der Mitte des Fächers vor. Die Zehn Späher gingen mit Jäger zusammen etwa dreihundert Meter vor der Hauptgruppe vor. De Vall hielt plötzlich rechts von Kraft an und langte nach seinem Funkgerät um es Rossmann zu reichen. Das war bestimmt Jäger.
    Tatsächlich gab der Alt den Befehl zum Halt und gab dann durch, dass der Weg bis zur Brücke frei sei. Die Einheit rückte nun zügig bis zum Vorplatz vor der Brücke auf und nahm dort provisorische Stellungen ein. Die Brücke war gewaltig, wobei die Betonung auf war lag, musste Kraft mit bedauern feststellen. Zweihundert fünfzig Meter breit, einen Kilometer lang und einen Fluss von vierzig Meter tiefe überspannend war die Heilandsbrücke ein Monster aus Stahlbeton. Sie war früher einmal von vier gewaltigen Wachtürmen flankiert, aber was die Imperialen Bomber von ihnen übrig gelassen haben, hat der Erzfeind aus Angst, es könnte den Imperialen von Nutzen sein, endgültig gesprengt. Die Fahrbahn der Brücke war mit unzähligen Fahrzeugwracks gefüllt. Überreste eines Zivilen Exodusses lagen neben ausgebrannten Truppentransportern und zerstörten Panzern. Kraft wusste noch genau, wie hart es war diese verdammte Brücke vor vier Monaten zu nehmen. Es hatte sie fast zwei Tage gedauert und viele gute Männer gekostet, da der Feind seinen gesamten Widerstand hier konzentriert hatte. Erst nach dem Einsatz einer ganzen Marauder Staffel konnten sie den Feind vom anderen Ufer vertreiben. Ab da war die Einnahme des südlichen Stadtteils ein Kinderspiel.
    „Kraft!“, die Stimme des Alten rief Kraft wie üblich unsanft aus seinen Überlegungen, „Ich will, dass sie mit Jäger und seinem Haufen zusammen die Brücke aufklären, sie gehen knapp hundert Meter voraus. Ich trau dem Frieden nicht so ganz. Die ganzen Wracks machen das Gelände extrem uneinsichtig. Die Gelegenheit eines gegnerischen Hinterhalts scheint einfach zu verlockend. Ach und noch etwas, ab sofort ist Funkstille. Antworten werden mit einem Komklick, Warnungen mit zweien Beantwortet.“ Kraft salutierte und lief sofort zu der kleinen Gruppe der Aufklärer. Die Scouts des ersten, insgesamt war eine gesonderte Kompanie, die 40., von dreihundert man vorhanden, waren ein robuster Haufen. Viele Soldaten denken immer, dass wenn man Scout oder Aufklärer sagt, dass es sich dann um verstohlene und dunkle Individuen handle, die immer mit den Schatten gehen. Das traf schon allein vom Aufgabenbereich der rheinländischen Späher nicht zu. Zwar konnten sie auch vergleichsweise heimlich vorgehen, wenn es darauf ankam, aber ihre vorrangige Aufgabe war es, „Aggressive Aufklärung“ zu betreiben, was in der Regel meinte, einen so genannten Trench Raid durch zu führen, also den gegnerischen Graben zu infiltrieren, Daten und Gefangene zu sammeln und dann so viel zu töten und zu zerstören wie nur irgend möglich.
    Die Kleidung der Aufklärer unterschied sich nicht stark von der normalen Uniform. Ihre Ledermäntel waren nur knie lang und, was das besondere war, mit Chameolin durchwirkt. Außerdem waren ihre Masken schwarz und totenkopfförmig, was erheblich die Angst des Gegners steigerte, wenn wieder ein Raid anstand.
    Jäger löste sich sofort aus der Gruppe als er den Oberleutnant sah. „Was gibt es, Herr Oberleutnant?“, knisterte seine Stimme verzehrt hinter seiner Maske hervor. „Machen sie ihre Jungs bereit Jäger, wier sollen umgehend auf Spähmission gehen.“ „Waffen durch laden?“ Kraft guckte einige Sekunden verdutzt hinter seiner Gasmaske, dann fing er sich wieder: „Natürlich Waffen durch laden oder wollen sie den Erzfeind umknüppeln?“ „Nein, Herr Oberleutnant, ich wollte nur noch einmal sicher gehen, da der Major beim letzten mal eine, wie er sagte, subtile Vorgehensweise gewünschte hätte.“ Kraft erinnerte sich mit einem kalten Schauer an den Frankenis Zwischenfall.
    Es dauerte nicht lange und Kraft, seine Adjutanten und Jäger mit seinen Jungs schlichen zwischen den Wracks hindurch, Richtung anderes Ufer. Nach etwa fünf Minuten hörte Kraft, dass sich hundert fünfzig Meter hinter ihnen der Rest der Einheit in Bewegung setzte. Sie schlichen weiter.
    Sie hatten etwa die Hälfte der Strecke zurückgelegt. Kraft konnte den Stress seiner Männer förmlich durch die schweren ABC Mäntel riechen. Jeder wusste, dass etwas nicht stimmte. Es war nur ein Gefühl, aber es war das Gefühl von Soldaten, die lang genug auf dem Schlachtfeld überlebt haben, um davon berichten zu können. Kraft schaute sich um. Sie hatten sich auf Länge der halben Brücke aufgefächert und schlichen gerade um einen zerschossenen Imperialen Konvoi. Die schweren Halbkettenfahrzeuge gehörten zu der Munitorums Einheit, die sie am Anfang transportiert hatte. Die Fahrzeuge waren total zerfetzt, Maschinenkanonen mutmaßte Kraft und überall lagen Leichen – Rheinländische Leichen, welche im eifer des Gefechts nicht geborgen werden konnten. Es war eine Schande, Kameraden nach viermonatiger Verwesung
    noch einmal wieder sehen zu müssen. Kraft kannte viele Gesichter und manches war aus seiner Kompanie. Müller, Köster, Feldwebel Ribert – ein Verdammt guter Soldat-, Hinzer, Klausen... „Was machen sie da Klausen?“, Kraft hatte es eben noch so aus dem Augenwinkel gesehen. Klausen war einer von Krafts Adjutanten und war ihm erst kurz vor der Offensive zugeteilt worden – ein verdammt junger Bursche. „Sir mit Verlaub, das hier ist Hemmler,...“, Klausen stand den Tränen nahe, dass hörte Kraft sogar durch den Luftfilter. Hemmler war Klausens bester Kamerad und bis jetzt wusste Klausen noch nicht einmal, was genau mit ihm passiert ist. Den halben Unterleib hatte es ihm weggesprent.
    Und dann beging Klausen einen genauso Fatalen Fehler, wie sein Kamerad, als er damals zu weit aus der Deckung ragte. „Verdammt Klausen nicht!!“. Krafts Warnung kam zu spät. Klausen hatte seinen Kameraden noch ein letztes mal gedrht, um ihm seinen Abschied ins Gesicht zu sagen, als die Sprengladung hoch ging, die mit einem Faden an Hemmlers Schulter befestigt war. Kraft schaffte noch einen Hechtsprung hinter das Wrack einer Chimäre und entging so dem tödlichen Schrapnellsturm. Klausen hatte nicht so viel Glück und wurde von fünfzig Kilo Hochexplosivsprengstoff in seine Atome zerlegt. Das einzige, was vom Gefreiten Klausen später wiedergefunden wurde, war sein Schatten, der sich durch die Hitze der Explosion in den fast unbeschädigten Ceramitbelag der Straße eingebrannt hatte.
    Trommeln schlugen.
    „Das ist überhaupt nicht gut“, keuchte Kraft in seine Maske, der durch den Schock der Explosion immer noch benommen war, „Das ist ganz und gar nicht gut.“
    „Spähtrupp zu mir, in der Mitte der Brücke formieren. Waffen bereithalten! Jeder der noch scheißen muss sollte es besser jetzt erledigen, gleich hat er keine zeit mehr dazu!“, Jägers Ansprache wurde mit Kernigem Gelächter beantwortet. Jäger hatte fast natürlich das Kommando übernommen, während Kraft sich langsam auf seine Position zu bewegte und seine Laserpistole durchlud, ein hervorragender Beweis für die gute Kommandostruktur der Rheinländer. „Schön sie noch lebend zu sehen Kraft, war ja ein mords Feuerwerk, das sie da vom Zaun gebrochen haben.“ „Hätte ich mir den Luxus erlaubt zu sterben, dann hätte ich ja die nun folgende Gelegenheit für eine zünftige Keilerei verpasst,“ Kraft wurde schnell ernst: „Wie viele sind es?“ Jäger gab ihm nur sein Fernglas und zeigte in Richtung Norden. Kraft schaute hindurch und schluckte. Wie ein lebender Eiterteppich bewegte sich eine Flut von Kultisten direkt auf sie zu. „Ihre Befehle Herr Oberleutnant?“, Jäger war plötzlich auch sehr ernst.
    „Leuchtsignal rot abfeuern, Zielen, schießen und Bajonette aufplanzen,“ während er diese Worte sprach, ging Kraft mit surrendem Kettenschwert auf den Gegner zu und begann ihm Obszönität entgegen zu spucken, die die allgemeine Stimmung wieder etwas anhoben. Irgend wer begann ein einsames Rheinländisches Schlachtlied zu singen.


    Die Kultisten hatten sich nun auf knapp neunzig Meter durch die Wracks heran genähert und die ersten Rheinländer begannen disziplinierte Feuerstöße ab zugeben. Wie Kraft sehen konnte, hatten sie noch Glück im Unglück. Der Feind hatte scheinbar nur wenige bis gar keine Gewehre und musste daher auf Nahkampfreichweite heran rücken. Hier konnte Kraft den Trumpf der Aufklärer ausspielen: Drei Mann mit Mark V Flammenwerfern. Jeder Trupp Aufklärer war damit ausgerüstet, um bei den Missionen größt möglichen schaden anzurichten. Nichts desto trotz wusste Kraft, dass sie aufgeschmissen waren, sollte Rossmann mit den Rheinländern und den zwanzig Kommissariatsgardisten nicht innerhalb der nächsten fünf Minuten zu ihnen vorgerückt sein. Die gegnerische Überzahl war einfach zu erdrückend, als dass Kraft sie alleine zurück schlagen könnte.
    Die Kultisten rückten immer weiter vor und obwohl viele auf ihrem Weg tot zusammenbrachen, da das Gegenfeuer stärker wurde, war es nicht genug um die Welle auf zu halten.
    Die ersten sabbernden Missgeburten hatten sich schließlich bis auf zwanzig Meter voran gekämpft und Kraft richtete seine Laserpistole auf sie. Der leichte Rückschlag der Waffe, der sich ausbreitende Geruch von Ozon und die dünnen roten Strahlen, die wieder und wieder die Feinde des Imperators vor seinen Augen brennend zu Boden fallen ließen verschafften Oberleutnant Kraft ein gewisses Maß an Zufriedenheit.
    Als Kraft anfing, zu begreifen, dass er den feind nicht mehr schnell genug erschießen konnte, als dass er auf ihn zustürzte, hob er seinen Schwertarm und ließ sein geliebtes Kettenschwert kräftig aufheulen.
    Das Signal wurde sofort verstanden und die Flamer brachen aus ihrer Deckung hervor und deckten den Feind mit weißen Zungen glühenden Todes ein. Zuerst schien es zu funktionieren. Dutzende mit Pusteln und Schorf überzogene Kultisten wurden in kürzester Zeit vor den Augen ihrer Kameraden zu Asche reduziert. Doch die Kultistenführer waren nicht dumm. Nachdem sie genügend ihrer Männer in den Tot liefen lassen, änderten sie ihre Taktik. Die Welle der Kultisten teilte sich und die wenigen Männer, die die Brücke in der Mitte hielten, sahen sich schnell von einem Flankenangriff bedroht.
    Kraft sah, dass die Zeit für eine neu Positionierung der Flamer nicht mehr reichen würde und gab seinem Funker Brinkmann daher das Signal für den Angriff. Brinkmann zückte ein Silbernes Jagdhorn, was an seinem Gürtel befestigt war und gab einen langen tiefen Ton, gefolgt von einem kurzen höheren ab, welche die Geräusche der Schlacht übertönten. Es war ein Überbleibsel aus der alten Vergangenheit Rheinlands und in Zeiten von Helmkoms und Voxlautsprechern eigentlich völlig überflüssig, aber es erfüllte seine Aufgabe. Die Maskierten Gestalten gingen augenblicklich von der Defensive in die Offensive und stürmten mit auf gepflanztem Bajonett dem Feind entgegen. Dieser war von der Plötzlichen Angriffslust seines tot geglaubten Feindes vollkommen überrascht, was zur Folge hatte, dass die ersten Reihen der Kultisten schlichtweg abgeschlachtet wurden.
    Kraft war von der Inbrunst seiner Männer begeistert und warf sich mit dem Kettenschwert vor ran ebenfalls in gerechtem Zorn ergeben in die Feindlichen Wellen. Kraft war bei weitem kein so guter Schwertkämpfer wie von Steinberg oder gar der Alte und er war auch kein blutrünstiger Berserker wie Koch. Kraft ging in den Nahkampf, wie ein Vorschlaghammer in eine Holztür. Man konnte die Wucht seines Aufschlags förmlich spüren, wenn sein im weitem Bogen geschwungenes Kettenschwert die Hälse seiner Feinde fand um sie in Sekundenbruchteilen zu durchtrennen und die Köpfe in hohen Bögen davon fliegen zu lassen. Wenn es nötig war, duckte Kraft sich vor feindlichen Hieben oder Parierte sie mit der Stumpfen Seite seines Schwertes, nur um kurz danach mit vernichtender Kraft den Angriff zu sühnen.
    Direkt an Krafts Rücken kämpfte sich Jäger durch die Massen. Jäger hatte ein schlichtes Stahlschwert, von einem Meter Länge. Man könnte vielleicht denken, dass eine solche Waffe in Zeiten von E-Fäusten und Kettenwaffen antiquiert sei, doch Jäger bewies das Gegenteil. Mit einer hinterhältigen Art, die aus reihenweise Paraden, Finten und Täuschungen bestand und einer enormen Agilität, schlitzte Jäger sich durch eine wahre Blutwolke.
    Doch es reichte nicht. Obwohl die Rheinländer jeden Zentimeter bis aufs Messer hielten und sich unter ihnen die Feinde schon zu einem glitschigen Hügel anhäuften, machte sich die Feindliche Übermacht nun doch bemerkbar. Kraft sah Maskierte Scouts fallen, weil sie von dutzenden Bajonetten durchbohrt wurden, während sie trotzig weiter Schossen. Auch einer von Krafts Adjutanten, Wenner sein Flamer, bekam einen Kopfschuss ab, der seine Hirnmasse auf Krafts Uniform verteilte. Auch Kraft hatte schon diverse leichte Verletzungen erhalten und sein Schwertarm wurde langsam müde.
    Ein Funkspruch und sehr schnelle Reaktion rettete ihnen das Leben. Es war nur ein einzelnes Wort , was durch Statik verzerrt durch ihre Helmkoms drang: „Ducken!“, doch jeder verstand sofort, was zu tun war. Wie ein Mann warfen sich die Rheinländer auf den Boden, egal mit wie vielen Feinden sie gerade rangen. Einen Sekundenbruchteil explodierte ihre Welt in Hitze und Tot



    Vier weitere Wellen präziser Vernichtung gingen noch über Krafts Kopf hinweg, bevor die Rheinländische Hauptstreitmacht zum Sturm nach setzte. Die Strahlenwand, die von den fünfzig Soldaten und den zwanzig Gardisten abgefeuert wurde, hatte einen verheerenden Effekt auf die Kultisten. Sie wurden verdampft, zerschnitten und pulverisiert, bevor sie überhaupt registrieren konnten, dass sie unter feuer genommen wurden. Der gesamte Abschnitt der Brücke schwamm förmlich in Blut und Eingeweiden. Doch dies war nicht die Zeit, dass Zerstörungswerk zu bewundern und Kraft rappelte sich auf. Der Feind war von der plötzlichen Härte vollkommen überrumpelt und begann zu fliehen. Kraft wusste, dass wenn sie es zulassen würden, dass auch nur ein Kultist entkommen würde, sie wahrscheinlich in noch größeren Schwierigkeiten stecken würden. Während Soldaten an ihm vorbei stürmten, um ihren Blutrausch zu befriedigen, rammte Kraft ein neues Magazin in seine Pistole und nahm ebenfalls die Verfolgung auf.
    Etwas weiter vor Kraft war das unverwechselbare Bellen einer ganz besonderen Boltpistole zu hören.
    Major Rossmann stand mit wehendem Mantel auf einem ausgebrannten Transporter. Mit seiner rechten Hand hielt er seine schwere Boltpistole Kaliber 25mm und spie Tot und Verderben unter die fliehenden Kultisten, in seiner linken Hand ruhte sein Energie Schwert, welches er unablässig schwang um seine Männer voran zu treiben. „Vorwärts, lasst keinen Entkommen! Diese Bastarde haben es nicht verdient, Gnade von euch zu erbitten!“, Rossmanns Stimme brauchte keinen Verstärker um über das Geräusch des Kampfes hinweg zu fliegen und seine Männer zu erreichen. Schon durch seine Bloße Präsenz angespornt, gab der erste Zug der zweiten Kompanie alles. Es dauerte nicht lange und die ersten Feinde waren eingeholt. Wer nicht von hinten erschossen wurde, bekam auf der Flucht ein Bajonett in den Rücken gerammt. Die die umdrehten um sich zu ergeben, erfuhren das selbe Schicksal, wie jene, die stolperten oder jene die einfach weiter liefen. Der Major hatte keine Gnade Befohlen und die wurde nun auch nicht gewährt.
    Lediglich der Kultistenführer, augenscheinlich ein ehemaliger Leutnant der PVS drehte sich mit seiner Leibgarde um und versuchte zu kämpfen. Kraft kannte Rossmann und wusste, dass er auf solche Gelegenheiten nur wartete. Es dauerte nicht lange und der Alte war zusammen mit seinen Adjutanten und den Rheinwächtern beim Kultistenführer. Der Kampf der folgte war so brutal wie Blutig. Zwei Männer des Kultistenführers, die eher wandelnde Muskelberge als Menschen waren, lösten sich aus dem Gefolge und stürzten sich auf den an der Spitze stürmenden Major. Die Rheinwächter ließen sie nicht näher als einen Meter. Wie ein Spiegelbild erschienen sie an den Seiten des Majors, setzten sich noch im Lauf vor ihn und rammten den Angreifern ihre schweren Schilde in die Körper um sie dann in einer fließenden Bewegung über sich hinweg zu werfen. Kraft beobachtete das Spektakel aus einiger Entfernung, während er weiterhin Laserstrahlen in die letzten überlebenden Feinde pumpte und war wieder einmal verblüfft von der Stärke und Geschwindigkeit mit der diese stillen Wächter vorgingen. Noch während die Bullen über ihnen in der Luft hingen, führten beide Wächter eine synchrone Bewegung durch, die darin endete, dass sie ihre Kettenschwerter in einem Hieb durch die Gegner trieben. Zeitgleich stürmten Rossmann und seine Adjutanten an den Wächtern vorbei, um den Kampf mit dem Rest des feindlichen Gefolges aufzunehmen. Kettenschwerter jaulten auf und fraßen durch Rüstung, Fleisch und Knochen.
    Rossmanns Adjutanten wussten genau was sie zu tun hatten. Sie stürzten sich mit wilder Entschlossenheit auf die Begleiter des Kultistenführers und machten ihrem Major somit den weg frei.
    Es folgte ein kurzer und sehr skurriler Augenblick, in dem sich Rossmann und der mutierte Anführer direkt gegenüberstanden, während um sie herum der blutigste Nahkampf des ganzen Gefechts tobte. Der alte halfterte seine Boltpistole, ohne den obszönen Gesten seines Gegenüber auch nur einen Blick zu schenken. Kraft konnte sogar aus der Entfernung erkennen, dass der Kultistenführer am Rande einer Panikattacke stand, seine fähigsten Männer wurden kompromisslos nieder gemacht, während der feindliche Anführer mittendrin seelenruhig seine Pistole halfterte.
    Der Mutant ergriff seine Chance. Während der Alte abgelenkt schien, erhob der Kultist seinen faulenden Streitkolben über seinen Kopf und setzte seinen aufgedunsenen Körper in Bewegung. Er hatte nicht viel Weg zu bewältigen, um seine Waffe nieder fahren zu lassen und war daher innerhalb von wenigen Augenblicken durch die kämpfenden Männer gestürmt und bei Rossmann.
    Doch der Alte war keines Wegs abgelenkt. Er hatte seine Pistole lediglich gehalftert, um beide Hände für sein Schwert frei zu haben. Die plumpe Standardenergiewaffe des Offizierskorps floss förmlich in Rossmanns Bewegung mit und setzte dem Leben des Kultistenführers ein schnelles und unrühmliches Ende. Wie ein Blitz fegte sie durch ihn durch, lange bevor er seinen Kolben zum Angriff bewegte und zerteilte ihn sauber in zwei Hälften.
    Die Brücke war genommen und der Feind bis zum letzten Mann ausgelöscht. Während sich der erste Zug der zweiten Kompanie unter Leutnant Rüter, dem fähigsten Unterführer von Kraft, am anderen Ufer ein grub, blickte Kraft noch einmal zum Schlachtfeld der letzten halben Stunde zurück. Sie waren noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen. Wäre der Major nur fünf Minuten später gekommen, würde es Kraft jetzt nicht mehr geben, doch auch so hatten sie Verluste. Zwei von Krafts Adjutanten hatten es nicht geschafft, fünf von Jägers Männern wurden niedergestochen und beim feindlichen Rückzug hatten sie nochmal sieben Männer durch feindliches Handwaffenfeuer verloren.
    Vierzehn Tote und knapp zwanzig Verletze Rheinländer scheinen nur ein geringer Preis für die Vernichtung einer fast zweihundert Mann starken Feindeinheit zu sein, doch es waren vierzehn Veteranen, die gefallen waren um sabbernde und unausgebildete Kultisten zu töten.
    Und wer weiß, was sie durch dieses Gefecht noch auf geweckt hatten


    „Ist es nicht Beweis genug, dass wir hier Kultistenverbände angetroffen haben? Warum wollen sie unbedingt noch zum Rathaus? Sind sie Wahnsinnig?“
    Rossmann stellte endgültig fest, dass Kommissar Krieger eine schreckliche Kombination darstellte. Dieser Mensch war nicht nur dumm, sondern auch noch von sich überzeugt. „Hören sie, der Vormarsch der Remourburger war sehr schnell und heftig. Es ist äußerst wahrscheinlich, dass Widerstandsnester übersehen wurden, welche sich bei ihrem ehemaligen Hauptquartier gesammelt haben,“ der Satz wurde zwischen Rossmanns Zähnen förmlich hindurch gepresst, weil er sämtliche Selbstbeherrschung benötigte, damit nicht nur Beleidigungen über die Familiären zusammenhänge Kriegers aus seinen Mund flossen.
    Eine kurze Handbewegung Kirovs brachte die schwarz gekleidete nervensäge endlich zum schweigen.
    „Wie planen sie ihren nächsten Schritt, Herr Major?“, das Major war betont, als wolle Kirov zeigen, wer hier der Militärische Führer ist. Rossmann wies De Vall an, welcher sofort eine Karte aus seinem Rucksack kramte und auf einer kleinen Mauer ausbreitete. Die Offiziere versammelten sich um sie.
    „Der erste Zug und, wenn sie die Erlaubnis erteilen Lordkommissar, auch ihre Leibgarde, werden hier an der Brücke bleiben und sich eingraben. Zum einen können wir es uns nicht leisten, diese wichtige Position zu verlieren und zum anderen wird der Feind, wenn unsere Befürchtungen sich bestätigen sollten, nun mehr auf der Hut sein, was das Vorstoßen mit so einer großen Einheit fast unmöglich macht. Kraft und sein Stab, Jägers Leute, die Herren Kommissare und ich mit meinem Stab werden weiter zum Rathaus vorstoßen um uns endgültige Gewissheit zu verschaffen. Irgendwelche Einwände?“, es gab keine, Rossmanns Plan war überzeugend.
    Während der Erste Zug sich zusammen mit den Gardisten ein grub und einen Brückenkopf befestigte, machte sich der Rest der Truppe zum Abmarsch bereit.
    Doch bevor Rossmann loslegen ließ, ging er noch einmal mit Kraft zusammen zu Leutnant Rüter, den Befehlshaber des ersten Zuges.
    „Hören sie Rüter,“ Rossmann ließ sämtliches, hochtrabendes Getue Fallen und wurde sehr Ernst: „Sie und ihre Männer müssen diese Stellung unter allen Umständen halten. Wenn ich Recht haben sollte und beim Heiligen Thron, dass will ich nicht hoffen, sitzen wir alle in der Falle, wenn diese Brücke fällt. Schicken sie einen Boten los, der mit Hauptmann von Steinberg Kontakt aufnimmt. Sagen sie ihm er soll ihnen zwei Züge zur Verstärkung schicken und alles Abmarschbereit machen, was er nicht dringend zur Verteidigung benötigt. Wenns schlecht läuft, müssen wir hier schneller Weg, als uns lieb ist.“
    „Beim Imperator, Herr Major, ich schwöre, dass ich diese Brücke halten werte, solange ich noch Atme!“
    „Dann hören sie ja nicht auf zu Atmen Leutnant!“

  • Kapitel 4


    „Hoffe auf das Beste, aber bereite dich auf das Schlimmste vor.“
    -Auszug – Taktisches Handbuch der Imperialen Armee-


    Im Zwielicht der Dämmerung setzte sich der kleine, aus Spähern, Offizieren und Kommissaren bestehende Stoßtrupp in Marsch. Zurück ließen sie einen zerbrechlichen Brückenkopf, welcher in den nächsten Stunden die Verantwortung für das ganze Bataillon tragen musste.
    Trotz seiner isolierten Plattenrüstung und dem ABC Mantel merkte Rossmann doch immer wieder wie kalt und nass die Nächte in diesem verdammten Sumpfloch wurden. Schon jetzt, in der Dämmerung zupfte die Kälte in ihren ersten Ansätzen an ihm. Die wärme des Tages begann zu weichen und ihren Platz nahm der Nebel ein.
    Sie kamen gut voran und nutzen die letzten Strahlen der Sonne nach Möglichkeit aus. Doch Rossmann spürte neben der Kälte auch die wachsende Spannung seiner Männer. Jeder rechnete damit, das hinter der nächsten Ecke eine blutrünstige Kultistenhorde auf sie wartete und das Lichtspiel des Zwielichts war alles andere als Hilfreich.
    Nach einer Stunde gedeckten Vorrückens hatten sie den Halben Weg zum Rathaus zurückgelegt und waren auf keine weiteren Spuren des Kampfes oder des Erzfeindes gestoßen, was Hoffnung in Rossmann aufkeimen ließ. Vielleicht war es wirklich nur ein Ausfall der Kommunikation, der Hinterhalt an der Brücke nur eine Zusammenrottung von versprengten Überlebenden. Es wäre zu schön gewesen.
    Sie waren im Viertel der Ekklesiarchie angekommen und Rossmann ließ abrupt anhalten. „Was ist los Herr Major? Warum halten wir?“, Kirovs Stimme war u ein Flüstern an Rossmanns rechter Schulter. „Etwas stimmt hier nicht“, auch Rossmanns Antwort war nur ein Hauchen. Beim Anblick der hohen, teils schwer zerschossenen Kirchtürmen heulten bei Rossmann mehr als ein Jahrzehnt militärischer Felderfahrung auf. Hinter einer zerstörten Mauer geduckt ließ er seinen Blick über die hohen Türme schweifen. Er kannte diese Situation. Er hatte schon zu viele Makropolen gestürmt um sie nicht zu kennen. Irgendwo musste...
    Es war ein kurzer, fast nicht sichtbarer Blitz aus einem der nächsten Türme. Kein Donner folgte. Rossmann wurde von einer plötzlichen Kraft zur Seite gerissen und auf dem Boden geworfen.
    Das rettete ihm das Leben.
    Kirovs Junior hatte Rossmann aus der Schussbahn gerissen, nur einen Augenblick, bevor die Kugel wie eine Hornisse durch den Bereich zischte, an dem sich vorher noch der Kopf des Majors befunden hatte.
    Kraft rief sofort „Deckung“ und Jägers Leute nahmen das Loch in der Mitte des Turms unter Feuer, aus dem der Attentäter geschossen hatte, während Jäger selbst sich dem Turm in Schatten gehüllt näherte.
    Rossmann war noch wie benommen, als der Junior von ihm runter stieg und ihm die Hand zu aufstehen reichte. Rossmann nahm sie an. Der stille Schatten von Kirov hatte ihm soeben das Leben gerettet. Wie hieß er noch? Rossmann versuchte sich zu erinnern. Northfield? Nein, Nietfeld das wars. Der schweigsame Junior war ihm bisher noch gar nicht aufgefallen, es war ds erste Mal, dass er ihn genauer betrachtete. Rossmann schätzte ihn auf ungefähr 20 Jahre. Ein brauner Haarschopf, der sich verstohlen unter seiner Mütze zeigte, rundete ein schmales, sehniges Gesicht ab, dem man durchaus Sympathie entgegenbringen könnte, wenn da nicht die Uniform wäre.
    „Ich danke ihnen, Herr Junior. Sie haben einen gut bei mir.“
    Nietfeld schaute etwas verlegen drein und nickte höflich. Das amüsierte Rossmann etwas, aber er machte sich keine weiteren Gedanken darüber. Es war einfach der falsche Zeitpunkt, über so etwas nachzudenken, wenn der Feind einen im Visier hatte.
    Nachdem Jägers Jungs das Deckungsfeuer eingestellt hatten und Jäger im Schatten verschwunden war, lag pure Anspannung auf dem kleinen Stoßtrupp, der sich so gut es ging hinter Mauern kauerte. Zehn Minuten verharrten sie in dieser Position und gaben keinen Laut von sich.
    Es war ein leises Knirschen vor ihrer Position, dass sie alle hoch schrecken ließ. Die Waffen im Anschlag zielten alle schussbereit in die Dunkelheit, bis ein Komklick die Entwarnung gab. Jäger hatte es geschafft. Zäh wie Klebstoff löste sich die Gestalt aus den Schatten. Jäger schlenderte lässig zu ihnen rüber und hielt dabei den Kopf des Scharfschützen am Haarschopf in seiner Hand. Er Pfiff leise für sich eine alte Siegeshymne.


    Die Dunkelheit hatte sie umhüllt und zu Schatten gemacht und der Nebel verschluckte ihre Geräusche.
    Der Angriff des Heckenschützen hatte die kleine Gruppe unter Major Rossmann wachgerüttelt. Vorsicht war von nun an geboten, weshalb man sich dazu entschieden hatte, erst bei Nacht weiter zu marschieren. Obwohl die Spezialität des ersten definitiv nicht in der Heimlichtuerei lag und eigentlich nicht einmal die Ausrüstung auf Stille ausgelegt war, machte sich das Einsatzkommando recht gut, vor allem unter den Witterungs- und Lichtumständen.
    Kraft prüfte noch einmal seinen Auspex. Sie standen mittlerweile nur noch knapp fünfhundert Meter vor dem Domplatz, einer großen Freien Fläche, vor der Hauptkirche der Stadt.
    Kraft erinnerte sich noch dunkel an den St. Celestine Dom. Ein gewaltiger Bau, über dreihundert Meter hoch. Zwar überwältigte Kraft so etwas nicht, immerhin war er in der Mittelschicht einer gewaltigen Makropole aufgewachsen und kannte noch weit gewaltigere Bauwerke, doch nichts desto trotz war diese Kirche Eindrucksvoll. Auch hier musste Kraft sich wieder schmerzhaft an das war erinnern. Das Imperiale Bombardement und die Luftangriffe hatten peinlichst, geradezu minutiös darauf geachtet, dass keine Imperiale Granate eine der ältesten Imperialen Kirchen dieses Planetens beschädigen würde, nur um heraus zu findet, dass der Erzfeind sie bei seinem Rückzug mitsamt des Munitionsdepot, welches er sicher und trocken in der Kirche untergebracht hat, gesprengt hatte. Von da an war das Gebäude nur noch eine schwelende Ruine.
    Der Auspex zeigte nichts an und Kraft wusste nicht, ob er nun beruhigt oder verunsichert sein sollte. Seit dem letzten Zwischenfall waren sie auf kein weiteres Lebenszeichen, weder Freund noch Feind gestoßen und in wenigen Minuten würden sie gezwungener Maßen einen der gröten offenen Plätze der Gesamten Stadt überqueren müssen, wenn sie zum Rathaus wollten.
    „Irgendwelche Ausschläge Kraft?“, die Stimme des Majors ließ auch ein wenig Nervosität erkennen wenn Kraft sich nicht verhört hatte. „Nein Sir, nicht ein einziges“ „Verdammt, dass gefällt mir nicht. Egal ob die Imperialen Einheiten überrannt worden sind oder nicht, wir hätten doch Mittlerweile auf irgendwelche weiteren Lebenszeichen stoßen müssen.“
    „Wieso verunsichert sie dieser Platz so Herr Major? Was erwarten sie dort zu finden und vor allem, warum umgehen wir ihn nicht?“, Kirovs Stimme hatte einmal mehr einen Ton, in dem sämtliche Zeichen von Bewertung fehlten, es war einfach nur eine offene Frage, was Kraft an diesem Mann auch schätzte. „Das ist leider nicht so einfach, wie es aussieht Herr Lordkommissar. Zum einen, müssen wir über diesen Platz, weil von dort aus der einzige Weg zum Rathaus führt, von dem ich weiß. Und das, was mich beunruhigt, ist die Tatsache, dass ich nicht weiß, was ich da finden werde. Als ich diesen Platz zum letzten Mal besucht habe, war dort ein großes Lager der Remourburger. Wenn alles gut läuft, werden wir schon dort wissen, was los ist. Wenn es schlecht läuft, stehen wir dort auf offenem Felde dem Tod gegenüber.“
    „Dann würde ich vorschlagen, dass wir keine Zeit mehr mit tratschen verlieren und uns endlich Gewissheit verschaffen“, Kraft sah Rossmann das Unbehagen richtig an, als er Krieger zustimmte. „Uns wird wohl nichts anderes übrig bleibe.


    Als Leutnant Rüter die Mission vom Major angenommen hatte, hätte er nicht gedacht, dass es so hart werden würde.
    Sie waren gerade einmal vier Stunden hier und mussten schon fünf harte Angriffe abwehren, welche ihnen schon jeder für sich zahlenmäßig überlegen waren. Als der Major abgezogen war, hatte Kraft zusammen mit den zwanzig Gardisten und den paar schweren Waffenteams die er hatte, gerade einmal fünfundsiebzig Mann. Mittlerweile war diese Truppe auf dreiundfünfzig gesunken.
    Es war einfach brutal. Besonders der erste Angriff hatte sie schwer getroffen. Sie hatten sich noch nicht verschanzen können und wurden mehr oder weniger überrascht, weil der Gegner es geschafft hatte die vorgeschobenen Posten zu meucheln. Es war als würden einhundertfünfzig eitrige Halbnackte wie aus dem Nichts auftauchen. Sie hatten diesen Angriff nur aus zwei Gründen überlebt. Zum einen war Rüter so geistesgegenwärtig gewesen, zuerst die Stellungen für die schweren Bolter ausheben zu lassen und zum anderen hatten die Gardisten ihnen den Arsch gerettet.
    Rüter schritt den Graben ab und schaute in eine leer wirkende Gasmaske nach der anderen. Er wusste, dass unter jeder einzelnen ein absolut erschöpftes Gesicht war. Nur durch das noch im Körper befindliche Adrenalin waren seine Männer überhaupt noch bei Bewusstsein und damit noch am Leben. Trotzdem fragte Rüter sich, wie lange sie es noch schaffen würden. Er wusste nicht, woher der Gegner in diesem Bereich so viele Reserven mobilisieren konnte, aber bei jedem Angriff schienen es mehr Feinde zu werden, während seine eigene Einheit rapide schrumpfte. Beim Imperator, wenn nicht bald die Verstärkung vom Hauptmann kommt, können wir uns selbst einsargen. Dieser Gedanke schoss ihm nunmehr immer häufiger durch den Kopf. Das Kom war vollkommen ausgefallen, daher konnte er nicht einmal erfahren, ob der Bote es geschafft hatte.
    Der schrille Pfiff einer Trillerpfeife riss Rüter jäh aus seinen Gedanken. Um ihn herum rammten müde Arme frische Magazine in ihre Waffen und zitterige Hände arbeiteten an den Entsicherungshebeln ihrer Waffen.
    Ein neuer Angriff.
    Als Rüters ermüdetes Gehirn diesen Gedanken endlich verstanden hatte, hatten seine immer schwerer werdenden Arme schon längst die Boltpistole einsatzbereit gemacht und das Kettenschwert gezogen und zu surrendem Leben erweckt.
    Wahrscheinlich wäre Rüter über diese eiskalte Automatisierung erschreckt gewesen, wäre er nicht zu Müde gewesen, sie zu bemerken.



    Die letzten Meter lagen vor ihnen und nur noch eine zerfallene Habitatsruine versperrte die Sicht auf den Platz. Jäger war der erste der die letzte Mauer erreichte. In jahrelang eingeübter Routine schmiss er sich mit dem Rücken an die Wand neben einem Loch zum Platz. Einer seiner Späher deckte die andere Seite des Loches. Rossmann war dieses herum geschleiche jedoch satt. Mit entschlossenen Schritten und gezogenem Schwert ging er direkt auf den Eingang zu. Entweder wartete hinter dieser Mauer die Rettung oder der Untergang, so oder so, er würde sich nicht mehr länger davor verstecken.
    Kurz bevor der Major den ersten Schritt aus dem Loch tat, schmiegten sich Jäger und sein Späher um die Ecke auf den Platz, um mit ihren Lasergewehren Deckung zu geben.
    Es dauerte nur wenige Augenblicke und alle drei ließen ob des Anblicks, den der Platz bot, die Waffen aus den Händen gleiten. Kraft hätte nicht geglaubt was er da gesehen hatte, wenn er den Platz nicht wenig später mit eigenen Augen gesehen hätte. Oberst Rossmann stand da wie versteinert, Jäger, der kaltblütigste Mörder des Regiments, viel auf die Knie und wimmerte leise in seine Gasmaske und der andere Späher wurde ganz ohnmächtig.
    Der gut einen Quadratkilometer große Platz in mitten des geheiligten Bezirkes der Stadt glich einer Schlachterei und Kraft war im nach hinein davon überzeugt, dass diese Beschreibung der Sache nicht einmal im Ansatz gerecht wurde.
    Das ehemalige Reservelager der Remourburger und der Stahllegionäre war übersät mit zig tausenden von Leichen – alle auf den ersten Blick Imperial. Zwischen nieder gebrannten Zelten und zerstörten Geschützen hatte der Feind sie aufgebahrt. An manchen Stellen waren sie zu Haufen aufgeschichtet worden, an anderen Stellen hatte man sie gekreuzigt oder gepfählt. Der Rauch von brennenden Leichenhaufen und qualmender Wracks lag in der Luft und zusammen mit dem fürchterlichen Geruch nach Blut und Fäkalien wurde sogar das Atmen mit den Gasmasken schwer. Das Blut stand auf dem ganzen, verdammten Platz knöcheltief und man konnte nirgendwo hinsehen ohne auf verstümmelte und misshandelte imperiale Leichen zu schauen, sogar die Turmwände der Kathedrale waren bis in eine Höhe von 20 Metern mit Leichen förmlich gepflastert und Kraft wollte einfach nicht wissen, wie sie dahin kamen.
    Das gesamte Einsatzkommando war wie paralysiert und es war Kirov der diesen Zustand beendete. Er schien der einzige zu sein, abgesehen von den Rheinwächtern, die sowieso keine Regung zeigten, der nicht von diesem Anblick verstört zu sein schien. Auf eine fast väterliche Weise ging er langsam von Soldat zu Soldat, faste den Männern an die Schultern und sprach ihnen kurz und ermunternd zu. Auch zu Kraft ging er und redete kurz mit ihm, aber Kraft konnte sich später einfach nicht mehr daran erinnern, was er zu ihm gesagt hatte.
    Auch Rossmann fing sich wieder. Sie hatten nun für mehr als fünf Minuten da gestanden wie auf dem Präsentierteller und er sorgte dafür, dass zu ändern. Die Truppe schlich langsam über den Platz, immer nach Gegner Ausschau haltend, obwohl es komischerweise keine zu geben schien. Der Platz war Tot – buchstäblich. Die Männer versuchten nach Möglichkeit bei ihrem Vorankommen nicht auf Leichen zu treten, auch wenn das ein ziemlich aussichtslosen Unterfangen war.
    Kraft tat sein bestes auf den Boden zu gucken, da die Anordnung mancher Leichenhaufen ihm derbe Kopfschmerzen bereitete. Auf dem Boden gab es neben dem Blutsee zwar auch genug schrecken, aber der war wenigstens auszuhalten. Ab und zu, wenn er um einen ausgebrannten Panzer schlich oder um eine Zeltruine, schaute er mal hoch, um den Horizont nach Gegnern ab zu suchen. Nichts. Wo waren diese Bastarde nur hin? Eine Streitmacht dieser Größe wurde nicht einfach so niedergemetzelt, was auch einige Kampfspuren bewiesen. An diesem Moment kam Kraft der Gedanke. Dieses Schlachtfeld hier war doch eigentlich Beweis genug, dass die nördliche Linie vollkommen überrannt worden war. Wohin gingen sie den nun? Sie müssten sich doch schon längst auf den Rückweg machen, um den Rest des Bataillons zu warnen. Er würde den Major fragen. Kraft schaute sich um. Um ihn herum waren alle Mitglieder des Einsatzkommandos, alle außer Rossmann. „Hey, Jäger! Haben sie den Major gesehen?“ Jäger schaute sich um und war dann wie perplex. „Verdammt!“. Der schock saß ihnen so tief in den Knochen, dass sie einfach vorgerückt sind und gar nicht bemerkt hatten, dass der Major nicht mehr bei ihnen war. Alle hielten sofort inne und begannen sich umzusehen. Ein Major inklusive zweier Leibwächter löste sich nicht einfach in Luft auf.
    „Da hinten ist er!“, es war einer der Späher, der knapp fünfzig Meter hinter Kraft war. Das Einsatzkommando setzte sich sofort in Bewegung.
    Rossmann und die Rheinwächter waren einhundertfünfzig Meter hinter ihrer alten Position zurückgeblieben, ohne etwas zu sagen und ohne dass es jemand bemerkt hatte. Der Alte saß auf einem durchlöcherten und umgekippten Eisenbottich und starrte auf einem gepfählten Offizier der Stahllegion der vor ihm war.
    „Alles in Ordnung Herr Major?“, Kraft war besorgt, das war nicht normal für den Alten.
    „Wissen sie wer das ist?“, er zeigte mit einer Geste auf den Stahllegions Offizier. Kraft betrachtete ihn von Oben bis unten, aber obwohl man dem armen Mann die Maske weggerissen hatte um sein schmerzverzerrtes Gesicht zu präsentieren, viel Kraft nicht ein wer es war und er schüttelte den Kopf. „Das ist Hauptmann Gindolf von der Aufklärungskompanie der Stahllegion. Er war bei der ersten Einsatzbesprechung dabei.“ „Sir?“, Kraft wusste nicht worauf Rossmann hinaus wollte und wenn er ehrlich zu sich war, wollte er einfach nur noch runter von diesem Platz.
    „Das hatte er noch in seinen verkrampften Händen“, Rossmann hielt ein kleines, verschlissenes, schwarzes Lederbuch hoch, auf dessen, mit Blut verkrusteten Einband Kraft in matt goldener Schrift „Logbuch“ lesen konnte.
    „Wir müssen schnellstens zum Rathaus“, mehr sagte Rossmann nicht und setzte sich in Bewegung. Die Rheinwächter folgten ihm sofort.


    Feldbuch von Hauptmann Isaac Gindolf 343.Stahllegion/Spähkompanie


    Tag 121 des Angriffs auf Indrid


    Nach einigen Bemühungen haben wir es endlich geschafft, eine, für unsere Chimären sichere, Route durch die Sümpfe zu finden. Meine Einheit hat jetz im Rücken des Feindes Stellung bezogen. Der feind scheint es nicht bemerkt zu haben.


    Tag 123 des Angriffs auf Indrid


    Der neue Außenposten hat sich als äußerst wertvoll erwiesen. Durch unsere Informationen über die Feindlichen Nachschublinien konnte die leichte Feldartillerie der Remourburger ganze Arbeit leisten. Habe gehört, dass der Funkkontakt zum Hauptquartier gestern abgerissen ist. Verdammte Statik!


    Tag 124 des Angriffs auf Indrid


    Corporal Sydney ist heute gestorben. Dieser verdammte Idiot ist bei der Rückkehr vom Spähposten vom Weg abgekommen und im Moor ertrunken. Keller fand seine Leiche einige stunden später-die Hand schaute noch aus dem Wasser.


    Tag 130 des Angriffs auf Indrid


    Die letzten Tage hat der Feind nicht viel Nachschub durchgebracht und wir hatten daher nicht viel zu tun. Gestern kamen jedoch drei große, schwarze und schwer gepanzerte Fahrzeuge über die Hochstraße. Ich habs zwar durchgegeben, aber da sie unbewaffnet waren und zu schwer gepanzert waren wurden sie nicht beschossen.


    Tag 136


    Heute ist der Funkkontakt zu unserer Einheit abgebrochen. Ob sich die Interferenzen wohl ausgebreitet haben? Ich hab eine Chimäre mit einem Meldegänger durch geschickt um beim Oberst nachzufragen .


    Tag 138


    Irgendwas geht da vor. Der Meldegänger ist nicht zurückgekommen und auch der Versorgungstrupp ist seit einem Tag überfällig. Vielleicht liegt das an den zunehmenden Kämpfen. Es ist immer möglich, dass sie durch starken Beschuss aufgehalten werden.


    Tag 139


    Keller kam heute zu mir, Kreidebleich. Er sei vom Spähposten 15, unserem am weitesten vorgeschobenen. Er konnte kaum im ganzen Satz sprechen. Er sagte, dass eine gewaltige Streitmacht auf dem Weg hier her ist. Die Zahlen die er genannt hatte, halte ich jedoch für Unsinn. Er scheint zu lange in der Sonne gesessen zu haben. Werde mich umgehend davon überzeugen.


    Tag 140


    Keller hatte Recht. Muss den Oberst warnen. MILLIONEN!!


    Tag 141


    Sind jetzt mit der gesamten Einheit kurz vor Goldtorstadt. Die Chimären kommen nur langsam durch den Sumpf. Kann immer noch nicht glauben, was ich gestern gesehen hab. Der Feind kann unmöglich so Viele Männer haben.
    Habe seit heute morgen starke Kopfschmerzen. Muss am Stress liegen.


    Tag 142


    Goldtorstadt erreicht. Immer noch kein Funkkontakt. Keller hat Selbstmord beganngen. Was ist nur los? Hab Schmerzmittel gegen die Kopfschmerzen genommen. Haben nicht geholfen. Wird immer wieder schwarz vor Augen. Iele Männer klagen über Nasenbluten.


    Tag 143


    Das ist mein letzter Eintrag. Haben den Platz erreicht. Nur Tote.
    Irgendwas ist mit den Männern passiert. Sie gingen auf einander los, haben sich erschossen und abgeschlachtet. Ganz plötzlich. Hab mich in meiner Chimäre eingeschlossen. Sie Hämmern an der Tür. Sie werden bald durchkommen. Melannie, ich werde dich vermissen, pass auf die Kinder auf. Imperator vergib mir meine Schuld. Imperator vergib mir me-



    Die Verluste waren brutal und Leutnant Rüter wusste nicht, ob sie hier lebend durchkommen würden. Es erschien unmöglich, dass der Feind es geschafft hatte, so viele Truppen im Hinterland der Front zu verstecken, aber Sturmangriff auf Sturmangriff hämmerte gegen den Brückenkopf. Er hatte schon lange aufgehört, die Gegner zu zählen die er mit Boltpistole und Kettenschwert niedergemacht hatte und das selbe zählte auch für seine Wunden.
    Die Situation wurde von Angriff auf Angriff immer kritischer. Von den fünfzig Mann seines Zuges lebten noch neunzehn, von denen keiner unverletzt war. Ohne die Gardisten hätten sie es nicht einmal ansatzweise bis zu diesem Punkt geschafft, aber auch diese tapferen Männer waren mittlerweile auf einen kleinen geschundenen Haufen reduziert worden. Die Munition wurde langsam knapp, die zwei verbliebenen Sanitäter waren überlastet und alle waren sie vollkommen erschöpft.
    Auf dem Vorplatz vor den Gräben stapelten sich die Leichen und Rüter hatte untersagt sie zu verbrennen, da sie für so etwas nicht mehr genügend Promethium hatten. Beim goldenen Thron, hoffentlich hielten die Filter der Gasmasken.
    Die Nacht lag schwer über der Stadt, als Rüter mit seinen zwei verbleibenden Stabsfeldwebeln die Gräben abging. Erschöpfte Gestalten in grauen Mänteln kauerten in ihren Schützenlöchern um zwischen den Angriffen zumindest etwas Schlaf zu finden. Schon bald würden die Pfeifen sie wieder aus dem unruhigen Schlaf reißen, das wusste der Leutnant, da der letzte Angriff schon mehr als zwei Stunden zurücklag. Wenn der Feind in dem bisherigen Tempo weitermachen würde, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie überrannt und niedergemacht werden.
    Eine einsame rote Feuerblume schlängelte sich in den, vor den Gräben liegenden Ruinen durch die Nebelschwaden, um am Höhepunkt ihrer bahn langsam wieder gen Erde zu sinken. Der nächste Angriff setzte ein. Metallische Pfeifen wurden geblasen und geschundene Gestalten bemannten ein weiteres Mal die Gräben. Aktivität füllte das Gelände, als die Letzten Verteidiger sich bereit machten, ein weiteres Mal den feindlichen Ansturm zurück zu schlagen. Während abgeschossene Leuchtkugeln der Nacht ein unwirtliches Licht gaben, lud Rüter ein frisches Magazin in seine Boltpistole, sein Vorletztes. Er war Müde von dieser Scheiße.


    Die ersten Gestalten rannten aus dem Schatten in das tote Licht der Leuchtkugeln und sofort fielen die ersten Schüsse. Eine Taktik, wie sie bei der Verteidigung der alten Linie angewendet wurde, war hier nicht ein zu setzen. Sie hatten nicht die schweren Waffen, um den Gegner so nahe an die Gräben heran zu lassen. Hier, auf dem begrenzten Gelände zählte jeder Meter. Der Feind würde den ganzen Weg unter freiem Feuer stehen, für disziplinierte Salven fehlten Rüter die Feldwebel, sowie die Männer.
    Rüter betrachtete, wie die ersten Garben der Maschinenkanonen durch die feindlichen Reihen fegten und vereinzelte Granaten aus Handwerfern Splitterwolken zwischen den anstürmenden Ketzern verteilten und er stutzte. Etwas stimmte nicht. Dies waren nicht die sabbernden Kultisten, welche die letzten Sturmangriffe durchgeführt hatten. Mit eisernen Kürassen geschützt und mit Lasergewehren bewaffnet, standen sie hier einer neuen Klasse des Feindes gegenüber. Schon an der Art, wie sich die Kerle bewegten, konnte der Leutnant erkennen, dass sie noch tiefer in der Scheiße saßen, als angenommen. Wo die Kultisten dicht gedrängt und Kopflos ins Feuer liefen, nutzten diese Soldaten jedes bisschen Deckung aus, dass sich ihnen bot. Rüter begann seine Männe anzutreiben. Wenn sie hier lebend raus kommen wollten, mussten sie sich mehr ins Zeug legen. Feuerraten wurden erhöht und die Rohre der Maschinenkanonen begannen fast zu glühen. Der Abschaum war mittlerweile so nah herangekommen, das Rüter ihre Gesichter erkennen konnte, bzw. was ihre Gesichter verdeckte. Bronzene Masken, die dämonische Fratzen schnitten um ihre Gegner zu verhöhnen. Rüter hob seine Boltpistole und lehrte seine letzten Magazine.
    Durch kombinierte Anstrengung seiner Männer, der Gardisten und vor allem der schweren Waffen schien es so, als könnten sie den Ansturm ins Wanken bringen. Obwohl die gegnerischen Reihen noch in die hunderte gingen, begannen die Verluste die stürmenden zu verunsichern. Die Feldwebel spornten ihre Männer noch weiter an, um diesen Moment der Schwäche aus zu nutzen, doch die Euphorie währte nur kurz. Grelle Blitze durchzuckten die Nacht und die Barrikaden, in denen sich die Waffenteams der Kanonen verschanzten lösten sich in orange-roten Explosionen auf. Zwei Radpanzer, über und über mit häretischen Symbolen überzogen brachen aus den Ruinen hervor und begannen die Imperialen Linien erbarmungslos mit dem Feuer ihrer Geschütze und ihrer schweren Maschinengewehren zu überziehen.
    Ohne die Unterstützung der schweren Waffen, war die Position in den Gräben Hoffnungslos, zumal sie nun keine Möglichkeiten mehr hatten, den Radpanzern zu bekämpfen. Rüter sah den letzten Strohhalm förmlich vor sich. Die Linie war nicht mehr zu halten, da sie in den nächsten Minuten überrannt werden würden und an Rückzug war auch nicht zu denken, dafür waren die Radpanzer zu schnell. „Bajonette auf pflanzen! Fertig machen zum Sturmangriff! Zeigen wir diesem Abschaum, was es bedeutet als Rheinländer zu sterben.“ Ein letzter Sturmangriff hatte zumindest etwas heroisches an sich und mit ein bisschen Glück konnten sie es sogar der Verstärkung durch ihr Opfer etwas leichter machen.


    Lange stählerne Schwertbajonette wurden auf die Läufe der Mk V Lasergewehre gesteckt. Ein letztes Mal wurden neue Magazine in die Waffen gerammt. Es erfüllte Rüter mit Stolz, dass er mit Männern dienen durfte, die dem sicheren Tod so professionell gegenüber standen, dass sie keinen Moment zögerten.
    Rüter entnahm Jansen, seinem gefallenen Adjutanten noch die Laserpistole und dann zog er sein Schlachthorn. Ab dem Rang des Leutnants hatte jeder rheinländische Offizier ein solches Horn. Es war ein Statussymbol und erfüllte jeden der es tragen durfte mit Stolz. Ein letztes Mal atmete der junge Leutnant noch tief durch seine Gasmaske und zog sie sich dann vom Gesicht. Der Ruf des Horns hämmerte über den Schlachtenlärm hinweg, dicht gefolgt vom, durch die Gasmasken gedämpften Kriegsruf der Rheinländer.
    Der Graben setzte sich in Bewegung. In vollem Lauf aus der Hüfte schießend stürmten die letzten Verteidiger des Brückenkopfes auf ihre verhassten Feinde zu, die Gewehre vor sich wie Speere.
    Wo sich die Kultisten auf der Brücke durch den plötzlichen Gegenangriff vollkommen überraschen ließen, reagierten diese Feinde bei weitem professioneller. Keiner weichte zurück und angetrieben von ihren mit Beulen überzogenen Unteroffizieren erwiderten sie das Feuer.
    Obwohl der Weg zwischen den beiden Linien kurz war, war das Feuergefecht blutig und verlustreich. Rheinländer und Gardisten vielen genauso wie Kultisten, so brutal es jedoch auch gewesen sein mag, es war kein Vergleich zu dem Gemetzel welches der folgende Nahkampf darstellte. Angetrieben durch den Mut der Hoffnungslosen sprengten sich die Rheinländer förmlich durch die Linie. Jeder Mann kämpfte in diesem Gefecht wie ein Löwe. Gliedmaßen wurden abgehakt, wo Grabenäxte Körper trafen. Kampfmesser schlitzten Bäuche auf und Sterbende versuchten verzweifelt ihre Gedärme im Körper zu halten. Knochen brachen und Bajonette wurden wie Lanzen durch den feind gebohrt. Rüter fand sich schnell Seite an Seite mit Sergeant Armstrong wieder, dem Anführer der Gardisten. Ihre beiden Kettenschwerter wüteten fürchterlich und um sie herum flogen Blut Fleisch und auch Funken, wenn die gierigen Zähne der Kettenschwerter auf Rüstungen trafen. Anhand der Wunden, die am nächsten Tag auf den Leichen gefunden wurden, wurde festgestellt, dass beide zusammen sich mindestens durch vierzig Feinde geschlachtet hatten.


    Doch der rheinländische Gegenangriff verlor durch die absolute Überlegenheit des Gegners schnell an Schwung und es musste ein hoher Preis bezahlt werden. Die Verbliebenden wurden langsam aber sicher in Richtung ihrer Gräben zurückgedrängt, jedoch ohne einen Zoll Boden kampflos auf zu geben.
    Es war dieser Punkt der Schlacht, in dem endlich die Verstärkung eintraf. Sie Kündigte sich durch mehrere Salven grellen roten Lichts an, welche zielsicher ihren Weg zu den feindlichen Radpanzern
    fand. Die stählernen Ungetüme erzitterten kurz, aber heftig durch den Einschlag, nur um Sekunden später spektakulär in die Luft zu fliegen.
    Es schien, dass von Steinberg die wenigen Chimären, die das Munitorum vor Antritt der Kämpfe mobilisiert hatte. Aus allen Rohren feuernd bretterten fünf Panzer über die letzten Meter der Brücke auf die Gräben zu und schoben dabei Wracks bei Seite wie Spielzeug. Wo immer keine Gefahr bestand, die eigenen Leute zu treffen fegten Garben der schweren Bolter, Multilaser und Maschinengewehre in die Feindlichen Linien. Kurz vor den Gräben kamen die Chimären schließlich schlitternd zum Halt. Schwere Luken am Heck der Panzer sprangen auf und heraus stürmten schwer bewaffnete Sturmpioniere. Ohne zu zögern stürmten diese sofort auf das Gemetzel zu um ihren Kameraden zu helfen. Schwere Schrotflinten wurden wieder und wieder in die Menge gefeuert und Trommelmagazine wurden geleert. Die Pioniere brachten die Wendung. Unter ihrer Deckung schafften es die letzten überlebenden Verteidiger endlich, sich vom Feind abzusetzen und sich in Sicherheit zu bringen. Der eigentliche Kampf war nach dem Eintreffen der Pioniere schnell vorbei. Den schwer gerüsteten Eliteeinheiten mit ihren vielen Flammenwerfern hatten die Kultisten nichts entgegen zu setzen. Von der Brutalität überwältigt wurden Sie schnell zur Flucht gezwungen, welche ihnen jedoch nicht gewährt wurde. Die Chimären und die Pioniere hetzten sie in den Ruinen zu Tode.


    Eine Stunde nach der Schlacht traf der gesamte Rest des Bataillons unter von Steinberg ein. Es stellte sich heraus, dass Steinberg die alte Stellung als nicht mehr haltbar angesehen hatte und daher einen neuen konzentrierten Stützpunkt am Brückenkopf außerhalb der feindlichen Artilleriereichweite bilden wollte. Auf dem Rückzug hatte er jedoch zu erst die gesamte Strecke aufs schwerste vermint.
    Das Eintreffen von von Steiberg offenbarte jedoch den wohl tragischsten Aspekt des Kampfes. In Anerkennung von Rüters Taten hätte der Hauptmann den jungen Leutnant gerne persönlich gesprochen, weshalb er die Überlebenden des Kampfes aufsuchte. Zusammengekauert an einem der Brückenpfeiler fand er sie auch. Nach den Ereignissen der letzten 24 Stunden waren sie einfach so erschöpft, dass sie umfielen, wo sie standen. Von den ehemals sechzig Rheinländern und zwanzig Gardisten waren nur noch neun Gardisten und elf Rheinländer am Leben, jeder in einem Maße zerschunden, dass von Steinberg keine Rangabzeichen erkannte. Es war ein Stabsfeldwebel, der noch wach war und von Steinberg erkannte. Unter Schmerzen stand der Mann auf und Salutierte vor dem Hauptmann. Der Soldat bildete einen traurigen Anblick. Der schwere Ledermantel total zerrissen, ein Glas der Gasmaske gesprungen, der Helm scheinbar von einer Kettenwaffe gestriffen und mit frisch verbundenen Wunden übersät. Ein halb abgerissenes Namensschild am Mantel verriet von Steinberg die Identität des Mannes: „Stabsfeldwebel Mannerstein, wo ist Leutnant Rüter? Ich würde ihn gerne sprechen. Ist er mit den Pionieren zu Verfolgung aufgebrochen?“
    der Stabsfeldwebel schüttelte nur traurig den Kopf und ohne ein Wort zu sagen gebot er dem Hauptmann ihm zu folgen.
    Mannerstein führte den Hauptmann in die Mitte des Leichen übersäten Schlachtfeldes und hier war Leutnant Rüter. Immer noch Rücken an Rücken mit Sergeant Armstrong, sein Kettenschwert noch immer fest umklammert saß er mit gesenkten Haupt mitten auf dem Schlachtfeld. Bis er die Gewissheit hatte, dass die Verstärkung seine Männer herausgeholt hatte, erlaubte sich Rüter keine Schwäche. Ein Schwert hatte ihm den Bauch aufgeschlitzt und eine Pistolenkugel den Wangenknochen weg gesprengt, außerdem war sein rechter Lungenflügel schon am Anfang der Schlacht durch ein Bajonett durchbohrt worden.
    Von Steinberg würde dafür sorgen, dass Rüters Name auf der Kompaniestandarte vermerkt werden würde und dass seine Hundemarke entsprechend des Rheinländischen Glaubens nach Rheinland zurückkehren würde, damit seine Seele von da aus die Reise zum Imperator angehen kann.

  • Kapitel 5


    „Das Grundprinzip der militärischen Moral besteht darin, dem gemeinen Soldaten alles zu verheimlichen, was ihm nicht gefallen könnte“
    -General Ivan Pankau, 53. Valhalla bei der Belagerung der Iron Warrior Festung Eisentod-


    Genau wie die große Kathedrale musste das Rathaus vor dem Krieg ein beeindruckendes Gebäude gewesen sein. Vier hohe, schmale Türme umrahmten einen mächtigen, goldenen Kuppelbau und das massive Hauptgebäude war komplett mit dem besten weißen Marmor des Planeten verkleidet worden. Doch auch hier hatte der Krieg dem Gebäude die Herrlichkeit größtenteils genommen. Zwei der vier Türme waren eingestürzt, ein dritter sah aus als ob er von gigantischen Holzwürmern befallen war. Der Kuppelbau war ebenfalls durchlöchert worden, aber, so wie der Großteil des Hauptgebäudes, noch erstaunlich intakt. An einigen Stellen schwelten immer noch Brände und das, obwohl Wochen seit der Zerstörung vergangen waren. Ein Zeugnis über die gewaltigen Ausmaße der Vernichtung, die über diese Stadt hereingebrochen waren.
    Von alle dem sahen die Mitglieder des Einsatzkommandos in der absoluten Dunkelheit nichts.


    Auf dem ereignislosen Weg, den sie überraschend schnell zurück gelegt hatten, war der Alte sehr sparsam mit Informationen gewesen und das wurmte Kraft gewaltig. Es war zwar die Masche des Majors die meisten Informationen zurück zu halten, aber in solchen Situationen fand Kraft diese Schweigsamkeit schon fast fahrlässig. Das einzige, was er herausgerückt hatte war, dass sie die Bibliothek des Rathauses schleunigst aufsuchen mussten um eine bestimmte Karte zu borgen, bevor der Feind dies tat, auch wenn dieser Fall wahrscheinlich schon eingetreten war. Mittlerweile war der Feldbericht des Stahllegionärs durch die Hände der Männer gegangen. Die Aussichten, dass sie nun einem Heer von Millionen und offensichtlich auch Warpmagie gegenüberstanden waren ein herber Schlag für die Moral und Kraft fragte sich wirklich, was eine einzelne Karte aus irgend einem verstaubten Regal im Angesicht dieser Tatsachen so wichtig machte, dass sie ihr Leib und Leben dafür riskierten, anstatt den sofortigen Rückzug zu organisieren. Aber Kraft und die anderen Rheinländer waren nicht die Art von Soldaten, die die Handlungen ihres Befehlshabers in so einer Situation anzweifelten, der Alte würde schon wissen, was er tat. Das hoffte Kraft zumindest inständig.


    Jäger hob die Hand und der kleine Trupp ging umgehend in Deckung. „Jäger für Rossmann. Was ist los Herr Leutnant?“, es war Rossmanns Stimme, welche stark verzerrt durch das Helmkomm rauschte. „Ich sehe Lagerfeuer und Patrouillen Sir.“. Endlich Feindkontakt. Die Abwesenheit von Feinden seit dem Zwischenfall mit dem Heckenschützen hatte zur allgemeinen Nervosität beträchtlich beigetragen und auch wenn es gewiss keiner zugeben würde, wusste Rossmann, dass die meisten seiner Männer in diesem Moment sehr erleichtert waren. Er war es zumindest.
    So leise wie möglich robbte der Major zu der Position des Spähers vor. Die Truppe war in einem der Trümmerfelder angelangt, welches direkt vor dem Haupteingang des Rathauses lag. Mit dem Feldstecher in Position erkannte der Alte das Problem. Der Platz vor dem Rathaus war ein Feindlager geworden. Nicht viele, vielleicht knapp einhundertundfünfzig Mann, aber trotzdem zu viele um sich den Weg frei zuschießen. „Die Frage ist jetzt, wie kommen wir in das Rathaus, ohne dabei draufzugehen?“, in Rossmanns Stimme lag ein für ihn, in solche Situationen typischer Sarkasmus. „Die Vordertür fällt denke ich flach, es sei den jemand von uns hat einen Leman mit geschmuggelt und uns nichts gesagt.“ Eine Kopfnuss von Kraft auf den Helm von De Vall beendete diese Intervention mit einem leisen 'klonk' im Kom. „Es gibt glaube ich einen Nebeneingang an der Westseite Herr Major. Dann wären wir auch näher an der Bibliothek.“ Rossmann konnte die Stimme nicht zu ordnen, auch wenn er durch den Akzent sofort einen jungen Rheinländer erkannte. „Wie heißen sie mein Junge?“ „Schütze Gregor Fieber von den Spähern Herr Major.“ „Sehr gut Schütze Fieber. Woher haben sie diese Informationen?“, Skepsis war ein weiteres Merkmal des Majors, auch wenn dieses nicht so häufig auftrat. „Ich war Leutnant Jägers Adjutant, als sie auf der ersten Einsatzbesprechung waren. Während sie im Besprechungsraum waren, habe ich mit einigen Stahllegionären das Gebäude besichtigt, na ja, was davon übrig war.“ „Was denken sie Jäger?“
    Jäger zögerte kurz und schaute sich das Gelände noch einmal genau an, bevor er sich zu einer Antwort entschloss: „Ich denke, wenn sie da rein wollen, ist der Seiteneingang unsere beste Möglichkeit.“
    Es wurde nicht weiter gesprochen, Rossmann setzte sich einfach in Gang und der Rest folgte ihm, alle bis auf Krieger. „Ich gehe keinen Schritt mehr weiter, bevor sie mir nicht erklären, was sie mit dieser verdammten Karte wollen.“, Kriegers Stimme war stark angespannt, aber trotzdem noch leise „Wir verplämpern hier nämlich wertvolle Zeit, die wir nutzen sollten, um Marschall Macaroth vor dieser Gefahr zu warnen und unsere letzte Stellung auf zu bauen, anstatt irgend welchen Pergamentfetzen hinterherzujagen!“
    „Ich habe es ihnen schon einmal erklärt und ich werde es noch einmal tun Krieger, wenn sie dann ihr verdammtes Mundwerk halten. Diese Karte enthält für diesen Kriegsschauplatz womöglich wichtige Informationen, die...“. „'Womöglich' hilft dem Marschall nicht!“. „Wenn wir hier versagen hilft dem Marschall Nichts und Niemand mehr oder glauben sie wirklich, dass er in dieser Phase der Kämpfe ein Millionenheer hinter seinen Linien besiegen könnte? Wir brauchen diese Karte und ich sehe mich nicht genötigt, ihnen die Informationen des Kartenmaterials mitzuteilen. Wir brechen auf!“ „Herr Major! Sie hören mir jetzt zu...“, Krieger wurde abrupt unterbrochen, da ihm eine Boltpistole an den Kopf gehalten wurde. „Sie hören mir jetzt zu Krieger.“, Es war Kirov „Sie haben wohl vergessen, was ich ihnen am Hauptquartier gesagt habe? Halten sie jetzt ihre Schnauze oder ich unterschreibe mit Freuden unsere Todesurteile, nur um ihnen das Hirn bei einer Geheimmission heraus zu blasen. Der Major hat sich klar ausgedrückt, ich dulde keine Befehlsverweigerung und vor allem habe ich ihr Geschwätz satt!“, mit diesen Worten entfernte Kirov die Boltpistole wieder und setzte sich in Marsch.
    „Danke!“, es war leise ausgesprochen und nicht über Komm gesendet. Kirov war nun knapp hundert Meter weiter neben Rossmann gelandet und Krieger hielt Abstand. „Danke, dass sie die Vorgänge beschleunigt haben.“
    „Ich nehme ihren Dank gerne an Herr Major, jedoch stehe ich nicht ganz zu meinen Worten von vorhin. Wie Krieger würde ich auch gerne Wissen, welche Informationen Sie auf den Karten suchen.“
    „Glauben sie mir Kirov, Sie wollen diese Informationen erst so spät wie möglich erfahren.“



    Der Hintereingang war zwar bewacht, aber nur leicht. Während Rossmanns kleine Truppe im Schutze der nahegelegenen Ruinen ausharrten, näherten sich Jäger und seine verbliebenen Späher unerkannt den insgesamt drei Wachen, die vor dem kleinen Eingang herumlungerten. Es war wichtig, dass sie diese Kultisten möglichst leise ausschalteten, wenn sie nicht das ganze Lager auf sich hetzen wollten, aber Rossmann war überzeugt, dass Jäger dieser Aufgabe gewachsen war.
    Durch ein vor ihnen liegendes Lagerfeuer waren die drei Wachen in ein unheimliches Licht gehüllt und warfen lange Schatten an die hinter ihnen liegende Rathauswand. Nur einer der drei schien wirklich die Umgebung zu beobachten, seine zwei Kameraden saßen nur am Feuer und betranken sich. Die Frage, ob es ihnen geholfen hätte, wenn sie aufmerksamer gewesen wären, würde wohl nie geklärt werden.
    Von zwei Seiten her zuckten insgesamt sechs silberne Blitze durch den rauchigen Lichtkegel den das Feuer warf und alle fanden ihr Ziel in einem der drei Körper. Noch bevor auch nur einer von den mit Messern durchbohrten Wächtern zu Boden viel setzten sich die in den Ruinen lauernden Männer in Bewegung, um die Strecke zwischen ihnen und dem Durchgang sich zu bringen.
    Rossmann hatte den Eingang gerade erreicht, als sich Jäger aus dem Schatten löste: „Sollen wir die Leichen wegräumen?“ „Ja aber beeilt euch. Wir haben nicht viel Zeit, wenn dieser Abschaum Patrouillen aufgestellt hat,“ der Alte wandte sich an den Rest der Truppe: „Ab hier müssen wir absolute Ruhe bewahren. Die Späher gehen fünfzehn Meter voraus. Von den Schusswaffen wird nur im absoluten Notfall Gebrauch gemacht. Los!“
    Ohne weitere Fragen zu stellen, schlichen sich die Männer in das ehemalige Regierungsgebäude. Es war Fieber, der ihnen den Weg wies, da er sich von allen im Gebäude am besten aus zu kennen schien und die Zielstrebigkeit, die er an den Tag legte schien ihm recht zu geben. Ab und zu stolperte der hinter den Spähern laufende Haupttrupp über einzelne Kultistenleichen in dunklen Nischen und es war nicht schwer, an ihnen Jägers Handschrift zu erkennen.
    So dauerte es nicht lange, bis sie eine große und herrlich verzierte Holztür erreichten, von der Rossmann wusste, dass sie in die Bibliothek führte. Mit entsicherten Waffen sammelten sich die Männer davor. Die dunklen Gläser der Gasmaske vom Alten schauten noch einmal in die Runde: „De Vall, Birkner,“ die beiden Adjutanten von Rossmann blickten sofort auf „Ihr zwei sichert den Zugang. Wenn irgendwas schief läuft, müsst ihr uns hier den Rückweg freihalten. Vielleicht müssen wir uns hier wieder raus schießen.“ Rossmann ergriff die schwere Eisenklinke der Tür. „Und wenn der Feind in diesem Moment selbst nach Dokumenten forstet?“, Krafts Stimme klang leicht nervös. „Wo ist ihr Vertrauen auf den Imperator geblieben Kraft?“, mit diesen Worten stoße Rossmann die schwere Tür auf und stürmte in den Raum.. Jahrelanger militärischer Drill und viel Erfahrung ließen die Rheinländer sofort in taktischer Aufstellung Position in der Bibliothek nehmen. Gewehre wurden suchend hin und her geschwenkt und Soldaten deckten sich gegenseitig den Rücken, für den Fall, dass es Feindkontakt geben würde, doch da war nichts dergleichen.
    Die Bibliothek war ein riesiger, offener Raum, der über zwei Stockwerke ging. Tausende schwerer Regale säumten die Wände, aber nur noch wenige waren mit Büchern gefüllt. Millionen schwerer und teilweise unschätzbar wertvoller Bände waren zerrissen und besudelt auf den Boden geschmissen worden. Es war ein trauriger Anblick, aber für Rossmann kein unbekannter. Diese Zerstörung war nicht neu, tatsächlich wurde sie von den Kultisten beim Rückzug aus der Stadt angerichtet. „Wie sollen wir in diesem Schlachtfeld eine einzelne Karte finden?“, Kirovs Stimme war schwer von Skepsis. „Keine Sorge Herr Lordkommissar, Das Kartenmaterial befindet sich in einem Geheimraum an der Nordwand. Die Kultisten haben ihn glücklicherweise bei ihrer Orgie nicht gefunden. Die Tür ist zwischen den zwei zerbrochenen Statuen dahinten. Man muss einfach nur dagegen drücken. Wir sollten uns nebenbei gesagt etwas spurten.“ Im Laufschritt wurde die besagte Tür gefunden und es war Oberleutnant Kraft, welcher sie zuerst erreichte und öffnete. Dahinter öffnete sich ein relativ kleiner und schmuckloser Raum an dessen Wänden drei Große Regale angebracht waren, die über und über mit zusammengerollten Kartenbündeln vollgestopft waren. Einige dieser Karten waren scheinbar so wertvoll, dass sie in wunderbar verzierten Schachteln und Schatullen aufbewahrt wurden. Der Major hatte erst den halben Weg zurück gelegt als er über Helmkomm die nächsten Anweisungen durchgab: „Die Karte die wir brauchen ist in einer goldenen Schachtel, durch ein Schloss gesichert und heißt Industrieverzeichnis drei. Schaut im rechten Regal nach und beeilt euch, ich glaube unser Aufenthalt hier wird nicht mehr lange unentdeckt bleiben.“ Sofort machten sich Krafts und Rossmanns Adjutanten auf um die Karte zu suchen, während der Rest die Umgebung sicherte. Bei der Suche wurde nicht gerade zimperlich umgegangen und schnell flogen die ersten Karten und Schachteln umher.
    Rossmann hingegen wurde abgelenkt. Eine steinerne Nische in der Wand, nicht weit von der Geheimtür entfernt beanspruchte seltsamerweise sein Interesse. Es gab viele dieser kleinen Einbuchtungen in der Bibliothek und früher enthielten sie besonders alte und wertvolle Bücher, die dort auf hölzernen Ständern aufbewahrt wurden. Es schien, dass eben diese Bücher den Kultisten zu erst zum Opfer gefallen waren, weil sie ihren Wert zu erkennen glaubten, nicht so hier. Merkwürdiger weise war das Buch dieser Nische noch vollkommen intakt auf dem Holzständer. Vielleicht war es diese besondere Ausnahmesituation, die Rossmann zu dem Buch hinzog, auf jeden Fall hielt er es mittlerweile in Händen, obwohl er eigentlich wichtigeres zu tun hatte. „Die Geschichte des heiligen Fausturnus“ kündigten goldene alt gotische Lettern auf dem Ledereinband an. Der Name kam dem Alten verdammt bekannt vor, aber der Imperator mochte ihn holen, wenn er wüsste weshalb. Er wollte gerade den schweren Einband öffnen, als ihn eine Berührung seiner Schulter zusammenzucken ließ. Vor Schreck ließ er fast das Buch fallen, doch als er sich umdrehte, war es nur einer der Rheinwächter. Ohne einen Ton zu sagen, zeigte er bloß auf den geheimen Kartenraum, vor dem ein winkender Soldat stand. Die Karte war gefunden und Rossmann rannte sofort los, jedoch nicht ohne das Buch ein zu stecken.



    Das Schloss der Schatulle ließ sich durch einen einfachen Kolbenschlag entfernen und die Karte, die zum Vorschein kam, war auf den ersten Blick auch nichts weiter als eine stink normale Karte der Stadt, doch der Alte schien genau zu wissen was er auf ihr zu suchen hatte.
    Kraft beobachtete nur ungläubig, wie Rossmanns Finger und Augen auf dem alten Stück Papier hin und her huschten, bis sie irgendwann an einer Stelle innehielten. Die Mimik des Alten war unter der Gasmaske unmöglich abzuschätzen und dieser Zustand wurmte Kraft regelrecht.
    Rossmann beendete diese Situation, indem er die Karte für alle sichtbar auf einen Pult ausbreitete und mit dem Finger ein kleines rotes Dreieck auf der Karte markierte. „Meine Herren, da müssen wir hin, wenn wir hier noch lebend rauskommen wollen.“
    Der Trupp hatte sich mittlerweile, bis auf die Wachposten, um die Karte versammelt. Es war Jäger, der die offensichtliche Frage zuerst stellte: „Und was werden wir dort finden, Herr Major?“
    Der Alte schaute noch einmal in die Runde und begann dann endlich mit der Erklärung, die er schon zu lange schuldig war.
    „Sie wissen es höchst wahrscheinlich nicht, aber Goldtorstadt hat noch eine andere strategische Bedeutung, neben der, dass es die einzige Stadt ist, die an der Imperialen Schnellstraße durch den Sumpf liegt. Der Osten dieses Kontinents, also der vom Feind besetzte Bereich, der jenseits dieses Sumpfes liegt, war vor der Besetzung einer der Hauptproduktionsstandorte für sekundäre Großkampfschiffsbewaffnung, was nichts anderes heißt, als dass dort Unmengen an riesigen Torpedos hergestellt wurden.“
    „Aber was hat das mit uns zu tun Herr Major? Marschall Macaroth wird sich doch gewiss dessen bewusst sein? Und wie soll uns das hier helfen?“, es war Birkner, der die Frage stellte. Birkner war der erfahrene und sehr stille Fähnrich des Majors und wenn Birkner sich meldete, schien es wirklich wichtig zu sein.
    „Ansich nichts Herr Fähnrich, wäre da nicht ein kleines aber wichtiges Detail. Bei der Invasion landete der Erzfeind zuerst in der Nähe von eben diesem Bereich des Planeten. Weil der hiesige Gouverneur, möge der Imperator seiner Seele gnädig sein, um seine wertvollsten Güter fürchtete, ließ er sie natürlich so schnell wie möglich in den westlichen Teil des Kontinents verlegen und nun können sie raten meine Herren. Wo denken sie sind diese Torpedos in der Hektik der Invasion verloren gegangen?“
    Die Stimmung schlug fast Augenblicklich um und die gestandenen Männer der Runde waren einfach nur Baff.
    Kraft erlangte zuerst die Fassung zurück: „Aber das würde ja bedeuten, dass wir seit Wochen auf vielen hundert Tonnen Sprengstoff herumgeballert haben.“ Rossmann wirkte etwas verlegen „Nun ja, dass ist so nicht richtig Herr Oberleutnant. Die Lagerkapazitäten von Goldtorstadt, welche tief genug unter der Erde liegen, sind tatsächlich so enorm, dass es sich um einige tausend Tonnen Sprengstoff handelt.“
    in einem leichten Anflug von Panik meldete sich De Vall: „Sir, sagen sie mir bitte, dass sie nicht vor haben, was ich denke, dass sie vorhaben.“ „Ich fürchte doch Felix. Wir werden uns in kürze hier absetzen, aber nicht ohne dem Feind noch ein Geschenk zu hinterlassen. Auf dieser Karte finden wir den einzigen Hintereingang, um dieses Geschenk auch zu liefern.“ De Vall schluckte bloß.
    „Dass werden sie nicht!“
    In einem Anflug aus Verwirrung und Ärger starrte Rossmann plötzlich in das Falsche Ende einer Boltpistole, die aus ein paar Metern Entfernung auf ihn gerichtet wurde. „Krieger, nun hören sie aber...“ Krieger unterbrach ihn sofort: „Nein sie hören mir zu. Man hat mich nicht von höchster Stelle hier her gesandt, damit ich am Ende zu lasse, das irgend so ein Größenwahnsinniger Schmalspurgeneral das Opfer von Tausenden tapferen Imperialen Soldaten zu Nichte macht, damit er sich mit seinen feigen Kameraden in ruhe in Sicherheit bringen kann, von den unschätzbaren Munitionsvorräten gar nicht zu reden.“
    „Krieger, sie haben den Bogen endgültig überspannt!“, Kirov war puterrot und dabei seine eigene Boltpistole zu ziehen. „Halten sie ihr Maul sie Alter Sack! Generalleutnant von Krueger hatte absolut Recht, als er mich ihnen zugeteilt hatte! Sie haben ihre schärfe verloren Kirov und was von ihnen bleibt ist nur noch ein halb tauber Tatteegreis!“ „Das Reicht Krieger!“, bei Kirov war offensichtlich der Geduldsfaden gerissen und er zog seine Boltpistole, doch Kirov war schneller. Der Finger Krümmte sich, der Hahn schlug auf die zwei cm Patrone, der Raketentreibstoff zündete und der Raum wurde von einem gleißenden Licht erfüllt, während sich das Boltgeschoss auf den weg machte. Das alles geschah natürlich in Sekundenbruchteilen, doch der Lärm des Schusses blieb
    auch noch, nachdem Kirov schon zu Boden gegangen war. Und als der Lärm gegangen war, blieb das Echo des Lärms. Ohrenbetäubend Laut hing es im Raum. Es war unmöglich, das es überhört wurde.
    „Sie *#~"*.“ Mehr brachte Rossmann nicht heraus vor Schock. „SIE SOLLN DIE SCHNAUZE HALTEN!!!“, Krieger wirbelte mit wehenden schwarzen Mantel herum und drückte noch einmal ab, um auch Rossmann zu fällen.
    Wieder waren es die Rheinwächter. Krieger hatte noch nicht einmal abgedrückt, da wurde Rossmann schon durch einen Schild ab geschirmt. Bei ihrem Aufprall auf dem Schild wurde die Kugel förmlich pulverisiert, die uralten Schildgeneratoren, welche in diesen verehrten Relikten eingebaut waren, wurden jederzeit mit so etwas banalen wie einer Boltpatrone fertig. Der zweite Rheinwächter hatte mittlerweile eine schwere Boltpistole aus seinem Mantel gezogen und auf den perplexen Krieger gerichtet. Ein dritter Schuss dröhnte durch das Gewölbe und Kriegers Kopf hörte praktisch auf zu existieren. Doch der Schuss wurde nicht aus der Waffe des Rheinwächters abgegeben. Nietfeld schob seine noch rauchende Boltpistole zurück ins Halfter und betrachtete noch einmal seine Werk: „Ich konnte das *#~"* ehrlich gesagt noch nie leiden Herr Major.“
    In der nun eintretenden Stille wurde jedoch klar, in wie großen Schwierigkeiten sie durch die Schießerei steckten. Außerhalb der dicken Mauer der Bibliothek war scheinbar Hektik ausgebrochen. Große Trommeln wurden geschlagen und Hörner gaben dämonische Töne von sich.
    Rossmann wandte sich an seinen Stabssanitäter, der schon längst an Kirovs Seite kniete und sich hektisch um den alten Lordkommissar kümmerte: „Ist dem Mann noch zu helfen?“ „Ich denke schon Herr Major, es war ein Treffer in den Arm, vermutlich hat ihn nur die Wucht des Treffers Ohnmächtig werden lassen.“ „Gut, De Vall, sie tragen Kirov, sehen wir zu, dass wir hier so schnell wie möglich n Abgang machen, wir haben was wir wollen.“
    Es wurden keine weiteren Worte mehr gewechselt und die Truppe machte sich im Laufschritt auf den Weg zum Ausgang. Im Laufen funkte der Alte die beiden Wachposten an: „Schmidt, Schneider, ist der Weg frei?“ „Bis jetzt schon Sir.“
    Wie auf ein Kommando ertönten plötzlich die jaulenden Schreie sich entladender Lasergewehre aus dem Gang. „Scheiße Sir, Feindkontakt! Feindkontakt! Der Gang ist hei...,“ die Verbindung brach zusammen. Die Stimme des Alten blieb stark und sicher: „Für so einen Mist haben wir keine Zeit, Flammer nach vorne, FLAMMENWALZE!“


    Die sogenannte Flammenwalze war ursprünglich eine Taktik, welche von Rossmann und vor allem von Steinberg entwickelt wurde und nur durch die hochwertigen ABC- Mäntel der Rheinländer überhaupt möglich war. Die Rheinländischen Regimenter sahen sich durch ihren Charakter häufig in beengten Situationen wie Schützengräben, Häusern oder Festungsgängen wieder, deren Erstürmung oft langwierig und kostspielig war. Daher entwarfen die beiden Offiziere eine Art blitzschnelle Überrumpelungstaktik, bei der zwei bis vier Flammenwerfer Seite an Seite im Laufschritt durch die Gänge fegten und dabei durchgängig Feuer gaben. Unvorbereitete Feinde wurden dadurch oft eingeäschert, ohne auch nur genug Fassung zu behalten, um auch nur einen Schuss ab zu geben und dass obwohl sie oft fast uneinnehmbare Stellungen hielten. Wären die Mäntel nicht, würden die Soldaten dabei natürlich selbst jämmerlich drauf gehen.
    Mit dieser Weisung stürmten die beiden schweren Flammer aus den Kommandotrupps von Kraft und Rossmann zusammen mit dem Flammer von Jägers Haufen durch den Eingang. Zuerst schlug ihnen noch sporadisches Feuer entgegen, doch sobald die Abzugshebel betätigt waren, war damit Schluss. Die Feinde die es noch konnten nahmen die Beine in die Hand, die Übrigen wurde zu Asche reduziert. Der Rest des Trupps hielt sich dicht hinter den Flammern und erledigten hier und da noch ein paar Überlebende der Flammenwand, doch allzu viele waren es nicht. Nur De Vall und Rossmanns Sanitäter, welcher den verwundeten Schneider trug, hielten sich etwas abseits, um ihre Fracht nicht zu gefährden.
    In das Rathaus hinein zu kommen hatte fast eine stunde gedauert, raus kamen sie in knapp fünf Standartminuten um dann so schnell wie möglich in der Nacht zu verschwinden.

  • Kapitel 6


    „Was ist die stärkste Waffe der Menschheit? Die Gott-Maschinen der Adeptus Mechanicus? Nein! Die Legionen der Astartes? Nein! Der Panzer? Das Lasergewehr? Die Faust? Nein zu allem! Courage und Courage alleine überragt sie alle!“
    -Macharius, Flottenadmiral des Solaren Raumsektores, aus seinen Schriften-


    Beim Imperator, irgendwie hatten sie es geschafft aus dem Rathaus lebend heraus zu kommen ohne noch mehr Verluste einzustecken. Sie waren mittlerweile etwa einen Kilometer in die Richtung des neuen Missionsziels vorgedrungen und hatten sich in einem noch intakten Keller verschanzt.
    Kirov war mittlerweile wieder bei Bewusstsein, was Kraft überraschte. Er hätte den alten Mann nie für so zäh gehalten, immerhin wurde ihm ein guter Teil seines Oberarms weg gesprengt und er hatte viel Blut bei der Flucht verloren, bevor der Sani ihn vernünftig zusammen flicken konnte. Schneider hatte nicht so viel Glück.


    Kaum war Kirov wieder auf den Beinen, begann er schon, sich über die Situation zu informieren: „Warum verstecken wir uns hier Herr Major?“, die Tatsache, das Krieger mittlerweile Tot war, schien Kirov wohl als Nebensächlichkeit akzeptiert zu haben. „Nach unserer, etwas überstürzten Flucht wimmelt es in diesem Gebiet von Patrouillen Herr Lordkommissar. Im Moment sucht Jäger nach einer sicheren Passage zum Zugangsschacht.“ Kirov hielt kurz inne und beobachtete Rossmann, musterte ihn förmlich, bevor er wieder das Wort ergriff: „Ich hätte es ihnen gar nicht zugetraut, eine solche Entscheidung zu treffen Herr Major. Es gibt nur noch wenige Männer und Frauen in der Imperialen Armee, die sich und ihre ganze Einheit ohne mit der Wimper zu zucken opfern, um dem Großen und Ganzen zu dienen. Es wird mir eine Ehre sein, diesen Schritt mit ihnen tun zu dürfen.“ Rossmann hatte sich von Kirov abgewendet und starrte nun auf den Ausgang des Kellers, als ob Jäger jeden Moment hindurch kommen könnte. „Sie irren sich Kirov. Ich habe keines Falls vor, hier zu sterben, solange der Imperator noch nutzen für mich hat.“
    Kirov stutzte: „Erklären sie sich Major, wollen sie die Torpedos nun zünden oder nicht?“ Rossmann drehte sich wieder um und seine Stimme wurde leise und ernst: „Ich werde diese Stadt, den Abschaum den sie beherbergt und den bösen Zauber, der so viele verdorben hat vom Angesicht dieser Welt sprengen, so viel ist sicher! Das heißt aber nicht, das wir mit ihr untergehen müssen.“
    „Wie wollen sie einer so gewaltigen Explosion entkommen? Im Umkreis von mindestens vierzig Kilometern dürfte alles pulverisiert werden. Sagen sie mir bitte nicht, das ihre Männer eine so gewaltige Marschleistung an den Tag bringen, dass sie vor dem feind und der Explosion fliehen können.“ „Ist ihnen am Kathedralenplatz den nichts aufgefallen Kirov? Ein ganzes Regiment der Stahllegion hat sich im Wahnsinn zusammen mit den Remourburgern dahingemetzelt und ihnen ist nicht aufgefallen was fehlte?“
    Rossmann ließ dem alten Kommissar Zeit zum nachdenken, welche dieser auch zu nutzen schien. Es dauerte nicht lange da blickte er Überrascht auf: „Sie meinen doch wohl nicht...“ „Genau, die Chimären der Stahllegion. Solche Fahrzeuge sind nicht für den Stadtkampf geeignet, daher haben die Stahllegionäre fast ihren gesamten Fuhrpark in einem Depot an der Stadtgrenze untergebracht. Wir sollten dort genug Kapazität vorfinden um jeden Imperator treuen Soldaten in dieser Stadt in Sicherheit zu bringen.“ „Und wenn sich im Depot der selbe Wahnsinn ausgebreitet hat?“
    „Dann werden wir in der Gewissheit sterben, uns für das Große und Ganze geopfert zu haben, aber dass will ich nicht hoffen.“
    Kaum waren diese Worte gesprochen, kündigte ein leises Knacken im Helmkomm die Rückkehr von Jäger an.


    Jäger hatte tatsächlich einen Weg durch die Patrouillen gefunden, auch wenn dieser nicht absolut sicher war. Zwei mal mussten Messer gezogen werden, um das Vorankommen des schrumpfenden Einsatzkommandos zu sichern, zwei mal wurde mit Effizienz der weg frei gemacht.
    Den Umständen entsprechend kamen sie schnell voran. Das schleichen in den zerbombten Überresten von Goldtorstadt wechselte sich ständig mit plötzlichen Versteckspiel ab, wenn der Feind plötzlich auftauchte und er tauchte häufig auf. Kraft hatte tatsächlich die schleichende Gewissheit, das, je weiter sie ins Feindesland vorstießen, desto mehr Feinden sie begegneten. Schon nach der Hälfte des Weges konnten sie die ersten Truppenlager sehen. Schmutzige Zelte, welche von noch viel schmutzigeren Kultisten umschwärmt wurden, welche ihre kranken Rituale im Feuerschein abhielten. Das Brennmaterial der Feuerstellen konnte Kraft sich jedoch nicht allzu lange ansehen, ohne würgen zu müssen. Das schlimmste war jedoch, dass, die Lager immer größer und häufiger wurden, je näher sie dem Schacht kamen. Die Späher der Stahllegion schienen wahrhaftig nicht untertrieben zu haben.



    Es war lediglich eine rostrote und in allen belangen als unscheinbar zu bezeichnende Luke im Boden und doch war ihr Wert so enorm.
    Der Industriekomplex in dem sie die Luke endlich gefunden hatten, schien schon vor dem Einfall des Erzfeindes lange verlassen und verfallen zu sein. In der direkten Nähe, es waren vielleicht dreihundert Meter, zu dem bisher größten feindlichen Lager, lag der alte Industriekomplex wie das Skelett eines toten Urtiers im Schein der feindlichen Lagerfeuer. Hohe bröckelnde Mauern und Kühltürme deckten mit ihren Schatten das Vorgehen der Rheinländer.
    Alte Ziegel und anderer Schutt hatten den verrosteten Einstieg verdeckt, doch das Industrieverzeichnis 3 war eine erstaunlich genaue Karte, daher hatte es nicht lange gedauert, bis sie gefunden hatten, was sie suchten.
    Normalerweise hätte Kraft die Tatsache, dass nur knappe dreihundert Meter von seiner Position eine feindliche Ansammlung in Regiments Stärke kampierte zu tiefst beunruhigt. Doch mittlerweile war er schon an so vielen feindlichen Patrouillen vorbei geschlichen, dass er den Drang, auf diese Bastarde zu schießen, schon ziemlich gut unterdrücken konnte. „Wie soll es weitergehen Herr Major?“, Krafts Stimme war bloß ein flüstern im Helmkom, während sein Kopf immer zwischen dem an der Luke stehenden Major und dem Feindlichen Lager hin und her schwenkte. „Wir werden uns aufteilen. Ich werde mit meinem Stab und Jäger runter gehen, derweil haben sie hier oben das Kommando Kraft. Wir können es uns nicht leisten, dass wir die Luke unbewacht lassen. Wir würden unsere letzte Fluchtmöglichkeit verschenken.“ „Mit Verlaub Herr Major...“, Kraft wurde fast sofort unterbrochen: „Bitte geben sie mir jetzt keine Wiederworte Herr Oberleutnant. Sie wissen, dass ich ansonsten immer offen für ihren Rat bin, aber uns läuft die Zeit davon.“
    Kaum waren diese Worte ausgesprochen, stieg Rossmann schon die Luke hinab, dicht gefolgt von seinen Männern. „Ist der Herr Major immer so... nun ja, Impulsiv?“, Kirovs Frage war an Kraft gerichtet. „Eigentlich nicht. Eigentlich sogar überhaupt nicht. Unter normalen Umständen würde er denke ich nie eine solch überstürzte Aktion durchführen, aber hier von normalen Umständen zu reden wäre auch nicht das wahre.“ Der alte Mann ließ sich ein lächeln entlocken. „Wie geht es ihrem Arm Lordkommissar?“ „Ach machen sie sich darüber keine Gedanken mein Junge, der alte Knochen hat schon schlimmeres durchgemacht. Was halten sie von der Idee, ein paar Spähposten auf zu stellen?“ Kraft war überrumpelt, erst jetzt wurde im Bewusst, dass er durch den plötzlichen Aufbruch vom Major völlig vergessen hatte, das Gebäude ab zu sichern. Auf der anderen Seite waren nicht mehr viele Männer da, um Wache zu halten. Von Krafts Stab blieben nur noch der Fähnrich der zweiten Kompanie, Krafts Funker Förster und Feldwebel Metzer und zusammen mit den beiden Kommissaren waren das dann auch schon alle, die an der Oberfläche verblieben waren.
    Nun begann das warten.


    Die Sonne stieg langsam über die spitzen der Dächer von Goldtor Stadt und über dem Brückenkopf brach der Morgen herein. Das gesamte Bataillon hatte unter der Leitung von von Steinberg mittlerweile den Weg über die nunmehr geräumte Heilandsbrücke gefunden und sich auf der anderen Seite eingegraben.
    Es hatte die ganze Nacht gedauert, doch nun konnten der alte Hauptmann mit recht behaupten, dass sie nichts und niemanden zurückgelassen hatten. Viele der jüngeren Offiziere hatten sich offen gegen sein Vorgehen ausgesprochen, da sie davon überzeugt waren, dass es nicht den Wünschen des Majors entsprechen würde, die Stellung zu räumen. Die verdammten Anfänger waren einfach noch zu jung um von irgend was eine Ahnung zu haben. 'Ihr würdet eine Unhaltbare Stellung nicht einmal erkennen, wenn der Feind schon von hinten kommt um euch das Bajonett in den Arsch zu rammen und jetzt Klappe zu und Sachen packen Soldat', das waren die Worte von Hauptmann Koch, als er von den Beschwerden Wind bekam. Von Steinberg musste immer noch Schmunzeln. „Hansen?“ „Jawohl Herr Hauptmann?“ „Sein sie doch so gut und versuchen sie mir Hauptmann Koch ans Funkgerät zu holen mein Junge.“ „Ich versuchs, wenn die Statik es zu lässt.“
    Sofort machte sich Steinbergs Adjutant an seinem Funkgerät zu schaffen. Der Empfang war, warum auch immer, immer noch beschissen, aber sie hatten herausgefunden, dass je stärker das Funksignal war und je geringer die Entfernung, das Signal noch einigermaßen gut war. Koch stromerte im Moment mit einem seiner Züge und den paar Chimären auf Patrouille rum, während von Steinberg im Kommandoposten an der Brücke saß, daher war es ein Glücksspiel, ob er ihn erreichen würde.
    „Herr Hauptmann, ich hab tatsächlich ein Signal, aber es ist zu schwach, um auf Sprechfunk zu gehen. Ihre Befehle?“ „Machen sie eine Statusabfrage über Tonsignal.“ Die Verständigung über Tonsignal war eine denkbar einfache Möglichkeit, um einfache befehle und Rückfragen zu ermöglichen, wenn die Kommunikation über Sprache zu undeutlich war. Es wurde einfach ein Tonimpuls durchs Komm geschickt und wenn zwei Impule zurückkamen, war die Situation des Empfängers sicher. Mehr interessierte von Steinberg im Moment auch gar nicht. „Und Hansen?“, diese Ungewisse Stellung machte von Steinberg langsam Ungeduldig, wo blieb nur der Major? „Herr Hauptmann, ich hab zwei Signale, Pause, zwei Signale zurück bekommen. Die Position ist Sicher aber der Hauptmann befindet sich auf dem Rückweg.“ Von Steinberg runzelte unter seiner Gasmaske die Stirn, warum war Koch den schon auf dem Rückweg? Er hatte seine Patrouille doch bis Mittags angesetzt und bis dahin waren es noch gut drei Stunden. Von Steinberg wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, da einer der Brückenposten auf ihn zukam.
    „Berichte Soldat?“ „Jawohl Herr Hauptmann, Leutnant Bährens meldet, dass die Pionierarbeiten an der Brücke abgeschlossen sind.“ „Sagen sie dem Leutnant, dass er zu mir in meinem Kommandoposten kommen soll, seine Männer sollen wieder in ihrem Bereich Stellung nehmen und Pause machen. Weggetreten!“
    Der erste wirkliche Lichtblick für von Steinberg an diesem Morgen. Die Arbeiten an der Brücke waren abgeschlossen und er konnte endlich seinen Kaffein trinken.


    Als von Steinberg im Kommandobunker eintraf, einem Alten befestigten Wartungshäuschen, hatte einer seiner Stabs-gefreiten bereits eine Brodelnde Kanne des schwarzen Zeugs für ihn bereit gestellt. Hoffentlich würden sie hier fertig sein, bevor die letzten Reserven davon aufgebraucht waren, dass war das einzige, was den Alten Mann noch am leben hielt.
    Kaum war die Maske abgesetzt und der erste Schluck die Kehle runter gelaufen, kündigte ein Scheppern von Plaststahl und Keramitplatten in der Tür die Ankunft von Leutnant Bährens an.
    In voller Einsatzausrüstung der Sturmpioniere stellte der bullige Leutnant eindrucksvolles Bild dar.
    Die schweren steingrauen Panzerplatten, die über dem blau-grauen ABC Mantel angebracht waren, zeigten sofort, dass es sich hier nicht um einen normalen rheinländischen Schützen handeln konnte. Die Sturmpioniere waren die absolute Elite des Rheinländischen Militärs und jeder Mann war stolz, wenn er für ihre Reihen ausgewählt wurde. Aber nicht nur die Rüstung war weit besser, als dass Standartmodell, von Steinberg musste es wissen, als Offizier trug er nämlich das selbe Modell, auch die Bewaffnung war eine ganz andere Klasse. Schwere Schrotflinten gehörten zur Standardausrüstung der Pioniere, genau so wie verbesserte Automatik Pistolen. Zusätzlich war jeder Trupp großzügig mit Melter oder schweren Flammenwerfern ausgestattet, je nach Einsatzgebiet. Aber einer der hervorstechendsten Ausrüstungsgegenstände fand sich an der Seite von Bährens. Eine Standard Mark IV Energiewaffe. Normalerweise waren diese Waffen ein exklusives Symbol für die höheren Offiziersränge, also alles ab dem rang eines Hauptmanns. Es gab nur eine Ausnahme und die wurde für die Leutnants und in seltenen Fällen auch für die Feldwebel der Sturmpioniere gemacht. Allein diese Ehre war es schon vielen Wert, ein Sturmpionier zu werden.


    „Herr Hauptmann, melde gehorsamst, die Brücke ist vorbereitet!“ „Setzen sie sich doch bitte erst einmal und trinken sie einen Kaffein mit mir. Für diesen Ton Kennen wir uns mittlerweile eigentlich zu gut Albrecht.“ Es war als würde dem Sturmpionier eine Last von den Schultern fallen. Fast umgehend riss er sich die bei den Pionieren noch schwerere Maske vom Gesicht und ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Da habe ich schon die halbe Nacht drauf gewartet. Ich bin ja viel gewohnt, aber diese scheiß Kraxelei unter der Brücke brauch ich wirklich nicht. Ich bin Pionier und keine Sprungeinheit.“, in kräftigen Zügen leerte Bährens den Becher, der ihm von von Steinberg gereicht wurde. „Und habt ihr auch genug verbaut?“ der Leutnant warf dem alten Hauptmann einen gespielt entrüsteten Blick zu: „In der Brücke sitzt genug Sprengstoff, um dass Teil drei Mal zu sprengen. Feldwebel Neuer hatte sich mit der Statik verrechnet, daher mussten wir alles bis auf eine Tonnen verbauen. Die verdammte Brücke ist stabiler als ich dachte, kein Wunder dass die so viel Beschuss ausgehalten hat.“
    Die Vorbereitung zur Sprengung der Brücke war eine reine Vorsichtsmaßnahme. Zwar hatten sie bei ihrem Aufbruch das Gebiet hinter sich übel vermint, aber aus Erfahrung wusste von Steinberg, dass kein Minenfeld ewig hielt und im Falle eines Falles ließ er es nicht auf einen zwei Frontenkrieg ankommen. „Gut, sie kennen den Befehl, wenn sich feindliche Verbände auf der anderen Seite der Brücke Blicken lassen, spreng...“ Motorenlärm und das Knirschen von Panzerketten unterbrachen von Steinberg. Ohne weitere Worte setzten die beiden Offiziere sich ihre Gasmasken wieder auf und marschierten zum Ausgang. „Das wird Koch sein, bin ja mal gespannt, warum der so früh wieder da ist.“

  • Kapitel 7


    „Männer! Es geht hier nicht darum für den Imperator zu sterben, sondern den Feind in seinem Namen sterben zu lassen!“
    -Leutnant Rossmann während der Kämpfe im Kolonialsektor-


    Kaum waren die Chimären auf dem Vorplatz der Brücke schwankend zum stehen gekommen, sprangen auch schon die Luken auf.Ein gewisser Ausdruck der Überraschung breitete sich hinter der schützenden Gasmaske von Steinbergs aus, da es nicht Koch war, welcher aus dem Schützenpanzer stürmte. Anhand der Goldenen Litzen und Verzierungen konnte es nur der Major sein.
    Der alteingesessene Aristokrat wollte gerade die Hand zum Salut heben, da winkte der Major schon aus der Ferne ab. „Lassen sie das Steinberg, wir haben keine Zeit und damit meine ich wirklich keine Zeit. Ich will das umgehen alle Zug- und die wichtigsten Truppführer vor ihrem Gefechts-stand versammeln. Wo ist der überhaupt? Ist es das Wachhäuschen da? Egal! Machen sie schon!“
    Jeder Kompanieoffizier, der von einer anderen Welt als Rheinland stammen würde und wahrscheinlich auch die meisten von Rheinland stammenden (vor allem die mit Aristokratischen Hintergrund), wären in von Steinbergs Situation wohl aus der Uniform gefahren, Vorgesetzter hin oder her. Die militärische Etikette wurde nicht eingehalten, von Steinberg wurde weder mit Rang noch Adelstitel angesprochen und sein Vorgesetzter Offizier hat das gesamte Gespräch im vorbei stürmen über Helmkomm geführt, ohne von Steinberg auch nur längeren Blickkontakt zu zu stehen. Jeder andere Offizier wäre wohl aus der Haut gefahren, von Steinberg rannte jedoch los um umgehend die Befehle des Majors auszuführen. So hatte er seinen Vorgesetzten nämlich schon lange nicht mehr erlebt.


    Das Zusammenkommen der Offiziere hatte drei Minuten gedauert. Die Lagebesprechung oder viel mehr Aufklärung über die Situation hatte zehn Minuten in Anspruch genommen und das anschließende Schweigen zwei Minuten. Vier Minuten danach waren die Überreste des ersten Infanteriebatallions des ersten Rheinländischen Sturmregiments bis auf den letzten Mann in Bewegung um den Aufbruch.
    Kraft beaufsichtigte seine Kompanie bei den Vorbereitungen zum Aufbruch. Obwohl ihm die momentane Situation bekannt war, schauderte es ihm immer noch bei dem Gedanken an Rossmanns Worte beim Brie fing. Der Alte hatte es bei seinem Einbruch in das Torpedosilo tatsächlich geschafft, einen Zeitzünder scharf zu machen. Und dieser Zeitzünder tickte jetzt gegen sie. Immer wieder schaute der junge Oberleutnant auf sein Armbandchronometer. Im Moment hatten sie noch sechsunddreißig Standardstunden, bis ihnen hier alles um die Ohren flog und bis dahin mussten sie nicht nur aus der Stadt raus sein, sondern auch noch einiges an Abstand zu ihr gewonnen haben, wenn sie nicht von der Explosion erfasst werden wollten.
    Jeder Mann wusste jetzt worum es ging und die jahrelang eingebläute Disziplin ging mit der Erfahrung in einander über wie ein Uhrwerk. Alles wurde eingepackt und verstaut, was man nicht mitnehmen konnte machte man unbrauchbar. Es lief in der Tat so gut, das Kraft nicht viel zu tun hatte, was er auch ausnutzte um sich aus zu ruhen. Er wusste schon gar nicht mehr, wie viele Stunden es nun her war, dass er das letzte mal geschlafen hatte, er kroch förmlich auf dem Zahnfleisch, genau wie der gesamte klägliche Rest des Einsatzkommandos, das vor gefühlten Tagen aufgebrochen war. Nicht der gesamte Rest, erinnerte sich Kraft im Halbschlaf. Wenn der Alte auch zum Umfallen Müde sein musste, er ließ es sich nicht ein Stück anmerken. Wie gerade nach dem Morgensport hatte er den versammelten Offizieren die Situation verdeutlicht und als wäre nichts gewesen leitete er die Abmarsch Vorbereitungen. Es waren diese Gedanken, die Kraft zuletzt im Kopf hatte, bevor er vor Erschöpfung einfach einschlief.


    Nach nur einer anderthalb Stunde war alles gepackt, was zu packen war und der Alte war mit diesem Ergebnis durchaus zufrieden. Zusammen mit von Steinberg und Koch plante er nun die letzten Schritte im Gefechts-stand. „Hauptmann Koch, Hauptmann von Steinberg,“ er schaute seine beiden Kompanieführer eindringlich an: „Zuerst einmal möchte ich ihnen für ihre hervorragenden Entscheidungen danken, die sie in meiner Abwesenheit getroffen haben. Müssten wir diesen Rückzug von unserer alten Position aus angehen, wären unsere Chancen nicht einmal halb so gut, aber nun zum wesentlichen,“ während der Major diese Worte aussprach nahm er eine ramponierte Gefechtskarte aus einer Tasche und rollte sie auf einen alten Tisch aus. Mit seinem Zeigefinger deutete er auf die Nordwestliche Ecke von Goldtor Stadt: „Meine Herren, hier ist unser Ziel. Ein altes geräumtes Fahrzeugdepot der planetaren Verteidigungsstreitkräfte. Ich hoffe, das meine Informationen Stimmen und wir dort immer noch die motorisierten Teile der Stahllegion finden werden, sprich die Chimären. Wir müssen insgesamt fünfzehn Kilometer unbekannten Territoriums hinter uns bringen, bevor wir unser Ziel erreichen können. Da ich nicht weiß, ob und wenn ja, wie viele versprengte Feindeinheiten noch in diesem Bereich operieren, werden wir auf jeden Fall eine gute Vorhut benötigen. Ich möchte daher sie, Hauptmann von Steinberg bitten, die Kompanie von Kraft zu übernehmen und mit ihr die Vorhut zu bilden.“ Fast umgehend folgte ein zackiger Salut des Aristrokratens: „Es wird mir eine Ehre sein, aber ich habe da eine Frage: Was ist den mit Oberleutnant Kraft? Er ist doch wohl nicht verwundet worden oder?“ Es war eine aufrichtige Frage und Rossmann beantwortete sie mit einem Schmunzeln: „Keine Sorge, Kraft ist körperlich unversehrt, aber er ist im Moment nicht in der Verfassung für diese Aufgabe.“
    Kaum waren diese Worte ausgesprochen kündigte ein lautes quietschen von protestierenden Scharnieren und einfallendes Sonnenlicht eine Unterbrechung an.
    In der schweren Eisentür stand der Gefreite Blücher, ein Funker aus Kochs Kompanie, der De Vall ersetzte, solange dieser sich wie Kraft vom Einsatz erholte. „Ich hoffe das sie mit wichtigen Informationen kommen Blücher,“ der Major machte allein durch den Tonfall deutlich, dass er keinerlei unnötigen Unterbrechungen duldete. „Herr Major, ich fürchte ich habe schlechte Nachrichten. Feldwebel Märtens von den vorgeschobenen Spähern im Osten meldet starke Feindbewegungen in westliche Richtung. Er meldet außerdem, dass seine Einheit sich nun absetzt um noch evakuieren zu können.“ Rossmann blieb einen Moment lang regungslos und schaute auf die Karte. Mit einem kräftigen Faustschlag auf den Kartentisch trat er wieder in Aktion: „Verdammt, ich habe nicht damit gerechnet, dass der Feind schon bereit für den letzten Angriff ist. Meine Herren, wir müssen umdisponieren. Von Steinberg, sie übernehmen wie gehabt die Vorhut. Setzen sie sich umgehend in Bewegung,“ von Steinberg salutierte kurz und verließ sofort den Raum. „Hauptmann Koch, ich möchte sie bitten zusammen mit den verbliebenen Sturmpionieren und zwei ihrer Züge die Nachhut zu übernehmen. Der Feind wird wahrscheinlich seine schnellen Einheiten alleine vorschieben um Mögliche überlebende wie uns auf zu reiben, bevor wir den Vormarsch der Haupteinheit behindern. Wir müssen es schaffen, diesen Einheiten entgegen zu wirken, dann haben wir mit etwas Glück genug Zeit, die Chimären in Anspruch zu nehmen. Wir brauchen diese Zeit Koch, verschaffen sie sie mir! Ich selber werde die übrigen Einheiten in der Kolonne befehligen. Durchführung!“ auch Koch Salutierte kurz und verließ danach umgehend und im Laufschritt den provisorischen Gefechts-stand, während er hastig Befehle über Helmkomm durchgab. „Blücher, geben sie folgenden Befehl an alle Einheiten durch: Sofortiger Aufbruch,“ der Alte ließ noch ein letztes Mal den Blick über die Karte schweifen,. während Blücher beim herausgehen hastig an seinem Funkgerät herum schraubte. „Beim Imperator, hoffentlich funktioniert auch alles.“



    Die Hauptstreitmacht unter Rossmann war bereits vor zehn Minuten vollständig abgezogen, als endlich die vorgeschobenen Späher eintrafen. Es war für Koch eine Selbstverständlichkeit, dass auf
    sie gewartet wurde, für so etwas bedarf es keines Befehls. Ein abgehetzter Haufen, der sich sogleich in die für sie vorgesehene Chimäre begab und zur Kolonne weiterfuhr. Das hier war Kochs Bühne und ein versprengter Haufen von Jägers Leuten hatte hier nichts verloren.
    Nach Rossmanns Anweisungen würde ein rotierender Rückzug statt finden. Das heißt, das einer von Kochs beiden Zügen die direkte Verteidigung übernahm, während der andere einige hundert Meter weiter hinten in Ruhe eine neue Stellung bezog. Sobald der Feind dann vom ersten Zug lang genug zurück geschlagen wurde zog er sich hinter den zweiten Zug zurück und baute wiederum dort eine neue Stellung auf. So sah der Feind sich immer gut verschanzten Einheiten gegenüber und trotzdem konnten sie zurückfallen. Die dreißig verbliebenen Sturmpioniere funktionierten dabei als eine Art Lückenfüller. Sie konnten im Notfall sowohl die Neupositionierung des sich zurückziehenden Zuges decken, als auch Gegenangriffe führen.
    Im Prinzip mussten sie es nur schaffen, gegen die voraus gestürmten schnellen Einheiten des Feindes so lange auszuhalten, bis diese aufgerieben waren. Die Lücke, zwischen den Vorhauseinheiten und der feindlichen Hauptstreitmacht sollte Koch genügend Zeit verschaffen, die Evakuierungszone zu erreichen. Das Problem hierbei bestand jedoch in der bis jetzt unbekannten Größe und Zusammenstellung der Feindeinheiten. Wenn alles glatt ging, mussten sie nur ein paar Attacken abwehren und vielleicht einen entschlossenen Gegenangriff führen und sie hatten es hinter sich. Wenn es schlecht lief... dann würden sie einfach überrannt werden.
    Koch begegnete diesen Aussichten jedoch mit kalter Entschlossenheit.
    Seine Männer hatten mittlerweile die erste Stellung bezogen und er war mittendrin. Viele würden in so einer Situation versuchen, ihre Haut zu retten. Koch würde nie auf so einen Gedanken kommen, schon allein deswegen nicht, weil er auf so eine Scheiße stand. Er war regelrecht geil darauf. Unter der ramponierten Gasmaske breitete sich ein hämischen Grinsen der Vorfreude aus, da bald die erste Welle des Abschaums an ihm zerschellen würde und seine E-Faust ließ er ein paar mal kräftig zuschnappen, weniger um die Funktionalität zu überprüfen, sondern mehr, weil ihm die Finger juckten. Das einzige, was seine Hochstimmung im Moment trübte, war die Tatsache, dass der feind so bestialisch stank, dass er seine Gasmaske nicht abnehmen konnte, da er extra für solche Situationen ein paar richtig dicke Zigarren hatte. Aber was solls?
    „Solln sie nur kommen!“, hörte man nur sein durch die Maske gedämpftes murmeln.


    Es lief den Umständen entsprechend gut für Rossmann. Von Steinberg hatte immer noch keine besonderen Vorkommnisse gemeldet, die Marschleistung war hervorragend und auch Meldungen über Feindkontakt bei der Nachhut blieben bis jetzt aus, was aber auch daran liegen könnte, dass Koch es einfach als zu unwichtig empfand, um es zu melden. Wenn es so weiterging, wäre das gesamte Bataillon noch vor Sonnenuntergang in Schützenpanzer verladen und auf dem Weg, um diesen verdammten Sumpf zu verlassen.
    Rossmann hatte es sich zur Aufgabe gemacht, jeden Nachzügler persönlich an zu treiben. Er war förmlich überall, scherzte mit den Männern, ermunterte sie und brachte sie dazu, die Beine in die Hand zu nehmen. Es war während eines dieser Gespräche, als sich ein Schatten hinter Rossmann aufbaute: „Es erstaunt mich, sie noch in einem so formidablen Zustand anzutreffen, wenn man die Ereignisse der Letzten Nacht bedenkt.“ Genau wie Rossmann, war auch Kirov die ganze Zeit präsent gewesen, dies war jedoch das erste Mal seit ihrer Rückkehr von der Mission, dass Kirov mit ihm Sprach. „Schlaf und Erholung sind Konzepte für Männer mit zu viel Zeit, Herr Lordkommissar.“ Kirov konnte sich ein schmunzeln nicht verkneifen: „Wohl gesprochen Major. Übrigens, mir brennt da noch eine Frage auf der Zunge. Welche Art von verdorbener Hexerei auch immer die Stahllegionäre und die Remourburger in den Wahnsinn getrieben hat, sie und ihre Leute schienen davon verschont worden zu sein. Können sie mir vielleicht erklären wieso?“
    Rossmann zögerte. Er schien eine Ewigkeit zu schweigen, ohne Kirov auch nur an zu schauen. Nach einer Weile zuckte er dann einfach nur mit den Schultern: „Vielleicht waren wir ja zu weit weg vom Zentrum dieser Magie, vielleicht waren wir ihr nicht lange genug ausgesetzt oder vielleicht ist unser Glaube einfach stärker. Wer weiß das schon, ich bin nur froh und danke dem Imperator, dass mit uns nicht das selbe passiert ist.“ „Haben sie vielleicht irgendwelche veränderungen gespürt, seit dem sie hier sind?“ Wieder überlegte der Alte kurz: „Tut mir Leid, kann ich nicht behaupten. Sie?“ Dieses mal zuckte Kirov mit den Schultern. „Egal was hier passiert ist Lordkommissar, lassen sie uns hoffen, das den mobilen Einheiten der Stahllegion nicht das selbe wieder fahren ist.“
    Kirov wusste nicht, was er von Rossmanns Antwort halten sollte. Er wusste nur, dass die Kopfschmerzen, die er seit seiner Ankunft hier hatte, ihn bald um den Verstand bringen würden.



    Das war das wahre Leben, wenn es nach Koch ging. Die feindlichen Voraustruppen hatten in der Tat nicht lange auf sich warten lassen und mittlerweile war die Luft von Rauch und Ozon geschwängert. Überall um ihn herum explodierte irgendetwas und er war mittendrin. Jeder Feind, der dumm genug war, sich in sein Blickfeld zu begeben, bekam es mit seiner Boltpistole zu tun. Immer wieder ließ sie seine linke Hand nach oben rucken, wenn sich sein Zeigefinger um den Abzug spannte. Die Schädel der Ketzer explodierten reihenweise, was seine Freude nur noch mehr steigerte. Die wenigen, die näher herankamen, bereuten dies spätestens, wenn er seine E-Faust zu schnappen ließ. Knochen barsten unter seiner mechanischen Wut und die weichen Anteile seiner Feinde spritzten unter dem hohen Druck nur so aus ihren Körpern. Ob sie ihn nun Schmähungen entgegen warfen oder ihn anflehten, ihr Leben zu verschonen, es half ihnen nichts. Sie fielen wie das Korn unter der Sense des gerechten.
    Irgendwo bei dreißig hatte Koch aufgehört, seine Abschüsse zu zählen. „MEHR HABT IHR NICHT ZU BIETEN IHR JÄMERLICHEN BASTARDE?“, während er diese Worte seinem Feind zu warf, begann ein raues Lachen seiner Kehle zu entweichen. Das war das wahre Leben!


    Ab und zu kamen seine Stabsfeldwebel auf seine Position zu, natürlich geduckt, wegen der paar lächerlichen Explosionen, um ihn über die momentane Situation auf zu klären. Wobei es Koch in den meisten Fällen egal war. Was kümmerte es ihn, dass sich der eine Zug nun zurückfallen ließ? Er hatte seinen Leutnants die Taktik gut genug eingebläut, die kamen nun auch ohne ihn zurecht. Auch die Verluste waren nicht von Relevanz. Der Feind musste aufgehalten werden. Was es ihnen kostete war egal.
    „Feindpanzer voraus!“, der Schrei von einem seiner Männer kam an sein Ohr. Er hatte auf diesen Moment nur gewartet. „Bährens für Koch. Feindpanzer gesichtet. Plan Behemot.“ Der Tag war fantastisch und er war gerade dabei noch fantastischer zu werden.


    Als Kochs Befehl ihn erreichte, versuchte Bährens sämtliche Gefühle, die in ihm hoch kamen durch professionelles denken zu verdrängen. Der jetzige Einsatz musste taktisch perfekt ablaufen, wenn sie die Verluste gering halten wollten und Koch war dabei im Moment nicht gerade eine Hilfe. Jeder Offizier im ersten wusste, das mit Koch etwas nicht stimmte. Wenn es zu Kampfsituationen kam, wurde er gelinde gesagt verrückt. Doch Offiziere wie Rossmann oder Oberst De La Rey schienen irgend etwas in ihm zu sehen, da es ihm sonst nicht mehr geben würde. Das was Bährens aber am meisten beunruhigte war die Tatsache, das er in seinem Zug Sturmpioniere zu viele Leute von Kochs Schlag hatte. „Achtung Männer. Befehl Behemot wird nun ausgeführt. Ihr kennt den Ablauf. Schickt sie zurück in die Hölle!“


    Behemot war ein schlichter Befehl, aber dafür ein umso effektiverer. Es war im Prinzip nichts anderes als ein schwerer Gegenangriff mit den Sturmpionieren, um die Gepanzerte Angriffsspitze ab zu brechen. Die Hoffnung war, dass der Feind nicht mit einem Gegenangriff rechnete.
    Die Hoffnung bestätigte sich.


    Wieder waren um ihm herum Explosionen. Dieses Mal waren es aber keine feindlichen Feldgeschütze, die sie beschossen sondern die feindlichen Panzer, die in die Luft flogen. Der Gegenangriff war ein vernichtender Erfolg. Koch stürmte förmlich im Laufschritt auf den feind ein. Melter zuckten auf Feindpanzer zu, welche Spektakulär in Feuerblumen aufgingen. Schrotkugeln zischten durch die Luft, bis sie ihre fleischigen Ziele fanden. Teilweise wurden die Ketzer richtig überrannt, weil sie nicht schnell genug den Rückzug an traten. Was gerade noch ein schneller Vorstoß zur Eliminierung der Imperialen Nachhut war, artete nun in einem katastrophalen Rückzug aus. Sie waren mehr als überrascht.
    Koch hatte seine leere Boltpistole mittlerweile zurückgelassen. Dafür hatte er nun einen Flammenwerfer aufgetrieben, welchen er in weitem Bogen einhändig schwenkte. Er hatte immer noch nicht aufgehört zu lachen, auch wenn er im Moment eigentlich wütend wurde. Der Feind begann vor ihm zurück zu weichen, was seinen Vorstoß nur noch schneller machte. „KOMMT ZURÜCK IHR FEIGEN HUNDESÖHNE! BLEIBT STEHEN UND BRENNT IHR VERDAMMTEN KETZER!“
    Wieder hatte er einen Kultisten zu packen bekommen. Die Hälfte der jämmerlichen Gestalt in seiner E-Faust war schon durch sein Promethium in Flammen, aber der Bastard zappelte immer noch. Eine kurze Geste ließ seinen Kopf zerplatzen. Mittlerweile hatte sich eine Schar von gleichgesinnten von Bährens Haufen um ihn geschart. Sie genossen diesen Tag vielleicht nicht ganz so sehr wie Koch, aber beim Imperator, sie versuchten es. Alle waren sie mit dem Blut der Feinde beschmiert. Viele der Pioniere hatten sich sogar ihre Schrotflinten auf den Rücken geschnallt, um mit Pistole und Messer arbeiten zu können. Der Feind war eh zu beschäftigt mit laufen, um sich auf Feuergefechte ein zu lassen. Außerdem, was war es denn für eine Arte und Weise, einen Mann in den Rücken zu schießen? Ihn von hinten ab zu fackeln vielleicht, dachte Koch, während er einen weiteren Feuerstoß gen Feind schickte,aber ihn zu erschießen?
    Der Weg, den die Rheinländer unter Koch auf ihrem „Rückzug“ hinter sich ließen, war ein wahres Schlachtfeld. Kultisten lagen aufgeschlitzt dort, wo sie ihr leben ausgehaucht haben. Panzer machten ihr Ableben durch viele Meter hohe Rauchsäulen deutlich. Überall war Ausrüstung, Blut und schlimmeres verteilt. Und Koch trieb sie immer weiter. Die feindliche Vorhut wird schneller vernichtet werden, als gedacht.
    Koch wäre wohl froh gewesen, dass der Feind seinen Gesichtsausdruck nicht durch die Maske sehen konnte, da er dann noch schneller gerannt wäre, hätte er sich über so etwas Gedanken gemacht.



    Der westliche Teil der Stadt war wie ausgestorben, was von Steinberg zu tiefst beunruhigte. Er hatte Krafts Männern, die er als Vorhut führte, von Anfang an klar gemacht, jeden ihrer Schritte zwei Mal zu überdenken. Nach dem was auf und vor allem vor der Brücke geschah, rechnete er mit dem schlimmsten. Minen, Scharfschützen, groß angelegten Hinterhalten... aber nichts! Nichts davon trat ein. Die drei Züge unter seinem Kommando waren weit aus gefächert vorgerückt und sind, so weit er das beurteilen konnte, und das konnte er, wirklich gründlich vorgegangen. Aber sie fanden nicht einmal eine jämmerliche Mine, geschweige den ein Anzeichen für Kultisten. Vielleicht waren sie ja alle bei den Sturmangriffen auf den Brückenkopf drauf gegangen oder der Feind hat sich aus diesem Gebiet schon viel gründlicher zurück gezogen. Der attraktivste Gedanke war jedoch, dass die Stahllegionäre hier immer noch patrouillierten und der Sektor deshalb feindfrei war. Die Hoffnung starb schließlich zuletzt und im Moment klammerte von Steinberg sich eigentlich nur an den einen Strohhalm, dass die Stahllegionäre noch geistig Gesund waren. Er mochte sich gar nicht vorstellen, wie es auf dem Kathedralen Platz aussah. Rossmanns Beschreibungen hatten ihm vollkommen gereicht.
    „Hauptmann von Steinberg für Feldwebel Thorn.“, es war die von Statik verzehrte Stimme des Feldwebels vom vorgezogenen Trupp, die über Helmkomm gesendet wurde. „Von Steinberg hört.“ „Wir haben jetzt Sichtkontakt zum Ziel. Etwa sechshundert Meter freies Feld. Ziel scheint ein schwerer Bunkerkomplex zu sein. Keine Anzeichen von Leben.“ „Stellung halten Feldwebel Thorn und tarnen. Wir rücken zu ihrer Position vor. Auffälligkeiten sofort melden. Ende:“
    Von Steinberg wusste absolut nicht, was er von dieser Situation halten sollte, aber er würde es schon sehr Bald heraus finden.


    Major Rossmanns Stirn lag besorgt in Falten, auch wenn dieser Umstand jedem anderen durch die Gasmaske verborgen blieb. Der Rückzug kam gut vor ran, sogar sehr gut, aber es waren die vielen pechschwarzen Rauchwolken, die sich im Osten gen Himmel empor streckten. Der Kampf, den Koch dort austrug schien ganz nach dem Geschmack des ehemaligen Sturmpioniers zu sein, doch der mittlerweile abebbende Kampflärm aus dieser Richtung war kein gutes Zeichen. Im schlechtesten falle bedeutete dies nämlich, dass Koch ihnen nur etwas Zeit erkauft hatte und nun feindliche Spähpanzer das erste Rheinland von hinten aufrollen würden. „Herr Major, immer noch kein Funkkontakt zu Hauptmann Koch. Ich bekomme nur Rauschen auf seiner Frequenz. Er reagiert auch nicht auf Tonsignal.“ der Gefreite Blücher, der immer noch De Vall vertrat, hatte Rossmann diese Nachricht nun schon zum dritten Mal überbringen müssen. Es würde das letzte Mal sein. „Blücher, wecken sie bitte Kraft auf, er möchte den Rückzug für mich übernehmen. Außerdem möchte ich, dass Leutnant Rever und Leutnant Kempler aus Steinbergs Kompanie Gefechtsbereitschaft für ihre Züge herstellen und sich dann bei mir melden. Ich befürchte, dass wir eine neue Nachhut gebrauchen.“


    Auf den ersten Blick schien der Bunker absolut verlassen, doch auf von Steinberg wurde schon seit zu vielen Jahren geschossen, als dass er sich auf den ersten Blick verlassen würde. „Immer noch kein Funkkontakt?“ Von Steinbergs Kommunikationsoffizier schüttelte den Kopf. „Ich habe jetzt alle gängigen imperialen Frequenzen durch und bekomme nichts als Statik rein.“ „Das muss nichts heißen, vielleicht senden sie ja nicht, weil sie eine Falle durch die Verräter fürchten.“, es war Leutnant Hermes, einer von Krafts Zugführern, der diesen Einwand zu Wort brachte. „Meine Herren, ich befürchte uns wird nichts anderes übrig bleiben, als einen Schritt aus der Deckung zu tun, um uns zu versichern,“ es grämte von Steinberg, dass er keinen anderen Weg sah, dem Major wäre bestimmt etwas besseres eingefallen.
    Er ließ noch ein letztes Mal einen prüfenden Blick über den großen Bunkerkomplex schweifen. Der Bunker, der eigentlich nichts anderes war, als der Eingang zu einer riesigen Tiefgarage wurde schon in den ersten Stunden des Angriffs auf Goldtorstadt durch eine Handstreich Operation der Stahllegion genommen und war daher weitestgehend intakt. Einige wenige verweiste Bastionen und Wehrgänge zogen sich über seine Oberfläche, aber ansonsten wies wenig darauf hin, das dieses Gebäude überhaupt verteidigt werden könnte.
    Schweren Herzens ließ von Steinberg zusammen mit seinem Fähnrich die Schützende Deckung hinter sich und trat auf den Vorplatz des Bunkers, das Banner der zweiten Kompanie stolz im Wind wehend. Langsam bewegte er sich auf den Steingrauen Koloss zu. Wenn irgend jemand dieses Gebäude verteidigte, dann würden sie ihn sehen.
    Eine kurze Lichtreflexion auf einer der Bastionen ließ von Steinberg dann jedoch abrupt anhalten. Nur eine Sekunde Später hämmerte sich ein einzelner Laserstrahl fünf Meter vor ihm in den Boden.
    Von Steinberg hörte nur, wie hinter ihm die Waffen bereit gemacht wurden. Mit einer Geste der rechten Hand unterband er aber jede weitere Tätigkeit: „Niemand schießt hier, solange es nicht nötig ist.“ „GLORIA“, durch Lautsprecher über die Maße der menschlichen Stimme hinaus verstärkt knallte dieses einzelne Wort förmlich von der Mauer herunter. Von Steinbergs Fähnrich wurde plötzlich sehr nervös: „Was soll das Herr Hauptmann? Warum knallen die uns nich einfach ab? Wir stehen hier doch auf dem Präsentierteller.“ Wieder hallte es Gloria von den Mauern. Von Steinberg überlegte fieberhaft. Eine falsche Reaktion und alles war womöglich umsonst. Beim dritten Gloria kam ihm der Geistesblitz. Er bedeutete seinem Kom Offizier langsam zu ihm zu kommen, um ihm dann den Lautsprecher des Funkgeräts bereit zu machen. Um kein Risiko durch die Aussprache zu riskieren, nahm von Steinberg die Gasmaske ab. Das Mikrophon an die Lippen gepresst gab er ein wort als Antwort auf das vierte Gloria zurück, dieses aber laut und deutlich: „SABBAT“
    Endlose Sekunden passierte nichts, bis sich plötzlich die schweren Eisentore öffneten und jubelnde Stahllegionäre auf den Platz rannten.



    Der Osten war ruhig. Keine Laserschüsse mehr, keine Explosionen, nichts und es gab im Moment Nichts, was Rossmann mehr Unbehagen bereitete. Wenn die Nachhut fiel, konnten sie einpacken und er war bestimmt nicht den weiten Weg von Rheinland hier her gekommen, um im letzten Augenblick, wenn die Rettung schon zum greifen nah war, doch noch in diesem elenden Steinhaufen zu verrecken.
    Der Alte hatte mit seinen beiden Zügen ein hohes Tempo an den Tag gelegt. Es bestand zumindest noch die Chance, dass Elemente der Nachhut sich noch absetzen konnten und er er ließ bestimmt keinen seiner Männer hier zurück..Dabei war es äußerst einfach, Kochs letzte Position zurück zu verfolgen. Mindestens zwanzig pechschwarze Rauschfahnen krochen in den bedeckten Himmel über Goldtorstadt hinauf. Egal was dort passiert ist, es ist auf jeden Fall hoch her gegangen.
    Sie brauchten gar nicht lange marschieren, bis die ersten Bewegungen in den Ruinen vor ihnen sichtbar wurden. Es war wohl dem Glück und der Feuerdisziplin der Rheinländer zu verdanken, dass niemand schoss. Es waren nämlich alles andere als Kultisten, die ihnen im Laufschritt durch die zerklüfteten Reste Goldtorstadts entgegenkamen. Ein junger Leutnant, der Alte identifizierte ihn als einen von Kochs Haufen kam auf ihn zu: „Leutnant, berichten sie!“ Leutnant Schneider, so stand es zumindest auf dem Mantel des Mannes, salutierte kurz und zackig, obwohl seine Erschöpfung mehr als offensichtlich war: „Herr Major, es ist Koch,“ der junge Soldat musste erst einmal Luft holen, bevor er weitersprechen konnte: „ Die Angriffe waren hart, aber wir konnten die Linie wenn auch unter Verlusten halten. Nachdem wir die dritte Welle und die ersten Panzer abgewehrt hatten... Koch hatte sich einfach die Sturmpioniere geschnappt und ist losgestürmt. Sein letzter Befehl war das wir uns so schnell wie möglich zurückziehen sollten.“ Die Kämpfe hatten den Mann schwer mitgenommen, aber Rossmann hatte im Moment absolut keine Zeit, um auf so etwas Rücksicht zu nehmen: „Heißt das, dass Koch noch am Leben ist?“
    Schneider blickte sich kurz um und starrte in die Richtung der schwarzen Rauchfahnen im Osten.
    „Herr Major, ich weiß es nicht.“


    Ein einfaches Wort, Sabbat, hatte ihnen das Leben gerettet. Es war ein Codewort, was zwischen den Rheinländern, den Remourburgern und den Stahllegionären vor der Rückeroberung von Goldtorstadt beschlossen wurde und es hatte die Aufgabe, zu verhindern, dass die Verbündeten sich während der ersten Nacht und Nebel Aktionen gegenseitig über den Haufen schossen. Es hatte offensichtlich funktioniert.
    So Haarscharf sie den Kontakt auf dem Hof überlebt hatten, um so wärmer war der Empfang im inneren des Bunkers. Überall jubelten ihnen junge Stahllegionäre zu, überglücklich, dass sie nach fast drei Wochen endlich wieder Kontakt zu imperialen Streitkräften hatten. Sie wurden gefeiert, wie Helden...zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem von Steinberg mit dem Kommandanten der Stahllegionäre sprach. Es war ein junger Oberleutnant, vielleicht halb so alt wie von Steinberg, Casius John mit Namen. Bevor der ältere Hauptmann auch nur das Wort ergreifen konnte, sprudelten die Fragen aus dem jüngeren nur so heraus. Wie die Situation auf dem Schlachtfeld sei, wo die Front der Remourburger stünde, warum sich das Hauptquartier nicht melde und vor allem, warum Oberst Sprik, der Kommandant der Stahllegion, nichts von sich hören ließ.
    Von Steinberg musste in seinem Leben schon viel mitmachen und er hatte wirklich schon viel Scheiße gesehen, aber dem jungen Offizier zu erklären, was sich in den letzten Wochen im Nördlichen Teil der Stadt abgespielt hatte, war trotzdem eine der schwersten Taten seines Lebens. Dem Offizier, der sein Sohn hätte sein können, klar zu machen, dass seine Kameraden alle dem Feind zum Opfer gefallen waren, war schon mehr als schwer genug, dass sie sich durch dunkle Warphexerei selbst zerfleischt hatten, brachte von Steinberg nicht übers Herz. Er schilderte ihm wirklich nur das nötigste der Situation, auch mit der Zeit im Blick, doch Oberleutnant John war so am Boden zerstört, dass er das meiste wohl nicht aufnahm. Als von Steinberg jedoch zu dem Punkt
    kam, an dem die Rheinländer zur Evakuierung die Chimären benötigten, wurde John hellhörig: „Nein, tut mir Leid Herr Hauptmann, aber ich befürchte, das kann ich nicht zulassen!“ „Wie bitte?“, von Steinberg war wie vom Donner gerührt. Mit Wiederworten hatte er eigentlich in anbetracht der Situation nicht gerechnet. „Erstens habe ich von Oberst Sprik die befehle erhalten, im Zweifelsfall die Stellung zu halten und zweitens werden die Stahllegionäre bestimmt keinen der ihren zurücklassen!“ „Verstehen sie doch Junge! Ihren Leuten ist nicht mehr zu helfen. Und außerdem fliegt uns in wenigen Stunden hier alles um die Ohren! Wir haben keine Zeit für solche Überlegungen! Ich befehle ihnen, die Fahrzeuge einsatzbereit zu machen!“ Oberleutnant John stand nun auf und schlug fest auf den Tisch, an dem sie saßen, seine Stimme wurde viel fester und lauter: „Ob es noch Überlebende gibt, können sie nach solch einer Mission wie der ihren doch gar nicht bemessen! Und außerdem sind sie kein Sohn Armageddons, sie haben keinerlei Befehlsgewalt über mich!“
    „Er vielleicht nicht, aber ich schon.“ Die beiden Offiziere wandten sich fast synchron zur Tür um, um dort einen Imperialen Lordkommissar in ganzer Pracht und Größe zu sehen. „Und wer sind sie, wenn ich fragen darf?“ „Mein Name ist Lordkommissar Kirov und ich bin hier, um die Ausführung der Befehle des örtlichen Befehlshabers durch zu setzen, welcher nach der Rangfolge nun Major Rossmann sein dürfte. Hören sie mir jetzt gut zu Oberleutnant Casius John von Armageddon. Sie werden alle Fahrzeuge mobil machen und die Rheinländischen Einheiten bei der Verladung so gut wie möglich unterstützen. Sollten sie sich in irgend einer Weise als Inkompetent für diese Aufgabe erweisen oder sogar als unkooperativ, werden sie umgehend die Konsequenzen für ihr handeln tragen und ich werde sehen, ob es ihr Stellvertreter besser kann. Haben wir uns verstanden?“
    Im Gegensatz zum Rheinländischen Militär, kannte man auf Armageddon die bedeutung eines Kommissars sehr wohl. Oberleutnant John schluckte seine Wut, Trauer und Verzweiflung runter, salutierte und verschwand im Laufschritt aus dem Raum.
    „Ich denke ich muss ihnen danken Lordkommissar, dass sie die Vorgänge beschleunigt haben. Gehe ich recht in der Annahme, dass Major Rossmann nun mit der Hauptstreitmacht eingetroffen ist?“ „Die Hauptstreitmacht ist zwar da, aber unter Oberleutnant Kraft. Major Rossmann kümmert sich um Probleme mit der Nachhut und hat mich nur mit Kraft los geschickt, weil er mit solchen Schwierigkeiten gerechnet hat.“ Von Steinberg wusste nicht, was er antworten sollte, daher beschloss er, sich zusammen mit Kirov umgehend um die Verladung seiner Männer zu kümmern.


    Die Spuren verdichteten sich, um diese Aussage treffen zu können, musste man kein Inquisitor sein. Rossmann stand förmlich in Leichen, was ihn aber nicht weiter kümmerte, da es sich fast ausschließlich um Feinde handelte. Koch mochte vielleicht auf Aussenstehende primitiv wirken, doch die Umgebung bewies wieder einmal, dass Rossmann es besser wusste. Koch hatte zum genau richtigen Zeitpunkt einen Gegenangriff von enormer Gewalt auf den Feind los gelassen. Zwei feindliche Wellen hatten sie auf ihrem Rückzug fast komplett zerschlagen, allein dadurch hatten sie den Kultistenabschaum wohl schon gewaltig verunsichert, als Koch dann jedoch die dritte Welle mit seinem Gegenangriff mehr oder weniger aufrollte, brachte er dadurch alles in Panik.
    Der Alte schätzte die Effektivität von Kochs Gegenangriff sogar derart ein, dass, wenn er noch lebte, jetzt wohl sonst wo sein mochte.
    „Herr Major, was sollen wir jetzt machen?“, Kemplers frage war berechtigt, doch der Alte konnte ihm nicht sofort eine Antwort geben. Die nächsten Worte mussten gut überlegt werden. Wenn sie Koch zu weit folgten, liefen sie in Gefahr, dem Feind in die Arme zu laufen oder es nicht mehr rechtzeitig zu den Chimären zu schaffen. Wenn Rossmann aber jetzt umdrehte, bestand die Möglichkeit, dass sie Koch und seine Leute, wenn sie noch am Leben waren, dem sicheren Tod zu überlassen. Ein kurzer Blick, auf sein Handchronometer, entschied schließlich den inneren Disput des Majors: „Wir werden noch bis zur zweiten Rauchsäule dort hinten vorrücken, wenn wir bis dorthin keine Anzeichen dafür ahben, das Koch noch Lebt, drehen wir wieder...was ist das?“ Mitten im Satz abgebrochen, fing Rossmann an, intensiv zu lauschen. Motorenlärm aus dem Osten!
    „Alle Mann in Deckung, keiner schießt ohne meinen Befehl, wenn es Aussichtslos ist, müssen wir erst einen Teil von ihnen durchlassen.“ Ohne einen Mucks verschwanden fast einhundert Rheinländer in den Ruinen am Rande der Straße.
    Der Lärm kam langsam näher, und dank der Stadtplaner dieses Mistloches, konnten die Verursacher nur diese Straße nehmen. Panzerabwehrwaffen wurden leise Scharf gemacht und Granaten bereitgelegt. Sie waren vorbereitet, dachten sie zumindest. Als die Geräusche immer näher kamen, konnte Rossmann die ersten Zuordnungen machen. Er tippte auf leicht gepanzerte Spähwagen und LKWs. Wenn dem so war, hatten sie es wohl mit der Feindlichen Vorhut zu tun, was wiederum bedeuten würde, dass Koch es nicht geschafft hatte. Bei diesem Gedanken hielt Rossmann sein Schwert noch fester in der Hand.
    Als schließlich der erste leichte Radpanzer in die Straße einbog, war die Spannung der Männer fast greifbar, nur um schon im nächsten Moment unglaübiger verwunderung zu weichen. Was dort in der Straße einbog war zwar zweifelsohne ein Fahrzeug des Erzfeindes, auch wenn einige wichtige Details anders waren. Alle häretischen Symbole waren mit Blut oder Dreck überdeckt, Banner waren abgebrochen worden und die Grausigen Trophäen, mit denen der Erzfeind seinen Fuhrpark normalerweise schmückte, waren entfernt worden und durch neue, grausige Trophäen ersetzt worden, wenn Rossmann nicht alles täuschte, handelte es sich dabei um die ehemalige Besatzung. Der jedoch wohl auffälligste Unterschied, war Hauptmann Koch, der lässig auf dem Panzer saß und sich an den Turm des Fahrzeugs lehnte.
    Rossmann war gelinde gesagt mehr als überrascht, über die Wende der Ereignisse. Kaum trat er aus den Ruinen auf die Straße, ließ Koch den Panzer auch schon umgehend anhalten.
    Koch sprang vom Fahrzeug ab und lächelte Rossmann schief an, offensichtlich verdammt stolz auf seine Leistung. Das Koch lächelte, konnte Rossmann in der tat sehen, weil Koch seine Gasmaske abgesetzt hatte um eine der dicksten Zigarren zu rauchen, die Rossmann in den letzten Dekaden gesehen hat.
    „Herr Major, was machen sie den hier? Ich dachte, sie wären schon mit dem Rest am Rückzugspunkt.“ „Erstens, sie haben strikt gegen meine Befehle gehandelt, ihren Posten verlassen und dadurch mein gesamtes Bataillon gefährdet. Zweitens, Sie haben feindliches Material akquiriert, welches mehr als offensichtlich vom Chaos berührt ist. Und drittens, sie haben gegen die Rheinländische Kriegsdoktrin verstoßen und mitten in einem mehr als verseuchten Gebiet ihre Gasmaske abgenommen. Ich könnte sie schon für jeden dieser Verstöße umgehend standrechtlich erschießen lassen und je länger ich mich umschaue, desto mehr Verstöße finde ich.“ Kochs Zigarre hing plötzlich lose in seinem Mundwinkel und das schiefe grinsen war verschwunden, seine Stimme war etwas kleinlaut: „Und nun Herr Major?“ „Nun? Nun bin ich am überlegen, welche Medaille man so einem dummen Arschloch wie ihnen verleihen darf.“
    Von einem zum anderen Moment brachen beide Offiziere in schallendem Gelächter aus. „Wir sollten zusehen, das wir hier Wegkommen Koch. Wie viele Fahrzeuge haben sie kapern können?“ Genug für sie und ihren Haufen Herr Major.“ Rossmann war erleichtert, dass machte die Sache bedeutend einfacher. Während Kempler und Rever ihre Züge im Eiltempo auf die gekarperten LKWs und Panzer verteilten, so dass alle mitkamen, musterte Rossmann noch einmal Koch während sie beide auf dem ersten Panzer saßen. Während Koch selbst in Hochstimmung zu sein schien, war seine Ausrüstung in erbärmlichen zustand. Man konnte nur erahnen, wie heftig die Nahkämpfe gewesen sein mussten, die all die Risse, Wunden und Verbrennungen angerichtet hatten. Plötzlich blieb Rossmanns Blick auf einem großem, goldenen Objekt hängen. Es war offensichtlich eine Maske oder ein Helm, in dem sich scheinbar immer noch ein Teil seines Vorbesitzers war. Mittlerweile hatte sich die Kolonne in Bewegung gesetzt, als Rossmann auf den Schädel zeigte: „Was ist das dort Herr Hauptmann?“ Koch, scheinbar verwundert, dass Rossmann seine kleine Trophäe überhaupt bemerkt hatte, antwortete fast beiläufig: „Ach dass, das war son Bastard, den ich unter den letzten Gegnern gefunden hab. Komplett in ner goldenen Rüstung mit ziemlich viel Schnik Schnak dran. Der Hundesohn schien wichtig zu sein und nachdem er meinte, es mit mir aufnehmen zu müssen... Naja, hab mir halt gedacht nimmst n kleines Andenken mit.“ „Gut, das kommt weg. Ich glaube, sie müssen mir mal bei Gelegenheit erzählen, was ihnen passiert ist, aber erst einmal möchte ich eine ihrer Zigarren.“
    „Hier bedienen sie sich Herr Major.“

  • Kapitel 8


    „Wir kamen, wir sahen und wir sprengten ein scheiß großes Loch in den Planeten“
    -Inoffizielles Motto der 2. Kompanie/1. Rheinland-


    Im Moment lief alles gut, fast schon zu gut. Hauptmann von Steinber musste schon gehörig aufpassen, dass er nicht mit sich selbst zu frieden war, weil er aus Erfahrung wusste, dass das die Situation normalerweise schnell zu seinen Ungunsten Kippte. Und trotzdem, wenn er auf den Zeitplan schaute, waren sie einfach nur gut.
    Mehr als die Hälfte der Männer und des Geräts waren mitlerweile in den Chimären und wenn weiterhin alles glatt lief, dann würden in den nächsten Minuten die ersten voll bepackten Chimären über die Imperiale Hochstraße dieses verdammte Grab Richtung Westen verlassen, gefolgt von vielen weiteren. Die Truppe an sich war den Umständen entsprechend relativ guter Laune. Zwar drückte die Abwesenheit von Major Rossmann die Stimmung etwas, aber die Offiziere konnten die Auswirkungen noch im Rahmen halten. Ein Risikofaktor blieben aber immer noch die Stahllegionäre. Die Moral der knapp hundert Mann war verständlicherweise am Boden zerstört. Tausende ihrer Kameraden und Freunde waren Tod und selbst wenn noch jemand von ihnen Leben würde, war es ihnen nicht möglich, sie noch heraus zu hauen. An diesem Punkt war Steinberg heilfroh, dass ihm ein erfahrener Lordkommissar und sein motivierter Junior zur Seite standen. Er wollte sich gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn Kirov die Stahllegionäre nicht zusammenhalten würde. Wahrscheinlich müssten sie sich die Chimären gewaltsam holen.
    Von Steinberg stand im Moment am Großen Tor des Bunkerkomplexes und beobachtete wie ein Panzer nach dem anderen an ihm vorbei rauschte. Er brauchte keine Befehle mehr zu geben, da jeder wusste was er zu tun hatte, was ihm die zeit gab, auf den Major zu warten. „Ob er es wohl geschafft hat?“, von Steinberg schreckte zusammen. Er war mittlerweile so erschöpft, das er gar nicht bemerkt hatte, wie Kraft sich neben ihn gestellt hat. Steinberg hatte Kraft nicht mehr gesehen, seit er mit der Hauptstreitmacht und Kirov eingetroffen war. Eine kurze Befehlsübergabe und dann war Kraft auch schon mitten im Getümmel verschwunden um die Verladung zu koordinieren schien mittlerweile fertig zu sein. „Der Major ist schon aus viel größeren Schwierigkeiten wieder heraus gekommen, warum sollte er diesmal auf der Strecke bleiben? Etwas mehr Zuversicht Kraft!“ Kraft nickte bloß. „Die Männer sind müde Herr Hauptmann.“ „Ich weiß Kraft, uns geht es ja nicht besser. Aber wenn der Imperator es will, haben wir es ja bald hinter uns.“


    Aus einer gemütlichen Fahrt zum Evakuierungszentrum war eine Halsbrecherische Hatz durch die Ruinen von Goldtorstadt geworden. Wie konnte dass nur passieren? Diese Frage schoss Major Rossmann immer wieder durch den Kopf, während er krampfhaft versuchte sich am Schützenpanzer fest zu halten.
    Sie hatten gerade einmal die Hälfte des Weges geschafft, als plötzlich unverhofft der letzte Wagen ihrer Kolonne samt Besatzung in die Luft flog. „Mienen!“ hallte es ein paar mal zwischen den Fahrzeugen, aber wirklich nur ein paar mal. Ungefähr so lange, bis ein Schützenpanzer, ganz ähnlich dem, an dem Rossmann sich nun festklammerte, das brennende Wrack seines Opfers bei Seite schob um sich sein nächstes Ziel zu suchen. Sie entkamen dieser Situation, durch einen geistesgegenwärtigen Sturmpionier, welcher sich zusammen mit einigen Sprenggranaten für das Große und Ganze opferte.
    Im Nachhinein war es ziemlich töricht von Rossmann zu glauben, dass knapp ein hundertzwanzig Mann die gepanzerte Vorhut eines Millionenheeres im Alleingang ausschalten konnte. Koch hatte es zwar geschafft, den Gegner kurzzeitig aus der Bahn zu werfen, weil dieser nicht mit einem Gegenangriff rechnete, nun kam er aber mit doppelter Stärke auf sie zu.
    Die Fahrer des Konvois gaben wirklich alles. Sie nahmen Kurven mit dreißig Tonnen schweren Schützenpanzern, als wären es Rennwagen auf einer gut ausgebauten Rennstrecke. Dadurch gewannen sie mit Glück etwas Zeit. Vielleicht sogar genügend Zeit, dass Rossmann sich auf dem Weg noch etwas einfallen lassen konnte, wenn er nicht vom Panzer fiel.


    Die letzte Chimäre fuhr an von Steinberg vorbei und er hätte eigentlich hocherfreut über diesen Zustand sein müssen, doch er war es nicht. Alle Einheiten unter seinem Kommando bis auf ihn, Kraft, sein und Krafts Stab, sowie Kirov mit seinem Junior waren nun auf dem weg in Sicherheit. Doch noch immer keine Spur von Rossmann und Koch. Die Fahrer der zwei Chimären (eine für Kraft, eine für von Steinberg und Kirov) wurden langsam nervös: „Ähh, Herr Hauptmann, in zwanzig Minuten haben wir die Todeszone erreicht. Wir sollten langsam losfahren.“ „wenn wir noch zwanzig Minuten haben Soldat, dann warten wir noch zwanzig Minuten, haben sie dass verstanden?“ Der junge Stahllegionär salutierte nervös und zog sich wieder in seinen Panzer zurück. „So ungern ich es zugebe, der Mann hat recht Herr Hauptmann,“ man merkte problemlos, dass Kirov dieser Satz schwer fiel, auch wenn von Steinberg sich nicht sicher war, ob es nur an der Redegewandtheit des Kommissars lag. „Wir warten bis zur letzten...was ist da – VERDAMMT! Volle Deckung! Fahrer richten sie die Waffen aus!“ Der Platz vor dem Bunker war ziemlich übersichtlich, weshalb es selbst für von Steinbergs alte Augen nicht schwer war, die Fahrzeuge am anderen Ende zu bemerken, welche wie ein Heizakult aus den Ruinen hervorbrach. „HALT! Nicht schießen! Verbündete!“, Krafts Augen waren offensichtlich besser: „Das ist der Major!“



    Die Wiedersehensfreude war nur von kurzer Dauer und brach schnell in Hektik aus. Der Alte hatte keine Worte der Begrüßung für seine Männer und die Kommissare übrig, sondern nur einen kurzen, jedoch unmissverständlichen Befehl: „Seht zu, dass ihr in die Fahrzeuge kommt. Wir haben wenns hoch kommt fünf Minuten Vorsprung!“ Es war vollkommen unnötig hin zu zu fügen, vor wem man den Vorsprung hatte. Alles sprintete in die Chimären und die Fahrer ließen umgehend die Ketten rasseln. Es ging raus aus der Stadt und dass mit Vollgas.


    „Wie sieht ihr Plan aus Herr Major?“, die Funkverbindung war durch den Lärm der Panzer mehr als schlecht und Kraft konnte kaum seine eigene Stimme verstehen, geschweige denn die des Alten, aber es half schließlich alles nichts, dann musste man eben lauter sein. „Ich befürchte, dass uns der Feind einholen wird, wenn wir auf der Schnellstraße sind. Auf der anderen Seite können wir uns nicht auf weitere Gefechte einlassen, dafür ist die feindliche Hauptmacht zu nah...“ Eine Funkstille trat ein, welche Kraft in dieser Situation doch sehr irritierte: „Herr Major?“ Kraft schaute sich fragend zu seinem Stab um: „Ist die Funkverbindung abgebrochen?“ „Nein Herr Oberleutnant, der Major fährt nur einhundert Meter vor uns und das gerät läuft auf höchster Leistung. Die Verbindung müsste klar sein. Kraft versuchte es noch einmal: „Herr Major?“ „Kraft, Steinberg! Koch hat mich gerade auf eine Idee gebracht. Wie viel explosives Material haben wir noch?“ Von Steinberg meldete sich fast auf der Stelle aus seiner Chimäre: „Noch etwa zwei Tonnen, wenn wir Minen und schwere Munition dazu rechnen.“ Wieder eine kurze Funkstille bevor der Major sich wieder meldete: „Hervorragend! Koch sagt, dass das mehr als genug ist. Hören sie von Steinberg. Ich will, dass sie die Transporter mit der Munition anweisen, sofort zum Grimaldustor zu fahren, egal wie weit sie schon von der Stadt weg sind. Ich denke sie können mir folgen.“
    Der Groschen war sowohl bei Kraft als auch bei von Steinberg umgehend gefallen. Dass Grimaldustor war das westliche Eingangstor, welches über der Imperialen Schnellstraße thronte. Es war ein überaus imposanter Prunkbau, da er die vierzig Meter hohe und mehr als einhundert Meter breite Schnellstraße, welche auf ihren hohen Säulen schon erhaben über dem Sumpf schwebte, noch einmal um einiges überragte. Wenn man ihn zum Einsturz bringen könnte, würde er ohne Zweifel die Schnellstraße unter sich zerschmettern und eine Verfolgung für mindestens eine Woche unmöglich machen. Eine Woche, die diesem Chaosabschaum nicht mehr bleiben würde. „Von Steinberg, sagen sie ihren Männern, dass sie das Tor entsprechend verminen und einen Zeitzünder anbringen sollen. Fünf Minuten sollten denke ich genügen.“ Als Rossmann die letzten Worte sprach, begann der Funker von von Steinberg schon hektisch damit, die Pioniere in die Leitung zu bekommen.
    Kraft gefiel der Plan, aber er sah auch das Risiko. Er kannte das Grimaldustor noch vom ersten Angriff auf die Stadt und zwei Tonne Sprengstoff würden verdammt eng werden bei so einer massiven Konstruktion.


    Nach etwa sechs Standartminuten kam die durchsage von den Pionieren, dass die Ladung erfolgreich platziert worden war und der Zeitzünder wie befohlen aus fünf Minuten gesetzt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war Goldtorstadt bereits von allen Imperialen Verbänden erfolgreich über die Schnellstraße verlassen worden, von allen Verbänden, bis auf den kleinen Verband vom Major.
    „Wie liegen wir in der Zeit Hauptmann Koch?“ Es war bestimmt schon das dritte Mal, dass der Alte Koch diese Frage stellte, aber Koch war zu fertig um zu meckern: „Das Grimaldustor liegt noch etwa fünfhundert Meter vor uns und noch sieben Minuten, bis wir die Todeszone erreicht haben Herr Major.“ Es hätte in der Tat schlimmer sein können, dachte sich Rossmann. Praktisch gesehen hatten sie es geschafft. Jeden Moment würden sie das Tor passieren und damit auch die erste Todeszone. Zwar würden sie noch lange nicht außer Reichweite der Explosion sein, wenn der Laden in knapp drei Stunden hochgehen würde, aber bis dahin konnten sie noch jede Menge Kilometer auf einer gut ausgebauten Imperialen Hochstraße hinter sich bringen. „Sir, von Steinberg meldet Panzer voraus am Tor!“, der Alte hätte sich in diesem Moment wohl nichts weniger von seinem Funker gewünscht als diese Aussage. „Freund oder Feind? Die können doch unmöglich so weit vor uns sein.“ Von Steinberg schien noch mehr gesehen zu haben: „Von Steinberg meldet befreundetes Fahrzeug, es scheinen die Gardisten von Kirov zu sein.“
    Es waren in der tat die neun Gardisten, welche Kirov mit in die Kampfzone begleitet hatten und die nachfolgenden Gefechte überlebt hatten. Ihre Befehle schienen sie daran zu hindern, die Stadt ohne Kirov zu verlassen, weshalb sie es wohl vorzuziehen schienen, mit ihrer Chimäre zwischen zwei Tonnen tickenden Sprengstoff zu warten. Entweder mit Kirov oder gar nicht.
    Kirov, welcher mittlerweile wohl auch der Situation gewahr geworden war und erkannt hatte, dass die Zeit gegen sie lief, kroch aus dem Turm seines Transportes und Signalisierte seinen Männern die Weiterfahrt.
    Zwei Stunden und vierzig Minuten nach terranischer Standartzeit vor der Detonation des Torpedolagers passierte Major Walther Tiberius Rossmann schließlich als letzte Imperiale Einheit die Stadtgrenze von Glodtorstadt durch das Grimaldustor. Bei dem kleinen Fahrzeugverband machte sich Urplötzlich Erleichterung breit. Der Stress von über zwei Monaten durchgängiger Kämpfe und zuletzt die Belastungen der Flucht fielen wie schwere Steine von den Schultern der Männer und Offiziere. In manchen Transportern brach sogar spontaner Jubel aus und selbst Major Rossmann ließ sich dazu hinreißen, seine vom Kampf gezeichnete Gasmaske abzunehmen um erleichtert frische Luft ein zu atmen.
    Zumindest bis Hauptmann Koch sich zum Major hinüber beugte und ihm mit besorgtem Gesichtsausdruck sein Armbandchronometer zeigte. Rossmann setzte sich umgehend die Maske wieder auf und all die last war wieder da. Er befahl dem Fahrer sofort an zu halten und wieder um zu drehen.


    Die Fünf Minuten waren um und die Bombe hatte nicht gezündet.



    Die Kolonne war relativ schnell wieder am Grimaldustor, unnötig zu sagen, dass keines der Fahrzeuge nicht umgedreht war.
    Kirov hatte zusammen mit einen Gardisten, den Stabsoffizieren und den verbliebenen Sturmpionieren schnell rudimentäre Verteidigungsposition rund um das Tor eingenommen, während Rossmann auf Kochs Analyseergebnis des Zünders wartete. „ Herr Oberst, der Zündkontakt ist total durchgebrannt, muss wohl Feuchtigkeit gezogen haben. Dass Ding hat nur noch Schrottwert.“ Der Alte hatte mit nichts anderem gerechnet. Wenn der Imperator einen schon auf die Probe stellte, dann gab er sich auch jede erdenkliche Mühe dabei: „Welche alternativen haben wir Koch?“ Koch betrachtete kurz den Zünder, den Sprengstoff und seine Ausrüstung, sah dann zurück zu Rossmann und schüttelte den Kopf: „Ich könnte ihn vielleicht wieder in stand setzen, indem ich ein paar Ersatzteile aus einander nehme, aber das würde mindestens eine halbe Stunde dauern, andererseits habe ich noch einen Totmannschalter. Den könnte ich in ein paar Minuten anbringen, aber dann müsste jemand hier bleiben.“ Eine nahe Explosion ließ Rossmann und Koch Richtung Stadt schauen. Die feindlichen Vorrausverbände hatten aufgeholt und griffen nun das Grimaldustor an. „Montieren sie den Totmannschalter an.“
    Nun kam es drauf an. Knapp fünfzig Imperiale Soldaten und sieben leicht gepanzerte Fahrzeuge und Chimären standen am Tor und mussten koch den Rücken frei halten. Rossmann konnte schon auf den ersten Blick sehen, das Kirov die Männer optimal Verteilt hatte und die wenigen Raketenwerfer und Melter gute Schussposition hatten.
    Die ersten Explosionen, die vor und auf dem Grimaldustor niedergingen waren leichte Mörsergranaten. Der Erzfeind hatte anscheinend einige Werfer auf Fahrzeugen montiert und diese in den nahen Ruinen in Stellung gebracht. Der Beschuss schien ungezielt zu sein und verlief nach keinerlei Schema. Bei einer undisziplinierteren Truppe hätten diese paar Explosionen vielleicht etwas bewirkt, die Rheinländischen Soldaten und die Gardisten zeigten sich jedoch herzlich unbeeindruckt und verharrten regungslos in ihren Stellungen. Rossmann betätigte den Helmkommknopf an seiner Maske und funkte Koch an: „Wie lange brauchen sie noch Koch, uns fliegt hier gleich die Scheiße um die Ohren.“ „Noch ungefähr fünf Minuten Herr Major.“, Kochs Stimme war selbst durch seiner Gasmaske und die Funkverbindung noch die Hektik an zuhören. „Ich gebe ihnen exakt drei Minuten Koch und zwar ab jetzt. Mehr Zeit haben wir nicht.“ „Jawohl Herr Major.“
    Kaum war dieses Gespräch beendet, war der erste Feind durch den aufgewirbelten Staub der Mörsergeschosse zu sehen. Eine schwer ramponierte Chimäre mit besudelten Imperialen Hoheitsabzeichen ruckelte behäbig über die Krater der zerbombten Straße. Es war offensichtlich ein ehemaliges Fahrzeug der Stahllegionäre, zumal seine früheren Besitzer noch an den Rumpf getakert waren. Rossmann wollte dem Pionier der mit einem Raketenwerfer neben ihm hockte schon das Zeichen zum abfeuern geben, als er über Helmkomm an gefunkt wurde: „Mit Verlaub Herr Major, könnten sie diesen Bastard bitte uns überlassen.“ Der Alte war zuerst verdutzt, weil er die Stimme die ihn über seine Frequenz ansprach nicht sofort zuordnen konnte. Als dann jedoch mehrere Strahlen hochfrequenter Energie hinter seinem Rücken abgefeuert wurden und die feindliche Chimäre an mehreren strukturellen Schwachpunkten regelrecht durchbohrten, konnte er sich den Rest zusammenreimen. Die Chimäre der Stahllegion, welche die Schüsse ab gegeben hatte rollte von der Brücke und an Rossmann vorbei durch das Tor durch. Immer wieder gab der Panzer strahlen seines Multilasers auf den schon qualmenden Panzer ab und stellte sein Feuer erst ein, als der geschändete Beutepanzer in einer ansehnlichen Explosion überging. Durch die Druckwelle der Explosion wurde für einige wertvolle Augenblicke der Staub beiseite gefegt, welcher schon nach kurzer Zeit durch das Mörserfeuer wie ein Schleier über dem Gelände lag und enthüllte so den Anblick auf die feindliche Infanterie, welche versucht hatte im Schutze der Chimäre vor zu rücken.
    Die nun fehlende Deckung der Chimäre und des Staubvorhangs ließ die Kultisten in ihrem Marsch einen kurzen Moment perplex innehalten, mehr brauchten die verschanzten Imperiumstruppen nicht. Das hohe Kreischen von Lasergewehren und das dumpfe Bellen der Schrotflinten begann sich mit dem Geräusch der fallenden und explodierenden Mörsergranaten zu vermischen.
    Köpfe zerplatzten und Eingeweide wurden auf dem staubigen Boden verteilt. Die erste Salve hatte gleich einen verheerenden Effekt. Vom feindlichen Vorraustrupp war schnell nichts mehr übrig, was man noch entfernt als Mensch hätte identifizieren können. Fast als direkte Antwort auf den Hinterhalt verstärkte sich das Mörserfeuer für eine kurze aber heftige Phase um dann urplötzlich zu verstummen. Der Alte wusste das das nur eines bedeuten konnte: „Achtung Männer, bereit machen für feindlichen Sturmangriff. Lasergewehre auf Schnellfeuer stellen und Handgranaten bereit halten. Jeder der Gnade walten lässt, wird von mir persönlich erschossen!“ Hastig wurden halbvolle Magazine ausgeworfen um durch frische ersetzt zu werden und in Granatenbeuteln gekramt, um die richtigen Waffen griffbereit zu haben . „Koch für Rossmann. Wie weit sind sie Hauptmann?“ Die Helmkomverbindung war mehr als Miserabel, als ob eine Störquelle in der Nähe war, doch Rossmann verstand das wichtigste von Kochs Antwort: „Ich bin fast fertig, vielleicht noch drei oder vier Minuten. Aber da ist noch wa-----“ Ein lautes elektronisches Kreischen ging durch das Helmkomm und dann war nur noch weißes rauschen zu hören. Rossmann war keine zweihundert Meter von Koch entfernt, was beim Imperator konnte so heftige Interferenzen hervorrufen. Rossmann wollte schon grade De Vall rufen, damit der sich um das Komm kümmern kann, als ihm die Stille auffiel. Bis auf das leise Brummen der Chimären am Tor war kein Laut zu hören. Auch Rossmanns Männern schien die Stille langsam auf zu fallen. „Was für eine Scheiße läuft hier?“ Die Frage war in den Raum gestellt. „Das ist nicht Gut Oberst.“ Der Alte hätte vor Schreck fast sein Schwert fallen gelassen. Nicht einmal die Rheinwächter schienen bei der mysteriösen Stille bemerkt zu haben, wie Kirov sich von hinten genähert hatte. „Wie meinen sie das Lordkommissar?“ Kirov schien nur unter größten Anstrengungen sprechen zu können: „Ich hab so etwas schon einmal erlebt...vor vierzehn Jahren auf Kasr Tyrok. Wir müssen hier weg Major. Dringend oder wir sind verdammt!“ „Verdammt? Sprechen sie klarer Kirov! Was ist los?“ Ein feiner faden aus Blut begann aus Kirovs Nase zu fließen. Anstatt zu antworten, zeigte Kirov Bloß in die Richtung aus der der feind kommen musste.
    Ein schwerer Motor war nun aus dem Osten zu vernehmen, ein schwerer Motor, der näher kam und je lauter der Motor wurde, desto unruhiger wurden auch die Männer. Nicht alle musste Rossmann sich korrigieren. Kirov und die Gardisten schien es eher zu paralysieren als zu beunruhigen.
    Die Quelle des Lärms wurde schnell ersichtlich. Ein großes schwarzes Transportfahrzeug kämpfte sich durch die Straße auf das Tor zu. Der Wagen war mit schweren, Panzerplatten überzogen und in etwa doppelt so groß wie ein Leman Russ und an seiner Front konnte man deutlich eine enorme Sturmrampe erkennen, welche wie das Maul der Bestie wirkte. Welche Abscheulichkeit auch immer in diesem Fahrzeug war, hatte es auf jeden Fall nicht eilig ihre Position zu erreichen. Gemächlich rollte es auf sie zu und zermalmte dabei jedes Hindernis auf ihrem Weg.
    Kraft war mittlerweile zur Position des Alten gekommen: „Irgend eine Idee, was das ist Herr Major?“ Rossmann schaute sich Kirov und die nahestehenden Gardisten an und Antwortete Kraft dann: „Wenn ich ehrlich sein soll, weiß ich nicht was da auf uns zu kommt Kraft, aber ich hab da eine ganz miese Vermutung. Sagen sie den Männern, dass sie keine Raketen verschwenden sollen, ich bezweifle dass wir mehr als Beulen machen würden.“ „Wie sehen die Befehle dann aus?“ „Rankommen lassen und niederkämpfen.“
    „Das hatte ich befürchtet:“


    Die Rheinländer gingen auf Posten und die Gardisten soweit sie es noch konnten zumindest in Deckung. Es dauerte nicht lange, bis sich das „Ding“ auf hundert Metern genähert hatte und dann abrupt stehen blieb. Rossmann hoffte insgeheim immer noch, das koch sich endlich melden würde und die Ladung frei gab, aber das Helmkomm blieb Tot. Als sich die schwere Sturmrampe dann öffnete, war dass dann scheinbar zu viel für die meisten Gardisten und sie fielen um, wo sie standen und kauerten. Rossmann prüfte noch ein letztes Mal seine Boltpistole und ließ den Ladebolzen noch einmal schnappen. Mit dem Schwert in der rechten und der geladenen Boltpistole in der linken Hand schritt er dann aus seiner Deckung und trat auf den freien Platz vor dem Fahrzeug, die beiden Rheinwächter an seiner Seite. Wie ein edler General aus den antiken terranischen Legenden stand er dort und schien förmlich eine Herausforderung zu brüllen und sagte doch kein Wort. Als die Sturmrampe dann schließlich zur Gänze geöffnet war, sah man endlich das Grauen, was in dem Ding lauerte. Zehn schrecklich entstellte Kreaturen entstiegen dem Gefährt. Mutanten, wie man sie im Imperium nur selten sieht und wenn, dann auch auf ewig verdammt. Man musste kein Inquisitor sein, um zu wissen, wenn man Psioniker vor sich hatte. Die Energie knisterte förmlich um die verbeulten köpfe dieses Abschaumes herum. Kraft kam die Galle hoch.
    Einer aus ihren Reihen, der mit Abstand Größte trat hervor und zeigte mit einem grausigen Trophäenstab auf den Alten und öffnete einen Spalt in seinem Gesicht, der nur auf den zweiten Blick ein Mund zu seien schien und eine tiefe nässelnd-blubbernde Stimme erhob sich aus den tiefen dieses Monstrums: „Ich weiß wer du bist. Ich kenne deine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, kleiner Diener des Leichengottes. Deine lächerlichen Bemühungen enden hier, denn so will es der Vater des Verfalls, so hat er es mir vorausgesagt. Aber fürchte dich nicht, den dir ist ein besonderer Platz im Garten des Verfalls zugesichert, wenn wir erst mit dir fertig sind.“ Als das Monstrum endete, schien Rossmann keine Reaktion zu zeigen, bis man ein seltsames ungesundes Geräusch aus seiner Maske hörte. Erst als der alte plötzlich die Maske ab nahm, konnte Kraft das Geräusch identifizieren. Der Alte lachte und zwar immer lauter und ausgiebiger. Es schien ihm sichtlich schwer zu fallen, sich für eine Antwort zusammen zu reißen: „Du überschätzt deine Fähigkeiten Bastard. Wenn du wirklich denkst, dass ich mich von ein Paar hässlichen Missgeburten und lächerlichen Zaubertricks aufhalten lasse, dann tut es mir schon fast leid, dich und deines gleich so dumm sterben zu lassen.“ die Abscheulichkeit wollte noch etwas erwidern, doch Rossmann hob seine Boltpistole, ließ den Hahn knallen und sprengte dem Psioniker gleich neben der Abscheulichkeit zielsicher das Hirn weg und setzte sich dann langsam mit den Wächtern in Bewegung. Scheinbar wütend über die Unterbrechung des Protokolls begannen die Psioniker ihr Werk.
    Der Anblick war nur schwer zu ertragen und Kraft musste seine Augen abwenden. Die Energien des Warps materialisierten sich über den Köpfen der Psioniker. blaue und weiße Blitze schossen hin und her, nahmen an Intensität zu und begannen eine Perversion einer Kugel zu Bilden. Kraft spürte, wie ihm das Blut aus der Nase rann. Doch der Alte zeigte sich unbeeindruckt und Marschierte weiter auf die Psioniker zu. Blitze, die die Mutanten wohl nicht mehr unter Kontrolle zu haben schienen, schlugen Kreuz und Quer um den Major in den Boden. An einem Punkt, an dem das Leuchten der Kugel unerträglich wurde, hoben Rossmann und die Rheinwächter ihre Boltpistolen: „Alle Mann volle Deckung und rezitiert die Litanei des gerechten Zornes!“, nach diesen Worte eröffneten die drei Boltpistolen das Feuer. Mit jedem Bolt, der den Lauf verließ, zerplatzte ein Mutantenschädel und mit jedem Totem schien die Kugel instabiler zu werden. Wie ein Mensch, der zu hohe Last auf den Schultern balancierte, schienen die Mutanten die Kontrolle über ihre Schöpfung zu verlieren.
    Von da an dauerte es nur noch wenige Momente, bis ein ohrenbetäubendes Reißen, gefolgt von einem betäubenden Knall die Luft in Schwingungen brachte.
    Der Warp schien seinen Anhängern nicht mehr gnädig zu sein und die Kugel verging in einer beeindruckenden Explosion aus Blitzen und Flaren aus kaltem Licht. Die Rheinländer taten in diesem Moment wahrlich gut daran, auf den Befehl des Alten zu hören und ihre Köpfe unten zu halten. Überall flogen die Blitze umher, explodierten und füllten die Umgebung mit Rauch, Lärm, Hitze und Splittern.
    Als die letzten Blitze vergangen waren und der Rauch sich verzogen hatte war alles anders. Es war als ob ein Schleier gefallen war. Die Luft war frei vom Kampflärm und doch voller Geräusche, fast so als ob die Seele nach Monaten wieder Atmen konnte.
    Die ersten Soldaten, die sich schließlich mit ihren Köpfe aus der Deckung trauten sahen eine Szene, welche noch viele Jahre später die Regiments-legenden prägte. Der Platz, den sich der Alte zuvor noch mit etlichen Mutanten geteilt hatte war durch die Gewalt des Warps pulverisiert worden, doch war er nicht bar jeglichen Lebens. Geschützt von den hohen Turmschilden seiner Wächter, mit dem schwarzen Kreuz auf weißem Grund, stand Oberst Walther Tiberius Rossmann nahezu unversehrt dar. Doch er und die Rheinländer waren nicht die einzigen die den Ausbruch des Warps überlebt hatten.
    Aus den Resten seines ehemaligen Gefolges erhob sich der Anführer der Psioniker. Zwar taumelte er und schien diverse Verletzungen zu haben, jedoch schien er noch genug Kraft in sich zu haben um den Alten mit unverständlichen Beleidigungen zu bespucken. Rossmann trat vor seine Leibwächter, zog sein Schwert und näherte sich mit sicherem Schritt der Bestie. Viele behaupteten später, dass sich zu diesem Zeitpunkt ein grandioser Zweikampf zugetragen hätte, Oberleutnant Kraft sah jedoch etwas anderes. Der Mutant schien plötzlich und zum Trotze seiner Verletzungen
    unheilige Kraftreserven zu aktivieren und rannte mit einer Art Axt auf den Alten zu. Was nun folgte ging schnell. Die Bestie holte im vollen Lauf zum Schlag aus, während Rossmann eine Verteidigungsposition ein nahm. Der Schlag schmetterte Brutal auf den Alten nieder, was diesen jedoch nicht beeindruckte. Er parierte die Axt und drehte sich mit dem Schlag mit, wodurch er hinter die verdutzte Bestie gelangte. Ein blitzschneller Hieb trennte dann den Axt-arm ab. Noch in der selben Bewegung ließ der Alte seine Klinge nach unten sausen und trennte das rechte Bein von der Hüfte ab. Der Mutant viel vor Schmerz und Wut schreiend auf den Boden. Rossmann stellte sich einfach über seinen Gegner: „Und nun stirbst du, Abscheulichkeit.“
    Das Schwert fuhr nieder und der Kopf wurde vom eitrigen Hals entfernt.


    Kaum hatte der letzte Psioniker sein Leben ausgehaucht, war das Komm Netz wieder frei. Eine einzige Nachricht, welche schon viele Male vergebens vermittelt wurde traf endlich ihren Empfänger: „Rossmann für Koch, verdammt nochmal! Hören sie mich? Die Ladung ist fertig!“


    Jeder hatte es gehört, weshalb keine Befehle mehr gegeben werden mussten. Rossmann musste nur noch mit ansehen und prüfen, ob es auch alle zu den Chimären schafften. Plötzlich stutze der Alte, da etwas fehlte. Schlagartig drehte er sich um und musterte kurz die Landschaft, bis er einen schwarzen Lederfetzen fand.
    Kirov hatte es erwischt und der Alte Mann hielt sich seine noch rauchende Brust. „Sanitäter zu mir!“ Rossmann verschwendete keine Zeit: „Verdammt Kirov, was ist passiert?“ Mit müden Augen schaute der alte Lordkommissar Rossmann an. Unter blutigen Husten versuchte er zu erklären, während Rossmann versuchte einen verband um die Brust zu binden: „Ich war nicht richtig in Deckung... Einer der Blitze hat mich wohl erwischt...Hören sie, ich mach es nicht mehr lange...nach all den Jahren will ich auch gar nicht mehr. Nur sie müssen mir eines versprechen..“ Eine schwere Hustenattacke schüttelte Kirov, während Rossmann einsah, dass er nichts mehr tun konnte, die Wunde war zu schwer und zusätzlich noch warpgeboren. Unter letzter Kraft sprach Kirov weiter: „Hören sie mir jetzt gut zu. Ich will, dass sie meinen Junior an die Hand nehmen...ich hab hier seine Beförderung und seine Zuteilung zu ihrem Haufen. Er ist noch nicht so weit, aber ich will im Warp schmoren... wenn er so einem Arsch wie Krieger zur Ausbildung in die Hände fä...fällt... Er ist n guter Junge und wird ihnen...keine Schwierigkeiten machen...“ Unter jedem anderen Umstand hätte der Alte sich wohl eher erschießen lassen, als einen Kommissar in seinem Regiment zu adoptieren, aber Kirovs Augen strahlten trotz seines Zustandes noch immer eine Aura aus, der man unmöglich wieder sprechen konnte. „Ich werds tun Kirov, ich nehme den Jungen. Aber was soll ich mit ihnen machen? Ich kann sie nicht auf diesem Boden zurücklassen!“
    „Ihr Sprengmeister hat doch gesagt...dass der Zünder von Hand betätigt werden muss oder? Geben sie mir das Te...Teil einfach und lassen sie mich in Ruhe...“


    Die Chimären mit den letzten Imperialen Truppen aus Goldtorstadt waren schon knappe vier Kilometer vom Grimaldustor entfernt, als es in sich einstürzte. Kirov hatte sich solange gezwungen nicht zu verbluten, bis er noch miterleben durfte wie der erste Feindpanzer an ihm vorbeifuhr. Die Sprengung des Tores setzte dem Panzer und ihm selbst das Ende. Rossmann hätte wohl für eine Gedenkminute halten lassen, jedoch fehlte ihm die Zeit dafür.



    Um 4 Uhr Standartzeit, fünf Monate nach dem Beginn des großen Sabbatweltenkreuzzuges, ließ Major Rossmann vom ersten Rheinland, welcher zum Rest seiner Truppe aufgeschlossen hatte das erste Bataillon halten. Die Sonne stand hoch am Himmel, während sich die ungefähr neunhundert Überlebenden sich auf der Straße versammelten um zu dem Ort zurückzublicken, für den sie die letzte Ewigkeit ihres Lebens geblutet hatten.
    Der Alte schaute noch ein letztes mal auf die Anzeige seines Chronometers. Die Zeit war abgelaufen.
    Ein gewaltiger Blitz hüllte die Rheinländer in gleißendes Licht. Insgesamt fünfzehn Torpedos der Glorius Klasse mit taktischem Plasmasprengkopf explodierten fast gleichzeitig mit der Energie einer kleinen Sonne. Noch bevor jemand auch nur ein Geräusch hörte, war sämtliches Leben in Goldtorstadt ausgelöscht. Die Streitkräfte des Erzfeindes, welche sich seit Wochen in der Stadt gesammelt hatten, um Macaroths Flanke zu treffen, konnten nicht einmal erahnen, welche gewaltige Energie ihre Existenz beendet hatte.
    Rossmann hatte über zweihundert Kilometer zwischen sich und Goldtorstadt gebracht und war doch überrascht von der Gewalt, die sein handeln mit sich brachte. Als die Schall und Druck Wellen über sie grollten, blieb ihm der Atem Weg und das alleinige Ausmaß der Explosion war gigantisch. Hunderte von Kilometern schraubte sich der Staubpilz über die Stadt und die Rheinländer waren einfach nur erleichtert, das es vorbei war.

  • Kapitel 9


    „Der größte Feind eines vorbildlichen Offiziers findet sich immer noch in den eigenen Reihen“
    - Oberst Johann De La Rey, 1.Rheinland-


    Die Sache stank zum Himmel, dass wusste der Alte. Sie waren kaum vor einen halbem Tag im Hauptquartier der Ostfront angekommen, da wurde er schon zum stellvertretenden Befehlshaber des ganzen Feldzuges, Generalleutnant von Krueger beordert. Er hatte sich noch nicht einmal waschen , geschweige den seine Uniform tauschen können, so schnell ging alles, nur um jetzt im Vorraum von Kruegers Büro zu warten.
    Was die ganze Sache so ungewöhnlich machte war, dass von Krueger nicht einmal direkt für ihn zuständig war, also das diese Order gegen den normalen Dienstweg war. Von Krueger war der Stellvertreter von Marschall Macaroth und als solcher nicht für die Vorgänge an der Ostflanke zuständig, doch scheinbar hatte er wohl den Bericht des Alten in die Finger bekommen, da er extra wegen ihm angereist war. Rossmann war von Krueger schon einige Male begegnet, als er mit Oberst de La Rey zu den Stabsgesprächen der Kreuzzugsvorbereitungen ging und wenn man eines über den Typen sagen konnte, dann dass er mit Abstand ein Riesenarschloch war. Der Kerl war einer der Offiziere, die sich nur um Ergebnisse und Orden kümmerten und wenn durch seine Befehle ganze Frontbereiche gefährdet wurden und Tausende ihr Leben ließen, dann war es ihm mehr als Recht, wenn die Ziele erfüllt wurden. Von von Kruegers Sorte gab es im Imperium leider viel zu viele und dieser hatte aus irgend einem Grund auch noch einen besonderen Groll auf Rheinländer. De La Rey schien damals sogar zu wissen warum, sagte es Rossmann aber nie.


    Nachdem man ihn eine halbe Stunde warten ließ kam endlich ein Stabsfeldwebel aus dem Büro und bat ihn hinein, jedoch nicht ohne Rossmann vorher Maske, Schwert und Pistole abzunehmen. An diesem Punkt wurde aus Rossmanns Ahnung eine Bestätigung. Irgend etwas war definitiv nicht in Ordnung. Im Büro selbst war es äußerst stickig und schwül, zumindest für jemanden, der die letzten vier Monate im Feld verbracht hatte. Der Raum war ein knapp bemessener Standardraum nach Imperialer Armee Baukunst. Vier Betonwände, vollgestopft mit Bücherregalen und Kartenmaterial, ein Holotisch in der Mitte des Raumes und hinter einem massiven Panzerglasfenster der Schreibtisch des Kommandanten. Es waren nicht viele Personen im Raum. Als Rossmann sich einmal umschaute erkannte er lediglich zwei Gardisten an der Tür, den Stabsfeldwebel der ihn hinein ließ und zwei Offiziere, von denen der eine am Schreibtisch saß und der andere daneben stand. Der Stehenden war der Oberste Hetmann Catorius, seines Zeichens Befehlshaber der Ostflanke und nach Oberst De La Rey Rossmanns direkter Vorgesetzter. Catorius war in den Rängen der Remourburger so weit aufgestiegen, dass ihm die Kontrolle über die relativ kleine Ostflanke zugetraut wurde. Er war kein besonderer Offizier. Nicht besonders schnell von Begriff, nicht besonders freundlich, nicht besonders gutaussehend, aber er machte den guten Job eines Standardoffiziers. Der sitzende Mann war von Krueger. Ein ekelhafter fettleibiger Kerl in schwarz grüner Uniform mit goldenen Verzierungen. Eine große rosa Narbe zog sich über sein fleischiges Gesicht, welche er sich jedoch nicht im Kampf sondern beim saufen geholt hatte. Eine etwas zu kleine Generalsmütze bedeckte seine filzigen Haare.
    Rossmann salutierte Ordnungsgemäß und ratterte die Formalitäten runter, da er wusste, dass der Fettwanst viel Wert auf so etwas legte. Als alles erledigt war, begann von Krueger zu sprechen: „Sie wissen warum sie hier sind.“ Der Alte überlegte kurz und kam zu keiner Antwort: „Ehrlich gesagt ist mir der genaue Grund nicht bekannt Herr Generalleutnant, aber ich vermute, dass es etwas mit den Vorkommnissen in Goldtorstadt zu tun hat.“ Von Krueger nickte kurz und winkte seinem Stabsfeldwebel zu. Erst jetzt viel Rossmann auf, dass Catorius Gesicht eine Mischung aus Nervosität und Mitleid widerspiegelte. „Exakt Herr Major. Nachdem ich durch einen Zufall ihren Bericht zu Augen bekam fuhr ich sofort hierher um mir den Schuldigen persönlich an zu sehen.“ Rossmann dachte er hatte sich verhört: „Den schuldigen Herr Generalleutnant?“ „Spreche ich undeutlich!?“, bellte der Fette nur. Der Feldwebel reichte Krueger einen bogen Pergament. „Ah hier haben wir ja die Anklage.“ er räusperte sich kurz: „Major Walther Tiberius Rossmann, ihnen wird hiermit durch die macht des Kreuzzugstabes und des geehrten Kommissariats folgendes zur last gelegt: schwere Befehlsverweigerung, schwere Feigheit vor dem Feind, Hochverrat und mutwillige und bewusste Vernichtung kriegswichtiger Materialien in einem Wert, der von den Adepten des Munitoriums noch nicht festgelegt werden konnte. Ihre Kriegsgerichtsverhandlung wurde vor einer Stunde beendet, mit dem Ergebnis, dass sie Morgen durch ein Erschießungskommando zum Tode verurteilt werden. Haben sie noch etwas zu sagen?“
    Rossmann viel aus allen Himmeln. Er hatte erwartet, dass sein Handeln Folgen haben würde, aber dass? „Das kann doch nicht ihr Ernst sein Krueger!“ Der Alte bekam einen heftigen Kolbenschlag in die Seite, der ihn zu Boden schickte. „Auch noch fehlender Respekt vor einem Vorgesetzten? Das heißt Generalleutnant von Krueger sie Wurm. Wissen sie was? Dafür können sie auch noch die Peitsche schmecken. Schaffen sie diesen Verräter weg Feldwebel. Ich will ihn vor Morgen nicht mehr sehen.“


    Am nächsten Morgen wachte der Alte mit dem Geschmack von Blut im Mund auf. Vielleicht hätte er gern gedacht, dass alles nur ein böser Traum war, doch die Tatsache dass er mit Ketten an der Wand aufgehängt war, ließ ihn nicht lange über seine Situation Nachdenken. Er fühlte sich verraten und verkauft. All das hatte er erfolgreich durchgestanden um hier zu enden?
    Die Zellentür öffnete sich und ein vermummter Soldat trat ein: „ Aufstehen Major, zeit für ihr letztes Bad.“ Erst nachdem ihn der eiskalte Wasserstrahl traf, viel ihm auf, dass er nackt war. „Der Generalleutnant will ja nicht, dass sie bei ihrem letzten Auftritt aussehen wie ein Schwein. Nachdem der Soldat fertig war, lösten sich die automatischen Fesseln und man warf ihm einige Klamotten hin. Es war seine Uniform, jedoch hatte man die Rangabzeichen grob herausgerissen.
    Grobe Hände zerrten an ihm und drei Kommissariatsgardisten schleiften ihn aus dem Gefängnis auf den Platz. Es war wohl gerade Mittag, da die Sonne den Alten blendete. Es ging alles ohne viel Tam Tam und zumindest darüber war Rossmann glücklich. Weitere Demütigungen hätten ihn wohl mehr getroffen als Laserstrahlen. Ohne Kommentar wurde er an einem Pfahl vor einer durchlöcherten Mauer gebunden. Ein Priester bespränkelte ihn an teilnahmslos mit etwas Weihwasser und man band ihm ohne zu fragen eine Augenbinde um. Es ging geradezu ungewöhnlich schnell. Keine Verlesung der schuld, keine Absolution nicht einmal ein letztes Essen, welches einem ffizier zustand.
    Eine raue Stimme brüllte bloß: „ANLEGEN ZIELEN.“
    und dann geschah etwas, mit dem Rossmann nicht mehr gerechnet hätte. Eine Andere, noch rauere Stimme brüllte dazwischen: „Der erste der den Abzug betätigt ist ein Toter Mann. Feldwebel, befreien sie bitte den Major.“ In einem kurzen fürchterlichen Moment befürchtete der Alte, das einige seiner Leute eine Dummheit machten und somit nicht nur ihn, sondern auch sein Regiment verdammten, doch es kam alles ganz anders. Als ihm schließlich die Augenbinde abgenommen wurde schaute er auf das Gesicht eines jungen Feldwebels in strahlend weißer Uniform, der nur vom Kreuzzugskommando kommen konnte. Und er war nicht allein. Mehr als dreißig dieser Soldaten wuselten auf dem ganzen Platz umher und hielten sein Erschießungskommando in Schach. Ein alter Mann in der Uniform eines hohen Stabsoffiziers kam auf ihn zu: „Major Rossmann, mein Name ist Generalleutnant Barthol van Voytz und ich bin hier um sie vom Marshall persönlich für ihr Handeln zu beglückwünschen.“



    Epiloge


    Nach den Vorkommnissen in Goldtorstadt dauerte die Kampagne auf Indrid nur noch zwei Wochen an. Durch die Sprengung der Stadt und der in ihr befindlichen Truppen konnte die einzige erfolgversprechende Operation des Erzfeindes vereitelt werden, was seinen Bemühungen und auch seinen Reserven das Rückgrat brach. Vorsichtige Schätzungen beziffern die Zahl der bei der Explosion vernichteten Kultisten auf weit über fünfhunderttausend. Männer, die bei der Verteidigung der Hauptlinie im Norden fehlten.


    Nach seiner umgehenden Freisprechung vor dem Erschießungskommando kehrte Major Rossmann mit seinem Bataillon zum Rest des ersten Rheinlands zurück und unterstellte sich wieder dem Kommando von Oberst De La Rey, jedoch nicht für lange. In Anerkennung der Hilfe, die das erste Rheinland für Macaroths Feldzug auf Indrid geleistet hatte, versetzte der Marschall Oberst De La Rey in seinen Stab. Der freigewordene Posten des Regimentsführers wurde unter allen Ehren an den zum oberst beförderten Rossmann übergeben.

  • Prolog


    Tief unter der Erde lag die Kammer in Dunkelheit. Dies war schon seit mehr als einer Dekade so und würde wohl auch nach diesem Tag für mindestens eine Dekade so sein, da nur sehr wenige jemals sehen sollten, was sich in dieser Kammer befand. Doch an diesem Tag war es anders, da die Wächter der Kammer das Licht einließen. Das Licht enthüllte das, was die Dunkelheit für immer verstecken sollte. Die Verehrteste von allen. Die, die alles erreicht hatte, nur um sich an der Sonne ihre Schwingen zu verbrennen um so tief zu fallen, dass ihre Schwestern den Sturz nicht mehr ertragen konnten. Fern vom Licht der Sonne wurde sie von ihnen versteckt und in schwere Ketten gelegt. Zu verehrt um sie zu töten, jedoch auch zu verachtet um sie am Leben zu lassen, wurde sie zwischen archaische Technologien gesperrt, die ihre Abnormität kontrollierten, mit einer Waffe, die immer auf ihr Herz gerichtet ist.
    Eine Gestalt trat in das gleißende Licht, dass den Raum flutete, doch die Gefallene konnte durch so etwas nicht geblendet werden. Ihr Mund öffnete sich zum ersten Mal seit einer Dekade, als sie die Person erblickte und entließ eine Stimme, die nicht gewöhnt war zu erklingen: „Schwester Damokles, welch eine Ehre.“
    Schwester Damokles rümpfte als Antwort nur die Nase ob des psionischen Gestanks der in der Luft lag. Zwei andere Schwestern traten vor und richteten ihre Bolter auf die Gefallene. „Du hast etwas zu sagen, also sprich!“, Damokles Ton war fest. Die Gefallene nickte: „Er wird bald kommen wie es Prophezeit war. Er wird brauchen, was ihm gehört und er wird uns helfen. Wenn er auf seinem Weg scheitert, dann werden wir Sie nicht wieder sehen. Er wird bald kommen.“ „Wer wird bald kommen?“
    Die Augen der Gefallenen begannen blaues Licht zu Weinen und ihre Stimme wurde fest, kräftig und hallte stark von den Wänden wieder. Die Wachen hoben ihre Waffen.
    „Ihr General wird kommen.“




    Heilige Spuren


    „Nach dem großen Erfolg der Operation Redrake stand für Kriegsmeister Slaydo das Tor zu den Sabbatwelten offen. Die frisch eroberten Planeten der Newfound Traiding Group wurden schon nach kurzer Zeit zu einem gigantischen Durchmarschlager für Imperiale Truppen und stellte somit den Ausgangspunkt für die Operation Newfound, in deren Verlauf die nächste Invasionswelle durchgeführt werden sollte.
    Viele große Schlachten gingen im verlauf der Operation Newfound in die Imperiale Geschichtsschreibung ein. So das Wunder Sverren, die Schlacht um die blauen Sümpfe von Ashek II oder die Belagerung der Metio Makropolen von Fornax. An dieser Stelle darf jedoch auch nicht der harte Kampf um Cociaminus und vor allem seinen bewohnten Mond Sabbit I vergessen werden…“
    -Aus „Geschichte der späteren Imperialen Kreuzzüge“-



    Kapitel 1
    Sektor: Sabbatwelten, Newfound Trailing Group
    Position: Mobile Raumstation „Gnadenlos“, An Bord der „Gloria Deus“
    Zeit: 756. M41


    Kommissar Ludger Nietfeld schritt durch den stets leeren, vielleicht sogar vergessenen Versorgungsgang, wie er es in letzter Zeit so oft tat. Seine schweren Schritte hallten durch den langen Gang und sein nagelneuer schwarzer Kommissarsmantel knirschte noch leise bei jeder Bewegung, da das Leder sich noch eintragen musste. Und der Mantel war nicht das Einzige, was sich noch eintragen musste.
    Kirovs Tot in Goldtorstadt hatte Nietfeld hart getroffen. Der alte Mann war auf seine Art und Weise die erste Bezugsperson seit dem Tot seiner Eltern, welche er nie gekannt hatte und er dachte oft an ihn. Kirov stand ihm bei Problemen immer zur Seite und aus seinem Umgang mit anderen Kommissaren wusste Nietfeld, dass er mit dem Lordkommissar als Ausbilder riesiges Glück gehabt hatte. Er hatte eine strenge, dafür jedoch sehr gerechte Lehre erhalten und dafür dankte er dem Imperator. Das einzige Problem war nur, dass sie viel zu kurz war. Nietfeld war gerade einmal dreiundzwanzig Standardjahre alt und hatte schon seine Feldbeförderung zum Kommissar erhalten. Die meisten Juniorkommissare erhielten ihren Mantel, wenn überhaupt, erst mit Anfang dreißig und dass war schon ziemlich früh.
    Nietfeld hielt kurz in seinem Schritt inne um die Mütze ab zu setzen um sich die juckende Kopfhaut zu kratzen. Auch die Mütze war noch lange nicht eingetragen und zerzauste jedes Mal sein dichtes rabenschwarzes Haar. Das Kirov ihn so früh die Beförderung zugesprochen hatte konnte Nietfeld ja noch verstehen. Der alte Lordkommissar hatte ihm bei mehr als einer Gelegenheit gesagt, dass er eher sterben würde als seinen Junior einem dieser Arschlochkommissare zu überlassen. Was Nietfeld jedoch nicht verstehen konnte war seine dauerhafte Versetzung zum ersten Rheinland als Kirovs letzte Amtshandlung vor seinem Tot.


    Mittlerweile waren gute fünf Monate vergangen, welche das erste Rheinland hauptsächlich an Bord der Gloria Deus im Transit von einem Sammelpunkt zum nächsten verbracht hatte und in dieser Zeit hatte Nietfeld das Regiment schon ziemlich gut kennen gelernt. Das erste Rheinland war ein Sturmregiment, dazu erdacht Belagerungszuständen stand zu halten und/oder sie durch einen starken Angriff zu beenden. Für diese Aufgabe war das zwölftausend Mann starke Regiment im Gardevergleich überdurchschnittlich gut ausgerüstet. Gasmasken im Krieg-Schema, schutzoptimierte Armaplastpanzer, hochwertige steingraue ABC-Mäntel und MK V Lasergewehre mit Trommelmagazinen gehörten zur Standardausrüstung jedes Infanteristen. Dazu kam dann noch eine Scoutkompanie mit einigen Sentinels, eine Kompanie Sturmpioniere, die nach Nietfelds Meinung fast mit Gardisten austauschbar waren, sowie ein ganzes Batallion Sturmpanzer vom Typ Leman Russ Demolisher, was für ein Infanterie Regiment besonders merkwürdig war. Nietfeld hatte mit Kirov schon bei einigen Regimentern gedient, jedoch war ihm noch keines begegnet, welches so bis an die Zähne bewaffnet war.
    Auch über die Regimentsgeschichte hatte er schon einiges erfahren. Das Erste wurde vor sieben Jahren auf Rheinland neu gegründet und hatte seitdem fast durchgehende Kampfhandlungen gehabt. Normale Regimenter wären in dieser Zeit schon längst in den Knochenmühlen der imperialen Kriegsgebiete zermalmt worden, Rheinland gehörte jedoch zu den wenigen Welten, welche ihre Regimenter auch fern der Heimat wieder mit frischen Truppen auf Sollstärke brachten, bis es vollkommen vernichtet sein würde.
    Was an dieser Geschichte für Nietfeld noch zusätzlich interessant war, war die Tatsache, dass von den sieben Jahren des Kampfes, bisher nur zwei unter dem Befehl der Imperialen Armee ausgetragen wurden. Hauptmann von Steinberg hatte ihm einmal erklärt, dass jedes Regiment, dass auf Rheinland ausgehoben wird, zuerst einen Militärdienst in den von Rheinland aus verwalteten Systemen, im so genanten Kolonialsektor leisten musste, bevor es an die Imperiale Armee abgetreten wurde. Ein Luxus, den sich Rheinland durch seinen Status als Astartes Heimatwelt leisten konnte. Allgemein schienen die Space Marines von Rheinland, die so genannten Paladine von Rheinland, einen großen Einfluss auf das dortige Militär zu haben. Nietfeld hatte nicht lange benötigt, um zu erkennen, dass die Trainingseinlagen, die Drills und vor allem die Angriffstaktiken deutlich von den Standards der Tactica Imperialis abwichen, was dem Regiment jedoch alles andere als schadete. Aus Einsatzprotokollen vergangener Schlachten ging hervor, dass sich die Taktiken mehr als ordentlich schlugen und die Disziplin war selbst abseits des Kampfes, wo normalerweise die größten Spannungen auftraten, hervorragend und genau an dieser Stelle war Kirovs Problem mit seiner Versetzung.
    Kommissare waren in rheinländischen Regimentern nie vorgesehen. Manche sagten sogar, dass Nietfeld einer der ersten Kommissare überhaupt in der jahrtausende alten Militärgeschichte Rheinlands sei und mittlerweile wusste er auch warum. Er war überflüssig. Sicher hatte er das komplette Recht eines Regimentskommissars, dass konnten sie ihm schließlich nicht absprechen, jedoch hatte er bisher keinen Grund es anzuwenden. In anderen Regimentern hätten Kommissare bei so langen Transitzeiten schon Nachtschichten schieben müssen, um Recht und Ordnung aufrecht zu halten, an Bord der Gloria Deus hingegen war alles ruhig. Er fühlte sich einfach nutzlos und unbeachtet, was zum teil auch daran lag, dass er bisher noch nicht einmal persönlich mit Oberst Rossmann sprechen konnte. Sicher hatte der „Alte“ durch seine Beförderung und die Übernahme des Regiments viel um die Ohren, aber in fünf Monaten kam es trotz Anfrage zu nicht einem Gespräch. Nun, wenn Nietfeld ehrlich mit sich war hätte er wohl auch gar nicht gewusst, worüber er mit dem Oberst hätte sprechen sollen. Praktisch gesehen gab es ja schließlich nichts, worüber er sich beschweren konnte. Er hatte alle Rechte und Pflichten eines Regimentskommissars und sich beim Oberst zu brüskieren, dass die Männer sich gut benahmen und er niemanden erschießen musste war genau genommen ziemlich lächerlich. Die ganze Angelegenheit war äußerst frustrierend für den jungen Kommissar.
    Nietfeld schüttelte noch einmal den Kopf und setzte sich dann wieder in Gang. Vielleicht würde eine Runde auf dem Schießstand ihn auf andere Gedanken bringen.


    Fliegen war eine äußerst angenehme Erfahrung, vor allem wenn man sich in einem so desolaten Zustand wie Leutnant Brinkner befand. Die Luft, die einem am Gesicht vorbeirauscht wie ein Frühlingswind, das Gefühl der Schwerelosigkeit und der Boden, der unter einem hinweg schoss. Schlecht nur, dass eben jener Boden zu schnell näher kam.
    Mit einem stattlichen Aufprall hatte der harte Metalluntergrund Brinkner wieder. Weit über zwei Meter war er gekommen und obwohl er voll wie eine vallhalanische Gebirgshaubitze war, befand er die Kraft und die Technik des Rausschmeißers doch als beeindruckend. „Wenn du dich noch einmal hier blicken lässt, findest du dich in einem Triebwerksschacht wieder, du Zechpreller!“ So gut vielleicht auch seine Beförderungstechnik war, so schlecht waren seine Drohungen. Schwerfällig drehte sich Brinkner auf den Rücken um dem Gentleman ins Gesicht zu schauen und einen gelallten Satz zu formulieren: „Ich glaube, ich hatte einen Hut.“
    Die Offiziersmütze mit Panzereinlage traf ihn ohne einen weiteren Kommentar mit voller wucht ins Gesicht: „Geht doch“, brachte er noch heraus.
    Eine Zeit lang blieb Brinkner einfach liegen, bis er sich aufraffte um zurück zu den Quartieren des ersten zu torkeln. Ihm brummte gewaltig der Schädel und das lag gewiss nicht an dem neuerlichen Kopftreffer. Was war nur mit ihm los? Das war jetzt schon die fünfte Bar auf dem Unterdeck, in der er Hausverbot hatte und das jedes Mal wieder nach dem selbe Schema. Zuerst versoff er nach dem Abendapell seine vom Regiment ausgegebene Ration an Kornbrand, woraufhin er irgendeine miese Spelunke im Unterdeck auf suchte, um dort solange die hiesige Verdünnung zu saufen, bis man ihn raus warf, weil sein Sold weg war. Würde Hauptmann Kraft von seinem neuerlichen Verhalten erfahren oder gar der Alte davon Wind bekommen, wäre er wohl der erste Einsatz für diesen neuen Kommissar. Zumindest hatte Brinkner gehört, dass Kommissare sich um so etwas kümmern. An irgendeiner schimmeligen Kreuzung zweier Versorgungsgänge hielt Brinkner kurz an um sich ausgiebig zu übergeben. Im Nachhinein hätte er wohl aufhören sollen, als die Drinks plötzlich anfingen nach Promethium zu schmecken. Hätte er sich doch bloß nie für diese verdammte Beförderung gemeldet. Es hatte wohl schon seinen Grund, warum kein anderer Feldwebel aus der zweiten Kompanie diesen verdammten Posten als Leutnant des dritten Zuges haben wollte. Die Fußstapfen, die Leutnant Rüter bei seinem Tod auf Indrid hinterlassen hatte waren einfach zu groß, um von ihm ausgefüllt zu werden. Nach dem großen Sieg in Indrids Hauptmakropole und all den Ehrungen, die dem ersten zuteil wurden war er einfach zu siegestrunken und selbstbewusst, um den Vorschlag von Kraft abzulehnen. Sicher, er war immer ein passabler Truppkommandant gewesen, mit einigen Ehrungen und einigen Rügen und er hatte seine Jungs fast immer heil nach Hause gebracht, doch wenn er jetzt eins wusste, dann dass seine Fähigkeiten nicht ausreichend waren, um fast fünfzig frische Rekruten zu befehligen. Zudem lastete noch der Erfolgsdruck auf ihm. Rüter war Zeit seines Lebens ein Paradeoffizier, der fast so schnell aufgestiegen war wie der Alte. Gutaussehend, taktisch genial und eisern in seinem Handeln. Brinkner würde sich in all diesen Disziplinen höchstens als Mittelmaß ausweisen, außer vielleicht in Bezug auf das Aussehen. Mit schüttem braunen Haar und wettergegerbtem Gesicht war der sehnig gebaute Brinkner nicht einmal das.
    Rüter war sogar heroisch gestorben, weshalb Brinkner sich fühlte, als ob die Blicke der ganzen Kompanie auf ihm lagen, vor allem die der überlebenden Soldaten vom Kampf vor der Heilandsbrücke. Er hatte das Schlachtfeld damals live miterlebt, als er unter von Steinberg die Entsetzung durchgeführt hatte. Die acht letztlich Überlebenden hatte richtig übles durchmachen müssen und Rüter hatte sie wohl irgendwie durchgebracht. Nun schien man dasselbe von ihm zu erwarten, Anforderungen, denen er sich nicht gewachsen fühlte. Mann gab ihm vierzig Männer, frisch aus dem Kolonialdienst als Ersatz für die Verluste herangezogen, die keine Ahnung von der Gewalt eines Kreuzzuges hatten und acht verschlossene Veteranen, die seine Befehle wohl insgeheim in Frage stellten.
    Seit geschlagenen vier Monaten versuchte er nun aus diesem Haufen einen effektiven Zug zu machen, aber in jedem Übungsgefecht schienen die Werte schlechter zu werden. Und irgendwann griff er dann zur Flasche. Zugegeben, getrunken hatte er schon immer, immerhin waren die rheinländischen Regimenter einige der wenigen, die Aufgrund der guten Disziplin eigene Feldbrennereien mit sich führten und täglich Rationen austeilten. Diese Rationen reichten aber natürlich nicht, um sich wie er es tat ins Koma zu saufen. Es war dieser billige, gepanschte Unterdecks Schnaps, der es ihm aus irgendeinem perversen Grund angetan hatte.
    Mit diesem Gedanken im Kopf stieß Brinkner in seinem torkelnden Gang zum Quartier plötzlich auf Widerstand und da der Widerstand in deutlich besserer Verfassung als Brinkner war, ging der Leutnant zu Boden. Brinkner wollte schon eine Entschuldigung lullen, als er aufblickte um zu sehen, was er angerempelt hatte. Vor Schreck verlor er fast die Kotrolle über seine Blase, als er Kommissar Nietfeld in voller Uniform über sich stehen sah.



    Oberleutnant Ernst Schenk schaute noch einmal auf sein Chronometer. Der Nachtzyklus war schon zur hälfte rum, aber das machte nichts, immerhin war er mit seiner Arbeit fertig. Fünfundzwanzig Seiten über den Nahrungs- und Übungsmunitionsverbrauch des ersten Rheinlands seit der Ankunft auf der Glorius Deus. Dazu Statistische Aufführungen, tabellarische Gegenüberstellungen bis auf einzelne Musterbeispiele ins Detail heruntergerechnet, Verbrauchsprognosen der nächsten vier Monate und eine komplette Vergleichsaufstellung aller vierzig Kompanien des ersten.
    Dafür, dass er diesen Arbeitsumfang in lächerlichen sieben Stunden bewältigt hatte, ohne irgendwelche Servitoren zur Hilfe zu nehmen genehmigte er sich einen ausgiebigen Schluck Kaffe. Der Oberst würde bestimmt beeindruckt sein, wenn er erfährt, dass er sein Pensum schon heute erledigt hatte, wo Rossmann ihm doch zwei komplette Tage eingeräumt hatte. Schenk schaltete seine Schreibtischlampe aus und steckte die Dokumente in den dafür vorgesehenen Umschlag. Er würde noch eben beim Oberst vorbeischauen, um zu sehen ob er von seiner Besprechung mit Marschall Boromitz von der Raumstation zurück war. Vielleicht hatte er jetzt endlich neue Einsatzorder bekommen. Zugegeben, Schenk war bis jetzt nicht unbedingt böse, dass die letzten fünf Monate abgelaufen waren, ohne dass ihm Kugeln um die Ohren flogen, aber die ständige Ungewissheit war doch etwas belastend. Wenigstens wusste er im Gegensatz zum Großteil des Regiments weshalb sie seit fünf Monaten keinen Schritt auf festen Boden gesetzt hatten.
    Kriegsherr Slaydos Plan war bis jetzt aufgegangen. Operation Redrake hatte zwar hier und da etwas länger gedauert, vor allem auf Indrid, aber der Erfolg war gegeben. Das Kreuzzugsheer hatte es tatsächlich geschafft, den Erzfeind zu überrumpeln und den Fuß in die Tür der Sabbatwelten zu bekommen, bevor diese zugeschlagen werden konnte. Indrid und die drei anderen Planeten waren in der kurzen Zeit schon zu Festungswelten ausgebaut worden um dem Kreuzzug ein sicheres Aufmarschgebiet zu geben, aber der Feind war nun vorgewarnt und plante einen Gegenschlag. Um dies zu verhindern begann Slaydo ein Katz und Mausspiel. Die Feindliche Flotte war zwar alles in allem keine Bedrohung, hätte aber bei einem massierten Angriff auf eine laufende planetare Invasion kurzen Prozess mit den verwundbaren Truppentransportern und ihrer Ladung gemacht. Um dem zu entgehen, verschob Slaydo seine Truppentransporter von einem Systempunkt zum anderen, während seine Flotte erbarmungslos Feindverbände und Schlüsselpositionen pulverisierte. Sobald dann keine Bedrohung mehr für die Transporter bestand, begann die zweite Phase der Invasion mit multiplen Sturmlandungen auf der nächsten Reihe strategisch wichtiger Planeten.
    Als Freund von Strategie und vor allem von Logistik bewunderte Schenk Slaydos Weitsicht und Können. Allein die rechtzeitige Versorgung so vieler Truppen an so vielen ständig wechselnden Standorten mit ausreichenden Mengen an Nahrung war eine unglaubliche Leistung. Weniger große Kommandanten hätten wahrscheinlich bei solch einer Aktion schon längst die Hälfte ihrer Truppen nicht mehr auf der Karte wiedergefunden, weil die Position unbekannt wäre und der Rest wäre wohl verhungert.
    Bei diesem Gedanken musste Schenk über seinen eigenen Humor schmunzeln. Schade, dass die meisten Männer dieser Einheit weder seinen Humor noch seine Ansichten teilten.
    Er trat durch die Tür seines provisorischen Büros um sich mit seinen Akten auf den kurzen Weg zum Quartier des Obersts zu machen, doch kaum war er aus der Tür raus, wurde er auch schon fast umgerannt.
    Ein Riese im grauen ABC Mantel kam gerade noch vor ihm zum stehen. Erst dachte Schenk, dass es wegen der Größe einer der Rheinwächter sein müsste und Rossmann wieder da sei, dann stellte er jedoch fest, dass der Hüne noch ein Stück größer war als die Wächter: „Passen sie doch auf De Vall! Sie Tölpel hätten mich fast über den Haufen gerannt. Was machen sie überhaupt noch um diese Uhrzeit im Offiziersbereich? Wenn Oberst Rossmann nicht hier ist, haben sie hier keine Aufenthaltserlaubnis, ob sie nun sein Komunikationsoffizier sind oder nicht!“ Der strohblonde De Vall schenkte Schenk nur ein müdes Lächeln: „Stell dich mal nicht so an Schenk! Nur weil der Alte dir jetzt mehr Auslauf lässt als De la Rey brauchst du dich hier nicht aufführen wie ein Pommernfalter in der Brunft.“ „Für sie immer noch Oberleutnant Schenk, dass sollten vor allem sie als Stabsfeldwebel nicht vergessen! Außerdem haben sie meine Frage noch nicht beantwortet. Was machen sie hier?“ Für einen heißblütigen Charakter, wie De Vall einer war, musste man ihm seine Geduld hoch anrechnen. „Ich bin auf direktem Befehl von Oberst Rossmann hier, da dieser jeden Moment von seiner Besprechung zurück sein wird oder schon ist“, mit beherrscht ruhigen Ton brachte De Vall diese Worte über die Lippen.
    Schenk und De Vall waren noch nie wirklich gut miteinander ausgekommen. De Vall war ein knallhartes Frontschwein, ein ehemaliger Sturmpionier. Rossmann hatte ihn vor zwei Jahren als seinen Kommunikationsoffizier ausgewählt, weil er sich in einer Schlacht gegen die Orks besonders ausgezeichnet hatte. Enorme Körperkraft, ein ausgeprägter Kampfinstinkt und große Beliebtheit bei der Truppe waren alles Eigenschaften, von denen de Vall reichlich hatte und Schenk wiederum nichts. Schenk hatte noch nie viel davon gehalten, Zeit mit den gemeinen Rängen zu verbringen und konnte Beliebtheit nicht viel abgewinnen.
    Als Sohn einer Offiziersfamilie war Schenk unter de La Rey, wie es ihm zustand, sofort in den Stab des Regiments versetzt worden. Schenk war froh, dass der alte Oberst seine Fähigkeiten schnell verstand. Fast die gesamte logistische Arbeit wurde ihm damals zugetraut und Schenk war stolz, dass er es mit Bravour gemeistert hatte. Zudem hatte de la Rey es immer verstanden eine so wichtige Ressource wie ihn aus den Kampfhandlungen herauszuhalten.
    Als Rossmann dann schließlich das Kommando übernahm, rechnete Schenk schon mit dem schlimmsten. Rossmann war immerhin nie auf einer der angesehenen rheinländischen Akademien gewesen, so wie er. Vom einfachen Infanteristen hatte er sich so weit hoch gearbeitet. Zwar war so eine Leistung beeindruckend, änderte jedoch nichts an der Herkunft des Mannes. Schenks Stammbaum dokumentierte eine mehr als viertausendjährige Militärgeschichte für Rheinland und das Imperium. Oberste, Admiräle, Generäle und sogar zwei Space Marines fanden sich in seiner Vergangenheit. Rossmann hingegen war womöglich aus irgendeiner Untermakropole gekrochen und ist aus Hunger zur Armee gekommen. Man musste sich ja bloß die von ihm gewählten Stabsfeldwebel anschauen um über das Umfeld aus dem er kam urteilen zu können. Da war natürlich De Vall der Funker, grobschlächtig wie seit dem Tag der Einberufung. Dann der lange Brinkmann, der jetzt die Regimentsstandarte hochhalten sollte. Schenk hatte ihn einmal im Nahkampf gesehen und konnte insgeheim kaum fassen, dass Rossmann dieses geehrte Symbol der Ehre und Reinheit einem solch barbarischen Schlitzer in die Hand gab. Dann war da noch Hesse, der Waffenoffizier und Beobachter. Von Hesse wusste Schenk nur die gröbsten Gerüchte, da er erst diesen Posten inne hatte, seitdem Rossmanns alter Waffenoffizier in den letzten Kämpfen auf Indrid gefallen war. Soweit man sagte, sei Hesse wahnsinnig verrückt nach Sprengstoff, ein explosiver Pyromane, der mehr als genug Narben hatte um das auch zu beweisen und was tat Rossmann? Er hatte ihm einen verdammten Granatwerfer in die Hand gedrückt! Und natürlich Stabsarzt Doktor Benedikt Hofer. Nach Schenks Meinung war er der einzige aus Rossmanns Stab mit Verstand. Hofer war schon seit über dreißig Jahren im Dienst und hatte wohl schon so ziemlich alles einmal verbunden, was man verbinden konnte. In der Regel überwachte er die Feldlazarette, doch man fand ihn auch oft genug mit dem Oberst an der Front. Hofer sagte immer, dass es eine alte Angewohnheit aus seiner Zeit als Frontsani sei.
    Zum Glück bewahrheiteten sich die Befürchtungen, die Schenk wegen dieser Neubesetzung hatte nicht. Rossmann stemmte die Übernahme des Regiments alles in allem sehr souverän. Zwar gab es einige kleinere Änderungen, Personal wurde verschoben und anderes Befördert, aber alles in allem ließen sich bis jetzt kaum negative Auswirkungen feststellen. Schenk hoffte, dass das auch so bleiben würde.
    „Also ist der Oberst schon auf dem Rückweg?“ De Vall war sichtlich entnervt: „Sagte ich das den nicht bereits, Herr Oberleutnant?“, die Betonung lag deutlich auf dem letztem Wort. Schenk drückte De Vall den schweren Umschlag mit den Akten in die Hand: „Wenn sie sowieso zum Oberst gehen, dann nehmen sie diese Akten mit!“ „Sehe ich für dich aus wie ein Servoschädel? Du kannst deinen Kram selbst durch die Gegend schleppen!“
    „Nein wie ein Servoschädel sehen sie nicht aus, aber das kann sich sehr schnell ändern, wenn sie weiterhin direkte Befehle von Vorgesetzten missachten!“
    De Vall schluckte alles weitere herunter und nahm widerwillig die Akten entgegen. „Die Daten sind höchst wichtig, verschlampen sie sie nicht!“, mit diesen Worten setzte sich Schenk mit einem zufriedenen Lächeln in Richtung Quartiere ab. Dem Tölpel hatte er wieder zu recht gestutzt.


    Um Schenk nicht den Kopf abzureißen hatte De Vall sich bis an die Grenze zusammen nehmen müssen. Er würde den Alten gleich auf jeden Fall darauf ansprechen, so konnte es schließlich nicht weitergehen, aber für den Moment versuchte er nur dieses Gespräch zu vergessen. Wenn man vor den Alten trat, sollte man sich schließlich etwas zusammenreißen. Rossmann war vor mehr als acht Stunden aufgebrochen, um an der Lagebesprechung auf der Raumfestung teil zu nehmen. Lediglich drei der vierzig Kompanieoffiziere, Hauptmann von Steinberg von der dritten Kompanie, Major Schneider von der vierzehnten und Major Fuchs vom Panzerbatallion begleiteten ihn, was De Vall für eine Lagebesprechung die acht Stunden dauerte, reichlich wenig erschien. Aber er war schließlich aus gutem Grund Stabsfeldwebel und zwar weil er sich über solche Fragen aus Prinzip nicht den Kopf zerbrach.
    Die Tür zu Rossmanns Büro war äußerst Edel, so wie es sich für einen hochrangigen Offizier auf einem so großen Transportschiff wie der Gloria Deus gehörte. Feine Verzierungen umrahmten den eleganten Türklopfer, den De Vall schlicht benutzte ohne sich darum zu scheren, welche Handwerkskunst er in Händen hielt. Einige Sekunden wartete De Vall auf eine Antwort, um dann einfach ein zu treten, als keine kam. Immerhin hatte Rossmann ihm befohlen, in sein Büro zu kommen, dass er schon da sein würde hatte er nicht gesagt.
    Für einen Oberst der Imperialen Armee hatte Rossmann ein erstaunlich schlichtes Quartier. Ein bequem aussehendes Bett, eine edle Waschecke und ein paar Regale waren fest installiert und sorgten für den gehobenen Anspruch, den man an einem solchen Ort erwarten konnte. Der Rest der Einrichtung war jedoch persönlicher Natur. Die Regale waren berstend vollgestopft mit teilweise uralten Büchern über Taktik und Strategie. De Vall wusste durch Hörensagen, dass einige dieser Bücher wohl verdammt viel Asche Wert waren und es gab nur Gerüchte, wie sie in den Besitz des Alten gekommen waren. Teilausgaben der Tactica Imperialis und sogar eine Handgeschriebene Kopie des Taktik Teils des Codex Astartes fanden sich in den Regalen. Im Raum verteilt fanden sich auch einige Andenken die Rossmann, ähnlich wie seinen Schreibtisch schon seit Jahren mit sich rumschleppte. An der Wand hing zum Beispiel sein erstes Kettenschwert, welches er damals zu seiner Beförderung zum Feldwebel bekommen hatte. Ein Ork hatte es auf Elbhafen mit seinem Spalta fast in zwei Teile geschlagen. Den Kopf der Grünhaut hatte der Alte aus Rache dafür ausstopfen lassen und daneben gehangen. Auch ein Boltprojektil, welches sich in Rossmanns Brustkorb gebohrt hatte ohne jedoch zu Explodieren hatte er sich eingerahmt an die Wand gehängt.
    Das auffälligste Stück dieser kleinen Sammlung war jedoch die alte Stoffbahn, an der Rossmann seine Orden aushing. Rossmann hatte sich in zwanzig Jahren dauernder Kämpfe durch jedes nur erdenkliche Dreckloch gewühlt und sch vom einfachen Rekruten zum Oberst eines ganzen Regiments durchgebissen. In diesen fast zwei Dekaden Dienstes blieb einiges an „Lametta“, wie der Alte es nannte hängen. Sturm und Nahkampfspangen in Gold, Panzerjägerabzeichen, Ehrenkreuze, Feldzugsbänder und noch viele mehr. Rossmann trug immer nur zwei oder drei Abzeichen gleichzeitig und das auch nur damit andere Feldoffiziere „sich nichts einbilden sollen“. Einige der Orden waren sogar von der Imperialen Armee, sehr hochwertige und wertvolle Stücke. „An deiner Stelle würd ich die da hängen lassen Felix, nicht dass ich noch ne Verlustmeldung beim Alten machen muss.“ „Sei nicht so ein Spielverderber Winnfried. Ich muss doch wissen, was mir nach dem nächsten Einsatz an die Brust gepinnt wird.“


    Hauptmann Kraft saß locker mit dem Stuhl an die Wand gelehnt im Rücken von De Val, der sich die Orden etwas genauer anschauen wollte. Bis auf den neuen Rang und mehrere frische Bäder hatte sich Kraft seit Indrid kaum verändert. Sein lockeres schwarzes Haar widerstand immer noch rebellisch jedem Versuch es zu kämen und die lange rosa Narbe zog sich auch immer noch im Einklang mit dem breiten Grinsen quer über das Gesicht. „Wie lange biste den schon hier ‚Hauptmann’?“ Kraft räkelte sich etwas auf seinem Stuhl um an eine Packung Lohstäbchen in seiner Manteltasche zu kommen. „ich hab dir schon mal gesagt, dass du das Hauptmann nicht so bescheuert betonen sollst.“ Kraft warf De Vall eines der Stäbchen zu und zündete sich sein eigenes an. „Und wenn ich es doch tue?“ Kraft zog die linke Augenbraue hoch. De Valls Ton war ihm etwas zu aggressiv, doch der Feldwebel ruderte schnell wieder zurück: „Tut mir Leid Winfried, ich bin gerade Schenk über den Weg gelaufen.“ De Vall knallte den schweren Aktenstapel kräftig auf Rossmanns Schreibtisch und nahm erst einmal einen tiefen Zug von seinem Lohstäbchen: „Ich schwöre beim Imperator, wenn Rossmann diesen Pfau nicht zurecht stutzt, dann tu ich es und zwar mit meinem Kettenschwert wenn keiner hin guckt.“ Kraft musste laut auflachen und schüttelte mit dem Kopf: „Ich habs dir schon mal gesagt Felix. Wenn der Alte Schenk in den Regimentsstab lässt, dann hat er seine Gründe dafür.“ „Genauso wie ich meine gründe dafür haben werde diesen Aktenarsch in einen Triebwerksschacht zu werfen.“ De Vall beruhigte sich langsam und nach zwei weiteren Zügen an seinem Loh nahm er sich endlich einen Stuhl und setzte sich neben Kraft: „Meinst du der Alte wird was sagen, wenn er uns dabei erwischt, wie wir seine Lohs rauchen?“ Kraft nahm einen genießerischen Zug und drehte sich zu seinem Freund: „Ach quatsch, der raucht die Teile seit Goldtorstadt so wie so nicht mehr. Solange wir nicht bei seinen neuen Zigarren bei gehen sollte alles in Ordnung sein.“
    Unter dem gemeinsamen Gelächter hätten die beiden fast das Klopfen an der Tür überhört. Kraft bedeutete De Vall mit dem Zeigefinger auf dem Mund ruhig zu sein. Ein zweites Klopfen pochierte an der schweren Tür, gefolgt von einer gedämpften Stimme: „Oberst Rossmann? Sie wollten mich sprechen?“ Winfried atmete erleichtert auf und öffnete die Tür: „Ach sie sind es Kommissar! Kommen sie doch rein, die Tür ist offen“, gleich nach dem Kraft die Stimme erkannt hatte bat er Nietfeld auch schon herein, zu De Vall gewandt flüsterte er: „Ich dachte schon es sei Schenk.“
    Im Gegensatz zu De Vall, der geradezu unbekümmert in den Raum marschiert war und den Touristen gab, betrat Nietfeld den Raum fast so, als wäre er mitten im Stadtkampf. Kraft achtete immer auf solche Feinheiten, um zu sehen, woran er war und in diesem Fall wurde seine Aufmerksamkeit nicht enttäuscht. Der Kommissar betrat den Raum nur langsam und sondierte jeden Quadratzentimeter bevor er auch nur seine Muskeln entspannte. Das Training an der Scola musste brutal sein, wenn so ein Verhalten sogar in einer sicheren Umgebung durchsickerte.
    „Der Imperator beschützt Hauptmann Kraft und Feldwebel De Vall“, mit diesen Worten und dem Zeichen des Adlers trat er dann schließlich in den Raum. Kraft und De Vall erwiderten den allgemeinen Imperialen Gruß natürlich sofort, wobei De Vall fast vom Stuhl gefallen wäre, mit dem er sich an die Wand gelehnt hatte. Dieses kleine Missgeschick wohl nicht beachtend nahm Nietfeld seine Mütze ab und fuhr fort: „Oberst Rossmann hatte mich gerade per Servoschädel benachrichtigt, dass ich ihn aufsuchen sollte. Habe ich ihn schon verpasst?“ Kraft stand auf um Nietfeld einen Stuhl zu reichen: „Tatsächlich ist der Oberst wohl noch auf dem Rückweg von seiner Besprechung. Wir sollen auch hier auf ihn warten und wissen selbst nicht mehr als sie. Sie können gerne mit uns hier auf ihn warten wenn sie wollen.“ Nietfeld nahm den angebotenen Stuhl dankend an und setzte sich zu den beiden. „Sagen sie Kraft, rieche ich hier Lohstäbchen?“, Kraft und De Vall tauschten einen kurzen beunruhigten Blick, den Nietfeld wohl bemerkt hatte: „Sie müssen wissen, Kirov hatte Zeit seines Lebens immer etwas gegen das Rauchen. Er empfand dieses Laster als Schwäche, die für einen Soldaten unwürdig war. Aber auch wenn er es oft versucht hatte, konnte er mir diese Angewohnheit nie wirklich austreiben.“ Schmunzelnd ließ Kraft noch einmal die Packung und das Feuer in der kleinen Runde kreisen. „Ich dacht immer Kommissare dürften so etwas nicht.“ Die Antwort kam erst nach zwei, drei tiefen Zügen: „Es ist nicht ganz so einfach wie sie denken Hauptmann. Kommissare müssen sich anpassen können, dass ist wohl das erste und das letzte, was man in der Ausbildung eingehämmert bekommt. Wenn man zum Beispiel bei den Catachanern dient, darf man keine Angst vor ein wenig Gestrüpp haben und wenn man mit Mordianern marschiert sollte man sich besser täglich die Stiefel polieren um akzeptiert zu werden. Ein Kommissar der sich nicht anpasst, wird nicht akzeptiert und ein Kommissar der nicht akzeptiert wird, kann sich den nötigen Respekt nur noch mit der Boltpistole verschaffen.“ Diese Worte standen eine Zeit lang wie der Rauch der Stäbchen im Raum.
    Nach einiger Zeit brach De Vall dann endlich das Schweigen: „Und was hat diese Geschichte nun mit den Lohstäbchen zu tun? Es ist ja nicht so, dass wir ein Regiment von Kettenrauchern sind.“ Nietfeld musste lachen, wobei eine Menge Rauch aus seinem Mund kam: „Das stimmt Feldwebel. Der Punkt der Geschichte ist auch einfach, dass ich ab und zu gerne mal ein Lohstäbchen rauche.“ Die drei prusteten vor Lachen.

  • Kapitel 2
    „Man sollte seine Ziele verfolgen, bis man sicher weiß, dass man sie zur Strecke gebracht hat.“
    -Leutnant Jäger, 2.Zug, Späherkompanie, 1.Rheinland-


    Die Atmosphäre im Büro des Obersts war locker und wenn Kraft ein wenig zurück dachte, konnte er nicht sagen, ob er mit Kommissar Nietfeld überhaupt schon so viele Worte gewechselt hatte. Man scherzte, tauschte sich über Erfahrungen auf dem Schlachtfeld aus und versuchte rauszufinden, wer der größte Schürzenjäger war. Natürlich gehörte es zum guten Ton, dass man maßlos übertrieb. Das ging etwa eine halbe Standardstunde so, bis Nietfeld auf sein Chronometer schaute: „Wie lange glauben sie braucht Oberst Rossmann wohl noch?“ De Vall zuckte mit den Schultern: „Vielleicht sitzt sein Shuttle fest, keine Ahnung wie lang der Alte noch braucht.“ Nietfeld stutzte: „Der Alte?“ Kraft gab dem langen Rheinländer einen Hieb mit dem Ellenbogen, doch der Schaden war schon angerichtet. „Das ist ein sehr merkwürdiger Spitzname für einen so jungen Oberst. Wenn ich schätzen müsste würde ich Rossmann höchstens auf siebenunddreißig Jahre schätzen.“ Kraft warf De Vall noch einen finsteren Blick zu und nahm dann den Gesprächsfaden auf: „Er ist sechsunddreißig und er hört diesen Spitznamen auch nicht sehr gern, aber sie wissen ja wie dass mit Spitznamen ist.“ Nietfeld nickte zustimmend: „Ja in der Tat. Mich würde aber wohl interessieren, wie es den zu diesem Spitznamen kam? Wenn ich mich nicht irre gibt es eine Handvoll Männer in diesem Regiment, die sogar noch deutlich älter sind als der Oberst.“
    „Die Sache ist in diesem Fall etwas komplizierter. Rossmann war immer der Schützling vom Alten De La Rey und der hat von ihm auch etliche Angewohnheiten und Marotten übernommen. Aber dass er sich benimmt wie „der Alte“ ist nur der eine Grund. Sie wissen es wahrscheinlich nicht, aber Rossmann ist schon seit zwanzig Jahren im Dienste des ersten Rheinlands und damit auch der Dienstälteste.“ Das ließ den jungen Kommissar schmunzeln: „Ich glaube jetzt versuchen sie mir ein Grox aufzubinden Hauptmann. Selbst ich weiß, dass das erste Rheinland erst vor sieben Jahren gegründet wurde.“
    Kraft schüttelte nur mit dem Kopf: „Es wurde vor sieben Jahren ‚neu’ gegründet Kommissar. Unsere Regimenter bekommen zwar stetigen Ausgleich für Verluste, aber nur solange es sich auch lohnt. Der Alte war vor acht Jahren als Leutnant unter Oberst von Richtberg beim Vorgängerregiment im Kolonialdienst. Es gab damals eine Großoffensive, um einen vom Chaos überrannten Mond namens Eisbach zurück zu erobern. Der Kolonialsektor war nie wirklich sicher. Rebellionen und Aufstände in den westlichen Gebieten, größere Orkpopulationen in den östlichen Systemen und ab und an auch Xeno Piraten, aber eine Chaosinvasion hatte es noch nicht gegeben. Wir fühlten uns damals als Rheinländer in unserer Ehre verletzt und es gab deswegen zum ersten mal seit Jahrhunderten eine Generalmobilmachung, obwohl der Mond an sich vollkommen unbedeutend war.
    Insgesamt nahmen damals neben dem ersten noch über vierzig andere Rheinländische Regimenter teil.
    Es sind nie wirklich viele Informationen über diese Operation nach Hause durchgesickert, aber obwohl wir den Mond schließlich eingenommen hatten, weiß jeder Rheinländer, dass die ganze Angelegenheit ein einziges Fiasko war. Es soll über siebzig Prozent Verluste gegeben haben, weil der Erzfeind den Mond für einen Truppenaufmarsch nutzte. Eine ganze militärische Generation, bereit für den Dienst in der Imperialen Armee, wurde damals in den weiten Städten und Tälern Eisbachs ausgelöscht.“ Obwohl Kraft zu dieser Zeit nur ein Kind war, wusste er noch genau wie hart die Zeit für ihn war. Auch in seiner Familie gab es einige Todesopfer, doch Nietfeld wollte mehr wissen: „Das ist zwar fürchterlich, doch verstehe ich nicht, was das mit dem Oberst zu tun hat.“ „Ist das denn nicht offensichtlich? Rossmann hatte Überlebt. Das erste war eines der Regimenter, die es am härtesten getroffen hatte.
    Von Richtberg gab ihnen den Befehl, einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt bei einer kleinen Stadt ein zu nehmen und zu halten. Was damals jedoch keiner wusste, war dass dieser Knotenpunkt mitten im feindlichen Vormarschgebiet lag.
    Das Oberkommando hatte nie mit starken Angriffen in diesem Bereich gerechnet und dort deshalb auch kaum Verstärkung gehabt, weil die Frontlinie nach der Landung sowieso Überdehnt war.
    Die Position wurde fast überrannt, aber von Richtberg weigerte sich die Stellung auf zu geben. Vier Tage hielten sie Stand, obwohl der Erzfeind ihnen alles entgegen geschmissen hatte. Am fünften Tag gab der Feind den Angriff auf und umging die Stadt einfach. Es dauerte noch drei weitere Tage, bevor unsere Truppen die Offensive wieder so weit vorangetrieben hatten, dass das erste entsetzt werden konnte. Zu diesem Zeitpunkt, waren nur noch ungefähr einhundert Mann am Leben und Rossmann war als Leutnant der Ranghöchste Offizier. Die Überlebenden gingen später in der Neugründung auf, zumindest die, die noch einsatzfähig waren. Ich glaube außer Rossmann gibt es heut nur noch sieben oder acht von ihnen im ersten. Aber sprechen sie Rossmann bitte nicht darauf an, er redet nicht gerne darüber.“
    „Worüber rede ich nicht gerne Hauptmann Kraft.“ Kraft drehte sich zur Tür um: „Wenn man vom Paladin spricht, steht er dort in voller Rüstung. Schönen guten Abend Herr Oberst!“


    Oberst Rossmann stand in seiner vollen Ausgehuniform in der Tür und sah fürchterlich aus. Eine blasse Haut, blutunterlaufene Augen und schwere Tränensäcke verunstalteten das ansonsten gut gebaute Gesicht. Dazu kam dann noch das dunkelblonde Haar, welches dick und strähnig am Kopf lag und ein leicht säuerlicher Geruch, der vom Regimentskommandeur ausging. „Nun gaffen sie doch nicht so blöd meine Herren! Ich möchte sie mal sehen, wenn sie nach über neun Stunden aus einem kleinen, viel zu heißen und überfüllten Raum gelassen werden! Beim Imperator, wenn ich auch nur halb so beschissen aussehe, wie ich mich fühle, sollte ichs eigentlich verstehen, dass sie so gucken.“ Während die Rheinwächter vor der Tür warteten schlurfte der Alte zu seinem Schreibtisch, warf seinen Mantel in die Ecke und ließ sich in seinen Sessel fallen. Die Blicke der versammelten ruhten immer noch auf ihm, doch er ließ sich nicht irritieren: „Bevor hier heute noch irgend etwas passiert, brauche ich erst einmal einen Kaffe! Außerdem wäre es nett, wenn sie mir sofort eines meine Lohstäbchen geben würden Kraft, heute ist nicht der Tag für Zigarren… Man ich bin müder als nach dieser Scheiße in Goldtorstadt…“ Kaum hatte Rossmann seinen Satz beendet, sprang De Vall auch schon auf zur Offiziersmesse, um den Kaffe zu holen und Kraft gab Rossmann mit einem schuldigen Ausdruck die Lohs zurück.
    Der Alte ließ währenddessen seinen Blick über seinen Schreibtisch streifen, welcher dann bei dem großen Aktenhaufen stehen blieb: „Haben sie eine Ahnung was dass ist das Kraft?“ Kraft, der Rossmann gerade Feuer anbot, schaute auch kurz auf den Stapel: „Dass ist der Bericht, den sie von Schenk haben wollten. De Vall hat ihn mitgebracht.“ Rossmann ließ ein zustimmendes Grunzen erklingen, schaute sich ein paar Seiten kurz an und ließ den ganzen Haufen dann sofort im Mülleimer verschwinden: „Was bringt es, wenn ich der Pfeife sage, dass sie gute zwei Tage Zeit hat, wenn der sich dann nur noch mehr beeilt? Fällt ihnen noch irgendein Papierkram ein, der den Kerl für mindestens drei Tage beschäftigen sollte?“ Kraft überlegte kurz: „Wie wäre es, wenn wir ihn damit beauftragen, Klasse 3 Nahrungsmittel für alle Ränge ab den Feldwebeln beim Munitorum zu beantragen?“ Ein schelmisches Grinsen breitete sich auf Rossmanns Gesicht aus: „Wir sollen ihn einen Antrag an das Munitorum anfertigen lassen? Mensch Kraft, ich wusste gar nicht, dass sie Sadist sind! Ist auf jeden Fall genehmigt, wenn ihn das nicht längere Zeit ablenkt, weiß ich auch nicht was wir noch tun können“, er hielt kurz inne, weil De Vall mit einer großen Kanne Kaffe zurück kam. Er schenkte allen Anwesenden einen Becher voll ein und setzte sich dann wieder. Kraft wollte gar nicht so genau wissen, wie De Vall es geschafft hatte, um die Uhrzeit noch so viel frischen Kaffe aufzutreiben.
    Rossmann nahm einen tiefen Schluck und fuhr fort: „Ahhh sehr gutes Zeug De Vall! Also, eigentlich wollte ich mit ihnen noch eine kurze Einsatzbesprechung machen, um das Ergebnis dieser achtstündigen Qual zu präsentieren, dieser Plan hat sich aber allein schon durch die Uhrzeit erledigt. Fakt ist jedoch, dass wir innerhalb von zwei Wochen an unserem Einsatzziel sein werden und die Landung beginnen. Kraft, ich möchte, dass sie schon einmal Übungspläne für gemäßigtes Klima vorbereiten und ab Morgen Nachmittag durchführen. Die zwei Wochen, die uns noch bleiben, sollen so effektiv wie nur irgendwie möglich genutzt werden. Nähere Informationen bekommen sie dann morgen bei der offiziellen Lagebesprechung.
    Womit wir bei ihrer Aufgabe wären De Vall. Bis morgen Mittag möchte ich, dass alle Kompaniekommandeure in einem großen Raum versammelt sind, wo man in Ruhe die Einsatzbesprechung abhalten kann. Ein wenig Verpflegung wäre auch nicht schlecht, aber da verlass ich mich auf sie.
    Ich möchte mich auch noch entschuldigen, dass ich sie so lange wach gehalten habe. Das wäre dann alles meine Herren.“
    Kraft und De Vall standen auf, salutierten zackig und verließen dann den Raum. Auch Nietfeld wollte sich auf den Weg machen, wurde aber von Rossmann abgehalten: „Sie bitte nicht Herr Kommissar, mit ihnen wollte ich etwas anderes Besprechen.“ Nietfeld drehte auf dem Absatz um: „Herr Oberst?“ „Es geht unter anderem um ihre Position im Regiment“, ob es nun am Kaffe, Selbstbeherrschung oder Schauspielkunst lag, Rossmann schien wieder hellwach „Ich hatte in den Letzten fünf Monaten nicht die Zeit, mit ihnen gebührlich zu reden. Dass lag leider auch größtenteils daran, dass ich gar nicht wusste was ich mit ihnen machen sollte“, Nietfeld setzte sich wieder und Rossmann fuhr unbeirrt fort: „Sie dürften wohl mittlerweile selbst bemerkt haben, dass das Einsatzfeld eines Kommissars bei uns eher beschränkt ist, daher würde ich sa…“, Nietfeld schnitt ihm dass Wort ab: „Geben sie mir einfach einen Zug an die Hand.“ Rossmann war regelrecht baff, wie selbstverständlich der junge Kommissar ihm ins Wort viel. Er musste demnächst daran denken, dass er es immer noch mit einem ausgebildeten Kommissar zu tun hatte, auch wenn dieser noch jung war. „Gut, sie machen mich neugierig Nietfeld. Angenommen ich gebe ihnen einen meiner Züge direkt „an die Hand“, was haben sie dann damit vor? Ich habe Kirov damals versprochen, dass ich sie als Kommissar aufnehme und nicht als Offizier.“ Nietfeld blickte Rossmann entschlossen in die Augen: „Ich bin der einzige Kommissar dieses Regimentes und brauche Unterstützung. Wenn sie mir dabei helfen, verspreche ich ihnen, werden ich und diese Einheit für sie wertvoll genug auf dem Schlachtfeld sein.“ Rossmann überlegte kurz, nickte dann aber zustimmend: „Gut, meinetwegen, aber nur unter der Bedingung das der Zug auf dem Felde im Zweifelsfall immer noch dem jeweiligen Kompaniekommandeur untersteht. Ich denke Leutnant Gruber von der zehnten sollte für die Rolle gut geeignet sein, seine Leute sind erfahren genug um sie bei ihrem Vorhaben zu Unterstützen.“ „Ich will Leutnant Brinkner und seinen Zug Herr Oberst!“, Rossmann legte die Stirn in Falten: „Sie sprechen für mich in Rätseln Nietfeld. Sie wollen für mich einen Anker in der Schlacht spielen und suchen sich dann gerade den Zug aus, der bei jeder Übung mit Abstand am schlechtesten abschneidet, weil er aus nicht genügend erfahrenen Kolonialnachschub besteht und von einem frisch ernannten Leutnant geführt wird, der ein steigendes Alkoholproblem hat? Und gucken sie bitte nicht so verdutzt. Natürlich weiß ich über Brinkners Probleme bescheid, immerhin ist das mein Regiment.“ „Heißt das, dass ich Brinkner nicht bekomme?“ Rossmann musste lachen.
    „Scheiße nein! Natürlich bekommen sie ihn Junge! Beim Thron ich bin viel zu neugierig, auf das was sie vorhaben, um ihnen so einen Antrag zu verweigern. Brinkner ist ein guter Mann, sonst hätte Kraft ihm nicht diesen Posten gegeben. Er war immer ein vorbildlicher Truppführer gewesen und wenn ich sehe, dass er im Moment so einen Kurs fährt macht mich das krank. Leider befürchte ich, dass es die Situation nur noch schlimmer machen würde, wenn ich Brinkner ins Gewissen rede. Kümmern sie sich bitte gut um in Nietfeld.“ Nietfeld stand auf und salutierte, glücklich, dass alles so gut geklappt hatte: „ich danke ihnen Herr Oberst und ich werde sie nicht enttäuschen!“
    Als der Kommissar sich dann jedoch zur Tür drehen wollte, hielt der Alte ihn noch einmal auf: „Eine Sache wäre da noch.“ Rossmann stand auf um ein großes altes Buch aus dem Regal zu nehmen, auf dessen Einband in großen Lettern zu lesen war „Die Geschichte des heiligen Fausturnus“. „Aus gegebenen Anlass würde ich gerne wissen, ob sie an Zufälle glauben Herr Kommissar.


    Der nächste Morgen war äußerst kurz für Kraft. Zwischen dem Läuten für die Morgenmesse und dem Läuten für den Mittagsappell flog die Zeit für den übermüdeten Hauptmann fast dahin. Er wäre wohl im stehen eingeschlafen, hätte es beim Morgendrill der zweiten Kompanie nicht eine Unregelmäßigkeit gegeben. Brinkners Zug fehlte komplett. Kraft war schon kurz davor, den ganzen Haufen beim nächsten Einsatz in die Strafeinheit zu versetzen, als sein Adjutant Metzer vollkommen außer Atem ankam und ihm einen Befehl übergab. Selbiger besagte, dass Brinkners und seine Männer von nun an unter Nietfelds Befehl stehen würde.
    Kraft war zwar ein wenig verärgert, dass er erst so spät informiert wurde, aber auf der anderen Seite froh, dass er sich nicht mehr um seinen Problemzug kümmern musste. Nach dem Morgendrill hatte Kraft dann gerade einmal genug Zeit, die ersten Übungen für gemäßigtes Klima aus den Standardübungen heraus zu suchen, bevor dann auch die große Besprechung los ging.
    Um Punkt dreizehn Uhr Schiffszeit versammelten sich sämtliche Kompaniekommandeure des ersten Rheinlands, vom Oberleutnant bis zum Major in der großen Messehalle der Gloria Deus. Kraft war wieder einmal beeindruckt von De Valls Organisationstalent, vermutlich konnten sogar Halblinge noch etwas von dem Stabsfeldwebel lernen. Die Tische waren an die Seite gestellt, die Stühle alle auf ein Rednerpult hinter einer großen Leinwand ausgerichtet und aus dem wenig Verpflegung hatte De Vall ein vollständiges kaltes Buffet gemacht.
    In der Messe herrschte eine aufgeregte Stimmung unter den Offizieren, da alle es satt hatten für Wochen von A nach B verschifft zu werden. Aufgeregte Gespräche wurden ausgetauscht und die Erwartungen an die Einsatzbesprechung waren recht hoch. Kraft überflog kurz die Reihen und stellte fest, dass nur noch der Oberst fehlte. Er suchte nach einem freien Platz und setzte sich dann schnell neben Hauptmann Kleist von der vierten Panzerkompanie. Als der Alte schließlich kam, kehrte sofort Stille ein.
    Die Person, die sich dort hinter das Rednerpult stellte war kaum mit dem Mann zu vergleichen, mit dem Kraft noch vor neun Stunden gesprochen hatte. Ein federnder Gang, ein vitaler Gesichtsausdruck und eine frisch gewaschene Felduniform ließen Zweifel aufkommen, ob es sich überhaupt um dieselbe Person handelte.
    „Meine Herren!“, die Stimme war ruhig und kräftig und auf der Leinwand erschien ein Bild der Regimentsflagge, „Meine Herren, es ist so weit! Das Oberkommando hat uns endlich unser nächstes Ziel zugewiesen“, das Bild eines grün – grauen Planeten erschien hinter dem Oberst, „Dieser Planet heißt Cociaminus und ist seit fast zehn Jahren in der Hand des Erzfeindes. Er ist durch seine Position von höchster strategischer Wichtigkeit, weshalb die Kämpfe zur Rückeroberung bald mit aller Härte von Marshall Macaroth aufgenommen werden. Legionen von Feinden befinden sich nach den Angaben unserer Aufklärung schon jetzt dort und weitere Legionen sind unterwegs, denn auch der Erzfeind weiß, dass sich dort unser Sprungbrett nach Ballhaut befindet. Unser Ziel ist jedoch ein anderes“, ohne dass Rossmann sich umdrehte oder unterbrach erschien ein anderer Planet auf der großen Leinwand, „Das ist Sabbit I, einer von fünf Monden von Cociaminus. Im Gegensatz zu Cociaminus hat Sabbit fast keinerlei Bedeutung, was auch der Grund dafür ist, dass dieser Planet immer noch unter Imperialer Kontrolle ist.
    Seit zehn Jahren hat die kleine PVS des Mondes es immer wieder geschafft die Angriffe des Erzfeindes zurückzuschlagen, was zum größten Teil einem Orden des Adeptus Sorrorita zu verdanken ist, der seine Festung auf diesem Mond hat“, ein Abschnitt des Mondes an der Leinwand wurde vergrößert , „Die Frage die nun wahrscheinlich bei ihnen aufkommt wird natürlich sein, warum wir auf den Mond geschickt werden, während auf dem Planeten der Kreuzzug entschieden wird“, Rossmann machte eine kurze Pause um einen zuversichtlichen Blick in die Runde zu werfen.
    „Das Oberkommando und vor allem Marshall Macaroth gehen davon aus, dass der Erzfeind den Planeten auf jeden Fall im Laufe der Offensive angreifen wird. Das wir und auch andere Regimenter auf dem Mond dann den Kampf aufnehmen hat drei Gründe.
    Zuerst einmal wird befürchtet, dass der Feind auf dem Mond eine sichere Versorgungsbasis errichten will, was die Operationen auf dem Planeten kritisch hinauszögern könnte. Wir können es uns bei einem so wichtigen Ziel einfach nicht leisten, dass wir einen feind im Rücken haben, der sich in aller Ruhe eingraben kann.
    Der zweite Grund entsteht durch eine Bitte des obersten Kreuzzugs Ekklesiarchen, die Schwestern der Sorroritas sowie die auf Sabbit I gelegene Pilgerstätte zu unterstützen. Wir befinden uns auf einem Kreuzzug um die Welten der heiligen Sabbat vor Unheil zu bewahren und von Unheiligen zu säubern. Wenn wir in diesem Gedanken zulassen würden, dass eine Pilgerstätte an den Erzfeind fällt, könnten wir genauso gut gleich nach Hause gehen.
    Und zu guter letzt weigert sich Kriegsmeister Slaydo strikt einen Imperialen Planeten nur aus strategischen Gründen auf zu geben und vor allem in diesem Punkt sollten wir ihm alle recht geben“, entschlossene Zustimmung kam von den Offizieren zurück während Rossmann sich zur Leinwand umdrehte, „So viel zur Ausgangslage, kommen wir zum Mond selbst. Sabbit I ist eine kleine Bergbaukolonie mit gerade einmal zehn Millionen Einwohnern, die weit über den Planeten verstreut sind. Bis zum Fall von Cociaminus stand der Mond unter dem Befehl des dortigen Gouverneurs, danach übernahmen die Sorroritas das Kommando. Durch die ständige Bedrohung steht mittlerweile fast ein zehntel der Bevölkerung unter Waffen, dass wird nach Schätzungen der Taktiker jedoch bei weitem nicht ausreichen.
    Es muss ihnen von Anfang an klar sein, dass auch mit imperialer Unterstützung nicht genügend Truppen auf Sabbit I sein werden, um eine weitreichende Verteidigung zu gewährleisten. Die Truppen werden benötigt, um einen schnellen Sieg auf dem Planeten zu sichern, weshalb neben unserem Regiment nur zwölf weitere für die Verteidigung des Mondes abgestellt werden.
    Der Plan ist, die Bevölkerung an drei Punkten zu konzentrieren und diese dann durch die PVS und Imperiale Regimenter zu schützen. Wir werden jedoch zusammen mit zwei weiteren Regimentern ein anderes, viertes Ziel schützen“, er ging genauer auf den angezeigten Kartenabschnitt ein, „Hier sehen sie die Ordensfestung der Schwestern vom Orden der heiligen Hirtin. Hinter den Mauern dieses Komplexes befindet sich nicht nur die besagte Pilgerstätte sondern mittlerweile auch das Nervenzentrum des gesamten Mondes, da sich das Adeptus Administratum in diese Räumlichkeiten geflüchtet hat. Aus diesen Gründen haben wir hier auch das wahrscheinliche Hauptziel des Feindes, aber dass sind natürlich nur Vermutungen. Gibt es bis hier hin irgendwelche Fragen?“, Rossmann schaute in die Runde. Die meisten Offiziere machten sich fleißig Notizen, aber trotzdem schossen schon etliche Hände nach oben. Rossmann suchte sich als ersten Hauptmann Schuhmann von der zweiten Unterstützungskompanie aus, einen stämmigen, vierschrötigen Kerl, der sogleich aufstand und loslegte: „Sie erwähnten zwei Regimenter die mit uns die Position verteidigen sollen Herr Oberst. Wissen sie schon welche?“
    Rossmann nickte: „Jawohl, die Namen sind bekannt. Es handelt sich um das 233. Cadianische Panzerregiment und um das 4. Jardi Arillerie. Nach meinen Daten sind das fast dreihundert Leman Russ Panzer und dreihundertzwanzig fahrbare Haubitzen vom Typ Basilisk.“ Rossmann ließ diesen Eindruck kurz im Raum stehen, da vor allem die Erwähnung der Cadianer für Eindruck sorgte. Immerhin waren die Soldaten von Cadia einige der Berühmtesten des Imperiums.
    Die zweite Meldung kam von Hauptmann Koch, der mittlerweile die Uniform der Sturmpioniere Trug, da er nach Indrid das Kommando übernommen hatte: „Wie vielen Feinden werden wir gegenüber stehen Herr Oberst?“ Rossmann musste tief durchatmen: „Sie alle wissen, dass man das Chaos kaum einschätzen kann und sowohl die Taktiker als auch der Nachrichtendienst drücken sich äußerst vage aus. Alles in allem wird aber davon ausgegangen, dass die Imperialen Truppen auf Sabbit I in etwa eins zu zehn in der Unterzahl sein werden. Dieses Gewicht ist erdrückend und unter allen anderen Umständen würde ich diesen Einsatz als Selbstmörderisch ansehen, aber es gibt besondere Gegebenheiten die nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Die Truppen des Erzfeindes in diesem Sektor sind zum aller größten nichts weiter als Kultisten, die unter der Führung einer Sekte mit dem Namen „Die Augenlosen“ vereint sind, der Nachrichtendienst ist erstaunlich präzise. Auf jeden Fall werden wir es zum größten Teil mit unausgebildetem Abschaum zu tun haben, der gerade einmal weiß, in welche Richtung er das Lasergewehr halten muss. Wenn wir nicht aufpassen werden wir jedoch schnell von diesem Abschaum überrant. Außerdem ist unsere Position sehr stark Befestigt, mit Zugriff auf Schildgeneratoren und stationären Verteidigungsanlagen. Auch die Sorroritas selbst sind alles andere als Wehrlos und wir werden vorraussichtlich die Lufthoheit haben und von Zeit zu Zeit Luftunterstützung anfordern können.
    Und denken sie daran, wir müssen diesen Planeten mit unseren Mitteln nur lang genug halten, bis auf Cociaminus die Kämpfe ab ebben. Die Aufgabe wird schwer, aber sie ist zu schaffen.“
    Es kamen noch einige weitere Fragen und durch die Erläuterung von etlichen taktischen Fragen und den geplanten Ausgangspositionen dauerte die Besprechung fast zwei Stunden. Am Ende strahlten die Gesichter der Offiziere eiserne Entschlossenheit aus. Das erste würde unter vollen Flaggen und als Einheit wieder in die Schlacht ziehen und die Schlacht würde gewaltig werden.


    Leutnant Jäger war gelangweilt und enttäuscht. Er hatte den feindlichen Vorposten nun fast zur Hälfte gesäubert und war bis jetzt noch nicht einmal bemerkt worden. Zwölf Wachen lagen schon reglos in seinem Weg und immer noch kein Zeichen von Gegenwehr. Zumindest diesmal hatte er sich mehr erhofft.
    Als er ein Geräusch um die Ecke hörte warf er sich sofort in den nächsten Schatten. Zwei Mann, die sich rege unterhielten. Sie machten es ihm schon fast zu einfach, aber sie würden ihr Gespräch noch bitter bereuen, so viel stand fest. Sie waren mittlerweile um die Ecke gebogen und an ihm vorbei stolziert. Weil sie Masken trugen, konnte er zwar nicht verstehen, worüber sie sprachen, aber dass war auch nicht wichtig. Er löste sich aus dem Schatten, verfolgte die Beiden in kauernder Position und machte seine Waffe bereit. Sie wussten nicht einmal, wie ihnen geschah. Mit einem Tritt aus der Hocke in die Kniekehle des einen schickte er ihn zu Boden, während er dem anderen schon den Elektroschocker in den Halsansatz rammte. Ein kurzer blauer Blitz, der die dämmrige Atmosphäre durchbrach und er war erledigt. Der, der schon am Boden war, konnte dann nur noch seine Hände zu einer nutzlosen Schutzgeste vors Gesicht halten, als er von Jäger den zweiten Schock bekam. „Ihr beiden meldet euch nach der Übung bei Major Schneider, eure Leistungen waren Mangelhaft“, er wusste, dass die beiden am Boden liegenden Männer ihn verstanden, auch wenn sie sich für mindestens eine halbe Stunde nicht bewegen könnten.
    Die ganze Übung war für Jäger eine einzige Enttäuschung, da er sich von der vierzehnten Kompanie eine bessere Leistung erwartet hätte, aber wenn er das Klopfen im Helmkom richtig deutete, war der zweite Späherzug schon fast mit Major Schneiders Haufen durch und das ohne größere Ausfälle. Wenn er diese Übungen mit seiner Späher Abschlussprüfung verglich, konnte er innerlich nur lachen. Die Späher aller Rheinländischen Regimenter kamen generell von Thulesstand, einem Dschungelplaneten im Kolonialsektor, weil die Rheinländer für so eine Aufgabe durch ihre Ausbildung und die Herkunft einfach nicht geeignet waren. Und auf Thulesstand wehte in der Tat ein anderer Wind.
    Gut die Hälfte der Bewerber für einen Posten in einer der Späherkompanien brach schon während der ersten Trainingsmonate ab oder kam um und das Training dauerte mindestens zwei Jahre. Aber solche Zahlen schreckten niemanden ab und es gab immer genügend Bewerber. Immerhin waren die Späher eine Eliteeinheit der Rheinländischen Regimenter, auch wenn die Sturmpioniere das gerne von sich behaupteten. Sie konnten dass, was im Regiment sonst keiner konnte und damit brüstete sich Thulesstand auch und man versuchte das Training so hart wie möglich zu gestalten.
    So bekam jeder Späher bei seiner Abschlussprüfung eine ganz besondere Aufgabe. In einem eingezäunten Gebiet wurden bis zu zehn gefangene Orks aus gesetzt, die zudem auch noch voll bewaffnet waren. Wenn man als Späher aufgenommen werden wollte, musste man diesen bereich innerhalb von zwei Tagen säubern ohne dabei auch nur einen Mucks von sich zu geben. Selbst nach der extrem harten Ausbildung kamen nur dreißig Prozent Lebend aus dieser Prüfung und von denen hatte auch nur die Hälfte die Aufgabe erfüllt. Jäger hatte sich damals für zehn Orks entschieden, weil er gleich als Feldwebel zur Armee kommen wollte und das war die einfachste Möglichkeit. Er hatte nur einen Tag gebraucht und sich den Kopf vom größten Ork für sich selbst gesichert.
    Mittlerweile war er im Zentrum vom Vorposten angekommen und freute sich insgeheim schon darauf, den Kommandanten des Postens zu erledigen. Vor einer größeren Wegkreuzung hielt Jäger inne, da man in der Kreuzung einen Posten abgestellt hatte. Der Mann schaute wohl ziemlich angestrengt in die andere Richtung und fummelte währenddessen an seinem Helmkom herum. Er müsste wahrscheinlich nicht einmal schleichen um in Reichweite für den Betäuber zu kommen, tat es aber trotzdem. Es war wirklich schon fast zu einfach.
    Als Jäger nur noch einen Meter von seinem Ziel entfernt war, fiel ihm jedoch auf, dass etwas an der Situation ganz und gar nicht stimmte. Nicht einmal ein frischer Rekrut würde sich so provokant in die Mitte eines Ganges stellen um diesen zu bewachen, vor allem nicht alleine.
    Jäger konnte sich gerade noch umdrehen, um zu sehen wie ein Feldwebel der vierten Kompanie ihn mit blauen Betäubungsstrahlen aus seiner Laserpistole vollpumpte. Jäger hätte in diesem Moment nicht wütender auf sich selbst sein können.


    4 Mann kamen teilweise hinter losen Platten in den Wänden hervor um sich um die Beute zu versammeln. Zwei fingen sofort an den betäubten und verdammt sauren Leutnant außer sicht zu schleifen. „Kiek mal Aquila! Da haste doch glatt den Leutnant Jäger eingesackt.“ Feldwebel Hermann ‚Aquila’ Kolb, der gerade den Ladestand seiner Übungswaffe prüfte, schaute auf und grinste seinem Soldaten zu: „Nett, ich hab mich schon gefragt wann der hier auftaucht.“ Der Schütze Boll, der den Lockvogel im Gang spielte wandte sich nervös an seinen Feldwebel: „Und was machen wir nun Chef? Wenn das Jäger ist, war er bestimmt nicht allein. Brümmers Haufen ist mittlerweile hin und wir sitzen hier alleine fest, dass wird doch nicht ewig so gut gehen.“ „Beruhig dich Junge! Mit Jäger haben wir nun schon sieben von den Leisetretern auf ein und dieselbe Art und Weise einkassiert. Die Typen sind wie immer viel zu Arrogant um damit zu rechnen, dass jemand sie in eine Falle locken könnte und nu Schnauze halten, kann nicht mehr lange dauern, bis der nächste von denen auftaucht.“


    Major Schneider von der vierten Kompanie und Major Hauser von den Spähern standen beide in voller Felduniform und mit verschränkten Armen auf der Beobachtungsplatform und betrachteten das Spektakel unter ihnen. Das Szenario war simpel: Die vierte Kompanie musste verschiedene Vorposten und eine Kommandozentrale halten, während der zweite Zug der Späher selbige in kleinen Grüppchen oder alleine an zu gehen hatten. Wenn die Kommandozentrale innerhalb von zwei Stunden fallen würde, hatten die Späher gewonnen und danach sah es im Moment auch aus.
    „Ach nun grinsen sie nicht so idiotisch Hauser! Sie wissen genauso gut wie ich, dass das Szenario bei all der Deckung und dem Dämmerlicht für sie ein Heimspiel ist!“ Hauser hörte nicht auf so dämlich zu grinsen: „Nun sein sie doch nicht so ein schlechter Verlierer Schneider. Es ist ja nicht so, dass ich ihnen in Zukunft keine Gelegenheit geben werde, dass sie ihre Kiste Kornbrand wieder zurück gewinnen können. Außerdem haben sie ja immer noch einen Vorposten vor ihrer Kommandozentrale. Wir können ja noch einmal gucken, wie viele ihrer Leute noch leben, ist ja bestimmt schon zwanzig Minuten her, dass wir das letzte Mal geschaut haben. Sie wissen doch, als sie den vierten Vorposten mit einem ganzen Zug in nur einem Feuergefecht verloren hatten.“ „Nun hören sie gefälligst auf sich lustig zu machen, beim nächsten Szenario gibt es wieder eine Runde Sturmangriff, dann sehen wir weiter!“
    Den Einwand seines Kollegen überhörend aktivierte Hauser die taktische Anzeige. Mehrere holografische Bilder flackerten auf und gaben Auskunft über alle aktiven und ausgeschalteten Kämpfer auf dem Feld und deren Position.
    Hauser begann damit einige Karten und Statistiken zu überfliegen und wurde immer energischer: „Dieser Imperatorverlassene Kasten muss defekt sein, ich lasse einen Techpriester rufen.“ Schneider war urplötzlich wieder äußerst interessiert an der Anzeige: „Wieso dass den Hauser? Lassen sie mich mal sehen!“ Hauser gab seinen Platz an der Konsole nur widerwillig ab, damit auch Schneider einige der Karten überfliegen konnte. Schnell wechselte das idiotische Grinsen den Besitzer. „Tja mein Lieber Kollege, es sind noch fünfzehn Minuten übrig und ihre Leute scheitern scheinbar doch tatsächlich bei den letzten sechs Verteidigern des letzten Vorpostens. Sogar ihren Mustersoldaten Jäger hat es erwischt.“ „Ich bin mir sicher, dass ihre Leute irgendwelche unehrenhaften Methoden verwenden! wenn die Übung vorbei ist, werde ich Erkundigungen einziehen!“
    Major Schneider lachte seinem alten Freund nur ins Gesicht: „Nun sein sie doch nicht so ein schlechter Verlierer Hauser. Es ist ja nicht so, dass ich ihnen in Zukunft keine Gelegenheit geben werde, dass sie ihre Kiste Kornbrand wieder zurück gewinnen können.“


    Nach Jäger waren ihnen noch vier weitere Späher in die Falle gegangen, doch mittlerweile hatten es selbst die Leisetreter gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Feldwebel Kolb riskierte noch einmal einen Blick durch die Schießscharte um sich der Situation zu vergewissern. Sie versammelten sich vor dem Außenposten in den Büschen, um zum Sturm überzugehen, da war Kolb sich sicher. Schnell zog er den Kopf wieder ein um nicht von irgendwelchen Scharfschützen aufs Korn genommen zu werden. Sein Funker, der Gefreite Grever schaute ihn fragend an: „Wat solln wa den nu tun Chef? Nu ham selbst die Hupfdohlen es gerafft, dat wir hier lauern. Wenn die hier ballernd reinstürm, dann schaut dat aber finster für uns aus!“ Kolb musste nachdenken und wie immer wenn er nachdachte umklammerte er den kleinen Aquila Anhänger vor seiner Brust. Der kleine Goldadler half ihm immer in solchen Situationen, dass sogar schon so oft, dass er so zu seinem Spitznamen gekommen ist. „Ich habs Leute! Wenn die zum Sturmangriff ansetzen können, können wir das auch!“, die Leute schauten ihn fragend an, fast so als glaubten sie, er hätte den Verstand verloren, „Nu überlegt doch mal, es gibt immer noch Leutnant Rau mit seinem Zug in der Kommandozentrale. Wenn die Typen sich wirklich sammeln um hier rein zu kommen, dann sitzen die gerade aufm Präsentierteller. Wir funken Rau eben an, dass er rüberkommen soll und dann gibt’s volles Pfund aufs Maul und bis dahin, halten wir die Jungs ein bisschen auf Trab. Heimlich, ihr großer Auftritt!“
    Heimlich war der Waffenspezialist des Trupps. Ein ziemlich junger und schweigsamer Typ, der aus einer der ländlichen Regionen kam. Er hatte zwar erst vier Jahre Dienst hinter sich, beherrschte dafür seine Waffe mit Hingabe. Ein Mark VI Granatwerfer mit zehn Schuss Revolvermagazin für 40mm Granaten. In den richtigen Händen konnte so eine Waffe auf dem Feld mehr Schaden anrichten, als ein ganzer Mörserzug und in Heimlichs Fall war sie in den Richtigen Händen.
    Der junge Mann schaute kurz durch seine Scharte, Prüfte noch einmal seine Waffe und gab dann ein volles Magazin auf die Baum und Buschlinie vor dem Posten ab. Über all sah man das grell grüne Markierungsmittel umherfliegen, mit dem die Übungsmunition versetzt war.
    Sie hatten von Anfang an nur vermuten können, dass die Späher sich dort versteckten, da man sie durch ihre Tarnmäntel kaum sehen konnte, aber nachdem sich die grünen Wolken verzogen hatten, konnte man deutlich einige Leute erkennen, die über und über mit Farbe bekleckert zurück zu ihrer Aufstellungszone wankten. „Hervorragend Heimlich! Das ganze noch einmal ein bisschen weiter rechts“, Kolb lud schon sein Übungsgewehr durch, „Geht jeden Moment los Jungs.“
    Als die Späher schließlich zum Angriff ansetzen wollten, war es schon zu spät. Die übrig gebliebenen fünfundzwanzig Mann des zweiten Späherzuges wurden so zu sagen in den Startlöchern von Leutnant Raus Gegenangriff überrumpelt. Sie hatten nicht damit gerechnet, dass ihre Ziele die festen Positionen verlassen würden. Zwar lieferten sie sich ein ansehnliches Gefecht, hatten aber wenige Chancen. Der Sieg ging an Major Schneiders vierte Kompanie, auch wenn er sehr knapp war. Zwar waren die Späher bis zum letzten Kämpfer erwischt worden, aber von der vierten Kompanie waren am Ende von Anfangs dreihundert Mann auch nur noch dreißig übrig. Trotzdem wurde der „Sieg“ ausgiebig gefeiert, weil es schon zu lange zurück lag, dass die Späher in so einem Szenario besiegt wurden.
    Aus irgendeinem Grund kam Major Schneider am Abend nach der Übung dann noch bei Feldwebel Kolb vorbei und gab ihm ohne etwas zu sagen zwei Flaschen besten Kornbrand. Kolb verstand es zwar nicht, freute sich aber trotzdem.

  • Kapitel 3


    „Wer in die Zukunft gehen will, sollte mit der Vergangenheit abgeschlossen haben“
    -Unbekannt-


    Als sich die Tür zum Waschraum der Späherkompanie mit leisem knirschen öffnete, lag der Raum in absoluter Finsternis. Es war nach der Schiffszeit mittags, weshalb dieser Zustand nicht ungewöhnlich war. Was jedoch ungewöhnlich war, war die Person die in der Ecke des Raums auf den kalten Fliesen kauerte. Oberst Rossmann betrat den Raum, schloss leise die Tür hinter sich und sorgte zumindest für etwas Licht indem er eine paar der Leuchtgloben aktivierte. Die Person die in der Ecke kauerte war halbnackt, weshalb es auch nicht schwierig zu erkennen war, dass es sich um eine Frau handelte. Sie war höchstens Ende zwanzig und nur das nötigste war durch ein wenig Wäsche verdeckt, weshalb sie am ganzen Körper zitterte. Blasse Haut spannte sich über ihren muskulösen Körper wie Marmor und bildete eine gut gebaute Figur. Rote Kratzer durchbrachen immer wieder das klare weiß der Haut, wie frisches Blut im Schnee und normalerweise gut gekämmte halblange schwarze Haare verdeckten nun zerzaust ein wimmerndes Gesicht. Rossmann näherte sich der Frau, ließ sich dabei aber Zeit. Als er neben ihr im halbdunkeln stand, setzte er seine Mütze ab, zog sich die Offiziershandschuhe aus und legte ruhig seinen langen Ledermantel ab, um ihn der Frau ohne ein Wort zu sagen um die Schultern zu legen. Erst dann setzte er sich neben sie auf die kalten Fliesen um sich ein Packung Lohstäbchen aus der Tasche zu ziehen. Ohne eile zündete er sich eins an und bot auch der Frau welche an, die aber keine Reaktion zeigte, weshalb er die Packung wieder einsteckte.
    Eine ganze Weile saßen die beiden so dort, der Oberst am rauchen und die Frau am zittern, bis der Alte endlich das Wort ergriff, ohne die Frau dabei an zu sehen „Du warst heute nicht bei der Übung Sandra“, Rossmanns Stimme war leise und ruhig, hallte aber trotzdem von den Wänden des großen, leeren Raumes zurück. Sandra blieb still. „Ich habe Hauser gesagt, dass er sich nicht darum zu kümmern hat, wo du bist oder was du machst. Du wirst die Zeit haben, die du brauchst und wenn du willst, kannst du so lange in mein Quartier kommen, wie es eben dauert. Dort hast du deine Ruhe, aber auf jeden Fall musst du von diesen scheiß Fliesen runter Sandra.“
    Sandra hob ihren zitternden Arm etwas an und begann mit schwacher Stimme zu stottern: „L-L-Loh.“ Ohne Kommentar zog Rossmann das Päckchen wieder heraus und steckte der Frau ein Stäbchen zwischen ihre zitternden Finger, da sie nicht in der Lage war sich selbst eins zu nehmen. Er konnte es kaum anzünden, so stark zitterte sie. Sobald das Stäbchen brannte nahm sie sofort ein paar tiefe, hektische Züge. Rossmanns Gesichtsausdruck war besorgt: „Jetzt besser?“ „E-etwas, ja.“ Rossmann nickte: „Wie lange wird es dauern Sandra? In anderthalb Wochen werden wir da sein, das weißt du und du weißt auch, dass ich es dort nicht mehr verstecken kann.“ „I-ich weiß. I- ich weiß ja. Es ist der ver- verdammte W- w- warp“, endlich schaute sie auf um Rossmann ins Gesicht zu schauen. Ihre sonst so starken und autoritären Gesichtszüge waren eingefallen und krank und ihre großen grünen Augen vollkommen verweint: „Ich k-k- kann ihn spüren Walt. Ich kann den verdammten Bastard spüren! Er, er verfolgt uns. Er verfolgt dich Walt!“, sie klammerte sich an ihm fest, „Ich kann nicht mehr Walt.“
    Rossmann hielt sie eine lange Zeit in den Armen um dann einen seiner Wächter zu rufen, die vor der Tür warteten. Der stille Schutzengel kam sofort herein. „Bring sie vorsichtig in mein Quartier und pass dort auf sie auf mein Freund. Sie braucht Ruhe und zwar viel davon. Bis ich etwas anderes sage bist du für sie zuständig und weichst nicht von ihrer Seite. Sei vorsichtig mit ihr und lass niemand Anderen sie so sehen. Verstanden?“ Der Wächter nickte stumm. „Natürlich hast du verstanden. Ich danke dir.“
    Der Wächter nahm die nun wieder wimmernde Frau problemlos vom Boden auf und bedeckte sie vollkommen mit Rossmanns Mantel, so dass niemand sie sehen würde. Ohne etwas zu sagen verließ er mit ihr den Raum.
    Rossmann blieb noch eine Weile sitzen.
    Sandra Sismath. Vielfach ausgezeichnete Scharfschützin vom zweiten Zug der Späherkompanie. Eine der sehr wenigen Frauen, die erfolgreich die Späherprüfung bestanden und zudem noch die einzige Frau im ersten, da auf Rheinland selbst Frauen im Militär verboten sind. Sie war eine Veteranin von fast dreißig Feldzügen und die mit Abstand beste Scharfschützin die Rossmann jemals gekannt hatte. Keiner kannte Rossmann länger als sie und sie war auch die einzige, die ihn mit Walt, als Kosenamen von Walther ansprechen durfte.
    Was für ihren jetzigen Zustand aber viel wichtiger war, sie war eine der letzten acht Überlebenden des alten ersten Rheinlands und sie hatte etwas gespürt. Etwas, dass nach acht Jahren Suche scheinbar endlich die Witterung aufgenommen hatte und nun sehr schnell näher kam.
    Der Alte drückte seine Kippe auf den kalten Fliesen aus, stand auf und verließ den Raum.


    Kraft kontrollierte noch eben, wie die letzten Männer seiner Kompanie den Schießstand räumten und stellte fest, dass er guter Dinge war. Sie hatten nun schon eine Woche im Warp hinter sich gebracht und noch eine Woche vor sich und Kraft war mittlerweile sehr zufrieden mit seiner Arbeit, denn die von ihm entworfenen Trainingspläne kamen gut an und die Männer des ersten Rheinlands waren in Top Form. Sogar Brinkner soll unter der Führung von Nietfeld richtig aufblühen, aber da der Kommissar das Training im geheimen abhielt und man die Leute aus Brinkners Zug kaum noch sah, konnte Kraft nichts davon bestätigen. Spätestens auf Sabbit würde sich zeigen, wie die Jungs sich schlagen würden.
    Als Kraft auf sein Chronometer schaute besserte sich seine Laune sogar noch mehr. Er hatte Dienstschluss und es wurde Zeit, seinen hart verdienten Sold auf den Kopf zu hauen und zwar auf dem Unterdeck. Kraft wusste schon gar nicht mehr, wann er sich das letzte Mal in einem dieser „Soldatenparadiese“ hat blicken lassen, auf jeden Fall nicht mehr seitdem er zum Hauptmann befördert wurde und das war nun schon fast sechs Monate her.
    Einen solchen Abend plante man natürlich nie alleine, weshalb Kraft auch De Vall wie vereinbart am Lift zum Unterdeck aufsammelte. Kraft und De Vall kannten sich schon seit ihrer Grundausbildung und hatten noch nie eine Dienstschlusstour ohne den jeweils anderen gemacht.
    So wie Kraft hatte auch De Vall seine lockere Ausgehuniform an. Ein einfacher blaugrauer Waffenrock mit einer einfachen blaugrauen Hose. Sie war vielleicht ungewohnter zu tragen als die normale Gefechtsausrüstung, war dafür aber deutlich bequemer.
    „Sind sie bereit für unseren Sondereinsatz ‚Herr Hauptmann’?“, De Vall war auch gut drauf, so etwas merkte man bei dem rheinländischen Riesen schon auf Sichtweite. „Wenn du noch einmal meinen Rang so betonst, stell ich dich vors Kriegsgericht, lass dich standrechtlich erschießen und werde persönlich deine Asche in alle Windrichtungen verstreuen du Kanallie“, De Vall schüttelte Kraft lachend die Hand. „Wie sieht den unsere Abendplanung für heute aus Felix?“, Kraft ging schon in den bereitstehenden Aufzug. „So wie immer Wini, Königsmord und Nutten und je nachdem wie gut die Rausschmeißer sind, arbeiten wir uns von den noblen Schuppen nach unten vor.“ Kraft griente: „Hervorragend!“ er drückte auf den Knopf und der Aufzug schoss abwärts Richtung Unterdeck.
    „Sach mal Winfried, weißte eigentlich was Genaues über unseren neuen Einsatzort?“ Kraft war ganz verdattert: „Was ist den mit dir los Felix? Ich dachte wir wollten uns heute zum letzten Mal vor dem Einsatz amüsieren und nun fängst du an über das Geschäftliche zu reden?“ „Ich mein ja nur… Vom Oberst erfahre ich nichts mehr. Der Alte ist den halben Tag unterwegs zum Trainieren oder zu Besprechungen mit den Offizieren und in sein Quartier darf absolut niemand mehr rein. Ich habs Mal versucht, weil ich ihm ne Nachricht bringen wollte. Kaum hatte ich die Klinke runter gedrückt, kam einer der Wächter rausgeschossen und wollte mir den Kopf abreißen. Hab mir bald in die Hose gemacht, so kam der auf mich zu geschossen.“ „Is ja gut Felix, willste was genaues wissen?“ De Vall zögerte etwas mit seiner Antwort, als wäre es ihm peinlich: „Es geht um den Pilgerschrein der sich dort befindet. Weißt du, wem er geweiht ist? Ich mein nur, wegen den richtigen Gebeten und so…“
    Da Kraft merkte, wie ernst es seinem Freund war, verkniff er sich jeden Anflug eines Lachens. De Vall war einer der religiösesten Soldaten die Kraft kannte, nur fehlte es ihm zu seiner Erfurcht leider an Wissen über die Heiligen und ihre Geschichten. „Mach dir keine Sorgen Felix. Der Schrein auf Sabbit ist dem Heiligen Fausturnus und natürlich Sabbat geweiht und deren Litaneien hast du ja denke ich drauf. Früher war das Nest wo wir hin kommen sogar eines der Hauptziele für Pilger, weil die Leute dachten, dass Fausturnus selbst dort begraben wäre, aber dann haben die seine Knochen irgendwo auf der anderen Seite des Imperiums gefunden, keine Ahnung wie die das hinbekommen haben.“ De Valls Stirn lag in Falten und er schien angestrengt nach zu denken: „Aber du hast doch gesagt, das der Schrein immer noch Fausturnus geweiht ist, wie kann das den sein, wenn seine Knochen gar nicht da sind?“ Kraft klopfte seinem Freund auf die Schultern: „Mensch mach dir nicht so viele Gedanken! Dort hat damals das erste Treffen zwischen Sabbat und der Imperialen Armee statt gefunden und wie du weißt ist der Feldmarshall des damaligen Kreuzzuges Fausturnus gewesen. Deshalb ist der Schrein den beiden geweiht.“ Als der Lift schließlich auf dem Unterdeck ankam, sah De Vall deutlich erleichtert aus.
    Kraft genoss immer den ersten Atemzug, den er auf einem der Unterdecks machte. Viele Leute sagten immer, dass der Geruch der Unterdecks auf einem Schiff nur noch durch den Geruch der Agrarbereiche mit ihren Viehställen überboten wurde, aber Kraft war da anderer Meinung. Sicher, der Geruch oder besser die Gerüche des Unterdecks waren mehr als Ungewohnt. Aber sie hatten oft etwas Exotisches an sich, das Kraft immer genoss. Der Geruch von Speisen und erlesenen Gewürzen, die von Welten kamen die auf der anderen Seite der Galaxis lagen war fantastisch und es gab immer etwas Neues zu entdecken. Aber das war nur ein kleiner Bestandteil des Geruchscocktails der sich in solchen Schiffsregionen zusammen braute. Wer genau darauf achtete konnte vieles heraus riechen. Der schwere Duft von Weihrauch, den die Priester auf ihren Prozessionen verteilten, der Rauch von Lohstäbchen und anderen Drogen, die Grundnote von Eisen die man im ganzen Schiff war nahm, zusammen mit den Dämpfen des Schmierfetts der beweglichen Teile. Wenn man genau aufpasste konnte man sogar die leichte, süße Note des Parfüms wahrnehmen, dass die Prostituierten trugen wie einen Seidenschleier. Natürlich roch es auch nach Schweiß, Mist und Erbrochenem, so etwas gehörte natürlich auch zu einem richtigen Unterdeck, aber derlei Gerüche musste man halt ausblenden, wenn man den Rest genießen wollte.
    Die Gänge zwischen den vielen Ständen der Händler waren zum ersten Mal seit einer Woche wieder brechend voll, da dies der letzte Dienstfreie Tag vor der Landung war. Die Gloria Deus war für Imperiale Verhältnisse ein mittelgroßer Transporter und konnte bis zu zehn Regimenter transportieren, auf dem weg nach Cociminus war sie jedoch fast leer, da die meisten Truppen, die vorher an Bord waren vor dem Eintritt in den Warp auf einen anderen Transporter gebracht wurden. Im Moment befanden sich daher nur drei Einheiten auf dem ehrwürdigen Schiff. Neben den Rheinländern, die auf dem weg nach Sabbit waren, gab es noch zwei weitere Regimenter, die von Hyrkan kamen und sich für die Sturmlandung auf Cociaminus vorbereiteten.
    Mit den Hyrkanern hatte Kraft bisher nicht viel zu tun gehabt. Sie waren ein harter Menschenschlag, genügsam und eisern und sie hatten schon viel Ruhm gesammelt. Jedoch waren sie nach außen hin nicht sehr gesprächig, weshalb Kraft schnell die Versuche der Kontaktaufnahme aufgab. Eben jene Hyrkaner tummelten sich nun zusammen mit den Rheinländern in großen Zahlen zwischen den vielen Bars und Freudenhäusern und brachten Leben in das Deck.
    „Hast du die gezinkten Karten und die Liste der Casinos Felix?“ De Vall zückte mit verschworenem Grinsen einen Beutel und ein Stück Papier.
    Kraft grinste zurück: „Dann mal an die Arbeit.“


    Der ergraute Hauptmann von Steinberg und Hauptmann Koch in seiner neuen Uniform brüteten nun schon seit Stunden über der Taktikanzeige im Schulungsraum 25-D. Es ging darum, verschiedene Konzepte der Tactica Imperialis für Sturmangriffe auf Tauglichkeit für einen kombinierten Verband der Linieninfanterie und der Sturmpioniere unter Berücksichtigung der grundlegenden Rheinländischen Militärdoktrien zu finden. Die Beiden Kommandeure stellten schnell fest, dass die von ihnen gewählte Aufgabe genau so trocken war, wie sie sich anhörte. „Beim Thron Werner! Was haben wir uns nur bei dieser Schnapsidee gedacht? Wir haben nun schon wie viele Konzepte durch? Sechs, sieben? Eine Taktik nutzloser als die nächste.“ Koch war schon immer ein unruhiger Zeitgenosse, aber zumindest diesmal musste von Steinberg ihm recht geben: „Ich würde vorschlagen, dass wir unsere Bemühungen für heute einstellen. Nach mehr als einer Kanne Kaffe kommt eh nichts Sinnvolles mehr zu Stande.“ Koch grunzte zustimmend und stand von seinem Stuhl auf, um sich ausgiebig zu strecken. „Sag mal Jürgen, ich hab dich ja noch gar nicht gefragt, wie die Übernahme bei dir geklappt hat, ich mein von der zweiten Kompanie zu den Sturmpionieren ist ja doch schon ein Wechsel.“ Koch, der schon begann, die Karten und Pergamentseiten ein zu sammeln, tat die Frage mit einem lässigen Wink der Hand ab: „Ach, die meisten der Jungs kennen mich ja noch aus meiner eigenen zeit bei den Sturmpionieren und viele kamen mit mir ja aus der ersten Kompanie herüber um die Ausfälle zu decken. Das einzige Problem was ich hab ist, dass es langsam schwer wird, die Jungs unter Kontrolle zu halten. Die müssen wieder ins Gefecht. Ohne die fünf Stunden Drill pro Tag und die Übungen würden die wohl Anfangen im Schiff rum zu ballern.“ „Fünf Stunden Drill? Beim Thron, du verlangst aber nicht wenig. Ich meine, dass die auch unter Major Eberhardt nie mehr als drei Stunden gemacht haben.“ „Exakt da ist ja das Problem! Eberhardt, möge der Imperator seiner Seele gnädig sein, war zu lasch mit den Jungs. Er hat zugelassen, dass sie weich werden und sich auf ihren Lorbeeren ausruhen. Die Sturmpioniere waren immer der Grund, warum man die Rheinländischen Regimenter als Elitäre Sturmtruppen ansah und mittlerweile ist es so weit gegangen, dass selbst die Späher sich einbilden, sie könnten uns schlagen“, er schnaubte verächtlich, „Ich werde dem ganzen auf jeden Fall einen Riegel vorschieben.“
    Als Koch den Raum mit seinem Material verließ, ließ er von Steinberg mit einem komischen Geschmack im Mund zurück. Der alte Hauptmann wollte sich nicht wirklich vorstellen, wie fünf Stunden Drill bei jemandem wie Koch aussahen.



    Es war nun schon das dritte Mal, dass Jäger an die Tür von Oberst Rossmann hämmerte um ihn zu sprechen. Jedes Mal kam einer der Rheinwächter aus der Tür und bedeutete ihm, dass der Oberst nicht da sei. Dieses Mal war Jäger sogar noch ungehaltener als zuvor, weil er sich vorhin auch noch mit diesem Wichtigtuer Schenk herumschlagen musste. Erst wollte der Kerl ihm vorschreiben, dass er in diesem Bereich nichts zu suchen hätte und dann hatte er ihm auch noch die Ohren zu gesülzt, dass der Oberst ja auch keine Zeit für ihn hätte, obwohl er so große Probleme mit dem Munitorum haben würde. Jäger hatte ihn einfach mit einem vernichtenden Blick zum schweigen gebracht und war zum Büro des Obersts durchgegangen.
    Er brauchte nur zwei Mal anklopfen, damit der Wächter wieder herauskam. „Ich will den Oberst sprechen!“ Der Wächter schaute ihn mit den großen dunklen Gläsern seiner Gasmaske an und schüttelte dann den Kopf. Jäger kochte: „Ist er da drin? Wenn er da drin ist, will ich umgehend mit ihm reden! Ich habs satt, an der Tür abgespeist zu werden!“ Jäger war klug genug still stehen zu bleiben, anstatt auch nur die Andeutung zu machen, an dem Wächter vorbei zu wollen. Er hatte Schenk vorher bei einem solchen Versuch beobachtet. Er war nur in Richtung Tür gezuckt, hatte vielleicht gerade erst den Gedanken geistig formuliert, durch die Tür gehen zu wollen, da hatte der Wächter schon reagiert. Mit einer Geschwindigkeit, die selbst Jäger immer wieder verblüffte, hatte der Wächter Schenk mit einer Hand am Hals an die Gangwand genagelt und zwar so, dass Schenk mit den Füßen in der Luft baumelte. Es war deutlich zu sehen, dass der Wächter nur die Hand etwas bewegen musste um Schenk problemlos das Genick zu brechen. Seither hatte Schenk nicht mehr versucht an der Tür zu klopfen.
    Jäger wollte gerade den Oberst herausrufen, als er im Augenwinkel eine Bewegung sah. Der Alte kam gerade den Gang herunter, den Arm voll mit Kartenmaterial und den anderen Wächter hinter sich: „Scheinbar wollen sie etwas von mir Leutnant Jäger?“, er war freundlich, keineswegs verstimmt, dass einer seiner Offiziere sein Quartier belagerte. Allein dass nahm Jäger schon gewaltig viel Wind aus den Segeln. „Allerdings Herr Oberst! Ich will endlich wissen, aus welchem Grund sie seit mehr als einer Woche meine beste Schützin vor mir Verstecken.“ Rossmann war mittlerweile an der Tür angekommen und gab dem Wächter hinter ihm das Kartenmaterial, welches dieser sofort ins Quartier brachte. „Als Zugführer ist das natürlich ihr gutes Recht, aber ich möchte ihnen vorher noch eine Frage stellen.“ Das brachte Jäger aus dem Konzept, so hatte er sich dieses Gespräch nicht vorgestellt: „Äh, natürlich Herr Oberst, welche Frage wäre das denn?“ „Wie lange dienen wir schon zusammen Jäger?“ „Sieben Standardjahre.“ Rossmann nickte: „Genau, sieben Jahre. Wissen sie wie viele Befehle sie in diesen sieben langen Jahren von mir bekommen haben?“ Jäger überlegte kurz und schüttelte dann leicht mit dem Kopf: „Nein Herr Oberst, dass waren zu viele um sich an die Zahl erinnern zu können.“ „Und sie haben jeden dieser Befehle ohne Diskussion oder Zweifel ausgeführt?“ Jäger war richtig verletzt: „Natürlich Herr Oberst! Das wissen sie doch!“ Wieder nickte Rossmann: „Ja natürlich weiß ich dass, daher frage ich mich ja jetzt auch, warum gerade sie plötzlich meine Entscheidung anzweifeln, dass ich Feldwebel Sismath für den Zeitraum des Transits durch den Warp von ihrem Zug entfernt habe. Wollen sie damit andeuten, dass sie beginnen meine Entscheidungen an zu zweifeln, weil ich nun Oberst bin und kein Kompanieführer mehr?“
    Jäger war nun auf dem totalen Rückzug: „Bitte verzeihen sie Herr Oberst, so hab ich das natürlich nicht gemeint. Es war nie meine Absicht ihre Entscheidungen an zu zweifeln. Ich wollte doch bloß…“ Jäger wurde durch das schallende lachen von Rossmann unterbrochen: „Mensch Jäger, ist ja gut. Nur weil ich jetzt Oberst bin, kann ich mir doch wohl noch einen kleinen Scherz mit ihnen erlauben. Ihr Verhalten ist korrekt, aber sie müssen mir bitte glauben. Ich habe sehr gute Gründe, Feldwebel Sismath ab zu ziehen. Gründe die sie nicht an zu zweifeln oder gar zu untersuchen haben. Sismath wird wieder ihrem Kommando unterstehen, sobald die Landung beginnt. Das ist alles was sie wissen müssen.“ Jäger war die ganze Sache sichtlich peinlich, auch nachdem Rossmann den Scherz aufgedeckt hatte, denn irgendwie hatte der Oberst ja Recht. Er salutierte und ging dann im schnellen Schritt wieder Richtung Quartier. Wenn Sandra wieder da sein würde er mit Sicherheit kein Wort ihr gegenüber verlieren und er würde dafür sorgen, dass es auch sonst keiner tat.


    Bevor der Alte in sein Quartier ging atmete er noch einmal tief durch. Er hatte gewusst, dass Jäger irgendwann bei ihm auftauchen würde, dafür kümmerte sich der Mann einfach zu gut um seine Leute, aber er hatte eigentlich befürchtet, dass sich der Späher lange nicht so leicht abschütteln ließ.
    Das Quartier selbst lag im Halbdunkeln und es war angenehm warm, sodass Rossmann ziemlich schnell ein Anflug von Müdigkeit überkam. Es war auch nicht verwunderlich, wenn man die letzten anderthalb Wochen betrachtete. Er war früh morgens aufgestanden, um dann den ganzen Tag Planspiele zu besichtigen, Kompanieoffiziere für die kommenden Ereignisse ein zuweisen, Karten zu studieren und etliche Absprachen zu halten. So hatte er sich heute zu einem taktischen Übungsspiel mit einigen Offizieren der Hyrkaner getroffen. Es gab ein simples erobern und halten Szenario, bei dem Rossmann die Verteidiger befehligte. Nach vier Stunden trennte man sich dann schließlich mit einem Patt, auch wenn einer der Kommissare der Hyrkaner, ein ziemlich lockerer blondhaariger Typ, zugeben musste, dass der taktische Vorteil bei ihm lag.
    Es war eine durchaus angenehme Veranstaltung für beide Seiten und man hatte viel gescherzt und gelacht. Trotzdem war er hundemüde. Er zog sich noch eben den Mantel und die Uniformhose aus, prüfte, ob die Karten richtig verstaut waren und ließ sich dann einfach auf das für ihn bereitgestellte Feldbett fallen. In Gedanken war er schon fast am schlafen, als er die Rheinwächter anwies die Nachtwache vor der Tür an zu treten, doch dann viel ihm eine Unregelmäßigkeit auf, die ihn wieder hellwach werden ließ.
    Das große Offiziersbett war bis auf die benutzte Bettwäsche leer. Rossmann wandte sich sofort an den Wächter, der das Quartier bewachen sollte: „Wo ist sie?“ Der Wächter, der schon auf dem Weg nach draußen war, drehte sich sofort um und verbeugte sich: „Verzeihen sie, ich hätte es ihnen sofort sagen müssen.“ Die Rheinwächter sprachen im gesamten Regiment mit niemandem außer Rossmann und auch das nur so selten, dass selbst Rossmann immer wieder erschauerte, wenn er ihre tiefen verzehrten Stimmen hörte. Der Wächter sprach weiter und seine Stimme tropfte wie immer schon fast aus dem Sprachgitter der schweren Gasmaske: „Die Frau befindet sich im Waschraum um sich zu säubern.“
    Rossmann viel ein Stein vom Herzen, aber er hätte es schließlich besser wissen können. Seine Wächter hätten niemals eine Schutzperson aus den Augen verloren und wenn sie Sandra alleine in die Waschzelle gelassen haben, konnte er sich auch darauf verlassen, dass sie keine Möglichkeit hatte oder nicht in dem Zustand war, um sich etwas an zu tun. Erleichtert ließ er sich wieder aufs Bett fallen und ließ einen gelassenen Seufzer entweichen. Wenn sie sich schon wieder alleine waschen konnte, hatte sie das Gröbste überstanden und das waren die besten Nachrichten seit dem neuen Einsatzbefehl.
    Dem Alten fiel auf, dass der Rheinwächter immer noch in der offenen Tür stand und ihn unbeirrt anstarrte. Rossmann richtete sich wieder auf: „Ist noch etwas?“ der Wächter nickte: „Ich war nachlässig. Wünschen sie eine Bestrafung?“ Rossmann musste einmal mehr über den Pflichteifer seiner Wachen schmunzeln: „Ja ich wünsche eine Bestrafung und zwar dass du heute nicht die gesamte Nachtwache schiebst, sondern früh in die Koje gehst. Weggetreten.“ Der Wächter nickte wieder und verließ dann den Raum.
    Früher hatte Rossmann einmal eine Zeit lang versucht, die Wächter davon zu überzeugen, dass sie nicht jede Nacht vor seinem Quartier rumlungern brauchten, vor allem nicht beim Transit, aber es war fast so, als ob man einem Tallarner eine Heizdecke verkaufen wollte. Irgendwann hatte er es dann aufgegeben, weil er gemerkt hatte, dass sie auch trotz der Nachtwache irgendwie noch genügend Schlaf bekamen um in Top Form zu bleiben. Er war sich auch sicher, das der Wächter die Bestrafung die er ihm gegeben hatte nicht wahrnehmen würde, sondern sich gleich wieder vor die Tür stellen würde, obwohl er genickt hatte.
    Das war auch ein Interessantes Detail, dachte Rossmann. Die Wächter befolgten jeden Befehl von ihm aufs Genauste und ohne jeglichen Zweifel, aber sie salutierten nie vor ihm. Sie nickten immer nur. Rossmann wunderte sich aber nicht weiter darüber. Wenn man die Herkunft der Rheinwächter betrachtete, konnte man sehr einfach nachvollziehen, dass sie von ihm niemals einen militärischen Befehl akzeptieren würden und von daher würden sie ihn auch niemals militärisch grüßen.
    Der Alte wäre wohl bald in Gedanken versunken auf seinem Feldbett eingeschlafen, hätte sich nicht die Tür zur Waschzelle geöffnet. Mehr durch Reflex als durch eine bewusste Entscheidung folgte Rossmanns Blick der Geräuschquelle, als er die Ursache jedoch genauer ins Auge fasste bereute er die Entscheidung schnell.
    Im Türrahmen zu der Waschzelle stand die frisch geduschte Sandra Sismath, nackt wie der Imperator sie geschaffen hatte. Nur war es nicht die Frau, die noch vor einer Woche halbnackt im Waschraum der Späher wimmerte. Diese Frau war vital, sie strahlte so viel Kraft mit ihrem Körper und Selbstbewusstsein mit ihrem Gesicht aus, dass man fast davon geblendet werden konnte. Ihr Haar war nicht mehr zerzaust, sondern zu einem strammen Zopf zusammen gebunden und ihre Haut, obwohl von Natur aus immer blass gewesen, hatte auch keinen kränklichen Ton mehr, sie hatte ein frisches aussehen und glänzte richtig durch den Rest des Duschwassers, der wie Tau auf ihr lag. Auch wurde das weiß ihrer Haut nicht mehr von den blutroten Kratzern durchbrochen, da diese in der kurzen Zeit schon erstaunlich gut verheilt waren. Lediglich kleine, helle, rosa Streifen deuteten noch an, was passiert war.
    Es dauerte nicht lange, bis sich der Blick der beiden Soldaten traf und sowohl Rossmann als auch Sismath sahen aus, als hätte ihnen ein Space Marine ohne Ankündigung eine saftige Ohrfeige verpasste.
    Im Nachhinein könnte Rossmann schwören, dass dieser Blickkontakt mindestens eine Stunde zusammen mit dem peinlichen Schweigen, das im Raum hing bestand, aber Tatsache war, dass es nur zwei Sekunden dauerte. Sandras Gesichtsausdruck veränderte sich, bis sie aussah, als hätte man sie beim Klauen erwischt und ihre Hände schossen urplötzlich los, um Brüste und Scham zu verdecken. Mit einem Ausfallschritt nach hinten war sie wieder in der Waschzelle und knallte die Tür zu. Rossmann brauchte etwas, bis er die Fassung wiederfand und die ganze Situation verstanden hatte. „Du bist ein Schwein Walt!“, dröhnte es gedämpft aus dem Waschraum, „Was fällt dir ein, einer hilflosen Frau vor der Dusche auf zu lauern?“ Rossmann nahm das Gefecht auf, schließlich kannte er dieses Spiel: „Erstens bist du das letzte Lebewesen, das ich in diesem Universum als hilflose Frau bezeichnen würde. Zweitens ist das mein Quartier, mein Waschraum und mein verfluchtes Regiment, daher brauche ich nirgendwo zu ‚lauern’. Und drittens, warum bin ich hier das Schwein? Schließlich renne ich hier nicht splitterfasernackt in anderer Leute Quartieren herum um sexuelle Spannungen zu provozieren.“ Ein kurzes Schweigen, dann ertönte es gespielt verletzt: „Du hättest weggucken können!“ Rossmann nickte anerkennend, schmunzelte schelmisch und sprach leise zu sich: „Ja das hätte ich…“ „Das hab ich gehört du Ferkel!“
    Das hätte Rossmann sich denken können, schließlich hatte er es mit einer Späherin zu tun. „Und wie lösen wir diese Situation jetzt Sandra? Du kannst nicht ewig in dem Waschraum bleiben.“ „Wie wir die Situation lösen? Ich sag dir Taktikgenie, wie wir die Situation lösen. Du wirst dich umdrehen, ich gehe heraus und ziehe mich an. So werden wir diese scheiß Situation lösen.“ Rossmann drehte sich brav um und gab Bescheid. Kurz darauf öffnete sich die Tür, wenn auch nur einen Spalt breit, damit Sandra sich davon überzeugen konnte. Eine Sekunde später öffnete sich die Tür ganz und das Tapsen nackter Füße war quer durch den Raum zu hören, doch etwa ab der Hälfte stoppte das Tapsen: „Ich schwöre dir Walt, wenn du auch nur daran denkst, auch nur einen Blick in meine Richtung zu werfen, breche ich dir so schnell das Genick, dass selbst deine Wächter dich nicht mehr retten können.“ Rossmann spielte Entrüstung: „Du drohst mir mit dem Tod, nach all dem was wir zusammen durch gemacht haben?“ Das Tapsen ging weiter: „Ich hab dein Leben oft genug vor deinem Schicksal bewahrt, da entstehen bei mir keine Gewissensbisse, wenn ich den natürlichen Lauf des Universums wieder einrenke.“ Wieder hörte das Tapsen auf, aber diesmal weil Sandra an ihrem Ziel angekommen war. Eine Schranktür öffnete sich mit leisen knarren und er konnte sie nach Klamotten kramen hören. „Ich weiß gar nicht, warum du dich jetzt noch so aufregst. Du tust fast so als könnte ich jetzt noch etwas entdecken, dass ich bei deiner kleinen Privatvorstellung vorhin übersehen hätte.“ Es dauerte nicht mal einen Augenblick, bis ihn der Schuh am Hinterkopf traf. Mit Tränen in den Augen und die pochende Stelle am Hinterkopf reibend ruderte Rossmann zurück: „Ist ja gut, den habe ich verdient. Aber du hast die leichten Ausgehschuhe genommen und nicht die Einsatzstiefel, heißt das, dass du mich immer noch gern hast?“ „Nein, deine Stahlkappenstiefel haben die Wächter heute heraus genommen, damit die geputzt werden. Du kannst dich übrigens wieder um drehen.“
    Sie hatte sich einen einfachen Uniformdrillich aus seinem Schrank angezogen. Der Blaugraue Drillich war Sandra viel zu groß und sah an ihr vollkommen ausgebeult aus, stand ihr aber irgendwie. Rossmann ging nicht davon aus, dass sie irgendetwas darunter trug, da ihre Sachen schließlich noch im Späherquartier waren, aber er schämte sich auch für den Gedanken. Sie setzte sich aufs Bett und sah plötzlich sehr reumütig aus: „Tut mir leid wegen dem Schuh.“ Rossmann winkte ab: „Ach, man hat mir schon ein Boltgeschoss aus dem Brustkorb herausgeschnitten, da ist so ein kleiner Schuh unter Freunden nicht so schlimm.“ Sein Hinterkopf pochte immer noch ziemlich fies. „Ich wollte mich noch bei dir bedanken, für all das…“, Sandra war noch nie gut in solchen Gesprächen und es war auch nicht ihre Art, sich für etwas zu entschuldigen, aber Rossmann schüttelte den Kopf: „Für dich war das das Mindeste. Ich bin nur froh, dass es dir wieder besser geht.“
    Man konnte sehen, wie das Gespräch für die Scharfschützin einen unangenehmen Punkt erreichte, an dem sie wie immer versuchte aus zu weichen: „Sag mal Walt, hat die Sache vorhin im Türrahmen eigentlich irgendetwas zwischen uns geändert?“ Rossmann schüttelte lachend den Kopf: „Du weißt das eine Beziehung zwischen uns nicht klappen kann, du bist einfach zu dominant. Ich als Befehlshaber eines ganzen Regiments kann doch nicht einer Frau im Bett das Kommando überlassen, was würden die Männer sagen?“
    Rossmann und Sandra kannten sich schon seit einer Ewigkeit. Er war seit zwanzig Jahren im Dienst, sie seit sechzehn und von Anfang an waren sie nie wirklich weit von einander weg. Zum ersten Mal trafen sie zusammen, als sie auf einer Welt am östlichen Rand des Kolonialsektors im Kampf gegen Orkpiraten waren. Er war Feldwebel und man hatte ihm Sismath als Späher zugeteilt. Sie hatten beide schnell Gemeinsamkeiten festgestellt und kamen gut mit einander aus und allein das war schon ein Novum, denn die Späher galten bei den normalen Soldaten oft als arrogant und selbstherrlich. Sie wurden über die Jahre gute Freunde, aber nicht sexuell gesehen. Wenn man wie Sandra die einzige Frau in einem Regiment von zwölftausend Mann ist, welches im Feld oft über Monate nicht einmal den Ansatz von Brüsten sah, dann musste man sich etwas einfallen lassen um heil über die Runden kommen zu können. Manche Frauen in dieser Situation lassen sich mit hohen Offizieren ein, um von deren Schutz zu profitieren, andere trugen für solche Fälle immer eine Waffe mit sich herum, Sandra hatte jedoch einen anderen Weg gefunden. Sie gab sich einfach als, wie sie es bezeichnete, unausstehliches Miststück. Es gab Zeiten, in denen sie so herrlich am Fluchen war, dass selbst gestandenen Soldaten die Ohren flackerten. Jeden Versuch einer Anwandlung brachte sie durch ihre einmalige Art und Weise sofort zum erliegen und wenn sie mit Worten nicht mehr weiterkam oder der Möchtegern von Freier zu dreist wurde, packte sie die Fäuste aus und in dem Fall wollte Rossmann nicht in der Haut desjenigen stecken. Was der Alte jedoch nicht wusste, war ob es diese Art und Weise von Sandra war die ihn sexuell ‚abschreckte’ oder der Wille, das er sie lieber als Freund an seiner Seite wusste, den als Beziehung.
    Durch die gemeinsame Vergangenheit konnte sie sich gegenüber ihm auch deutlich mehr herausnehmen als jeder andere im Regiment. Manchmal sprach sie mit ihm in einer Form, in der sie in anderen Regimentern wahrscheinlich schon wegen Respektlosigkeit erschossen worden wäre. Aber wehe dem, der meinte, er könne sich in ihrer Nähe diese Rechte gegenüber Rossmann selbst herausnehmen. So gab es einen Zwischenfall vor zwei Jahren bei einem der ersten Einsätze für die Imperiale Armee.
    Sie sollten zusammen mit einem Regiment der Vostroyanischen Erstgeborenen eine Rebellenstellung auf irgendeinem Planeten ausräuchern. Rossmann, damals Hauptmann, wollte gerade seiner Kompanie den Angriff befehlen, als ein älterer Leutnant der Vostroyaner ankam. Die Vostroyaner waren ein verflucht arrogantes Pack, die die meisten anderen Regimenter nicht einmal als würdig erachteten an ihrer Seite zu sterben. Zu diesem Zeitpunkt der Schlacht war ein ziemliches Chaos ausgebrochen und die Funkverbindung war praktisch tot, deshalb hatte man diesen Leutnant los geschickt, um die vermeintliche Unordnung in Rossmanns Abschnitt wieder her zu stellen, was für ihn wohl so viel bedeutete, dass er das Kommando übernehmen sollte, da der Offizier im Abschnitt wohl gefallen war. Der Kerl platze also vollkommen unangemeldet in die letzte Einsatzbesprechung vor dem Angriff und machte sich nicht einmal die Mühe, die Rangabzeichen von Rossmann zu kontrollieren. Mit einer Selbstverständlichkeit las er Rossmanns Namen vom Namensschild ab und verlangte das Kommando. Sandra, die zufällig bei der Besprechung anwesend war, hätte ihm allein dafür die Nase gebrochen, dass er ihn nicht mit seinem Rang angesprochen hatte. Sie ließ den Leutnant dann so lange im Schwitzkasten, bis er eine vollständige und ordentliche Begrüßung eines ranghöheren Offiziers fertig gebracht hatte. Davon, dass der Abschnitt sich noch in Ordnung befand, brauchte er sich danach nicht mehr überzeugen.
    „Wenn es dir nun wieder besser geht, kannst du natürlich jederzeit wieder zurück in die Quartiere. Jäger vermisst dich schon, weil er ohne dich bei den Übungen nicht gewinnen kann.“ Sandra nickte langsam, aber ihre Stimme wurde nun sehr leise: „Kann ich…kann ich vielleicht noch eine Nacht hier bleiben?“
    Rossmann lächelte: „Natürlich:“

  • Kapitel 4


    „Was für eine wunderschöne Landschaft. Eine Schande, dass wir sie verwüsten werden.“
    -Major Schneider, 14. Kompanie 1. Rheinland bei der Ankunft auf Sabbit I-


    Die Landeoperation auf Cociaminus war selbst aus dem Raum noch ein gewaltiges Spektakel. Die Gloria Deus hatte in einer höheren Umlaufbahn Stellung bezogen, um die Hyrkaner in großen Landungsschiffen auf den Planeten zu werfen und aus dieser Umlaufbahn hatte man einen hervorragenden Blick auf den Planeten, wenn man wie Rossmann auf dem Observationsdeck stand. Der Alte hatte in seinen zwanzig Dienstjahren schon viele Invasionen miterlebt, aber keine konnte sich bis jetzt mit dieser Messen. Das Truppenaufgebot zur Eroberung des strategisch wichtigen Planeten war enorm. Weit über zwanzig Millionen Mann der Imperialen Armee standen im Orbit bereit und hunderte Transporter wie die Gloria Deus umkreisten den Planeten wie Geier einen reifen Kadaver. Dazu kamen zwei Titanenlegionen mitsamt Skitarii Verbänden, ungezählte Panzer und eine ganze Gefechtskompanie der Imperial Fists. Zehntausende Landungsboote kamen im Moment aus ihren vielen Ladebuchten hervor um auf den Planeten herab zu stoßen, als wären sie Bomben.
    Immer wieder erleuchteten apokalyptische Explosionen die geschundene Oberfläche, Katastrophen von Menschenhand, die so gewaltig waren, dass sie den Himmel über weite Flächen hell strahlen ließen, das Wetter beeinflussten und das Angesicht der Oberfläche für immer verändern würden. Die Imperiale Flotte schlug mit erbarmungsloser Systematik auf die Verteidiger ein. Jedes vermutete Widerstandsnest, das keine strategische Bedeutung hatte, wurde einfach vom Angesicht der Existenz gewischt.
    Natürlich waren Entfernungen im Raum für einen Frontoffizier ein verfluchtes Mysterium, aber Rossmann vermutete, dass nur tausend Kilometer von der Gloria Deus eines von zwei an der Offensive beteiligten Schlachtschiffen eine Salve nach der anderen herabregnen ließ. So viel Rossmann wusste gehörte das Schiff der Imperator Klasse an, war also eine der mächtigsten von Menschenhand erdachten Waffen und er konnte sich nicht erinnern, jemals etwas so gewaltiges und ehrfurchtgebietendes gesehen zu haben. Selbst auf diese Entfernung konnte man die großen Kathedralen und die gebieterischen gotischen Aufbauten auf der Oberfläche des Giganten erkennen. Eine einzelne Waffe dieses stählernen Behemots hatte die Macht, eine ganze Stadt mit einem Schlag aus zu löschen und im Moment feuerten etlicher solcher Waffen salvenweise Tod und Verderben ab.
    Und dieses Schiff war bei weitem nicht das einzige. Vor Waffen strotzende Schlachtkreuzer, schwere und leichte Kreuzer sowie ungezählte Schiffe kleinerer Klassen umkreisten Cociaminus vom Nord bis zum Südpol und verstreuten ihre tödliche Botschaft. Es gab etliche Ziele dort unten und nur wenige waren so wertvoll, dass man sie intakt einnehmen musste. Cociaminus war für den Kreuzzug hauptsächlich wegen seiner Position interessant. Es galt ein Sprungbett nach Balhaut zu erobern und das um jeden Preis. Die Rohstoffe, Produktionsanlagen oder gar die womöglich zum größten Teil vom Chaos besessene Bevölkerung waren keine schützenswerten Objekte für die gigantischen Kanonenrohre der Imperialen Flotte und allerhöchstens zweitrangige Ziele.
    Zwischen den tausenden kleinen Landungsbooten begannen bald große Trägerschiffe in die oberen Atmosphärenschichten ein zu tauchen. Sie würden die zweite Operation der Flotte einleiten und unzählige Atmosphärenflieger über den Köpfen des Feindes absetzen. Sobald der Erzfeind sich dann aus seinen tiefen Schutzbunkern heraustrauen würde, um seine Stellungen zu verteidigen, würden Bomber und Jäger ihn attakieren wie ein Schwarm blutrünstiger Groxbremsen ein junges Weidevieh. Erst dann würden die Bodentruppen Landen und die vielen wichtigen Ziele wie Raum- und Flughäfen oder die befestigten Orbitalen Abwehrlaser angreifen und nach Möglichkeit einnehmen.
    Es war kaum vorstellbar, dass irgendetwas auf der Oberfläche diesem Aufgebot Widerstand leisten würde, aber trotzdem wusste der Alte, dass die Millionen Soldaten, die sich gerade in ihren Landungsbooten die Seele aus dem Leib kotzten, dort unten die wohl härteste Zeit ihres Lebens haben würden. Er hatte schon selbst zu oft miterlebt, wie einen die Gewalttätigkeit eines Orbitalen Bombardements vor dem Angriff in eine trügerische Sicherheit versetzen konnte. Mann konnte einen Feind mit noch so viel Metall bewerfen, er gräbt sich dann nur tiefer ein, vernichtet wird er dadurch nicht. Dieser Grundsatz des Grabenkampfes galt wohl auch für Flottenoperationen.
    Unter dem Observationsdeck auf dem Rossmann sich befand startete nun das letzte Landungsboot mit Hyrkanern. Es war das letzte von zehn Schiffen, welche für die Landung der zwei Regimenter bereit stand. Allesamt großbauchige hässliche Klötze, vollgestopft mit je Tausend Mann, sowie etlichen Panzern und Geschützen.
    Statistisch gesehen, würden bei einem Angriff auf eine so stark verteidigte Welt wie Cociaminus von diesen zehn Schiffen etwa sieben wieder zurückkehren. Zwei werden bei der Landung abgeschossen und eines beim Rückflug. Das entspricht dann in den Planungsakten des Munitorums dem erwarteten Verlust von Transportkapazität von dreißig Prozent und dem Verlust von Angriffskapazitäten von etwa zwanzig Prozent während der Landung. Das Munitorum hatte schon immer Talent solche Vorgänge in kalten Zahlen aus zu drücken. Doch solche Zahlen ließen einen schnell die Situation verkennen. Wenn man von Zahlen spricht hat man nicht die brennenden Schiffe voll mit Menschen im Kopf, die mit kreischenden Antrieben Richtung Erde stürzten.
    Rossmann dankte vielmals dem Imperator, dass die Rheinländische Landungszone am morgigen Tag sicher war. Auf Sabbit befanden sich keine Feinde, die die Transporter mit ihren Waffen aus dem Himmel pickten. Es würde keine prozentuale Verlustquote bei der Landung geben.


    Auf dem Kasernendeck herrschte ein hektisches Treiben, aber dass war schon immer so gewesen, zumindest so lange wie von Steinberg sich erinnern konnte. Der Tag der Landung stand bevor und die letzten Teile der Ausrüstung, wie Munition und Notproviant wurden ausgegeben und Feldwebel drillten ihre Trupps zum letzten Mal für das Bevorstehende. Alle waren sie hektisch und aufgeregt, da das Warten ein Ende hatte. Nur von Steinberg blieb ruhig, denn er hasste unangebrachte Hektik.
    Hauptmann von Steinberg war ein Aristokrat am falschen Ende der fünfziger und in einem Regiment, wo das Durchschnittsalter bei Ende zwanzig lag, war er das Großväterchen. Mittlerweile machten sich schon die ersten kleinen Fältchen zwischen seinen aristokratischen Gesichtszügen mit Nachdruck breit und in seinem fein säuberlich nach hinten gekämmten Haar fing der graue Anteil den schwarzen langsam an zu überwiegen. Aber das machte ihm alles nichts, den als Kavalier der alten Schule wusste er all das in würde hin zu nehmen. Würde war so wie so ein wichtiges Wort in seinem Sprachgebrauch. Die von Steinbergs waren noch eine der alten Adelsfamilien auf Rheinland. Sie hatten sich ihre Titel damals während der großen Kolonialkriege Seite an Seite mit den Paladinen erkämpft und danach auch nie die Dreistigkeit besessen, sich darauf aus zu ruhen.
    Auf Rheinland gab es mittlerweile nur noch wenige Familien, die noch solche Werte besaßen und verteidigten, da der Geldadel im kommen war. Dekadente Neureiche, die sich ihren Platz an der Spitze nur durch Geld erkaufen wollten und gar nicht wussten, was die Verpflichtungen des Adels waren. Teilweise hat es sogar schon enorme Handgreiflichkeiten gegeben, weil dieser Abschaum versucht hatte sich mit Gewalt zu nehmen, was ihm niemals zustehen würde. Viele gute Männer waren diesen „Handgreiflichkeiten“ schon zum Opfer gefallen.
    Von Steinberg schüttelte sich. Diese Zeiten lagen hinter ihm und er wollte nicht mehr darüber nachdenken. Über dreißig Jahre lang hatte er den Sicherheitsdienst seiner Familienniederlassung in der Makropole Talfurt geleitet. Irgendwann hatte er dann genug gesehen, von all den Anschlägen und Übergriffen, der Falschheit und den Intriegen und nachdem er die Erlaubnis des Familienrates eingeholt hatte, meldete er sich gleich zum Militärdienst. Der Erzfeind war vielleicht auch hinterhältig, aber es war ein Feind, den man doch physisch greifen konnte, ohne Gnade und Reue. Sieben Jahre war das nun her, und die Zeit war ihm noch nicht lang geworden.
    „Sind wir noch im Zeitplan Hartmeier?“, sein Adjutant zuckte fast schon zusammen, weil von Steinberg nach langem Schweigen und Beobachten plötzlich wieder gesprächig wurde. Hektisch überflog er einige Pergamente: „Jawohl Herr Hauptmann. Wenn meine Berechnungen stimmen sogar etwas darüber hinaus.“ Hartmeier hatte sein Herz am rechten Fleck und war darüber hinaus auch sehr eifrig, aber er brauchte noch viel mehr Routine um zumindest etwas ruhiger zu werden. Wenn er das schaffte und natürlich die nächsten Kämpfe überleben würde, dann würde er einen hervorragenden Adjutanten abgeben, da war der alte Hauptmann zuversichtlich.
    „Gut Hartmeier. Sie können Oberst Rossmann berichten, dass wir pünktlich in sechs Stunden das Landungsboot betreten werden. Wenn sie dann auf dem Rückweg sind, bringen sie mir bitte einen Tee mit, würden sie das tun Hartmeier?“ Der Stabsfeldwebel Salutierte zackig und machte sich dann sofort im Laufschritt auf den Weg.


    Als Hauptmann Kraft auf sein Chronometer schaute war er erleichtert. Noch drei Stunden bis zum Start der Boote und die zweite Kompanie war komplett verladen. Sie waren die ersten, die Fertig wurden. Selbst Rossmanns Leibkompanie, die nach der Versetzung von Koch zu den Sturmpionieren unter dem Kommando von Hauptmann Knecht stand war noch am Verladen. Das machte Kraft schon ein wenig stolz, auch wenn er wusste, dass ihm genau genommen ein Zug fehlte.
    Die Landungsboote, die den Rheinländern für die Landung zugewiesen wurden, waren wie Kraft feststellen mussten nicht dieselben, die bei der Landung auf Cociaminus zum Einsatz kamen. Es waren deutlich kleinere und vor allem engere Exemplare, in denen gerade einmal eine Kompanie platz fand. Sie machten von außen einen recht klapprigen Eindruck, den der innere Schein nur noch verstärkte. Kraft versuchte aber nicht weiter daran zu denken und machte Anstalten, sich ein zu reden, dass er schon mit schlimmeren Transportmitteln geflogen war.
    Er hatte gerade den letzten Namen auf der Liste für die Verladung abgehackt, als er plötzlich Stiefel im Gleichschritt auf ihn zukommen hörte. Als er sich zur Quelle des Geräuschs drehte, war er mehr als überrascht. Es war Brinkners Zug, aber er war ziemlich schwer wieder zu erkennen. Es war kein unorganisierter Haufen, sondern eine Einheit. Kraft war es ein absolutes Rätsel, wie Nietfeld dieses Ergebnis in nur zwei Wochen erreicht hatte, aber es war beeindruckend. Die Männer sahen absolut durchtrainiert aus und blickten allesamt grimmig drein. Kraft fiel neben diesen Veränderungen und dem disziplinierten Gleichschritt auch noch die schwarz eingefärbte rechte Schulterpanzerung auf. Es war in der Tat eine Kommissarsgarde.
    Die beiden Männer, die vorne weg marschierten waren leicht zu identifizieren. Leutnant Brinkner und Kommissar Nietfeld. Auf ein Handsignal des Leutnants hielt der Zug auf der Stelle an, Brinkner trat vor und Salutierte makellos: „Dritter Zug vollständig angetreten. Erbitte Erlaubnis an Bord kommen zu dürfen.“ Brinkners Stimme war kaum wieder zu erkennen, so stark und kräftig kam sie über Kraft. Der verdatterte Hauptmann brachte nur wenig mehr als ein ‚Erlaubnis erteilt’ zu Stande und die Soldaten marschierten stumm an ihm vorbei.


    Rossmanns Chronometer fing laut an zu piepsen, als der kleine Maschinengeist zur eingestellten Zeit erwachte. Die Zeit war um und die Landung auf Sabbit I würde nun beginnen. Alle Kompanien hatten ihn mindestens vor einer Stunde benachrichtigt, dass sie vollständig an Bord eines Transporters waren und startklar seien.
    Rossmann schaute den Piloten des Führungsschiffes an und nickte stumm. Ein paar Knöpfe wurden gedrückt und in allen Hangars der Gloria Deus ertönten gleichzeitig laute Sirenen. Vorgewärmte Triebwerke wurden zu brüllendem Leben erweckt und tausende Tonnen Stahl setzten sich in Bewegung, als die über sechzig Landungsboote ihre Buchten verließen und ins kalte All abtauchten. Zeitgleich setzten auch andere Großtransporter rund um Sabbit I ab, jedoch war dieses Spektakel nicht einmal ansatzweise mit der Invasion von Cociaminus zu vergleichen, schließlich war es eine willkommene Invasion ohne orbitales Bombardement oder Massenlandungen.


    Feldwebel Bär war einer der ganz harten, ein Truppführer der Sturmpioniere. Wie jeder Feldwebel dieser erlesenen Einheit wurde der muskelbepackte Soldat von einem Schleier des Ruhmes umgeben. Er warf sich ohne Rücksicht in die mit Abstand härtesten Nahkämpfe und zuckte dabei nicht einmal mit der Wimper. Er hatte sogar einmal einem Mutanten mit seinem Grabenhammer den Kopf eingeschlagen, der die Körpermaße eines mutierten Ogryn hatte. Damals war er ohne zu Zaudern in die Bresche gesprungen um den Hauptmann der fünften Kompanie zu retten und hatte dafür von Oberst De La Rey persönlich das rheinländische Ehrenkreuz zweiter Klasse erhalten.
    Aber wenn er vor irgendwas im Imperium Angst hatte, dann vor dieser verdammten scheiß Uhr mit ihren Roten Ziffern, die im Frachtraum des Transporters hing und langsam, aber erbarmungslos runterzählte.
    Zugegeben, es war weniger die Uhr, vor der er Angst hatte, sondern mehr das Ereignis, dass
    mit ihrem Ablaufen zusammenhing. Die Uhr zeigte die Zeit an, die noch blieb, bis der klapprige Transporter in die Athmosphäre eintauchen würde. Koch hatte so wie so schon seit Ewigkeiten Angst bei Landungsflügen, weil er sich in den großen Metallkästen vollkommen hilflos fühlte, aber als er die Schiffe gesehen hatte, die sie diesmal benutzen würden, hätte er sich fast verweigert.
    Aber es war schließlich ein Befehl vom Oberst und vom Hauptmann gewesen. Wo käme er denn dann hin, wenn er sich wegen so etwas verweigern würde?
    Feldwebel Bär schluckte schwer. Die Uhr war auf Null gelaufen und die Vibration setzte ein. Die verdammte Vibration, die ausreichen würde, um das gesamte Imperium zu erschüttern und höchst wahrscheinlich diesen durch Dreck zusammengehaltenen Seelenverkäufer an der Atmosphäre zerschellen zu lassen. Die Deckplatten und die Seitenwände begannen schon bedenklich zu schwanken. „Beim Imperator!“, brachte Bär noch heraus, bevor er sich vor Angst in den Gurten verkrampfte.


    Obwohl Major Schneider als Kommandant der Truppen im Transporter das Recht hatte in der Vibrationsgedämpften Pilotenkanzel mit zu fliegen, war er froh, dass sie die Atmosphäre schnell durchstoßen hatten. Selbst in der Kanzel waren die Schwingungen und das Dröhnen der Vibrationen schrecklich und er wollte sich nicht wirklich ausmalen, wie es seinen Männern jetzt ging. Innerlich machte er sich eine Notiz, dass er beim Aussteigen die neuerliche Rutschgefahr auf dem Truppendeck beachten musste, nichts war peinlicher als ein Major, der sich in die Hinterlassenschaften seiner Männer legte.
    Die Transportschiffe waren mittlerweile so tief gefallen, dass sie nur noch einige wenige Kilometer über dem Boden dahinrasten und somit die Details des Bodens ersichtlich wurden. Die Oberfläche erinnerte Schneider sofort an die weiten satt grünen Wälder von Rheinland, in denen er aufgewachsen war. Sicher, der Farbton des Blattwerks war nicht der selbe, es fehlten die weiten und natürlichen Lichtungen und mit Sicherheit würde es dort unten Bäume geben, von denen er nicht einmal gehört haben würde, aber dennoch.
    Er hatte schon immer scharfe Augen gehabt, manche nannten ihn sogar Bussard, weshalb er sich auch an den Details erfreuen konnte, die anderen bei einem so rasanten Überflug in solchen Höhen mit Sicherheit entgangen wären. Schneider bemerkte kleine Bäche und Flüsse, die sich in aller Ruhe durch das dichte Grün schlängelten, Felsansammlungen, die , wie um den Bäumen auf dem Weg zum Licht zu trotzen aus dem Blattwerk stolz hervorbrachen. Ab und zu konnte man bei sehr genauer Betrachtung sogar einige Feldwege und Gehöfte in mitten des schier endlosen Waldes erkennen. Aber die Straßen waren leer und die Gehöfte schienen verlassen. Die Evakuierung war wohl schon weit fortgeschritten.
    Nach etwa einer halben Stunde Flug veränderte sich die Landschaft plötzlich. Das Grün nahm zwar nicht ab, aber die Anzeichen für Menschliches Leben häuften sich. Immer öfters tauchten Höfe und winzige Siedlungen auf, auch wenn die Abstände zwischen ihnen immer noch etliche Kilometer betrugen. Die kleinen Feldwege begannen sich zu verbinden und gingen irgendwann in einer befestigten Straße über, der das Landungsboot zu folgen schien und dann sah Schneider ihn, den Hirtenberg.
    Der Hirtenberg war die Ordensfestung der Sororitas. Ein enormer, felsiger Hügel, auf dessen Plateau ein gewaltiges Bauwerk errichtet wurde. Schon von sehr weiter Entfernung konnte man erkennen, wie der Hügel majestätisch aus dem sonst eher flachen, wenn auch felsigen Boden hervorbrach. Eine eindrucksvolle Mauer umrundete das gesamte Plateau, gespickt mit etlichen gotischen Rundtürmen und starken Zinnen, doch so mächtig die Mauer auch schien, sie war nichts im vergleich zum Bergfried der Anlage. Aus schweren Granitblöcken errichtet, jeder so groß wie ein Kampfpanzer und mit Panzerung aus Stahl und Ceramit verstärkt erhob sich eine prächtige Anlage, halb Burg halb Kathedrale. Zwei gewaltige Türme, genauso dekorativ, wie tödlich rahmten den Vorderteil der Feste ein, während zwei gedrungene Türme den halbrunden Abschluss des Schiffs deckten. Etliche Erker waren über das Bauwerk verteilt und auch mit dem bloßen Auge konnte man von weitem schon die vielen Schießscharten und Geschützstellungen erkennen. Mächtige Banner flatterten von den Türmen und Zinnen und machten jedem unmissverständlich klar, dass man Imperialen Boden betrat.
    Vor der Burg erstreckten sich weitläufige Felder, mühselig dem Wald und dem felsigen Boden abgerungen und wahrscheinlich seit vielen Generationen von seinen Bauern gehütet und besorgt. Die Ernte schien schon länger eingefahren zu sein, den die Felder waren meist gepflügt oder lagen für spätere Bearbeitung brach. Zwischen den Feldern und dem Hirtenberg lag dann schließlich noch eine schmale Siedlung, die sich zwar um den ganzen Berg zu erstrecken schien, sich aber vor allem am Aufgang zum Festungstor konzentrierte. Der Baustiel der Siedlung war größtenteils Feudal und setzte sich aus Fachwerk und einigen wenigen Schiefersteinbauten zusammen. Aus einigen der Behausungen traten weiße Rauchfahnen langsam aus den Schornsteinen hervor und sorgten für einen behaglichen Gesamteindruck. Es sah geradezu malerisch aus, hätte man nicht die ganze Zeit den drohenden militärischen Konflikt im Hinterkopf.
    Mittlerweile waren die Führungsboote, zu denen auch Major Schneiders gehörte, schon bis auf wenige Kilometer an die Festung heran gekommen und hatten deutlich abgebremst. Auf einigend er Felder konnte man nun grüne Rauchmarkierungen erkennen, die die Landezonen ausweisen sollten.
    Das erste Rheinland setzte zur Landung an und noch bevor das erste Schiff den Boden berührte, wusste Major Schneider, dass es sich lohnen würde, für diesen Ort zu kämpfen.


    Das Schiff des Obersts war das erste, welches mit dem Landeanflug begann. Bedächtig gleitete es immer tiefer auf einen der großen Äcker zu, den Bug leicht angehoben. Als schließlich die vier großen Landekufen aufsetzten, zitterte die Erde, da sich nun viele hundert Tonnen Stahl auf sie stützten. So verharrte das Schiff einige Zeit lang und während im Hintergrund weitere Transporter mit kleinen Erdbeben aufsetzten, begann Dampf aus den unzähligen Rohren und Öffnungen zu schießen, um im inneren den Druckausgleich zu ermöglichen. Während das Schiff so verharrte konnte man eine kleine Prozession, vielleicht zwanzig Gestalten, erkennen, die sich dem großen Ungetüm aus Stahl näherten. Banner flackerten heftig im Wind der Schiffsabgase und der ein oder andere Hut machte sich selbstständig.
    Irgendwann verstummte das Landungsboot. Die Triebwerke starben mit leisem Fauchen und die letzten weißen Dampfwolken säuselten aus den Leitungen. Es verstummte aber nur kurz, den unter dem lauten heulen einer Fabriksirene und vom Zischen protestierender Hydraulik begleitet, begann sich langsam die große Frontluke zu öffnen. Manche Schiffe im Hintergrund begannen schon diesen Vorgang zu kopieren, während an anderer Stelle immer noch Schiffe landeten. Als die große Rampe des Schiffes schließlich mit leiser Erschütterung aufsetzte hatte sich die kleine Prozession des Empfangskomitees schon um sie versammelt, in Stiller Erwartung derjenigen, die nun dort herunter kommen würden.
    Und sie kamen. Zuerst nur einer, ein Mann mit wehendem grauen Umhang, der vor einer kleinen Abteilung her marschierte, die Stolz die Regimentsflagge in die Luft hielten. Aber dann kamen sie alle, Reihe um Reihe marschierten die grau gewandeten Gestalten aus dem Inneren des Transporters heraus, als ob der Strom nie versiegen würde. Das Lasergewehr stramm vor der Brust und die schwere Gasmaske wie eine zweite Haut aufgesetzt, kam die erste Kompanie in perfektem Gleichschritt die Rampe herunter.
    Während Rossmann und sein Stabstrupp sich auf das Empfangskomitee zu bewegten, als sie am Ende der Rampe angekommen waren, machte die erste Kompanie einen perfekten Schwenk nach rechts, um sich auf einem großen, noch freien Feld zu versammeln.
    Der Alte war schon fast bei der Prozession, als er seinen Stabsfeldwebeln den Halt befohl und sich an De Vall wandte: „De Vall, dass hier wird wahrscheinlich länger dauern. Ich will, dass während meiner Abwesenheit sämtliche Ausrüstung aus den Transportern entfernt und dann verstaut wird. Wenn das erledigt ist, sollen sich alle Kompanien versammeln. Ich werde dann Lautsprecher brauchen. Ach und sagen sie Major Hauser, dass er nicht an der Versammlung teilnehmen braucht. Ich will, dass die Späher sofort das umliegende Gelände erkunden.“ De Vall salutierte und setzte sich wie immer sofort in Bewegung, während er schon begann, an seinem Funkgerät zu drehen und zu schrauben.
    Rossmann drehte sich zum Komitee um und warf den ersten genauen Blick darauf. Es waren zwanzig Personen, von denen die Hälfte sofort als schmückendes Beiwerk zu erkennen war. Fahnenjunker, Trompeter sowie die üblichen Weihrauchschwenker und Ehrenwachen. Die andere Hälfte war jedoch hoch interessant.
    Zuerst ins Auge vielen natürlich die drei Schwestern der Sororitas. Die Frauen waren etwa so groß wie Rossmann selbst, also ungefähr ein Meter achtzig, waren aber, zumindest soweit er beurteilen konnte, deutlich stärker gebaut als er, auch wenn die Servorüstungen den Eindruck natürlich verfälschten.
    Sie hatten pechschwarze Haare, die bei allen in einem simplen Topfschnitt gehalten waren und so ein autoritäres Gesicht umrahmten. Elegante Servorüstungen meißelten jegliches Detail ihrer Körper in nahezu unzerstörbare Formen und ließen keinen Zweifel daran, dass man es hier nicht mit schwachen Frauen, sondern mit einigen der stärksten Kämpfern des Imperiums zu tun hatte. Die Waffen, die die drei trugen verstärkten diesen Eindruck noch um ein vielfaches. Zwei von ihnen trugen Bolter, die definitiv keine Gardeversionen waren. Rossmann glaubte nicht einmal, dass er die edel verzierten Kunstwerke überhaupt hätte tragen können, geschweige den abfeuern und seine eigene Boltpistole sah dagegen aus wie ein Kinderspielzeug. Die mittlere Schwester trug anstatt eines Bolters ein Schwert in der Scheide an ihrer linken Seite. Anhand der Länge der reich verzierten Scheide tippte Rossmann auf einen Anderthalbhänder. Der Griff war ein wahres Meisterwerk und Rossmann hatte solche Handwerkskunst bisher nur bei den Waffen von Generälen oder Marschällen gesehen. Er schämte sich schon fast ein wenig für sein Standardenergieschwert.
    Gleich neben den Schwestern stand ein Mann, den Rossmann nach seinen Informationen als Kardinal Firnis identifizierte. Es war ein uralter Mann, welcher da in der mit Goldfäden bestickten Seidenkleidung steckte und sich schwer auf seinen Kardinalsstab stützen musste. Unter der schweren Kopfbedeckung lugte ein Gesicht hervor, dass aus Falten zu bestehen schien und den Eindruck machte, als würde es zerlaufen. Bei den Augen stutzte Rossmann jedoch. Rossmann hatte in seinem Leben gelernt, dass man Menschen oft nach ihren Augen beurteilen konnte und die Augen dieses Mannes passten definitiv nicht zum Rest seines Körpers. Er hatte einen scharfen Blick und das tiefe grün strahlte Intelligenz aus wie eine Laserpistole.
    Die nächsten drei in der Reihe waren an ihren grün-braunen gefleckten Uniformen klar als Militärs zu erkennen und da die anderen Regimenter erst im Laufe der Woche eintreffen würden, musste es sich wohl um PVS handeln. Der mittlere trug eine Offiziersmütze, weshalb er ihn als Anführer vermutete, auch wenn ihm die Rangabzeichen unbekannt waren. Die Männer waren stark gebaut, wenn auch nicht sehr groß und hatten einen dunklen Ton. Ihre Gesichter waren kantig und wettergegerbt, strahlten aber eine Zuversicht aus, die dem Alten gefiel. Es war jedoch etwas verwunderlich, da Rossmann gar keine Informationen über PVS Streitkräfte in diesem Gebiet hatte.
    Die letzten drei schließlich waren Abgesandte des Administratums. Fett, glatzköpfig und bleich wie ein Stück Pergament waren sie klassische Vertreter ihrer Gattung. Sie alle hatten bionische Implantate, die wohl als Schreibhilfen und erweiterte Gedächtnisspeicher dienten und alle grinsten sie ihn unterwürfig an.
    Rossmann trat vor und salutierte: „Oberst Rossmann vom ersten Rheinland meldet sich mit zwölftausend Mann bereit zur Verteidigung.“ Der fetteste der Administratumsabordnung trat sofort vor und nahm schon tief Luft um etwas zu sagen, wurde aber von der Schwester mit dem Schwert scharf von diesem Vorhaben abgehalten. „Ich danke ihnen und dem großen Kriegsmeister, dass uns so schnell Hilfe bei der Verteidigung dieser Welt geschickt wurde. Ich bin Schwester Principalis Damokles, die Oberin dieser bescheidenen Niederlassung und das hier sind die Schwestern Josefine und Siglin, meine ersten Kriegerinnen.“ Sie zeigte mit einer Handbewegung auf die beiden anderen Sororitas. Ihre Stimme hatte etwas angenehmes, fand Rossmann. Es war das erste mal, dass er die Stimme einer Sororita gehört hatte und er hatte sie sich eigentlich immer ganz anders vorgestellt, viel tiefer und rauer.
    Damokles ging nun auf ihn zu und schüttelte ihm die Hand: „Wir sind wirklich froh, dass sie und ihre Männer hier sind um uns im Folgenden bei zu stehen und ich möchte sie eben mit den wichtigsten Personen betraut machen, damit wir schnell zu den wichtigen Dingen übergehen können.“ Sie wartete keine Reaktion von ihm ab, sondern ging einfach mit ihm von Gruppe zu Gruppe. Die direkte Art der Schwester gefiel Rossmann, zudem er nicht viel von Formalitäten hielt. „Das ist Kardinal Firnis, der Behüter der Pilgerstätte unserer heiligen Beati und des heiligen Fausturnus.“ Der alte Mann machte eine Segnungsbewegung mit den zitternden Fingern seiner Hand und lächelte, beziehungsweise verschob ein paar Falten in dem Bereich, wo der Mund sein sollte, Rossmann war sich da nicht so sicher. Die Augen des Mannes funkelten ihn an. Damokles ging weiter zu den Soldaten: „Das hier ist Präfekt Curze, er führt die dreitausend Mann der PVS und die Miliz in Hirtenberg an.“ Curze salutierte und Rossmann erwiderte den Gruß um gleich darauf eine Frage zu stellen: „Ich bin für jede Waffe am Wall dankbar Präfekt Curze, aber bitte verstehen sie meine Verwunderung, nach den Informationen des Oberkommandos müssten sie doch die zivilen Ballungsräume verteidigen.“ Curze lächelte: „Herr Oberst, das nächste Zivile Ballungszentrum liegt etwa neunhundert Kilometer weit weg und meine Leute kommen alle aus der direkten Umgebung. Warum sollten wir so weit reisen, wenn wir hier unsere Familien und unsere Heimat genauso gut verteidigen können?“ Rossmann nickte. Ihm gefiel die Einstellung des Mannes.
    Zu guter letzt kam Schwester Damokles zu den Adepten, schien hier aber kurz angebunden zu sein: „Und wenn ich ihnen jetzt noch den edlen Adepten Helmbert vorstellen dürfte. Er ist der Oberste, verbliebene Schreiber in diesem System.“ Wieder holte der fette Adept Luft für einen neuen Anlauf, diesmal warf Schwester Damokles jedoch einen so vernichtenden Blick zu, dass selbst Rossmann das Blut in den Adern gefror. Helmberts Versuch zu sprechen wurde nun schon zum zweiten Mal im Keim erstickt, was den Adepten sichtlich wütend machte, aber er schwieg.
    Schwester Damokles sah ihn wieder direkt an: „Wie sie wissen, haben wir als Teil unserer Abmachung zur Rettung dieser Welt verpflichtet, die Befehlsgewalt der Imperialen Armee an zu erkennen. Sie als Oberbefehlshaber frage ich nun, was die ersten Schritte sein sollen?“ Rossmann brauchte nicht lange überlegen: „Zuerst brauche ich wenn möglich Quartiere für meine Männer innerhalb des Walls, zumindest für die nächsten Tage. Dann natürlich einen Ort für unsere Vorräte. Ich brauche Ortskundige, die meine Späher mit dem Gebiet in mindestens fünfzig Kilometern Abstand vertraut machen, wenn möglich hundert Kilometer. Sobald das Adeptus Mechanikus in den nächsten Tagen mit dem Material eintrifft, könnte ich Leute gebrauchen, die bei den Schanzarbeiten helfen. Wir müssen mindestens zwei Verteidigungslinien um den Hirtenberg befestigen und je schneller wir das schaffen, desto mehr nutzbare Zeit haben wir, bis der Erzfeind landet und diese Zeit können wir gut gebrauchen. Und zusätzlich bräuchte ich Informationen über die Defensivkapazitäten der Festung und den eingelagerten Vorräten.“ Schwester Damokles gab ihren beiden Mitschwestern einige Anweisungen und diese setzten sich sofort in Bewegung: „Ihre Männer werden sofort die benötigten Informationen über die Quartiere und die Lagerstätten bekommen. Präfekt Curzes Männer werden ihnen dann beim Abladen helfen. Wenn sie wünschen, können sie derweil persönlich mit mir zur Festung heraufkommen und sich von unseren ‚Defensivkapazitäten’ überzeugen.“ Rossmann nickte und die Szene setzte sich in Bewegung.


    Mittlerweile waren alle Schiffe des ersten Gelandet und auf dem zum Flugfeld umfunktionierten Acker herrschte eine größere Betriebsamkeit als in einem Ameisenhaufen. Hunderte Soldaten wuselten umher, schleppten Kisten mit Vorräten in Richtung Festung, führten ihre Befehle aus oder suchten ihre Vorgesetzten, um sich neue Befehle zu holen. Wenn Schenk richtig kalkulierte, würden bei dem momentanen Tempo alle Transporter in drei Stunden entladen sein. Interessanterweise war das schneller, als er eigentlich gedacht hätte, aber es war ja auch ein Faktor in seiner Rechnung aufgetaucht, den er vorher nicht mit einbezogen hatte.
    Der dritte Zug aus Hauptmann Krafts Kompanie, der nun unter dem Kommando von Kommissar Nietfeld stand, sorgte maßgeblich für einen schnelleren Ablauf. Sie regelten die Soldatenströme, unterbanden Verzögerungen und trieben dort an, wo es zu langsam ging und das Beste war, alles lief nach seinem Plan. Schenk kümmerte sich offiziell um Logistikfragen und entwarf daher auch die Entladepläne. Jede Kiste hatte ein bestimmtes Ziel und wurde nach einer bestimmten Reihenfolge abgeladen. Zuerst die Munition, dann die Lebensmittel und so weiter. Wann immer ein Problem mit diesem Ablauf Auftrat, sorgten die Männer der neuen Kommissarsabteilung dafür, dass er benachrichtigt wurde um die Situation zu klären. Schenk war darüber überglücklich, denn bisher musste er immer lauthals schreiend über den Platz laufen, damit sich zumindest grob an den Plan gehalten wurde.
    Dieses Mal sorgten die Leute dafür, dass jeder Befehl minutiös ausgeführt wurde.
    Schenk musste sich richtig von diesen schönen Gedanken losreißen, da er wieder einen Funkspruch bekam. Schnell griff er nach seinem Klemmbrett, denn es war wieder Zeit Befehle zu geben.


    Hauptmann Kraft und Hauptmann von Steinberg waren ein Stück den Acker entlang gewandert, um dem Lärm und dem Gestank der Landezone zu entkommen. Kraft wollte sich einen ersten wirklichen Eindruck von dieser Welt machen, einen der nicht durch äußere Einflüsse verfälscht wurde, von Steinberg wollte sich wohl nur die Beine vertreten.
    Sie gingen über schweren, guten Ackerboden, wie man ihn auch in Rheinland vorfinden konnte. Auf dem Planeten war gerade das Ende der Sommerperiode gekommen, weshalb die Ernte hier schon eingefahren und der Boden schön trocken und griffig war. Jeder Schritt der beiden Offiziere wirbelte eine kleine Staubwolke auf und hier und da huschten ein paar der heimischen Ackerbewohner umher, schlanke, kleine Tierchen mit großen Augen, dichtem Fell und Achte langen Beinen.
    Kaum ein Rheinländer hatte noch seine Gasmaske auf. Die Männer waren darauf trainiert, die Masken unter jeder Gegebenheit tragen zu können und durch die hohe Qualität der Ausrüstung hätte man sie sogar im Hochsommer oder im tiefsten Winter tragen können, wie eine zweite Haut, ohne zu schwitzen oder zu frieren. Abgenommen hatten die meisten sie, nicht weil sie unangenehm zu tragen waren, sondern weil sie es sich nicht entgehen lassen wollten eine der warmen Briesen die über die Landschaft fegten am Gesicht zu spüren.
    Kraft fand diese Welt schon jetzt tausendmal besser als Indrid. Hier roch die Luft frisch, schon fast so wie der frische Duftfilter einer Belüftungsanlage, nur bei weitem weniger Chemisch. Auf Indrid hingegen hatte man überall den fauligen Gestank der vielen großen Moore in der Nase und war froh, dass man seine Maske auf hatte.
    Der Geruch von Erde und Wald erfüllte hier die Luft und war sehr angenehm. Mittlerweile wurde die Luft aber leider schon von den ersten Noten Treibstoffs durchsetzt, weil damit begonnen wurde die Panzer zu entladen. Kraft rümpfte etwas die Nase, aber ansonsten war es ein wunderbarer Planet.
    „Herrlich nicht war?“, Kraft war guter Dinge und hatte einen gewissen Mitteilungsbedarf. Von Steinberg schüttelte den Kopf bedächtig: „Vielleicht schön anzusehen, aber ich befürchte wir müssen einen großen Teil Schlagen, sonst werden wir Probleme bekommen.“ Kraft konnte mit von Steinbergs Worten absolut nichts anfangen und war verwirrt, bis er von Steinbergs Blick verfolgte. Der alternde Hauptmann schaute unbeirrt auf die etwa einen Kilometer entfernte Baumgrenze. Der Wald dahinter war dicht und wie Kraft durch den Flug wusste, extrem weitläufig. „Meinst du den Wald Werner?“ Von Steinberg legte die Stirn in Falten: „Natürlich meine ich den Wald! Wovon hast du den gesprochen? Wenn wir die Bäume dort stehen lassen, ist dass Feuerfeld unserer schweren Waffen zu eingeschränkt. Wir werden wohl mindestes eine Schneise von fünfhundert Metern schlagen müssen, um das zu bereinigen, ich werde den Oberst informieren, sobald er von der Festungsbesichtigung zurück ist.“
    Irgendwie fand Kraft es etwas schade um die Bäume.

  • Mondschatten

    Hat den Titel des Themas von „[40k] Rheinland Omnibus“ zu „Rheinland Omnibus [Astra Militarum, unvollendet]“ geändert.
  • Mondschatten

    Hat das Label [Astra Militarum] hinzugefügt