„Hey, Djonn! Du wirst hier nicht fürs Pennen bezahlt!“ Sein Chef, Erik klatschte laut vernehmlich in die Hände. Sein Gebrüll tat den Rest.
Widerwillig erhob der Geweckte sein verstruveltes Haupt vom metallenen Tresen und blickte verschlafen und pikiert zu seinem Vorgesetzten.
Nein, ich werde hier nur fürs Rumsitzen und Langweilen bezahlt.
Schluckte er gerade noch rechtzeitig herunter. Er musste den Mann ja nicht unbedingt darauf aufmerksam machen.
„Hat's dir die Sprache verschlagen?“ fragte Erik mit einem hämischen Grinsen auf dem teigigen Gesicht. „Jetzt scher dich schon in die Waschräume und richte deine Haare. Wenn ein Kunde kommt, kannst du nicht so aussehen, als wärst du gerade erst aus dem Bett gekrochen!“
Ja, wenn ein Kunde kommt.
Schläfrig erhob sich der junge Mann, den Erik Djonn nannte, von seinem Stuhl, um sich auf den Weg in die Waschräume zu machen.
Das war das Problem an super spezialisierten Luxusgütern. Die wurden so selten gekauft, dass ein paar wenige Verkäufe pro Woche den Laden finanzierten.
Aber am Ende konnte man es ja sicherlich weitaus schlechter treffen, als den ganzen Tag Nichts tun zu müssen, oder?
In den Waschräumen angekommen, schlurfte er zu dem einzigen Waschbecken des Ladens. Selbstreinigend und trotzdem ständig vom niederen Angestellten sauber gehalten. Es war echt eine Kunst, wie Erik es immer wieder schaffte irgendwie doch immer noch undefinierbaren Schmutz daran zum Kleben zu bringen. Für den Moment war es aber zum Glück sauber. Mit einer lässigen Geste drehte er das eiskalte Wasser auf. Er sammelte ein wenig in seinen Händen und spritzte es sich ins Gesicht. Kalt wusch das Wasser über seine trockenen Augen und die schwarzen Ringe, die darunter deutlich zutage traten.
Doch trotz des kalten Wassers starrte er noch immer entrückt in den Spiegel vor sich.
Sein Ebenbild erwiderte sein Starren mit einem leeren Blick, der durch ihn hindurch sah.
„Hey, Djonn! Mach voran! Ich habe keinen Bock mich um deine Kunden zu kümmern, wenn sie auftauchen.“ hallte Eriks Stimme ungeduldig durch den Laden.
Ich muss mich nicht von dir kleinem Arschloch rumschubsen lassen. Es kommt doch eh kein verdammtes Schwein. Verzieh dich doch wieder in dein verdammtes Büro, mach die Tür zu und zieh dir mehr von dem kranken Zeug aus der Plattform rein, so wie jeden verdammten Tag.
Ein weiterer Schwall Wasser brachte endlich seinen Blick zurück ins hier und jetzt.
Verdammt nochmal, ich sollte ihm das endlich mal ins Gesicht sagen. Er und dieser bescheuerte Job können sich sonstwohin scheren. Ich gehe gleich einfach zu ihm hin und sage ihm das so.
Er feuchtete seine Hände an und versuchte vergeblich sein widerspenstiges Haar zu bändigen.
Dann tus doch einfach!
So einfach ist das nicht. Es ist nicht so als hätte ich eine Wahl.
Sartre schrieb, jeder hat immer die Wahl.
Du verstehst sowas nicht.
Ich halte es für sicher, auf Leute zu vertrauen, die allgemein weiser sind als du.
Sartre lebte vor hunderten von Jahren. Was wusste der schon?
Ich versuche nur, dir deinen Selbstbetrug zu vermasseln.
„Mensch, Djonn, schwing deinen Arsch endlich wieder hierhin, ich habe wichtigeres zu tun, als deinen Job zu erledigen.“
Ich bin mir ziemlich sicher, dass selbst mein Job produktiver ist als das, was du so treibst, Arschloch.
Du brauchst nur deinen Mund zu öffnen, den Rest übernimmt dein frustriertes Es.
Kannst du jetzt endlich mal mit den postmodernen Philosophen aufhören?
Das war kein Philosoph.
Zu einem kleinen Akt der Rebellion ließ sich Djonn dann aber doch hinreißen. Sein nasses Haar sah jetzt wenn überhaupt noch schlimmer aus als vorher. Außerdem war seine dunkelrote Uniform am Halsbereich nass von seiner Haarwäsche.
„Gottverdammt Djonn, was soll der Mist jetzt schon wieder?“ Erik starrte ihn entgeistert an. „Weißt du was, ist mir egal, ich verziehe mich an meinen Port und erzähle der Geschäftsleitung von deiner Arbeitsmoral.“
Ja, was auch immer. Am Ende muss ich vielleicht ein paar Überstunden schieben. Das heißt, wenn du dich überhaupt in fünf Minuten noch daran erinnerst.
Erik hastete in den hinteren Teil des Ladens zurück, aus dem er erst kürzlich gekommen war. Djonns Augen schossen ihm dabei tausend unsichtbare Dolche in den Rücken.
Das wäre übrigens auch eine Möglichkeit, weißt du.
Hast du etwa gerade vorgeschlagen, dass ich ihn ermorde?
Du hast doch nicht etwa an so eine Schreckenstat gedacht?
Das weißt du doch anscheinend besser als ich.
Unmotiviert ließ Djonn sich wieder auf den Schemel hinter seinem Tresen fallen. Sein Kopf ruhte beinah unmittelbar wieder auf seinen gefalteten Armen.
Können wir jetzt mal aufhören von meiner Sackgasse von einem Leben zu reden?
Ich will dir wirklich nur helfen.
Aber ich bin überzeugt, im Endeffekt würde das eh nur Dinge beschleunigen, die sowieso passieren werden.
Thoria, lass es endlich.
Wie du meinst.
Willst du eine weitere Geschichte erfahren?
Kennst du einen besseren Weg diese Schicht rumzukriegen?
Aus welchem Bereich soll sie denn stammen? Wissen, Halbwissen oder Unwissen?
Lass mich kurz überlegen...