Corathrophs Geschichtensammlung: 9) Frostiger Empfang [Inquisition, unvollendet]

Als das grelle Licht eingeschaltet wurde, musste Damien die Augen zukneifen, um nicht allzu sehr geblendet zu werden. Seine Arme waren eng an den stählernen, kalten Stuhl geschnallt, ebenso wie seine Beine. Bewegungsfreiheit gab es quasi nicht. Langsam öffnete er seine Augen, während er hörte, wie schwere Schritte durch den kleinen Raum auf ihn zukamen. Er musste grinsen.
"Es ist mir eine Ehre, Großinquisitor" begann er die Unterhaltung, von der er wusste, dass sie nicht so freundlich bleiben würde, wie er sie eingeleitet hatte.
"Ich wünschte ich könnte sie auch noch als Inquisitor begrüßen, Damien, doch sie machen es mir schwer" Der Mann vor ihm setzte sich auf den Stuhl, der Damien gegenüber stand. Seine schwere Rüstung klirrte leicht und ein Geruch von teurem Amasec ging von ihm aus. " Sie können mich sehen, nicht wahr?" fragte er gelassen.
Damien nickte lächelnd. Er war blind und beinahe sein ganzen Gesicht war seit einem tragischen Unfall von Bandagen bedeckt, doch nicht nur seine körperlichen Sinne waren seitdem besser geworden, auch sein psionisches Gespür hatte sich so weit verschärft, dass es ihm ein klares Bild seiner Umgebung zeigen konnte. Er war farbenblind, sah alles in leicht melancholischen Schwarz und Weiß, aber ja, er konnte sehen.
"Sagen sie mir, was sie über die Corathrophs wissen und ich kann sie hier rausholen. Wo befinden sie sich, Damien?"
Damien schüttelte den Kopf. "Sie wissen so gut wie ich, dass ich ihnen dies nicht sagen kann." Antwortete er mit fester Stimme.
"Doch das können sie. Erzählen sie mir von ihnen. Jede Information kann uns nutzen, mein Freund."
Damien schüttelte nur den Kopf. Sie würden ihn töten, wenn er nicht kooperieren würde. Er kannte die Praktiken der Inquisition gut genug. Jende Praktiken, die er selbst unendlich oft angewandt hatte, bevor er sie getroffen hatte. Es war ihm egal, was mit ihm passieren würde, denn er hatte mit sich selbst seit dem Moment abgeschlossen, in dem er seinen ehemaligen Kollegen in die Hände gefallen war. Eigentlich dürfte er nichts zu befürchten haben, denn sein Herz und seine Seele schlugen noch immer für den Imperator, doch manchmal... - Damien musste erneut lächeln, als er sich an die Worte des Mannes erinnerte, den er mehr als jeden anderen schätze und respektierte - "Manchmal ist es nicht so einfach..."
"Damien!" schrie ihn sein gegenüber an, doch die Beruhigungsmittel, die man ihm verabreicht hatte, übernahmen erneut die Kontrolle über seinen stark geschwächten Körper. Langsam schweiften Damien Gedanken ab und führten ihn in einen Traum. Nein, in eine Erinnerung. Zu seinem ersten gemeinsamen Einsatz mit den Corathrophs.

Keuchend rannte Damien die schier endlosen Stufen zur Spitze des Astronomieturms des Gouvernourssitz empor. Durch die verzierten gothischen Fenster sah er das Schlachtfeld. Es war ein grauenvoller Anblick. Der Himmel und die Erde waren blutrot gefärbt, die Leichen der Rebellen stapelten sich zu meterhohen Türmen. Es war einer der grauenerregendesten Orte, an denen Damien in seiner Laufbahn als Inquisitor je gewesen war. Als junger Haereticus Vertreter hatte er es nicht oft mit den Mächten des Chaos zu tun, erst recht nicht in solch ausgebreiteter Form wie an diesem Tag. Der ganze Planet, auf dem er sich gerade befand, betete den Blutgott an, weshalb die Space Marines, die er begleitete, ihren Vernichtungsfeldzug nicht nur gegen militärische Streitkräfte, sondern auch gegen Zivilisten richten mussten.
Keiner durfte die Saat der Verderbnis weitertragen.
Keiner durfte überleben.
Damien schluckte. Bisher hatte er einen Genozid dieser Größenordnung nur aus dem All miterlebt. Wenn man auf einer Schiffsbrücke stand und die Virusbomben langsam auf den Planeten regneten, dann war alles irgendwie rein theoretisch. Selbst wenn die Atmosphäre von undurchdringbarem Feuer verschlungen wurde, war es nur eine runde Kugel, die verbrannte. Man sah nicht die Leichen. Man hörte nicht die Schreie der Sterbenden. Man fühlte nicht den Tod an jeder Ecke...Unten sah er wie einige Marines die Toten mit schweren Flammenwerfern verbrannten, während er selbst sich zur Spitze des Turms vorarbeitete. Dort oben wartete ein Marines auf ihn, der Verbandsführer der Corathrophs, Schattensergeant Vidar. Dort oben sollten sie den Gouvernour dieses Planetens töten. Dies war der Grund, warum man am Boden kämpfte, denn dieser Mann musste mit Sicherheit getötet werden. Danach würde der Exterminatus den Rest übernehmen.
Schnaufend erklomm Damien die letzten Stufen und betrat die kreisförmige Kuppel. Er achtete wenig auf die reich verzierten Räumlichkeiten, sondern realisierte sofort mit einem Lächeln, dass der Gouvernour tot am Boden lag. "Gut gemacht, Sergeant!" rief er außer Atem. "Hervorragend!" Die Mission schien ein voller Erfolg zu sein.
"Was genau erachten sie in diesem Raum als hervorragend, Inquisitor?" fragte ihn der Marine mit tiefer Stimme.
Verwundert verlangsamte Damien seine Schritte. Was meinte er? Als er auf die Leiche zuging, bemerkte er, dass Vidar beinahe traurig auf den Mann herabsah, der durch seine Hellebarde sein Leben ausgehaucht hatte. Aus der Stirn des Mannes wuchsen zwei kleine Hörner, doch sein sterbendes Antlitz wirkte beinahe friedlich.
"Ist diese Mission nicht auch für sie ein Erfolg?" fragte Damien den Koloss neben sich vorsichtig, ohne den Blick vom Gouvernour abzuwenden. "Wir haben das Herz dieser Ketzerei zerschlagen. Die Wurzel dieses Übels, welches versucht, das Imperium von innen zu vernichten" Rechtschaffener Eifer beflügelte Damiens Worte, doch er merkte, dass sie bei seinem Gegenüber auf taube Ohren stiessen.
"Ketzerei..." wiederholte der Marine bedächtig. "Ein schweres Wort mit fataler Bedeutung..." Vidar drehte sich um und ging in die Mitte des Raumes, wobei ihm Damien vorsichtig folgte. "Sagen sie, Inquisitor, ist jede Zuwendung zum Chaos ein Verrat am Imperium?" Zum ersten Mal sah ihm der Mann mit der fahlen, weissen Haut und den schwarzen Augen nun direkt in die Augen. Damien schluckte. Obwohl er den Sinn dieser Frage nicht verstand, so wusste er, als sie mehr bedeutete, als es den Anschein hatte.
"Wie kann man dem Imperator noch dienen, wenn man sein Leben dunklen Mächten widmet?" fragte er vorsichtig zurück.
"Sehen sie sich um, Inquisitor, die Fenster hier werden ihnen ihre Antwort liefern"
Damien wandte seinen Kopf zum ersten Fenster rechts neben dem Eingang und musste zu seiner Überraschung feststellen, dass die Buntglasfenster - zumindest vermutete er, sie seien bunt - die Geschichte dieses Planeten zu erzählen schienen.
"Ein Idyllischer Planet am Rande des Imperiums" erläuterte Vidar das erste Bild, welches eine Stadt unter einer strahlenden Sonne zeigte. Davor gab es Felder und einige glücklich wirkende Menschen waren abgebildet.
Die Szenerie wechselte drastisch auf dem zweiten Bild. Riesige Meteoriten stürzten auf die Stadt herab, aus welchen im dritten Bild fremdartige Wesen hervorkrochen. Hinter ihnen zog sich eine Schneise der Verwüstung her, während sie auf ihrem Weg zur Stadt waren.
"Sie sind grün, wissen sie?" bemerkte Vidar, der um Damiens Sehschwäche wusste.
"Orks..." hauchte der Inquisitor leise.
Vidar nickte. "Eine gewaltige Invasion, etwa vor 40 Jahren. Alle Behörden im Sektor waren in Aufruhr, denn es schien, als könnte nichts in seinem Weg den Waaagh aufhalten. Zudem war kein Space Marine Orden in verfügbarer Nähe. Der Krieg dauerte fast 14 Jahre"
"Unfassbar... Wie haben sie es so lange gegen die Xenos ausgehalten?" fragte Damien schockiert.
"Sehen sie selbst" Vidar deutete auf die nächsten Bilder.
Das nächste zeigte den Kampf um die Stadt, deren Befestigungen jahrelang gegen den Ansturm anhielten. Die PVS waren stark, es waren zudem auch Panzer abgebildet, wobei Damien meinte mindestens einen Baneblade zu erkennen, doch dies allein würde nicht genügen.
Auf dem fünften Bild war es schliesslich soweit. Die Mauern gaben nach und die Orks überrannten die Stadt. Das Bild zeigte, wie sie gnadenlos Frauen und Kinder niedermetzelten, einfach nur um ihre tierischen Triebe zu befriedigen. Vor seinem Inneren Auge schien das Feuer lebendig zu werden und er meinte die hilflosen Opfer schreien zu hören.
Warum war so etwas in diesem Imperium immer noch möglich? Bei all ihrem Bemühungen, warum reichte es nicht aus? Warum waren sie immer noch zu wenige...?
"Es ist noch nicht vorbei" drängte Vidars Stimme ihn und er sah sich das nächste Bild an. Abgebildet war ein Mann, der deutliche Ähnlichkeit zu dem toten Gouverneur hinter ihm aufwies. Damien schluckte. Über dem Mann, der auf einem Bein kniete, brach eine blutrote Gestalt aus dem Himmel, die ihm ein gewaltiges, brennendes Schwert überreichte.
"Das kann doch nicht..." stammelte Damien.
"Der Blutgott" stimmte ihm Vidar zu, und während er auf das siebte Bildnis deutete. "Er gab ihnen die Kraft die Orks zu besiegen, als sie nichts mehr als den Tod zu erwarten hatten"
Damien schüttelte verzweifelt den Kopf. Das konnte nicht sein, so etwas konnte nicht sein! Wer sich dem Chaos zuwandte war von Grund auf verdorben! Diese Geschichte... Dies alles hier widersprach allem, was er je gelernt hatte! Man wandte sich aus Egoismus, aus Trieblust, aus Gier oder Machthunger an die finsteren Mächte, aber nicht...
"Dieser Mann wollte sich nie vom Imperium abwenden. Er hatte nie die Absicht der Menschheit den Rücken zu kehren. Er wollte nichts, als sein Volk zu retten..." unterbrach Vidar seinen Gedankengang. Der Marine drehte sich von ihm weg und ging zur Treppe.
"Aber..." Damien schüttelte den Kopf, er konnte noch immer nicht glauben was dieser Mann versuchte ihm zu erklären.
"Gehen sie zurück aufs Schiff, Inquisitor, denn hier finden sie nichts Hervorragendes. Hier finden sie nur Leid und Tod."
"Aber der Imperator beschützt jene, die an ihn glauben!" schrie er dem gerüsteten Krieger hinterher, wobei all sein religiöser Eifer, den er über die Jahre erworben hatte, in die Worte hineinfloss. Ja, so war es. Der Imperator beschützte jene, die fest an ihn glaubten und ihm ihr Leben widmeten. So war es und so musste es für ewig sein.
Vidar drehte sich nicht noch einmal zu ihm um, als er die letzten Worte sprach, die Damien an diesem Tag von ihm hören sollte. Worte, die schwer vor Trauer waren.
"Manchmal ist es nicht so einfach..."

Damien glitt weiter in die tiefen seiner Träume, betäubt durch die narkotische Wirkung der Medikamente. Zwar spürte er für einen kurzen Moment, wie ein Servitor ihm eine Nadel - vermutlich gefüllt mit Aufputschmitteln - in den Arm stach, doch deren Wirkung sollte noch etwas auf sich warten lassen.

"Ihr Gutachten soll also das Letzte sein, Inquisitor?" fragte Vidar streng, wobei es eher schien, als sei Damien derjenige, dem dies zum Nachteil gereichen würde. Damien stand nervös an der Tür der Privatgemächer des Schattensergeants, während dieser mit hinter dem Rücken verschränkten Armen die Sterne betrachtete.
"Der Ordo will ein endgültiges Ergebnis" stimmte Damien Vidar bedächtig zu. Die Corathrophs standen seit ihrer Gründung unter der Bewachung der Inquisition, denn als Orden der einundzwanzigsten Gründung hatten sie eine äußerst instabile Gensaat. Man hatte versucht die Experimente des Corax an seiner eigenen Legion fort zu führen und zu perfektionieren. Wollte die Fehler, die er begangen hatte korrigieren. Ganz so, als ob eine Hand voll Wissenschaftlern je dazu in der Lage wären, die Arbeit eines Primarchen zu verbessern! Natürlich waren sie gescheitert, wie sollten sie es nicht? Und wie beinahe alle Orden dieser Gründung, so waren auch die Corathrophs von Anfang an dem Untergang geweiht gewesen.
Der Plan war gewesen schneller Marines heranwachsen zu lassen, die zudem die Makel des "Werrabengens" als Vorteil trugen. Jene unkontrollierbare Raserei, der Corax durch die Auslöschung seiner eigenen Söhne selbst stoppen musste. In gewissem Sinne war man sogar erfolgreich gewesen. Vor Damien stand einer der acht Schattensergeants, welche die Krone dieser Schöpfung darstellten. Die insgesamt vierzig Schattenwächter, zu denen auch die Schattensergeants gehörten, waren einem normalen Marine sowohl an Stärke, als auch an Schnelligkeit überlegen, besaßen schärfere Sinne und konnten noch schneller als ihre Brüder auf eine Begebenheit reagieren. Diese Krieger, welche zusammen die sogenannte Raven Watch bildeten, waren wahrlich ein voller Erfolg.
Die Kehrseite der Medaille waren jedoch die zahlreichen Marines, die es nicht fertig brachten, Herr über das Werrabengen zu werden und stattdessen zu eben jenen Monstern wurden, die Corax glaubte, ein für alle mal vernichtet zu haben. Von den knapp fünfzehn Prozent, die eine Verwandlung durchmachten, wurden 14,99 Prozent danach in die sogenannte Geisterkompanie überführt. Dort beruhigten mehrere Dutzend Ordenspriester die mutierten und verrückten Krieger, bis man sie erneut auf den Feind loslassen konnte.
Genau aus diesem Grund wurden von zeit zu zeit gutachten von der Inquisition erstellt. Die Mutationsrate nahm zu, der Orden schien immer weiter zu zerfallen. Es würde nicht lange dauern, bis er unweigerlich exkommuniziert werden würde.
"Sind wir denn der Inquisition nicht mehr von Nutzen?" sprach Vidar leise.
Damien schluckte, bevor er antwortete. "Doch, natürlich. Die Raven Watch ist eine der schlagkräftigsten Truppen, die wir in der Hinterhand haben, doch..."
"Wir sind zu wenige." vollendete Vidar seinen Satz. "Und wir haben des öfteren unsere Meinungsverschiedenheiten mit den Herren Inquisitoren."
"Sie sind ihnen ein Dorn im Auge..." Damien raufte sich die Haare. "Mir bleibt von meinen Vorgesetzten aus kaum eine andere Wahl, als mein Urteil gegen sie zu richten."
"Und was denken sie?"
"Ich weiss es nicht... Ich kenne sie und ihren Orden noch nicht lange und - "
Damiens gestammelte Antwort wurde jäh von der rauen, kratzigen Stimme einer Servitodurchsage unterbrochen. "Eintritt in den Realraum abgeschlossen. Zyian System erreicht. Sergeant Vidar umgehend auf der Brücke melden."
Als das Krächzen aus dem Lautsprecher verstummte, war der gerüstete Krieger schon halb zur Tür hinaus getreten. "Kommen sie, Inquisitor. Dies ist nicht die rechte Zeit für eine solche Unterhaltung."

"Bringen sie mir Bilder der feindlichen Kreuzer auf den Schirm! Ich brauche eine genau Darstellung ihrer Aufstellung, wenn wir ihre Linien durchbrechen wollen! Schiffskanonen laden, alle Mann auf Gefechtsstation!" bellte Vidar über die Brücke. Damien stand neben ihm und betrachtete voller Abscheu die Orkkreuzer, die vor ihm auf dem Monitor erschienen. Es waren dutzende und sie alle sammelten sich um Zyian Secundus, eine mittelmässig bevölkerte Agrarwelt. Wenn dieser Planet fallen würde, wäre Zyian Primus ihr nächstes Ziel. Letzterer war für das Imperium ungleich wichtiger, da dort wichtige Waffen für die imperiale Armee produziert wurden.
"Das Schiff des Großinquisitors hat nun angedockt, Sergeant!" krächzte ein Servitor, der auf kleinen Ketten über den Metallboden fuhr.
Zähneknirschend antwortete Vidar der halben Maschine. "Bringen sie ihn auf die Brücke" Dann wandte er sich an Damien. "Freuen sie sich, einen Kollegen zu sehen?"
Damien holte tief Luft. Großinquisitor Aizen folgte diesem Waaagh schon seit einiger Zeit und wollte es hier endlich zu Ende bringen. Es war nur natürlich, dass er zu einer Besprechung auf ihr Schiff kam, doch... Er schüttelte den Kopf. Er, Damien Kairos, war ein Inquisitor, ein Vollstrecker des heiligen Imperators zu Terra, und er sollte nicht allzu viel auf Gerüchte hören, die er irgendwo aufschnappte.

Natürlich lief Damien trotzdem ein kalten Schauer über den Rücken, als Großinquisitor Aizen die Brücke des Schiffes betrat. Sein nachtschwarzer Mantel, der hinter seiner ebenso dunklen Rüstung herschleifte, schien alles Licht um ihn herum förmlich aufzusaugen und Damien traute sich kaum in die bordeauxroten Sichtschlitze des reich verzierten Helms zu sehen. Was Damien jedoch am meisten Angst einjagte war das intensive rote Leuchten um Aizens Hände. Zwar war er für die Farben der normalen Welt unempfänglich, doch er nahm psionische Energie in Form von Farben war, die um das jeweils psionisch geladene Objekt herum eine Art Nebel bildeten. Je dunkler die Farbe war, umso stärker war die psionische Energie. Aizen war ein äußerst mächtiger Psioniker, so viel war im auf Anhieb klar.
"Wer hat hier das Kommando?" fragte die mechanisch verstärkte Stimme, die aus der Rüstung drang, schroff.
Erst jetzt drehte Vidar, welcher bisher die Anzeigen weiterhin im Auge behalten hatte, sich um. Mit einem Lächeln, dass weder Freundlichkeit ausstrahlte, noch gekünstelt wirkte, begrüßte er den Gast auf seinem Schiff. "Schattensergeant Vidar. Zu ihren Diensten, Inquisitor"
Mit einem Geräusch von aneinander schabendem Metal nickte Aizen. "Großinquisitor" korrigierte er routiniert, bevor er fortfuhr. "Schattensergeant Relix hat mir schon einiges von ihnen erzählt. Nannte sie einen Rebell" Aizens Stimme klang amüsiert und Damien meinte für einen Moment ein merkwürdiges Zucken in Vidars Gesicht zu sehen, bevor dieser sich wieder fing. "Streitigkeiten innerhalb des Ordens?" fragte Aizen spöttisch.
"Ich gehe nur mit der Zeit, Großinquisitor" entgegnete Vidar gelassen, wobei er die Silbe 'Groß' besonders betonte. Dass er Relix für einen viel zu steifen veralteten Prinzipienreiter hielt, verschwieg er besser. Das Schicksal seines Ordens stand auch ohne, dass er sich weitere Feind ein der Inquisition machte, auf Messers Schneide. "Sie arbeiteten also schon mit den Corathrophs?"
"In der Tat. Eine schlagkräftige Truppe, ihre Raven Watch... doch der Rest..." Eine kurze Pause trat ein. "Wie dem auch sei. Und sie sind, wenn ich fragen darf?" Aizen sah Damien nun genau an.
"I - Inquistior Damien Kairos vom Ordo Haereticus, eure Lordschaft" stotterte Damien schnell, wobei er eine kurze Verbeugung andeutete. Viele seiner Kollegen spotteten hinter seinem Rücken über seine Unterwürfige Art vorgesetzten Inquisitoren gegenüber, doch Damien hatte keine andere Wahl. Er war bei einem unbeliebten Kollegen in die Lehre gegangen, was ihn in Verbindung mit seiner Blindheit für viele andere Inquisitoren sowieso minderwertig erscheinen liess. Also musste er möglichst einen guten Eindruck machen. "Ich erstelle das Gutachten über die Corathrophs" fügte er schnell hinzu.
"Sie? Nun ja, nicht meine Angelegenheit. Obwohl ich es äußerst schade fände, wenn dieser Orden vor die Hunde geht. Aber nun ja, diese Galaxie ist ein raues Pflaster, nicht wahr? Doch ich bin nicht hier um über solche Themen zu reden. Steuern sie ihre Schiffe sofort auf Zyian Alpha zu. Wenn wir dort eine gemeinsame Verteidigungslinie mit den Abwehranlagen bilden, sollten wir den Großteil der Orkflotte vernichten können. Der mickrige Rest, der es auf den Planeten schafft, dürfte kein Problem darstellen."
Vidar schien verdutzt zu sein, sodass Damien zuerst das Wort ergriff. "Wir sollten die Orks nicht unterschätzen. Dieser Waaagh hat bereits einiges an Fahrt aufgenommen, Eure Lordschaft" er war sich nicht sicher, ob man den Waaagh wirklich derartig effektiv in einer Raumschlacht dezimieren könnte.
"Ich würde ihnen raten ihre Rolle als Beobachter weiterhin still zu erfüllen" herrschte Aizen Damien sofort an. "Denken sie ich weiss nicht, wovon ich spreche? Die Abwehranlagen dieses Systems sind vorbildlich und die Enteraktionen der Corathrophs in gewissen Kreisen durchaus berüchtigt. Doch davon verstehen sie nichts, Klein-Necos"
Damien trat mit gesenktem Kopf einen Schritt zurück. Klein-Necos war ein Spitzname, den er in 'gewissen Kreisen' des Ordo Haereticus innehatte und der auf seinen Mentor Inquisitor Necos anspielte. Anscheinend war dieser Name und sein zweifelhafter Ruf auch zum Ordo Xenos durchgesickert...
"Wir werden diese Orkflotte nicht in einer Raumschlacht aufhalten" unterbrach Vidar den kleinen Konflikt ruhig und bestimmt. Es war mehr eine Feststellung denn ein Vorschlag.
"Wie bitte?" fragten Aizen und Damien beinahe zeitgleich.
"Ich sagte, wir werden diesen Kampf auf Schiffen austragen" wiederholte Vidar.
"Sind sie vollkommen übergeschnappt?!" schrie Aizen den Marine an, wobei Damien deutlich spürte, wie der Energiefluss des Inquisitors in Aufruhr geriet. "Wollen sie sich auf Zyian Secundus in die endlosen Orkhorden werfen!?"
"Ich habe tatsächlich vor einen Landungsangriff auf Zyian Secundus durchzuführen" bestätigte Vidar ruhig, die Arme hinter dem Rücken verschränkt.
"Das werden sie nicht tun! Dies ist ein Befehl!" Ohne zu zögern zückte die scheppernde Rüstung eine goldene Inquisitionsmanchette und hielt sie Vidar vor sein Gesicht.
"Zu schade jedoch, dass auch ich einem inquisitorialem Befehl Folge leiste, nicht wahr, Inquisitor?"
Zu seiner totalen Überraschung sah der Sergeant bei diesem Worten Damien an, welcher völlig perplex wie zu Stein erstarrte. Er konnte sich doch nicht gegen einen Großinquisitor stellen. Ganz abgesehen davon, dass ein Befehl von Aizen seinen eigenen jederzeit überschreiben würde, war es völliger Wahnsinn! Auch Vidars Plan entsagte zudem jeder Logik...
"Wir haben Information, dass ein Großteil der Bevölkerung in der Hauptstadt von Zyian Secundus evakuiert wurde. Ich werde diesen Planeten nicht aufgeben, solange sich noch Menschen dort befinden"
Und mit einem Mal wurde Damien klar, dass dies keine Diskussion war, in der geklärt wurde, welche Taktik die Orks am sichersten aufhalten würde.
"Er hat recht" mischte Damien sich ein. Im gleichen Moment fragte er sich, warum er dies getan hatte, doch er bereute es nicht. Vidar hatte Recht; diese Menschen mussten gerettet werden und er fühlte, dass es an der Zeit war Partei zu ergreifen.
"Unser Ziel sind nicht diese Zivilisten!" gab Aizen zurück. "Wir müssen Zyian Primus mit allen Mitteln schützen! Die Fabriken sind für das Imperium - "
"Ich messe meine Erfolge nicht in Planeten, Inquisitor" Indem er ihn unterbrach, machte Vidar einige Schritte auf Aizen zu. "Sondern in Leben"
Wieder aller Erwartungen Damiens wich Aizen ein kleines Stück zurück. Eine Stille breitete sich aus, die die gesamte Brücke mit einschloss. Alle, bis auf die Servitoren, hatten sich zu den beiden Kontrahenten umgedreht und verfolgten die Diskussion. Die Aura um Aizen wurde immer unruhiger, bis Damien dachte, dass er jeden Moment seine Kräfte entfesseln müsste.
Doch so plötzlich, wie es gekommen war, endete es. "Ich nehme an wir haben keine vernünftigen Bilder von der Planetenoberfläche. Sie schicken ihre Männer nicht sinnlos in den Tod, nicht bevor wir wissen, wie es dort aussieht. Machen sie einen Thunderhawk startklar und steuern sie diesen Kreuzer näher an den Planeten; sie und ihr Trupp werden in diese Hölle fliegen" Aizen drehte sich um und ging auf den Ausgang der Brücke zu. "Und denken sie ja nicht, dass ich sie aus den Augen lasse, Vidar, also halten sie mir einen Platz für diesen Ausflug frei."
Mit diesen Worten verschwand der schattenhafte Inquisitor.
"Zu Befehl" rief Vidar ihm mit einem Lächeln hinterher. "Ihr habt es gehört Männer! Maschinen startbereit!"
Dieser Kampf ging an ihn, doch Damien konnte noch nicht einschätzen, auf welcher Seite dieser Aizen wirklich stand. Eine Sache, die nur die Zeit selbst enthüllen würde...

Ruckartig wurde Damien aus seinem Traum gerissen, als die Wirkung der Betäubungsmittel endlich abgeklungen war. Sein Atem ging nur stoßweise und es dauerte einige Sekunden, bevor sich in seinem inneren wieder ein Bild seiner Umgebung bildete. Der Großinquisitor saß noch immer vor ihm.
„Willkommen zurück“ wurde er trocken begrüßt, antwortete jedoch nicht.
„Ich will wissen, wo die Corathrophs sind, haben sie mich verstanden, Damien?“ Der Inquisitor wurde lauter und stand nun auf, um sich zu Damien, der noch immer an den Stuhl gefesselt war, zu beugen. „Dieser Orden wurde exkommuniziert, verdammt noch eins! Ich habe nicht vor, ihn ziehen zu lassen!“ Wütend schlug er auf den kleinen Metalltisch, der bedrohlich wankte.
Damien sah zu Boden. „Sie zu verdammen, wird sich noch als ein fataler Fehler für das Imperium erweisen. Ein Herr tut nicht daran, seine ergebensten Diener zu jagen“ flüsterte er.
„Ergebenste Diener? Pah, dass ich nicht lache!“ Fauchte der Mann zurück. „Diese Horde aus Mutanten hat das Imperium mit seinem falschen Idealismus mehr Welten gekostet, als das sie uns je von Nutzen sein könnte!“ Er wandte sich von Damien ab. „Doch dass sie sich nun auch noch Xenos zuwenden… Es blieb uns keine andere Wahl, mein lieber Freund“ Der Großinquisitor wirkte berührt, doch Damien kannte ihn gut genug, um diese billige Fassade zu durchschauen. „Sie sind auf dem Weg zu dem Artefakt, nicht wahr?“ fragte der Mann vorsichtig.
Damien nickte. Er hatte nicht vor dem Inquisitor seine falsche Denkweise über die Corathrophs auszutreiben. Er hatte es oft genug versucht, um zu wissen, dass es sinnlos war. Mit einem Puritaner liess sich selten konstruktiv debattieren. „Ja, das sind sie“ erwiderte er stattdessen sachlich.
„Und sie kommen nicht, um sie zu retten?“ hackte er weiter nach.
Damien zuckte mit den Schultern. „Warum sollten sie? Wenn sie finden, was wir zu suchen begannen, dann ist das alles nicht mehr wichtig“
Der Inquisitor schnaubte. „Das werden sie nicht, darauf gebe ich ihnen mein Wort. Sie werden schon noch singen, Klein-Necos, sie werden schon noch singen. Glauben sie ja nicht, dass ich Milde werden walten lassen, nur weil sie ein Kollege waren“
Ein dumpfes Klopfen ertönte, dann das Quietschen der dicken Stahltür, als sie geöffnet wurde. Im Türrahmen stand, gebückt, damit er unter dem zu niedrigen Balken hindurchsehen konnte, die schwer gerüstete Gestalt eines Spaces Marines. Die Farbe seiner Rüstung sowie die Ikonographie auf seiner Schulterpanzerung machten deutlich, dass er zu einer der alten Legionen gehörte. Dort, wenige Meter von Damien entfernt, stand ein Space Marine der Dark Angels.
„Der Großinquisitor vom Ordo Xenos ist soeben eingetroffen“ erstatte der Marine knapp Meldung.
Damiens Gegenüber knirschte mit den Zähnen. „Warum auch immer er sich in die Angelegenheiten eines anderen Ordos einmischen muss“
Damien stockte für einen Moment der Atem, als sein Sichtfeld von einer dunkelroten Flut überschwemmt wurde. Als er wieder klar sehen konnte, stand Großinquisitor Aizen plötzlich in einer dunklen Ecke des Raumes. „Die Corathrophs fallen vielleicht in das Aufgabengebiet des Ordo Haereticus“ drang die tiefe, krächzende Stimme aus dem Helm des Mannes. „Doch das Artefakt gehört mir“
Erschrocken fuhr der Inquisitor herum. „Benutzen sie gefälligst die Tür, beim heiligen Thron!“ schrie er seinen Kollegen an.
„Aizen“ flüsterte Damien nur starr vor Schreck. Nach den Begebenheiten im Zyian System hatten sich die Corathrophs inklusive Damien nicht grade als Freunde von Aizen getrennt. Vidars Plan Zyian Secundus vor dem Orkangriff zu schützen, hatte massive Verluste eingebracht, die in den letzten Gefechten vor allem auf Kosten Aizens handverlesener Privatarmee gegangen war. Zwar hatte man alle Überlebenden evakuieren und die Orks anschliessend in einer gewaltigen Raumschlacht um Zyian Alpha vernichtend schlagen können, doch hatte Aizen Vidar versichert, dass er bei ihrem nächsten Zusammentreffen die Konsequenzen dafür tragen musste, sich seinen Befehlen gegenüber verweigert zu haben.
„Geben sie mir eine Minute mit dem Gefangenen“ bat Aizen höflich, wobei er seinem Kollegen bedeutete, den Raum zu verlassen.
Dieser jedoch rührte sich nicht von der Stelle. „Ich halte ihr Eingreifen für völlig unnötig, auch wenn sie schon mit diesem Vidar zusammengearbeitet haben. Dementsprechend werde ich ihnen meine Gefangenen mit Sicherheit nicht überlassen.“
„Ich werde ihn nichts desto trotz befragen“ Aizen schritt langsam auf Damien zu, bis er direkt vor ihm stand.
„Was wollen sie von mir?“ fragte Damien ihn, wobei er seine Stimme versuchte ruhig zu halten. „Ich werde auch ihnen nicht sagen, wo sich Schattensergeant Vidar befindet“
Damien meinte ein kichern hinter der Maske des Großinquisitors zu hören. „Konzentrieren sie sich auf den Fluss der Kräfte des Warps“ Befahl er ruhig.
Damien runzelte die Stirn, während er bemerkte, wie Aizens psionische Energie um seine Hände herum in Aufruhr geriet.
„Was haben sie vor?“ drang die Stimme des anderen Inquisitors von etwas weiter hinten aus dem Raum.
Aizens mit Panzerhandschuhen bekleidete Hände schlossen sich ums Damiens Gesicht, dessen Atmung bei der Berührung für einen Moment aussetzte. Was hatte Aizen vor?
„Ich werde mir das Artefakt holen“ antwortete die mechanische Stimme trocken.
Im nächsten Augenblick befand sich dort, wo gerade noch Aizen und Damien befindlich gewesen waren, nur noch ein leerer Stuhl.

Damiens Blickfeld wurde sekundenlang von durchdringendem, rotem Licht erfüllt, während er sich fühlte, als hätte ein Riese ihn gepackt und ihn quer durch den Raum geworfen. Sein Magen drehte sich um, sodass er kurz davor war zu erbrechen, und seine Knochen wurden so eng zusammengepresst, als würde man versuchen, seinen ganzen Körper durch ein Nadelöhr zu quetschen.
Nur einen Augenblick später verschwanden diese Sympthome wieder und er schlug unsanft auf einem Metallboden auf. Vorsichtig stemmte er sich in die Höhe, wobei er spürte, wie Blut aus seiner Nase in die Verbände sickerte. Was beim Thron war gerade geschehen?
„Wie ich sehe, sind sie wohlauf, werter Kollege“ Die belustigte Stimme gehörte eindeutig zu Aizen. Ein Blick nach rechts bestätigte Damien, dass der schwarz gerüstete Großinquisitor neben ihm stand. Gerade verflüchtigten sich die letzten Reste der unruhigen, psionischen Energie um seine Hände.
Damien schnaubte. „Was war das?“ Während er aufstand, sah er sich um, um herauszufinden, wo er war. Anscheinend hatte Aizen sie irgendwie auf die Brücke eines Schiffes teleportiert. Damien schluckte. Das Wappen, welches auf mehreren Bannern prangte, war ihm unbekannt, enthielt jedoch unter anderem auch das Zeichen der Inquisition.
Aizen bewegte sich scheppernd auf den großen, thronartigen Stuhl in der Mitte der Brücke zu und setzte sich. „Ich dachte die Gerüchte um mich wären weiter verbreitet“ stellte er ein wenig enttäuscht fest. „Aber in ihren Kreisen…“ etwas wie ein Kichern drang aus dem Helm, hörte sich in Damiens Ohren jedoch eher wie eine Fehlfunktion des Sprachmoduls an.
Damien atmete tief durch, bevor er sich Aizen wieder näherte. Die beiden Inquisitoren waren im Prinzip völlig allein auf der Brücke, da die Systeme des Schiffes nur von Servitoren bedient wurden. Obwohl Aizen eine riesige Privatarmee hatte, bevorzugte er doch die melancholische Einsamkeit, die Stille, die von den Halbmaschinen um ihn herum nicht gestört wurde. Trotz allem hatte er natürlich Recht; die Gerüchte um ihn waren ausgeprägt genug. Manche von ihnen hatten sich bei ihrem Zusammentreffen im Zyian System bestätigt, manche waren widerlegt worden und manche hatte man nicht nachprüfen können. Zu Letzteren gehörte jenes, dass der Großinquisitor die Fähigkeit besaß, sich mit seinen Getreuen „durch die Schatten zu bewegen“, was auch immer genau dies bedeuten sollte.
„Haben sie uns gerade durch den Warp teleportiert?“ fragte Damien leicht gereizt, da er natürlich um die Risiken eines solchen Transportes wusste. Einer von ihnen beiden - da er unvorbereitet gewesen war, wäre dies vermutlich Damien gewesen - hätte diese kleine Reise durchaus als Dämon beenden können.
„Wer weiss“ antwortete Aizen gleichgültig. Herrisch hob er seine rechte Hand. „Geben sie mir die Koordinaten, Inquisitor“
„Ich sagte es ihnen bereits auf dem anderen Schiff, ich werde ihnen nicht verraten, wohin Schattensergeant Vidar unterwegs ist“ Damien verschränkte die Arme vor der Brust und starrte auf die Panzerung des Schiffes, die vor dessen Frontscheiben heruntergefahren war. Still fragte er sich, ob der Raum ebenso bedrückend wäre, wenn er nicht komplett schwarz weiß für ihn wäre.
Aizen drehte sich langsam zu ihm um. „Seit wann widersetzten sie sich Vorgesetzten, Damien? Diese Frage stellte ich mir schon auf dem anderen Schiff“
Damien zuckte mit den Schultern. „Zeiten ändern sich, wissen sie?“ Im gleichen Moment, als er dies sagte, traf ihn eine Erkenntnis. „Warten sie! Ihr Schiff ist an das des Großinquisitors angedockt! Wenn sie mich einfach so aus der Zelle entführen-!“ Sie hatten jeden Moment mit einem Angriff zu rechnen! Waren nicht sogar Space Marines an Bord des Schiffes gewesen?
Abwehrend hob Aizen eine Hand und unterbrach Damien damit. „Beruhigen sie sich. Wir befinden uns auf einem zweiten, kleineren Schiff, welches sich auf der anderen Seite des Planeten versteckt hielt.“
Damien stutzte. Aizens psionisches Potenzial musste enorm, geradezu absurd sein, wenn er durch sie eine solche Strecke überwinden konnte! Er hatte von trainierten Kampfpsionikern der Space Marines gehört, die kurze Strecken auf dem Schlachtfeld mit Sprüngen durch den Warp überwinden konnten, aber das war nichts im Vergleich zu dem, was Aizen vollbracht hatte.
„Mein Flaggschiff ist unterdessen unter dem Kommando des Oberst an die Heilige Vergeltung angedockt. Die Antriebe des Space Marine Kreuzers müssten mittlerweile außer Kraft gesetzt sein, wenn alles nach Plan läuft"
Damien verschluckte sich vor Schreck. Als man ihn auf das Schiff des Inquisitors gebracht hatte, war er ohnmächtig gewesen und erst in der Zelle aufgewacht. „Ein Space Marine Kreuzer!? Wir legen uns mit einem Space Marine Kreuzer an!? Beim Imperator, wir sind des Todes!“ Damien raufte sich die Haare, während er über dieser völlig hirnrissigen Aktion Aizens verzweifelte.
„Möchten sie mir nun die Koordinaten unseres Ziels geben, werter Freund? Oder sollen wir warten, bis die Dark Angels uns finden?“ Aizen begann wieder zu kichern, womit er Damien in den Wahnsinn trieb. Er konnte diesen Mann unmöglich zu den Corathrophs führen. Vidars Mission musste unter allen Umständen gelingen!
„Habe ich erwähnt“ begann Aizen erneut. „dass ich sehr hochrangige Freunde im Ordo Haereticus habe? Ich will nur das Artefakt…“ Seine Stimme wurde nun bedrohlicher, das mechanische Klackern steigerte sich wütend. „Und Vidar“
Damien atmete schwer, wobei er einen Schritt zurücktrat. Ihm wurde gerade ein Freispruch für den Orden der Corathrophs angeboten. Eine Rückversicherung, falls ihr Plan A nicht funktionieren würde. Damien seufzte schwer. So oder so würde Aizen sich nicht blindlings auf mögliche Verbündete stürzen, bevor er das Artefakt fest in seiner Hand wusste. „Steuern sie das Abraxas System an“ murmelte er beinahe unverständlich.

Langsam schritt Schattensergeant Vidar der Raven Watch durch den staubigen, unterirdischen Gang. Die Wände um ihn herum waren aus makellosem Obsidian gehauen, in welches arkane Runen gemeisselt waren, deren Bedeutung er nicht im Entferntesten zu erschliessen vermochte. Mit automatischen Bewegungen schaltete er die Lampe an seinem schnabelförmigen Helm an, als er außerhalb der Reichweite der letzten Sonnenstrahlen war.
„Ich habe kein gutes Gefühl hier drin“ murmelte Bacanis hinter ihm ins Kom. Vorsichtig schritt der Marine mit der schweren Sturmkanone daher, wobei er als einziger des Trupps keinen Helm trug. Vidar fragte sich, ob er diese Entscheidung noch bereuen würde, wenn der Staubanteil in den tieferen Teilen der Katakomben noch weiter anstieg, verwarf den Gedanken jedoch. Bacanis hatte die resistentesten Lungen von ihnen allen hier, was er auch schon oft genug bewiesen hatte.
„Ruhig, Bruder“ erwiderte Vidar gelassen, seine Hellebarde locker mit der rechten umfasst, indem er um eine Ecke bog. „Diese Katakomben waren seit Ewigkeit versiegelt und falls die Ketzer von außen versuchen einzudringen, werden sie von Bruder Scalax abprallen, wie die Flut an der Klippe“
Bacanis schnaubte. Natürlich wusste er, dass es seinen Grund hatte, dass ausgerechnet Scalax den Eingang bewachte. Wenn es darum ging, einen Punkt gegen eine anstürmende Horde von Feinden zu verteidigen, kam ihm niemand gleich, selbst nicht in Vidars Trupp, welcher innerhalb der Raven Watch die defensivste Rolle einnahm.
Vidar schüttelte den Kopf. Es war eine Schande… Sie kamen von einem vom Krieg zerrütteten Planeten, um hier etwas zu finden, und fanden sich selbst in einem weiteren Krieg wieder. Wie, fragte er sich, konnte dieses Imperium, welches derartig von Bürgerkriegen und Xenoangriffen zerrissen wurde, überhaupt weiter bestehen. Wer hätte die hiesige Rebellion niedergeschlagen, wären die Corathrophs nicht zufällig auf dem Weg gewesen? Er sah auf die Klinge seiner Waffe, von der noch immer das Blut der Verräter tropfte. Die Aufsässigen hier waren schlecht bis gar nicht bewaffnet, doch es waren viele und sie überwältigten die PVS durch ihre schiere Masse, wobei sie sich anschließend ihrer Waffen und Fahrzeuge bemächtigten. Auf diesem Planeten hatte sich ein beträchtlicher Teil den dunklen Göttern verschrieben und versuchte nun die Macht an sich zu reissen. Die Macht, die in den Händen eines verkommenen, arroganten und diktatorischen Adelshauses lag.
Vidar schüttelte den Kopf. Dies war nicht die Zeit für solcherlei Überlegungen. Wer sich einmal den Einflüsterungen des Warps verschrieben hatte, dem war nicht mehr zu helfen, egal wie nobel oder gerechtfertigt seine Ziele waren oder gewesen sein mochten. Nachdem die Raven Watch einige wenige, aber äußerst effiziente Vernichtungsschläge gegen die Köpfe der Revolution getätigt hatte, war das PVS durchaus in der Lage, wieder Herr über die Situation zu werden. Ihre Aufgabe hier war erfüllt, die Rebellen schon auf eingegrenzten Raum zurückgedrängt, weshalb Vidar sich nun um den eigentlichen Grund seines Kommens kümmern konnte.
Das Artefakt.

Fast eine Stunde lang marschierten Vidar und sein Trupp durch die makellosen Gänge, denen der Zahn der Zeit in all den Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden ihrer Existenz keinerlei Schaden zugefügt zu haben schien. Zwar befand sich auf dem Boden eine Zentimeter dicke Schicht Staubs, doch sonst schienen diese Katakomben, denen die Bezeichnung „Ruinen“ nicht gerecht wurde, als hätte man sie bis vor kurzem noch genutzt. Vidar wunderte sich über diesen Umstand, denn dieser Ort kam in keinem der planetaren Berichte vor, welche er vor seiner Ankunft gelesen hatte, und auch die Oberen des Planeten, mit denen er verkehrt hatte, meinten diese Katakomben nicht zu kennen.
Intuitiv bog Vidar an einer Kreuzung links ab, fuhr jedoch rasch herum, als er hinter sich ein Geräusch vernahm. Bruder Bacanis musste es ebenso gegangen sein, denn auch er blickte in den Gang, der nach rechts führte, während der Lauf seiner Sturmkanone bereits zu rotieren begann.
„Schon wieder falscher Alarm“ knurrte er.
Vidar grinste. „Scheint so, als wären diese Katakomben so verlassen, wie wir dachten“ Obwohl sie bereits mehrmals in Situationen wie diese gerade geraten waren, waren sie noch auf kein einziges Lebewesen gestoßen. Dieser Ort schien selbst abgehärtete Marines ein wenig paranoid zu machen.
„Melden Feindkontakt“ drang eine von statischem Knistern verzerrte Stimme durch das Kom.
„Kommen sie zurecht, Bruder Scalax?“ fragte Vidar gelassen, der von den Fähigkeiten des Marines, welcher den Eingang bewachte, überzeugt war.
„Die Assassinin des Inquisitors ist eine willkommene Unterstützung“ antwortete dieser nur. „Den Rebellen scheint dieser Ort doch mehr zu bedeuten, als wir ursprünglichen annahmen. Sie kommen mit beinahe religiösem Wahn daher und wollen die Katakomben stürmen. Sie sollten sich beeilen“
„Danke für die Meldung, Bruder. Vidar Ende“ Vidar runzelte die Stirn. Warum war dieser Ort nun doch von Bedeutung für die Bevölkerung? Er hasste es, wenn ihm von irgendwelcher Seite Informationen vorenthalten wurden.
„Ob Scalax bei dem Können der Scharfschützin überhaupt einen Feind zu Gesicht bekommt?“ witzelte Decaptis, ein weiteres Mitglied aus Vidars Trupp.
„Irgendwer muss ja die Reste aufwischen“ erwiderte Bacanis trocken, aber mit einem Schmunzeln.
Vidar hingegen schloss sich der aufkommenden Heiterkeit nicht an. Die Erwähnung der Scharfschützin, Cordelia, erinnerte ihn erneut an Inquisitor Damien, dessen einzige Untergeben sie war, und wie schändlich sie ihn im Stich gelassen hatten. Für den höheren Zweck, hatten sie gesagt. Natürlich war alles vorher abgesprochen gewesen. Es war klar gewesen, dass, sollte er seinem Kollegen in die Hände geraten, er ihnen so viel wie möglich Zeit erkaufen würde, bevor sie sich an die Verfolgung machten, doch nichts desto trotz hatten sie ihn im Stich gelassen, als er ihrer Hilfe bedurft hätte. Schnell versuchte Vidar den Gedanken zu verdrängen, dass Damien womöglich bereits an der Tafel des Imperators speiste.
Als sie um die nächste Ecke bogen, endete der Gang vor ihnen nach einiger Zeit in einer Wand. Für einen Moment dachte Vidar, sie wären in diesem Labyrinth zum wiederholten Male in eine Sackgasse gelaufen, jedoch fiel ihm schnell der leichte Luftzug und das wenige Licht auf, welche unter der augenscheinlichen Wand hindurch kamen.
Vorsichtig legte Vidar seine Hand auf den kalten Obsidian, wobei er die Warnung Bacanis‘ ignorierte. Sofort zuckte eine wellenförmige Bewegung durch die Wand, gerade so, als versuche sie sich der Berührung zu entziehen. Nach einem kurzen, lauten Knallen fuhr die Wand, die wohl eher ein Tor war, hoch und enthüllte einen großen, ovalen Raum dahinter. Zu ihrer aller Überraschung war der Raum mit Licht geflutet, da in der Decke ein großes, rundes Loch war und zwei Bäume wuchsen an den Wänden links und rechts von ihnen. Ein einsamer Vogel sang von irgendwoher sein Lied.
„Was ist das?“ fragte Vidar beinahe ehrfürchtig, während er die Kammer betrat und auf die leuchtende, grünliche Kugel in der Mitte des Raumes zuhielt.
Misstrauisch brachte Bacanis seine Waffe in Anschlag. „Das Loch scheint von den Erbauern geplant gewesen zu sein. Hier soll es so hell sein“ stellte er fest, als er sich die perfekten Ränder des Loches ansah.
„Ob hier auch Pflanzen sein sollen?“ fragte Decaptis, der Vidar flankierte, und auf die Bäume und die zahlreichen Sträucher, die in ihrem Schatten wuchsen, deutete. "Wo bekommen diese Dinger nur immer ihre Nährstoffe her..." grübelte er, seinen Blick auf den Obsidianboden gerichtet.
„Eine Art Altarraum? Zumindest wäre dies naheliegend“ kommentierte auch Lorn, der vierte Anwesende Corathroph, die Kammer
Vidar stand nun direkt vor der faustgroßen Energiekugel. „Das würde bedeuten, dass dies eine religiöse Kultstätte war“ Er warf einen Blick durch den Raum. „Ich mache keine Anzeichen von Chaosanbetung aus“
Bacanis nickte. „Scheint etwas anderes zu sein. Von einer älteren Kultur des Planeten“
„Könnte aber auch der Grund sein, warum die Rebellen diesen Ort zurück haben wollen. Falls er noch immer religiösen Wert für sie hat“ mutmaßte Decaptis.
„Wie dem auch sei“ unterbrach Vidar die Überlegungen. „Dies hier muss sein, weswegen wir gekommen sind“ Bedächtig er berührte er mit den Finger die Kugel, konnte jedoch durch die äußere Hülle dringen, ohne dass etwas anderes geschah, als dass seine haut auch durch die Servorüstung zu kribbeln begann. Was schon bemerkenswert genug war. Schnell erfasste er mit der Hand einen eckigen Gegenstand und zog ihn heraus. Als der ebenfalls aus Obsidian gefertigte, quaderförmige Talisman zum Vorschein kam, verging die Energiekugel in einem gleißenden, grünen Licht, dass alle Marines für einen Augenblick blendete.
Als Vidar die Augen wieder öffnete, den Talisman noch immer fest umklammert, stand wenige Meter entfernt von ihm, in den Schatten der Bäume gehüllt, ein leicht bekleidetes, recht junges, blondes Mädchen, welches noch keine dreißig Winter gesehen haben konnte. Die Kleidung, die sie trug, erinnerte ihn an eine Priesterin, und obwohl seine Instinkte es ihm geboten, war er unfähig, seine linke mit dem daran befestigten Sturmbolter zu heben.
„Ihr habt das erste Tor geöffnet“ erklang ihre geisterhafte Stimme, die ihm, durch die Akustik der Kammer auf beängstigende Art und Weise verstärkt und vervielfacht, einen Schauer über den Rücken laufen liess. Das Mädchen fixierte ihn direkt aus eisblauen Augen „Nun gibt es kein Zurück mehr für euch, Schattensergeant Vidar“

Vidar wich nicht einen Schritt vor dem geisterhaften Mädchen vor ihm zurück. Wie sollte er auch? Schliesslich war er immer noch ein Space Marines, ein Astartes, und gegen normale Formen der Angst quasi immun.
„Woher kennen sie meinen Namen?“ fragte er schlicht, obwohl ihm noch zig andere Fragen durch den Kopf schossen.
„Ich habe gesehen, dass sie kommen werden, Astartes“ flüsterte das Mädchen. „Und ich habe ihr Schicksal gesehen“
„Wir haben keine Zeit für sowas“ knurrte Bacanis leise durchs Kom, doch Vidar ignorierte ihn.
Er machte einen Schritt auf das Mädchen zu. „Sie sind also eine Psionikerin, wenn ich richtig vermute?“
„Eine Seherin“ hauchte die Stimme, wobei Vidar sich wunderte, dass sich keinen Millimeter bewegte, während er auf sie zuging.
„Was haben sie gesehen?“ Vidars Stimme war fest, doch wenn man aufmerksam war, hörte man eindeutig seine Neugierde heraus.
„Sie werden das große Tor öffnen, doch viele Gefahren warten auf sie“ beinahe schwebend glitt das Mädchen zu ihm herüber und legte ihre Hand an seinen Helm, wofür sie sich zu voller Größe aufrichten und ihre Arm trotzdem fast komplett durchstrecken musste. Sanft fuhr sie über das kalte Ceramit, während ihre kalten Augen, die den Anschein erwirkten, ihr Geist verweile eigentlich in einer ganz anderen Dimension, fernab von der menschlichen Welt, die roten Visiere des Schnabelhelms fixierten. „Die sie überwinden müssen, um ihre geliebte Menschheit wahrhaftig zu retten“
Vidar schluckte, bewegte sich jedoch nicht. Was sie sagte, wusste er doch bereits, nicht? Er hatte nicht damit gerechnet, das Artefakt nicht ohne Schwierigkeiten zu bekommen und er wusste, was dabei auf dem Spiel stand.
„Sie werden bei ihrer Ankunft auf sie warten, Vidar. Sie werden kämpfen und fallen, nur um sie aufzuhalten"
"Wen meinen sie?" fragte er vorsichtig. Zu wissen, mit welchem Feind er zu rechnen hatte, würde ihm bereits einen großen Vorteil verschaffen.
Das Mädchen kicherte. "Das Gerücht über das Artefakt verbreitet sich wie ein Lauffeuer, Astartes. Denken sie, dass es jemanden gibt, der es sich entgehen lassen würde?"
Vidar nickte und ging einen Schritt zurück. Er musste also mit mehr als einem Feind rechnen. Da er bisher nur das schlimmste vermutet hatte, machte ihm diese Erkenntnis nichts aus.
"Sie werden gegen die Jungen fechten müssen" drang die geisterhafte Stimme zu ihm vor. "und gegen ihr eigenes Volk"
Vidar ging zurück zu seinem Trupp. "Kontaktieren sie Scalax" befahl er an Bacanis gewandt. "Abmarsch!"
Das Mädchen ließ sich von Vidars Verhalten nicht beirren und sprach ungerührt weiter. "Ich sehe Schiffe voller Feinde... und einen Freund"
Vidar erstarrte mitten in der Bewegung. Damien? Schoss es ihm durch den Kopf. Damien lebte noch? Er war auf dem Weg zu ihnen. Innerlich klopfte Vidars Herz vor Freude, da sein guter Freund noch lebte, doch erkannte er gleichzeitig die Gefahr, die daraus resultierte. Wenn Damien auf dem Weg zu ihm war, und er davon ausging, dass ihm alleine nicht die Flucht geglückt war, bedeutete dies, dass auch die Inquisition hinter dem Artefakt und der Raven Watch her war.
"Wie ist ihr Name?" fragte Vidar ohne sich umzudrehen.
"Iliona"
Vidar nickte. Ein schöner Name, wie er fand. "Darf ich sie einladen, uns auf unserer Reise zu begleiten, Iliona?" Weder wollte er dieses Mädchen in die Hände der Rebellen fallen lassen, noch auf ihre hellseherischen Fähigkeiten verzichten. Alles, was ihnen auf dieser Mission zum Vorteil gereichen konnte, war mehr als willkommen.
"Sergeant!" rief Bacanis bestürzt. "Ich muss Einspruch erheben, wenn sie diese Psionikerin, über deren Potenzial und Gefährlichkeit wir nichts wissen, mit aus das Schiff nehmen wollen!"
Beschwichtigend legte Lorn dem abgehärteten Veteranen eine Hand auf die Schulter. "Unser Sergeant weiß, was er tut, Bruder. Nicht?" seine Stimme war ruhig, doch sah man auch ihm an, dass er besorgt war.
Vidar antwortete nicht. Wusste er wirklich, was er tat?
"Es wäre mir eine Ehre, die Astartes zu begleiten..." flüsterte das Mädchen, deren Stimme vom Wind heran getragen wurde.
Es war keine Zeit zu zweifeln, redete Vidar sich erneut ein. "Wir haben, weswegen wir gekommen sind" stellte er mit einem Blick auf das kleine schwarze Artefakt in seiner linken Hand fest. "Wir haben den Schlüssel. Wir brechen umgehend in das Abraxas System auf! Abmarsch, Astartes!" befahl er erneut, dann drehte er sich um. "Wenn sie mir bitte folgen würden, Iliona?"

Aus den Schatten vor den Katakomben heraus beobachtete Kilis'kan den Marine und die, aus seinen Augen, schlecht getarnte Assassinin. Natürlich wusste der Schicksalsleser ebenso gut, was im Inneren des Komplexen vor sich ging. Resigniert neigte er seine behelmten Kopf dem Boden zu. Wenn diese Chem'Pan'Sey wirklich in den Besitz des Artefaktes gelangen würden, welches sie suchten, würde größeres Unheil über sein Volk kommen, als er es je zuvor gesehen hatte. Wie fehlbar doch die Vorstellungen und Träume dieses Volkes doch waren und wie schändlich meist ihre Umsetzung. Könnten doch nur ihre Seher soweit blicken, wie er es konnte... Wie viel Unheil könnte vermieden werden, bevor es entstand?
Kilis'kan schüttelte den Kopf, als er sich abwandte. Das Schicksal dieses Volkes ging ihn nichts an, doch musste er das seines eigenen zu ihren Gunsten verändern.
"Es ist an der Zeit, meine Freunde" sprach er auf der ihnen eigenen Sprache zu den ihn umgebenden Harlequinen. "Unseren Verwandten einen Besuch abzustatten"

"Wir haben soeben an die Schattenherrscher angedockt, Mylord" drang die emotionslose Stimme eines Servitors aus einem Lautsprecher.
Damien, der inzwischen seine Verbände und Kleidung gewechselt hatte, atmete erleichtert auf. Obwohl man vorgehabt hatte, sofort zum Abraxas System aufzubrechen, war aus den Benachritigungen von Aizens Flaggschiff, der Schattenherrscher, welche unter dem Kommando des Oberst den Großinquisitor aufhalten sollte, schnell klar geworden, dass man sich vor dem Erreichen des Ziels treffen und neu organisieren musste.
"Hervorragend" hauchte Aizen, indem er sich von dem Thron auf der Brücke, auf dem er gesessen hatte, erhob. "Kommen sie, Damien, wir wechseln das Schiff"

Zischend öffnete sich das Schott, welches die beiden riesigen Schiffe nun miteinander verband und als das Metal sich zur Seite schob, wartete dahinter bereits der Oberst. Damien bewunderte erneut stillschweigend das stets adrette und mehr als gepflegte Äußere Aizens Stellvertreters, den er in seiner maßgeschneiderten, rüschenbesetzten Kleidung für einen normalen Adeligen gehalten hätte, hätte er seine psionischen Fähigkeiten nicht in den Kämpfen im Zyian System bereits bestaunen dürfen. Es war nicht übertrieben zu sagen, dass der Oberst Damiens eigenem Potenzial mindestens Ebenbürtig, wenn nicht sogar ein wenig überlegen war.
"Die Schattenherrscher ist erfreut ihren wahren Herrscher der Schatten wieder an Bord begrüßen zu dürfen" sprach der Oberst mit sanfter Stimme und einem kecken Lächeln auf den Lippen an Großinquisitor Aizen gewandt. Ein Nicken in Damiens Richtung folgte. "Schön sie wieder zu sehen, Inquisitor"
"Die Freude ist ganz meinerseits" entgegnete Damien ehrlich, da er den Oberst trotz anfänglicher Startschwierigkeiten für eine recht umgängliche Person hielt.
„Geben sie mir einen ausführlichen Lagebericht!“ forderte Aizen sofort, während er am Oberst vorbei ging. Sein Ziel war die Brücke der Schattenherrscher.
„Jawohl, Mylord“ Nickend schloss der Oberst zu seinem Vorgesetzten auf und auch Damien bemühte sich, mit den beiden Männern Schritt zu halten. „Die Warpantriebe des Astartes Kreuzers wurden kurzzeitig funktionsunfähig gemacht, was eine Verfolgung für sie eine Weile lang unmöglich machen wird, allerdings wird dieser Zustand nicht lange anhalten“
Damien fragte sich, wie der Oberst es geschafft hatte, unbemerkt auf das Schiff zu gelangen, um derartigen Schaden anrichten zu können, während Aizen gleichzeitig Damien aus seiner Zelle entführt hatte.
„Verluste?“ fragte Aizen kühl.
Der Oberst zögerte einen Moment, ein untrügliches Zeichen dafür, dass ihm die Frage unangenehm war. „Mehrere Gardisten… Beinahe der ganze dritte und fünfte Trupp“ erwiderte er kleinlaut.
Damien keuchte. Das bedeutete, dass dieser Einsatz, dass seine Rettung knapp zwanzig Männer das Leben gekostet hatte!
„Also niemand von Bedeutung“ Mit diesen Worten tat Aizen den Tod seiner Untergebenen ab, ohne auch nur einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden. Für ihn zählten einzig und allein die Ergebnisse, für die er beinahe jeden Preis zu zahlen bereit war.
„Warum wollten sie sich vor dem Eintritt in das Abraxas System mit uns treffen?“ fragte nun Damien vorsichtig, da der Oberst niemand war, der voreilige Entschlüsse traf.
„Die Lage hat sich… zugespitzt“ formulierte der Oberst langsam. „Wir sollten unser Eingreifen in die Geschehnisse um das Artefakt herum überdenken“ fuhr er an Aizen gewandt fort.
Bei jedem Schritt leise scheppernd betrat Aizen nun als erster von ihnen den Gravlift, der sie zur Brücke bringen sollte. „Abgelehnt“ drang die mechanische Stimme aus dem Helm.
„Es scheint, dass die Astartes vom Orden der Dark Angels die Raven Watch um jeden Preis zur Strecke bringen wollen. Kurz vor unserem Austritt aus dem Realraum habe ich eine Nachricht abfangen können, die vermuten lässt, dass ein zweiter Kreuzer ihres Ordens auf dem Weg zu ihnen ist. Sie sammeln sich mindestens in Kompaniestärke, Mylord“
Zum ersten mal drehte Aizen sich nun zu seinem Stellvertreter um. „Ein zweiter Kreuzer?“ Kurz schien er zu überlegen. „Werden sie damit fertig?“ seine Stimme war so berechnend wie eh und je.
Ein närrisches Grinsen huschte über die Lippen des Oberst. „Um das zu sagen, müsste ich es ausprobieren, Mylord“
„Sie müssen“ mischte sich Damien mit fester Stimme ein. Bis vor einiger Zeit noch wäre er bei der bloßen Vorstellung sich mit gar zwei Kreuzern voller Astartes anzulegen in Ohnmacht gefallen, doch jetzt zählte für ihn nur eins. Dass Vidar und seine Männer dort draußen waren und dass sie ihre Hilfe brauchten.
„Mein Kollege hat Recht“ fügte Aizen hinzu. „Sie müssen, denn ich werde nicht von meinen Plänen abweichen“
Der Oberst nickte nur. Natürlich hatte bereits gewusst, wie Aizen reagieren würde, dafür diente er schon lange genug unter ihm, doch es gab noch eine weitere Sache, die er seinem Herrn berichten musst. „An Bord des zweiten Kreuzers befindet sich eine weitere Person, Mylord…“
„Und die wäre?“ fragte Aizen unbekümmert, während Damien sich neugierig dem Oberst zuwandte.
„Ein weiterer Großinquisitor scheint sich dieser Operation anzuschliessen…“

Langsam glitt die Tür zur Brücke der Heilige Vergeltung auf und sofort nahmen alle Dark Angels im Raum Haltung an. Bedächtig trat der Captain der fünften Kompanie, die Rechte locker am Griff seines meisterhaft gefertigten Energieschwertes, ein und sah sich um. Hinter ihm betrat ein weiterer Mann die Brücke. Gekleidet in eine schlichte schwarze Uniform, die nur von wenigen goldenen Emblemen verziert wurde, und die Hände auf dem Rücken verschränkt, strahlte der Greis mit dem eisgrauen Bart, welcher ihm knapp bis zur Brust reichte, eine ungeheure Autorität aus, die selbst die Marines, welche sonst eher kritisch der Inquisition gegenüber waren, ihre Haltung behalten liess.
„Rühren, Astartes!“ donnerte Captain Daksin mit tiefer Stimme.
„Es ist mir eine Ehre, sie auf diesem Schiff begrüßen zu dürfen“ hiess Großinquisitor Kleimos, welcher Damien zuvor gefangen gehalten hatte, die beiden Neuankömmlinge schleimerisch willkommen.
„Sie brauchen mich auf meinem eigenen Schiff nicht willkommen zu heissen“ erwiderte Daksin spöttisch.
Kleimos verzog das Gesicht, war er doch meist ein besseres verhalten ihm gegenüber gewöhnt. Den ungestümen Captain ignorierend wandte er sich an den Mann an dessen Seite. „Was suchen sie hier, Inquisitor?“
„Ich führe diese Operation an“ die Stimme war die eines abgehärteten Veteranen, der schon mehr Schlachten geschlagen hatte, als ein normaler Mensch sich nur vorstellen konnte und mehr Grauen gesehen hatte, als die meisten anderen verkraften konnten.
Kleimos lächelte dünn. „Da müssen sie etwas verwechseln, mein Lieber. Ich führe diese Mission an“
Daksin trat einige Schritte vor, sodass Kleimos unwillkürlich zurückwich. „Wählen sie ihre Worte mit Bedacht, wenn sie einem Großinquisitor gegenüber stehen, Kleimos“
Kleimos runzelte verwirrt die Stirn.
„Der Ordo ist ihr ständiges Versagen leid, Kleimos“ erklärte der andere Inquisitor trocken, womit er sich besonders auf die Tatsache bezog, dass ihm sowohl die Raven Watch, als im Endeffekt auch der ehemalige Inquisitor Damien entwischt waren. „Deshalb ist ihre Position nun in meine Hände gefallen“
Kleimos Mund klappte kurz auf, dann schloss er sich wieder. Bitte was? Sein Gesicht wurde innerhalb eines Sekundenbruchteils knallrot und er begann seinen Gegenüber wutentbrannt anzuschreien, wobei er sich auf seine Herkunft, seinen Lehrmeister, seine - recht dürftigen - Erfolge und weitere Referenzen stützte. Die Entscheidung des Ordos war, falls sie stimmte, seiner Meinung nach absolut aus der Luft gegriffen.
„Im Namen der heiligen Inquisition zu Terra“ Der Mann neben Daksin schüttelte resigniert den Kopf. „Machen sie ihm seine jetzige Position deutlich, Astartes“ befahl er, woraufhin der rechte Arm des Captains nach oben ruckte. Im nächsten Augenblick verging der Kopf des ehemaligen Großinquisitors in einem Regen aus Hirnmasse, Blut und Knochensplittern.

Die üblichen Alarmsirenen heulten auf, als die Rabenhorst nach langer Reise in den Realraum eintrat. Langsam fuhr der metallene Sichtschutz vor den Fenstern hoch, sodass man einen Ausblick auf das vor einem liegende System erhaschen konnte. Das Abraxas System bestand aus nur einem Planeten, welcher, selbst von zwei kleinen Monden umkreist, eine Bahn um die Doppelsonne beschrieb.
„Geben sie mir alle Informationen auf den Schirm“ befahl Vidar, der mit auf dem Rücken verschränkten Armen in der Mitte der Brücke stand, nach einigen Sekunden der Crew.
Sofort erschienen grobkörnige Bilder des Planetoiden auf den unzähligen kleinen und großen Bildschirmen. „Abraxas Alpha ist eine nicht eingetragene Todeswelt“ Begann einer der Servitoren mit monotoner Stimme vorzutragen. „Die unregelmässige Bahn, auf der sie die Sonnen umkreist, führte dazu, dass Abraxas Alpha beinahe zur Hälfte von Eis bedeckt ist, während die andere Hälfte fast vollständig aus kargem Steinland besteht. Zwischen den beiden Hauptzonen befindet sich ein schmaler Streifen, auf dem sich ein Großteil der örtlichen Flora zu befinden scheint“
Vidar nickte, wobei er wieder einmal froh war, wie schnell die Maschinen eingehende Informationen verarbeiten konnten. Natürlich hatte er schon vor ihrer Ankunft Recherchen angestellt, musste jedoch zum wiederholten Male feststellen, wie unvollständig oder fehlerhaft die imperialen Aufzeichnungen waren. Laut den Akten, die er gelesen hatte, hätte es in diesem drei Planetoiden geben müssen.
„Irgendwelche Hinweise auf intelligentes Leben?“ fragte er, obwohl er relativ sicher war, dass die Antwort „Nein“ lauten würde. Auf einer Todeswelt am Rande der Galaxis fanden sich selten Lebensformen, die über mehr als rudimentärste Intelligenz verfügten.
Die Servitoren schwiegen für eine Weile, doch eines der menschlichen Besatzungsmitglieder drehte sich nach nur wenigen Sekunden zu Vidar um. „Wir… ähm… Wir erhalten einen Notruf von Abraxas Alpha, Sergeant“ stotterte er, selbst erstaunt über seinen Fund.
Vidar sah verdutzt zu dem Mann herüber. „Wie bitte?“
„Einen menschlichen Notruf“ fuhr er fort. „Von einer Forschungsstation, die sich anscheinend auf dem Planeten befindet“
Vidar ballte die Fäuste. Hier dürfte sich nichts und niemand befinden! „Wie alt ist der Funkspruch?“ Es war äußerst unwahrscheinlich, dass es noch jemanden zu retten gab, besonders wenn man bedachte, dass keine Anzeichen von menschenfeindlichen Lebensformen existierten. Wenn diese Station angegriffen worden war, dann vor langer Zeit.
Wie um seine Gedanken zu bestätigen, schüttelte der Mann den Kopf. „Eine automatische Wiederholung. Mehrere Monate alt“
Vidar runzelte die Stirn. „Also noch ein recht junger Hilferuf…“ murmelte er, wohlwissend, dass es oft mehrere Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte dauerte, bis ein Hilferuf von imperialen Streitkräften beantwortet wurde. Was selbstredend implizierte, dass ein Großteil der Hilferufe, besonders auf abgelegenen Welten ohne eigene, starke PVS im Normalfall viel zu spät bemerkt wurde und der Planet schon lange gefallen war, wenn die imperiale Flotte ankam. Dies schien auch hier der Fall zu sein…
„Wo befindet sich diese Forschungsanlage?“ fragte Vidar streng.
Der Mann sah schnell wieder auf den Bildschirm vor ihm, mit dem er verlinkt war. „Das Signal kommt aus einem Tal auf der Eishälfte“ murmelte er.
Vidar brauchte nicht lange zu überlegen, was er zu tun hatte. Er musste den Standort des Artefaktes so schnell wie möglich ausfindig machen und es bergen. Am besten bevor irgendjemand anderes hier im System eintraf.
„Bringen sie uns zu Abraxas Alpha!“ bellte er in Befehlston. „Thunderhawk startklar machen“ Vidar drehte sich um und ging los, um sich und seine Leute fertig zu machen.
„Zielkoordinaten, Sergeant?“ fragte ihn ein anderes Crewmitglied.
Vidar seufzte. Eigentlich hatte er erwartet, dass man ihn auf der Rabenhorst gut genug kennen würde. „Die Forschungsstation“ Die Rettung möglicher Überlebender hatte trotz allem höchste Priorität.

Mit dröhnenden Triebwerken setzte der schwere Thunderhawk inmitten eines Schneesturms gewaltigen Ausmaßes auf dem gefrorenen Boden der vereisten Planetenhälfte auf. Um die brennend heißen Antriebsdüsen bildete sich schnell dichter Nebel aus sofort schmelzendem Schnee, doch konnte dieser die Sichtverhältnisse auch nicht weiter verschlechtern, als sie schon waren.
Geräuschvoll knallte die Sturmrampe am Bug des Landungsschiffes auf den Boden und brachte so den dahinter wartenden Raven Watch Trupp zum Vorschein. Bei jedem Schritt auf dem Metall der Rampe laut scheppernd bewegten sich die fünf Marines hinaus in die eisige Kälte, von der sie in ihren Servorüstungen nur wenig mitbekamen. Nur wenige Sekunden darauf schloss sich die Klappe wieder.
„Fliegen sie zurück zum Schiff“ befahl Vidar mit unnötig lauter Stimme, da er trotz des Wissens um die Voxverbindung das Gefühl hatte, den Sturm übertönen zu müssen, der Besatzung des Thunderhawks.
Als das Schiff mit ebenso lautem Dröhnen wie zuvor wieder abhob, um wieder zurück zum Kreuzer zu fliegen, wo es nicht Gefahr laufen würde einzufrieren, wurde auch der mehrere Meter große Cybot sichtbar, den es transportiert hatte.
„Ich werde für sie den Weg bereiten, Bruder-Sergeant“ die Stimme des Cybots drang klar und deutlich zu Vidars Trupp herüber, obwohl sie keinen gemeinsamen Voxkanal nutzten.
Gutmütig hob Vidar die Hand. „Das wird wohl nicht nötig sein, ehrwürdiger Bruder“ erwiderte er. Nur wenige dutzend Meter von ihnen entfernt waren klar die Umrisse der Forschungsstation zu sehen, die der Marine suchte. Entgegen seiner Erwartung schien es jedoch keine direkten Sicherheitsmaßnahmen zu geben, keine festungsartige Mauer oder sonstige Abwehranlagen, wie das Adeptus Mechanicus sie gerne für seine Forschungseinrichtungen errichtete. „Sie warten vor dem Eingang und geben uns im Falle eines Falles Rückendeckung“ fuhr Vidar an den stählernen Hünen gewandt fort.
„Niemand wird dieses Gelände lebend betreten, wenn er nicht ihre ausdrückliche Genehmigung hat“ Donnernd stapfte Bruder Dekrux durch den Schnee, wobei er bei jedem Schritt gut einen halben Meter einsank. Seine beiden doppelläufigen Maschinenkanonen suchten die Umgebung nach möglichen Feinden ab, wobei Vidar trotz des Unwetters meinte, die gleichen zornig, wilden Funken hinter den Visieren seines Helmes zu spüren, die er einst als Lebender zu versprühen gepflegt hatte. Nachdem Bruder Decaptis und Scalax die Tür zur Forschungseinrichtung rudimentär vom Schnee befreit hatten, traten sie ein in den verlassenen menschlichen Außenposten und liessen dabei nicht nur den Schnee und das Eis zurück.
Vidar fragte sich nicht zum ersten Mal, warum es einem Bruder, der solch hohe Ehren empfangen hatte wie Dekrux nach seinem körperlichen Tod verwehrt war, seine Position zu behalten. Natürlich konnte er als das, was er nun war keinen Trupp mehr führen, doch war sein taktisches Verständnis nicht im Geringsten beeinflusst worden. Warum also erhielt ein ehemaliger Schattencaptain nun Befehle von einem eigentlich Untergeordneten? War sein Versagen, dass zu seinem körperlichen Tod geführt hatte, Sünde…?

„Wir haben einen Grundriss!“ rief Scalax nach einiger Zeit über Kom. Vidar und sein Trupp untersuchten gerade den ersten größeren Raum, den sie nach ihrem Eintreten aufgefunden hatten. Zentimeter dicke Staubschichten bedeckten Boden und Mobiliar, waren jedoch an vielen Stellen verwischt oder nicht vorhanden, was darauf schliessen liess, dass sie nicht so alleine waren, wie es den Anschein ,machte. Die Station selbst hingegen schien, nach diesem kurzen Eindruck zu urteilen, in einem recht guten Zustand zu sein, da es nur wenige offensichtlichen Zerstörungen, wie zwei zerschlagene Monitore, gab. Das auffälligste war jedoch, das sich an einer Wand eine lange Blutspur entlangzog, deren Ursprung nirgend aufzufinden war.
„Ein paar unterirdische Laboratorien, doch das meiste spielte sich wohl in den drei Türmen ab“ fuhr Scalax fort, wobei er die zerschlissene Karte begutachtete.
Währenddessen hatte Bruder Lorn sich mit dem lokalen Datenbanken verbunden. „Ein Großteil der Systeme ist noch intakt, Sergeant“ berichtete er. „Stromversorgung und Heizung gesichert, alle größeren Maschinen sind diesen Informationen zufolge ebenfalls einsatzfähig. Das scheint kein Raubüberfall gewesen zu sein“ murmelte er. „Alles weitere ist verschlüsselt, ich könnte -“
„Danke, Bruder“ unterbrach Vidar ihn. „Alles weitere würde zu viel Zeit kosten“ Er wandte sich an Scalax. „Wo würden sie sich dieser Karte nach zu urteilen verschanzen, wenn sie ihr Überleben mit allen Mittel sichern wollten“
Scalax überlegte. „Wenn ich diesen Ort verteidigen müsste, so scheint mir der Ostturm die besten Voraussetzungen zu erfüllen, doch im Westturm wäre die langfristige Versorgung am ehesten gewährleistet, da sich dort die Depots befinden“
Vidar tippte demnach am ehesten auf den Westturm, da er zum einen bezweifelte, dass die hiesigen Forscher gut bewaffnet waren, und diese zweitens sowieso irgendwann zu den Depots mussten, wenn sie die ganzen Monate überlebt haben wollten. „Lorn und Bacanis kommen mit mir zum Westturm“ gab er schnell seine Anweisung, wobei er mit der gepanzerten Hand über Kampfspuren an der Wand fuhr, die von einem Messer oder etwas ähnlichem stammten. Obwohl schon ein erstaunlich gutes Messer nötig war, um solche Schäden an einer Metallwand zu verursachen, da die Ränder der Beschädigung nicht die für Energiewaffen übliche Glattheit aufwiesen. Was immer sich hier rumtrieb, wenn sie noch Überlebende finden wollten, war äußerste Eile geboten. „Die Zwillinge sichern den Ostturm, ich will eine Verteidungsstellung haben, die so perfekt wie möglich ist, wenn wir angegriffen werden“ fuhr er mit Blick auf Scalax und Decaptis fort.
Wie ein Mann nickten die beiden. „Nichts leichter als das“ scherzte Decaptis.
„Halten sie ihr Wort und ich werde nachträglich schmunzeln“ erwiderte Vidar angespannt, während er eine ID Card, die auf einem der Schreibtische gelegen hatte, durch einen Scanner zog, um die nächste Tür zu öffnen. Stickige, abgestandene Luft, die nach Schweiß und Blut roch, schlug ihm entgegen.
„Möge der Imperator mit uns sein“ murmelte er.