Die Chroniken der unbesiegten Sonne [40K, unvollendet]

  • Kapitel 1: Fremde Heimat (1)

    ++ Waldplanet Lynndraed; zwei Erdenwochen bis zur Sonnenwende ++


    Marcosius reckte sich, gähnte dabei herzhaft und öffnete danach vorsichtig seine himmelsblauen Augen, wenn auch nur einen Spalt weit. Weiches, kurzes Gras umspielte seinen jugendlichen, flach daliegenden Körper und durch das lichte Blattwerk der gewaltigen Bäume, die ihre Äste über ihm ausbreiteten, fielen die matten Strahlen der schwachen Wintersonne. Verschlafen blinzelnd richtete er seinen Oberkörper auf und blickte, seiner eigenen Sinne noch nicht ganz Herr, umher. Er lag auf einer kleinen Lichtung, die ein breiter aber seichter Fluß in den umliegenden Wald gegraben hatte. Die Erinnerungen des Jungen kamen nur langsam zurück und so saß er noch einen kurzen Moment benommen und unentschlossen da, die Gerüche der blühenden Wiese und des alten Waldes mit tiefen Atemzügen in sich aufnehmend. "Na, du Schlafmütze? Endlich wieder wach? Ich hatte schon befürchtet, der Duft der Nydwydd hätte dir für immer das Bewusstsein geraubt." Lächelnd drehte Marcosius seinen Kopf in die Richtung, aus der die vertraute Stimme des Mädchens gekommen war. Líobhan saß am gegenüberliegenden Ufer des Flußes, lies ihre Beine im langsam fließenden Wasser baumeln und sah ihn vergnügt an. Um ihren Kopf hatte sie eine Girlande aus Winterblumen gebunden, die mit ihren hellen Farben einen starken Kontrast zu den rabenschwarzen Haaren und der leicht bronzefarbenen Haut des Mädchens bildeten. Wie schön sie war, dachte Marcosius ganz bei sich, wie eine der Wasserfeen aus den Geschichten, die ihm seine Mutter immer erzählt hatte, wenn der Vater nicht zugegen war. Langsam erhob er sich, sein Körpergefühl war immer noch nicht ganz wieder da und so taumelte er die ersten Schritte in Richtung des sanften Flußes. Líobhans schwarze Augen folgten jeder seiner Bewegungen und als er bei dem Versuch zu ihr zu gelangen mehrmals ins das glasklare Wasser stürzte, musste sie so laut lachen, dass aus den umliegenden Bäumen in ihrer Ruhe gestörte Awydds gen Himmel stoben. Als der Junge sich endlich bis an das gegenüberliegende Ufer geschleppt hatte empfing sie ihn mit einer liebevollen Umarmung. "Ich sehe, du verträgst den Kuss der Nyddwydd immer noch nicht. Das nächste Mal bekommst du etwas weniger, ich sagte es dir doch! Du bist zu gierig!" Liebevoller Tadel lag in ihrer Stimme, als sie ihre Arme enger um den zitternden Jungen schlang, der sich der Kälte des Wassers nicht bewusst gewesen war. Ohne zu antworten schmiegte er sich an sie und beide betrachteten einige Zeit lang den unbeirrt vor sich hinfließenden Fluß und das zahlreiche Leben, das sich scheinbar unbekümmert in ihm tummelte.
    "Bald ist Sonnenwende." brach Líobhan das verträumte Schweigen "Wusstest du das?" Marcosius sah sie fragend an, nickte aber langsam. Natürlich wusste er es, der Sommer kam und die freundliche Wintersonne würde für viele Nächte verschwunden sein. Der Tag der Sonnenwende war für Líobhans Volk, die Eingeborenen dieses Planeten, ein Tag von höchster Heiligkeit und wurde dementsprechend gefeiert. Für Marcosius Leute war der Stand der Sonne ohne Bedeutung und so tat selbst er, der durch seine Geliebte viel mit den Ureinwohnern zu schaffen hatte, sich schwer, die wahre Bedeutung dieses Festes zu begreifen. Deshalb verstand er auch in diesem Moment nicht, worauf seine Liebste hinaus wollte, aber ihr ernster Gesichtsausdruck bereitete ihm nach all der Sorglosigkeit ein ungutes Gefühl. "Mein Vater wünscht sich," fuhr sie fort, diesmal dem Jungen fest in die blauen Augen blickend "dass du als erster deines Volkes an den Riten der Krieger teilnimmst. Er betrachtet es wohl als eine große Ehre, die er dir da gewährt." Besorgnis schwang in ihrer Stimme mit und in Marcosius stieg langsam eine schwer zu bekämpfende Übelkeit auf. Die Romantik und Freude des Moments war verflogen, die Wirklichkeit hatte ihn wieder. Fassungslos starrte er das Mädchen an, die ihren Blick abwandte und wieder zum Fluß hinsah, während ihre Hand zart über seine hellblonden Haare streichelte. "Ich weiß, du hast Angst und glaube mir, mein Herz, ich verspüre sie ebenso. Aber du wirst die Riten bestehen, das weiß ich." Sie nahm den verschüchtert aussehenden Jungen bei den Schultern und blickte ihm fest in die Augen. "Denk an deinen Vorvater Antosian! Heißt es bei euch nicht, er kam von den Sternen und segelte ein metallenes Schiff, größer als die höchsten Bäume? Und denk an deinen Großvater! Was für ein Krieger er war!" Die Worte sollten Marcosius eigentlich Mut machen, doch sie bewirkten das genaue Gegenteil. Sein Großvater Lucian war ein Koloss gewesen, ein Hüne von einem Mann, der selbst im hohen Alter ohne große Anstregungen einen Findling seiner eigenen Größe anheben konnte. Und Marcosius selbst? Er war zwar nicht klein, aber stark war er nicht, er mochte sogar wetten, dass seine Liebste mehr Kraft besaß als er. Dennoch zwang sich der Junge zu einem Lächeln und nickte tapfer, was Líobhan dazu veranlasste, ihn wieder fest in die Armee zu schließen. "Und wenn du erst ein Krieger meines Stammes bist" flüsterte sie ihm zu und küsste ihn zärtlich auf die Stirn "können wir auf ewig beisammen sein." Das Lächeln war in Marcosius Gesicht festgefroren und auch wenn die Aussicht, eine Familie mit seiner Liebsten gründen zu können, durchaus reizvoll war, glaubte er nicht wirklich daran. "Wahrscheinlicher ist es, dass ich die Ewigkeit früher als erhofft bei meinen Vorvätern verbringen werde.", dachte er leise bei sich. Der Zauber des Augenblicks war verschwunden und eine Angst hatte sich in das Herz des Jungen gefressen, eine Angst, die er nicht so schnell würde überwinden können. Wenigstens war Líobhan bei ihm. Er lehnte sich zurück, genoß, wie ihre Hände über seinen Kopf und sein Gesicht fuhren und nutze die Reste der Benommenheit, die er vom Duft des Nyddwydd noch verspürte, um noch einmal in die Traumwelten zu gleiten.


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    Ende des ersten Teils des ersten Kapitels. Kommentare bitte hierhin .

    Fiat lux!
    Me sol te umbra regit!
    Fiat lux!

    7 Mal editiert, zuletzt von Helion ()

  • So, weiter geht es. Der Szenenwechsel mag etwas verwirren, aber im nächsten Post geht es dann wieder mit Marcosius weiter.


    mit hoffentlich gefallenden Grüßen,
    Tom aka Helion

  • Mondschatten

    Hat den Titel des Themas von „[40] Die Chroniken der unbesiegten Sonne“ zu „Die Chroniken der unbesiegten Sonne [40K, unvollendet]“ geändert.