“Korporal, kennen sie einen dieser...Soldaten? Gehörten sie zu einer ihnen bekannten Einheit?”, fragte Muran, während er weitere Messungen vornahm. Mastersens Nackenhärchen stellten sich auf und kalte Schauer liefen über seinen Rücken, als seine Sinne das ganze Ausmaß des grausigen Fundes zu seinen Füßen wahrnahmen. Klebrige Klumpen Fleisch, die nur noch von besudelten Fetzen total ruinierter Uniformen zusammen gehalten wurden, waren alles, was von einer Einheit Soldaten übrig geblieben war. Sicherlich einer der Trupps die den Sektor Blau erkunden sollten. “Äh...ich kann unmöglich sagen, ob mir einer dieser...Männer bekannt war...” In Mastersens Kopf spielten sich grausame Szenen ab, als er begann die Spuren eines offenbar sehr blutigen Kampfes zu interpretieren. “Aber die Farbe der Uniformreste sind...”Überall waren Spuren inzwischen schwarz getrockneten Blutes zu finden. Sogar die Decke war mit Spritzern übersäht. “Äh ja, die Uniformen gehören zur PVS. Aufklärungseinheit.” Leere Lasermagazine und Einschüsse in den Wänden zeugten von einem verzweifelten Feuergefecht. Die Soldaten hatten wohl Dauerfeuer geschossen, so nah lagen die Einschüsse beieinander.
“Es sind nicht alle.”, sagte Muran. “Dies sind nur die Reste einiger weniger Männer. Andere müssen entkommen sein. Einige Spuren deuten darauf hin.” Der Sergeant erhob sich und deutete auf einen der näheren Tunneleingänge. Auch Mastersen sah die blutigen Abdrücke von Armeestiefeln und angelaufene Patronenhülsen. Die Männer hatten auf ihre Automatikwaffen zurück gegriffen, als ihnen die Lasermagazine ausgingen. Sie bildeten eine gut zu verfolgende glitzernde Kette. Trotzdem brauchte der geschockte Korporal noch einen Augenblick. Er hatte schon oft den Tod gesehen. Besonders sein letztes Gefecht gegen den Feind war sehr verlustreich gewesen. Fast seine ganze Einheit war dabei umgekommen. Aber der Anblick hier war doch noch mal eine ganz andere Art von Grausamkeit.
“Wohin führt dieser Tunnel?” Murans Stimme schnitt durch die Stille. Mastersens Gedanken liefen nun wieder in halbwegs geordneten Bahnen und er orientierte sich kurz. “Zu den Fahrzeughangars und Lagerhallen. Dort wurden auch viele Vorräte gelagert.” Auch Waffen und Munition! Mastersen erinnerte sich wieder. Offenbar hatten die Überlebenden versucht sich dorthin durch zu schlagen, um neu aufzumunitionieren und womöglich an schwerere Waffen zu kommen. Sie mussten wirklich verzweifelt gewesen sein, wenn sie sich auf eine so unwahrscheinliche Sache eingelassen hatten. “Dann gehen wir dort hin!”
Mastersen wurde bleich.Ein Trupp Soldaten war regelrecht abgeschlachtet worden und dieser Sergeant wollte unbedingt in dieselbe Falle tappen, wie die Überlebenden des Gemetzels. „Äh...das halte ich für falsch. Offensichtlich haben es die Männer nicht geschafft. Wir haben von ihnen nichts mehr gehört. Wie es aussieht, haben sie den Gegner genau in diese Richtung geführt.“ Muran schaute verblüfft. Er war es wohl nicht gewohnt, dass seine Anweisungen in Frage gestellt wurden. Doch er fing sich schon nach einer Sekunde und nickte einem seiner Männer zu. „Die Ereignisse liegen aber schon längere Zeit zurück. Die Einheit ist nicht wirklich weit gekommen, seid sie losgeschickt wurde. Und die Spuren deuten auch an, dass sich seitdem hier niemand mehr aufgehalten hat. Der Gegner ist höchstwahrscheinlich nicht mehr dort, wohin sich die Überlebenen geflüchtet haben.“ Muran nickte kurz und schaute einen andere aus dem Trupp an. „Wir haben den Vorteil, dass wir wissen, in welche Richtung der Gegner unterwegs war. Er hat das Überraschungsmoment verloren, da wir die Spuren eines Kampfes gefunden haben. Wir sind also vorgewarnt und können entsprechend reagieren.“ Der Sergeant nickte wieder und schaute schon den nächsten Mann an, um ihm das Wort zu erteilen.
„Ach ja?“ Mastersen war entsetzt. Nicht nur die Tatsache, dass diese Riesen offenbar doch Stimmbänder besaßen und wussten, wie man sie benutzte. Nein auch die Art und Weise, wie sie sprachen, verunsicherte ihn zutiefst. Wie Kinder in der Schule, die auswendig gelernte Texte wiedergaben, um den Lehrer zu beeindrucken. War das hier ein Spaß für harte Kerle? Sie standen buchstäblich in den blutigen Eingeweiden, von ehemals guten Männern. PVS-Soldaten, welche ihr Leben gegeben hatten im Kampf gegen den Feind. Und diese...diese...Mastersen fehlten die Worte, so empört und verwirrt war er. Dieser Fremdweltlerhaufen hatte nichts Besseres zu tun, als hier eine Taktikbesprechung durchzugehen. Ungerührt redete nun der Nächste. „Der Gegner war schwer bewaffnet und kam aus mehreren Richtungen.“ Der Mann deutete auf mehrere Tunneleingänge und ging einige Schritte. „Offenbar wurden die PVS-Soldaten überrascht und in einem blutigen Nahkampf getötet. Sie...“ „ABGESCHLACHTET!“, schrie Mastersen dazwischen. „Ihr...ihr...diese Männer wurden nicht getötet! Begreift ihr das nicht? Sie wurden ausgeweidet und in Stücke zerlegt!“, fauchte er den Mann an, der zuletzt geredet hat. Das ihn dieser jederzeit wahrscheinlich nur mit Daumen und Zeigefinger zerquetschen konnte, kam dem Korporal gar nicht in den Sinn.
Das erste Mal seid sie den Truppentransporter verlassen hatten, zeigten die Männer Regungen in ihren Gesichtern. Derjenige, den Mastersen wütend unterbrochen hatte, schien echt überrascht, dass jemand seinen Vortrag unterbrochen hatte. Ein anderer, der die Einheit nach hinten absicherte, drehte den Kopf in Mastersens Richtung, ganz so, als würde er den schmächtigen PVS-Korporal zum ersten Mal wirklich sehen. Ein weiterer wurde rot im Gesicht und wollte sich wohl Mastersen greifen, wurde jedoch von einem der anderen aufgehalten, der den Korporal interessiert musterte. Mastersen bemerkte aus den Augenwinkeln ein Schmunzeln im Gesicht des Mannes, welcher einen der näheren Tunneleingänge absicherte. „Das waren Soldaten, die auf unserer Seite gekämpft haben. Sie verdienen zumindest eine Augenblick der Trauer und des Respekts.“ Nun hatte er sich in Rage geredet. „Ich werde nicht zusehen, wie sie hier einfach zur Tagesordnung übergehen, ohne wenigstens ein kurzes Gebet für sie gesprochen zu haben. Keine Ahnung, wo ihr herkommt, aber hier bei uns behandelt man seine Kameraden und Brüder mit dem Respekt, den sie sich verdient haben.“ Bei seinem letzten Satz schien er wohl einen wichtigen Punkt angesprochen zu haben. Er hatte bemerkt wie der Sergeant und seine Männer zusammen gezuckt waren, als er von Respekt und Kameradschaft gesprochen hatte. Auch zeigte sich auf einigen Gesichtern echte Betroffenheit. Muran hingegen schien ernsthaft über etwas nachzugrübeln. Dann wandte er sich an den Mann, der am nächsten bei ihm stand und machte ein Handzeichen. Dieser trat vor und alle anderen machten ihm Platz.
„Sie beschämen uns, Korporal Mastersen.“, sprach er mit ernster Stimme und griff in eine seiner vielen Gürteltaschen. „Wir haben unsere kameradschaftlichen Pflichten gegenüber gefallenen Kampfgefährten vernachlässigt. Das werden wir umgehend nachholen. Auch wir ehren unsere Gefallenen dort, wo wir herkommen. Kameradschaft und Brüderlichkeit sind einige unserer höchsten Werte.“ Damit kniete er sich hin und schlug die kleine Feldfiebel in seinen Händen auf. Dann begann er daraus zu intonieren. Dies tat er mit soviel Hingabe das man hätte glauben können, er hätte die Gefallenen persönlich gekannt. Alle Anderen folgten seinem Beispiel. Jetzt waren sie auf Augenhöhe mit Mastersen, der noch als einziger aufrecht stand und wieder einmal völlig überrascht war von diesen Männern aus dem All. Schnell kniete auch er sich hin und fiel an den wichtigen Stellen des Gebets mit ein und beendete das Ritual mit dem imperialen Aquila-Zeichen. Danach war alles wie vorher, wie es schien. Stille, versteinerte Mienen, Handzeichen. Muran sprach zu Mastersen. „Mein Entschluss steht fest. Wir folgen der Spur. Falls der Gegner wirklich noch vor Ort sein sollte, sind wir auf ihn vorbereitet und werden ihn mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen.“ Seine Stimme duldete keinen Wiederspruch.
Er ging in den Tunnel der zu den Hangars führte und der restliche Trupp folgte ihm. Der Mann, welcher vorher amüsiert zu Mastersen geblickt hatte blieb kurz stehen und klopfte Mastersen auf die Schulter. „Gut gesprochen! Wie ein wahrer Offizier. Das haben wir wohl gebraucht, denke ich.“ Dann war der kurze zwischenmenschliche Kontakt auch schon wieder vorbei. Aber auch andere aus der Truppe drehten sich kurz um und nickten ihm zu bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Absicherung nach allen Seiten widmeten. Wie es schien, hatte sich Mastersen endlich so etwas wie Achtung bei den Männern verschafft. Nur schade, dass er nicht wirklich genau sagen konnte, wann und vor allem wodurch das geschehen war. Während er wieder an die Spitze des Trupps lief, tippte er schnell in den Cogitator ein, dass sie nun wohl in einen gefährdeten Bereich von Sektor Blau eindrangen.