[40k | Fluff] {Descansos} - Horologium

  • Suyana (Hoffnung)


    {Don’t wake her, I’m asking you please
    So that I won’t have to kill you}
    ~ Del’fin


    _Monsunzeit. Endloser Regen aus gleichgültigen Wolkenbergen, die trotz aller Anstrengung die Feuer der Verachtung nicht zu löschen vermögen. Ignoranz und Blindheit selbst werden hier als Waffen geführt. Schattenspiele der Lügen und Flammen der bewussten Desinformation tanzen in selbstgerechtem Gleichklang zum drängenden Rhythmus der Gehässigkeit. Die Stadt schwitzt salziges Blut und beweint mit trüben Wasserfluten ihre toten Kinder. Er ist ein Fremder hier, die Stadt und ihre Einwohner mitsamt ihren Illusionen sind ihm im Grunde gleichgültig. Nur ein weiteres Schlachtfeld, nur ein weiterer Akt der Pflichterfüllung. Neue Seelen in Reichweite der Vergebung ihrer Schuld. Sie sehen dies anders. Er ist ein Monster. Mutant-Killer, fern von aller Menschlichkeit. Vergebung ist ihnen fremd – selbst gegenüber ihrer eigenen Art.

    Zerbrechlich und warm. Er presst das kleine Menschenbündel an sich. Schirmt das weiche, kleine Wesen mit seinem eigenen Arm ab. Es verschwindet beinahe vollkommen dahinter. So winzig. Er fürchtet, zu fest zu drücken, hinterher nur ein Bündel Abfall zu tragen, aus dem das Leben tropft. Noch fühlt er die sachten Gezeiten des Atems, das sachte auf und ab kleiner Lungen. Die Wange des Dings liegt an der schwarzen Schwinge auf seiner Brust und es sabbert in die frische Schussnarbe. Er kann sie riechen und ahnt ihre Präsenz, bevor der Mob sich aus den Trümmern erhebt. Verschmutze, zerfetzte Decken und Mäntel fallen wie Laub zu Boden, Waffen werden auf ihn gerichtet, Zähne blecken sich in vernarbten Fratzen. Rot bemalt und verzerrt vor blindem Hass. Wild feuernd, kreischend, johlend. Der Mob war Zorn. Der Mob war viele und er nur einer. Er wechselt die Position und drückt das Bündel unbewusst fester an sich. Wendet den Marionetten des Hasses die Flanke und Rücken zu. Schützt das zerbrechliche Leben in seinem Griff mit der eigenen Härte. Platten knirschen aufeinander, als er den Oberkörper dreht, der kleine Kopf an seiner Brust folgt der Bewegung.


    Zerrissenes Keramit schneidet in weiche Haut, ein klein wenig Blut quillt hervor. Empört und voll enttäuschten Vertrauens stieren große, feuchte Augen unfokussiert in die leere Augenhöhlung über sich und ein vernarbtes, ausdrucksloses Gesicht. Der winzige Körper holt angestrengt Luft, das kleine Gesichtchen läuft rot an und das Ding brüllt. Schreit dem näher rückenden Mob den ureigenen Trotz entgegen, der die Menschheit durch die Jahrtausende getrieben hatte. Noch lebt es. Würde weiterleben, ganz gleich wie viele bereits tot waren. Er reagiert, wie er muss. Wofür er aus Blut und Schmerzen geschaffen wurde - beschützt das zerbrechliche Wesen. Leitet den Beschuss auf sich, nimmt stellvertretend die Wunden in Kauf, hält Laser, Klinge und Stein von der empfindlichen Haut fern. Er hebt den Bolter und feuert. Erfüllt seine Bestimmung. In seinem Rücken wird der Horizont widerstrebend ein wenig heller.


    Yuyana (Erinnerung)


    {This is our last goodbye}
    ~ Baroness


    _Um ihn herum flüstert die Vergangenheit säuselnd im Luftzug, den er mit sich bringt. Ihre Stimme besteht aus trockenem Pergament, verblichenen Stoffen, hohl klingenden Knochenketten und anderen Materialien, die es nicht für nötig befinden, ihn zu begrüßen. Er ist der Schreiber, der einen Namen verliert und daraufhin seine Stimme vergisst. Er ist auch derjenige, dem man bereits die Zukunft raubt, bevor er seine Gegenwart gänzlich begreifen kann. Wie wenig er doch weiß, wie wenig ihn auf dieses Existenz vorbereitet hat. Er läuft, soweit seine Füße tragen, immer auf der Flucht vor der Gegenwart und den leeren Antworten, die ihm nur Hohn entgegen lachen. Niemand vermag die Worte zu sprechen, die er hätte hören müssen. Nirgends stehen sie geschrieben. Wen wundert es also, wenn er vor diesem Loch in seiner Brust flieht? Dem eigenen Schatten immer einen Schritt voraus, und doch immerzu auf der Stelle tretend, was die wichtigen Dinge betrifft.


    In all den Jahren, auf all diesen Planeten, nach all diesen fremden Erinnerungen, steht er in seiner Suche noch immer am Anfang. Inzwischen wird er gleichgültig, stumpf gegenüber den Facetten ihrer Gesichter. Letztendlich spucken sie ihm doch alle Blut, Scherben und wertlose Phrasen entgegen. Die Toten, die Verblichenen – die Schatten in ihren Fußspuren. In mancher Hinsicht ist er ihnen so nahe wie kaum jemand sonst im Orden - immerhin sind hier alle namenlos - und doch so fern wie eine zugreifende Hand den Sternen. Denn er ist schon jetzt seelenlos. Seine Geschichte, das Lied seiner Seele, wird niemals an diesem Ort bewahrt werden. Wie auch soll er etwas festhalten, das er nicht besitzt. Der Korridor der verlorenen Schritte. Seine Aufgabe, sein Fluch, sein Versprechen an die Verstummten. Denn, wer ist besser zum Chronist des Verfalls geeignet, als er. Stumm aus freiem Willen und laut seiner einstigen Brüder eine wandelnde Schattenhülse ohne eigene Identität. Bedächtig lässt er sich zu Boden sinken und sein Blick sucht nach einem Relikt und somit einem Bruder, dem er noch nicht seine Referenz erwiesen hat. Das Narbengewebe um seine Schultern und in seinem Nacken spannt sich und dient ihm ebenso als Mahnmal seiner Schande, wie das Wispern seiner Kleidung. Einst war er Ima Suti – nur einer der anonymen Masse aus Aspiranten, die sich ihren eigenen Seelennamen noch nicht verdient haben. Deren Kleidung trägt er noch immer.


    Er streicht sacht mit seiner rauen Hand über das Siegel an der Wand, das er einen Moment zuvor frisch angebracht hat. Ein weiterer Verlust, der auf diese Weise seine Geschichte hinterlässt. Wie jeden Mittag folgt sein privates, heimliches Ritual. Während die restliche Sippe sich um die Sündenfresser zum offiziellen Gedenken der Gefallenen sammelt, zieht er sich hierher zurück. Sein Blick heftet sich an einen Schulterpanzer mit vertraut filigranen Schriftzeichen. Diese Aufzeichnung einer nun namenlosen Krähe würde es an diesem Tag sein. Der ehemalige Aspirant legt den Kopf zurück und erfüllt das staubige Zwielicht mit dem Gesang der Erinnerung. Fremde Seelenlieder geschrieben von nun toter Hand, gesungen von einer entseelten Stimme. Und die Sippe erinnert sich.


    Sapay kay (Einsamkeit)


    {If i show you the scars
    Will you show me yours}
    ~ The God Machine


    _Habe ich dich enttäuscht, Seelenschmied?
    Er legt ehrfürchtig seine Arbeit nieder und wendet sich unschlüssig der Flickenseele zu. Enttäuschung ist kein Konzept, das er mit seinem Schützling in Verbindung bringt. Seine Antwort drängt blechern und gefühlsneutral unter seinem Helm hervor.
    Wie solltet Ihr, Letzter unter den Ersten?
    Beide befinden sich in einem Bereich, der unter den Krähen nur als das Netz bekannt ist. Natürlich stellt dies keine offizielle Bezeichnung dar, dennoch ist er allgemein bekannt und gebräuchlich. Es ist ein Ort der Erinnerungen und der zerbrochenen Seelen und nur solche verirrt es normalerweise hierher. Insbesondere zu dieser Zeit des sterbenden Tages. Abgesehen von dem üblichen leisen Hintergrundmurmeln von Lüftung und unausgelasteter Maschinerie war es still auf dem Gruftdeck des Schiffes. Die Flickenseele lässt sich wie so oft Zeit mit ihrer Antwort.
    Warum verachtet Istrilla-nañu uns so?
    Das ist es also, Taytaku.
    “Großväterchen”, ein Ausdruck der Wertschätzung, im Gegensatz zu der üblichen Bezeichnung Flickenseele. Ein Fortbestand als Amalgam aus Menschenschuld und Maschinenseele gilt unter Krähen allgemein als wenig erstrebenswert. Nur die Verzweifelten, diejenigen deren Seelenträume unerfüllt geblieben sind, wählen diesen Weg.
    Der Stern zürnt nicht dir. Es stand nicht in deiner Macht die Sippe allein zu bewahren. Im Grunde ist ihm dies auch bewusst. Nur deshalb ist er vergrämt und verbreitet seine eigene Bitterkeit als Dankesschuld an jene, die ihn davor bewahrt haben, ein Märtyrer zu werden.
    Der Chor gibt ihm Recht.
    Genug Grund, ihnen zu misstrauen. Feuer liebt es zu sehr sich selbst zu bestrafen, und bedenkt dabei zu wenig, wie es hiermit anderen zu schaden vermag.

    Nachdenklich öffnet und schließt sich eine gewaltige Klaue hoch über dem Kopf des Techmarines. Die synthetische Stimme des ehrwürdigen Alten verliert seinen donnernden Bass und sinkt auf ein beinahe angenehmes Niveau herab, das Maschinenäquivalent eines grüblerischen Raunens.
    Dennoch habe ich sie alle enttäuscht. Versagt und die Sippe beinahe dem Vergessen ausgeliefert. Vielleicht haben wir alle Strafe verdient.
    Reden dir dies unsere... Brüder, möge man sich an ihre Namen erinnern, ein?

    Der gewaltige, gepanzerte Torso schweigt, was an sich bereits als Bestätigung zu sehen ist.
    Ich werde nun versuchen, mich mit eurer Maschinenseele in Verbindung zu setzen, Erster. Ich befürchte noch immer einen Defekt und kein Echo aus der Vergangenheit. Zerstört diese Hülle währenddessen bitte nicht, krud und wenig ausgereift wie sie ist, aber dennoch derzeit alles, was ich habe.
    Wie immer beliebst du zu scherzen, Asiku. Mein Bewusstsein ist müde, Seelenschmied, ich werde dich nicht behindern.

    Indes sucht sich eine Mechandrite Zugang zu dem Innersten des Cybots, dem Kern dessen, was als nun als Sapay Kay bekannt ist.
    Verirre dich nur nicht im Sumpf ihrer Lügen. Denn das sind ihre Warnungen und Kommentare doch für dich, oder? Seelenschmied?
    >Oh... Licht des Omnissiah! Kappt die Verbindung... Sofort!<


    Mitmay (Exil)

    {Vow to the floor
    Oath to the taste of dust}
    ~ Pain of Salvation


    _Der Tempel brennt. Erhält einen Riss mitten durch sein Fundament und stürzt ein. So simpel, so schnell, so verheerend. Er kann die Flammen fast sehen. Geistlos tobende Zerstörung, sich selbst dabei verzehrend und die dennoch unbeirrbar alles versengt. Flammen, die nur geschwärzte Felsen und verkohlte Reliquien in seinem Inneren zurück lassen, wohin auch ihr gieriger Griff fällt. Dennoch sind sie kalt. Unwirklich. Ebenso illusionär wie das Heiligtum an sich nur ein Symbol ist. Eine Metapher für die Bruderschaft, für die Ketten aus Blut und Pflicht, die sie alle aneinander fesselt und über den Tod hinaus eint. Trocken und bitter liegt der Geruch nach Asche in der Luft. Pudert verfärbten und durchlöcherten weißen Stoff mit dem schwarzen Kreuz. Es ist der Geruch von verblasster Zeit, verlorenen Brüdern und ungewissem Abschied. Er hasst es instinktiv. Verachtet es, da er es nicht wahrhaben will. Vergeblich darauf baut, das makabere Tableau vor ihm würde verschwinden, wenn er seine Wirklichkeit lange genug anzweifelt. Vergebens.


    Er streckt die Hand aus, behutsam fast und berührt zögernd die erste Schale. Sie bleibt, genauso greifbar wie ihr Inhalt. Den jedoch berührt er nicht, will es nicht und hat bereits genug gesehen. Da sind noch Knochen übrig, sagt er, unbewusst und obwohl die Worte sich in seinem Hals verklumpen, ihn würgen wie ein ranziger Knebel. Unfreiwillig komisch mit dem leichten, ungläubigen Schlurren eines Mannes, den man gerade aus einem tiefen Schlaf geholt hat. Doch sein Gegenüber lacht nicht. Schmunzelt nicht einmal, denn amüsant ist an diesem Moment nichts. Sieht ihn nur an. Stumm und mit einer nachdenklichen Betroffenheit, als könne der fremde Astartes so die Fäden der Vernunft festhalten, die sich augenscheinlich mit der Vehemenz eines zerschnittenen Stahlseils aufdröseln. Er ist es gewohnt, dass seine Brüder aus seinem Leben sickern, wie Blutstropfen aus einer Wunde. Wie jede andere Verletzung, schmerzt jeder einzelne Gefallene, jeder einzelne Verlust. Und doch liegt ein gewisser Trost in dem Wissen um den Sinn dieses morbiden Kreislaufs des Kämpfens und Sterbens. Ein jeder Tod, ein jeder Gefallener steht für ihre Aufgabe, war ein gern gebrachtes Opfer auf einem Weg, den sie selbst mit Dornen gespickt hatten. Gegeben als grotesker Kit für ein bröckelndes System. Vielleicht ahnte er es jetzt, tief in seinem vertrockneten, emotionalen Kern der Menschlichkeit, der ihm noch verblieben war: Nicht viel mehr als eine Spielfigur eines intergalaktischen Königsmord zu sein, als Gesamtes elementar und doch als Individuum ersetzbar.


    Sein sorgsam gefeilter Verstand mäandert um die Bedeutsamkeit herum. Ignoriert, verdrängt, ertränkt den aufsteigenden Verlust in Wut. Die Rüstungen, die vor ihm aufgereiht sind, wie der Hauptpreis einer makaberen Kirmes, er kennt sie alle. Schmerzlich vertraute Formen, körperlose Stimmen und Gesichter, die nun allesamt zu Memorarien und etwas Schlacke geschmolzen sind. Er lässt den Gedanken nicht zu und und klammert sich mit all seiner verblieben Kraft an sein stabilisierendes Gespinst aus vergänglichen Werten. Die tröstliche Kameradschaft unter Waffenbrüdern und Pflichterfüllung, sein Gelübde und sein Ehrgefühl. Sein Zorn siedet, brodelt in ihm und droht sein Innerstes auszubrennen. Tot. Abgeschossen. Verloren. Sein Kreuzzug fand ein jähes Ende, was davon bleibt, ist ein zynisches Epitaph namens Verrat. Das schützende Gebilde aus Narbengewebe zerbricht entlang feiner Haarrisse zu einem Gefühlsmosaik, einem bislang vergessen geglaubten Miasma aus Erinnerungen, jedes einzelne Teilchen messerscharf.
    Ich bin der Letzte. Versteht ihr? Erkenntnis. Begreifen. Trümmer.
    Draußen auf dem Gang schaltet die Beleuchtung unbeteiligt in den Nachtzyklus.
    Ich bin das letzte Schwert.


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