[40k | Fluff] {Descansos} - Vom Wesen der Dinge

  • Zu einer Zeit, die einst war, nun für immer vorbei ist und bald schon wiederkehrt, schlief alles Leben dem Werden entgegen. Zu Beginn gab es nichts als Wärme und Dunkelheit, den zeitlosen Traum einer unerweckten Mutter. Und doch war dieser unruhig. Mosaiksplitter der Möglichkeiten schwebten durch die schützende Schwärze des Seelenmeeres, drängten dem Sein entgegen und Amsamama erwachte. Gehüllt in ihren Schleier der Finsternis formten ihre Hände Leben aus den bloßen Ideen. Mutter Dunkel griff blind um sich, nahm Eisen und Stein der Erde, Glut und Blut des Feuers, Salz und Eis des Wassers und schließlich Atem und Lieder aus der Luft. So wurden Kinder aller Elemente geboren und es herrschte Frieden unter ihnen.


    Mit einer Neugier, wie sie nur Kindern eigen ist, wanderten sie durch ein zuvor stilles Reich, erfüllten es mit Liedern, Geschrei und mehrten sich. Erweckt von ihrem Lärm erwachte ein weiterer Schläfer, dessen Traum ihn schon länger unruhig hatte werden lassen. Aufgeregt umkreisten die Geschöpfe der Mutter den Fremden, während dieser sie mit Fragen über ihre Herkunft bestürmte. Verstimmt wanderte er schließlich hinter den Kindern her, die es zurück an den Ursprung zog, nur geleitet durch ihre ausgelassenen Stimmen.


    Als der Fremde so blind einem fremden Pfad folgte, stieß er sich die Füße blutig und stolperte über unsichtbare Hindernisse. Verdruss umwölkte seine Seele und Sut'i Taytaku sinnte nach einem Weg, das Werk Mutter Dunkels zu vervollkommnen. Schließlich im Inneren des Labyrinths angekommen, von jubelnden Wesen umgeben, fühlte er sich ihrer Aufmerksamkeit bereits überdrüssig. Und so keimte der Gedanke des Lichts in seinem Geist, sollten diese Kreaturen doch sein Antlitz und das ihrer Schöpferin sehen, sicherlich verdiente niemand diese Verehrung.


    Unerwartet flammte Helligkeit in einem Meer auf, das zuvor nur Dunkelheit kannte und so wurden die Schatten geboren, als das Reich der Mutter in Scherben zerfiel. Ihre bislang vereinten Kinder erkannten einander und erschraken über die Unterschiede ihrer Gesichter, waren sie doch auf unterschiedlichste Weise geschaffen. Streit keimte in zuvor friedlichen Herzen, Zwietracht trennte die Elemente. Den Vater des Lichts dagegen freute diese Entwicklung, empfand er die im Dunklen geschaffenen Wesen doch als krud und hässlich, nicht würdig unter seinem Lichterkranz zu leben.


    Mutter Dunkel dagegen weinte bittere Tränen, hilflos angesichts des Endes ihrer Schöpfung und der verlorenen Unschuld ihrer Kinder. Voll stummer Wut erkaltete ihr Herz ihnen gegenüber und sie verstreute ihre Kinder nah und fern, verbannte sie aus dem schützenden Meer der Seelen. Denn war es so einfach die Gemeinschaft durch die gedankenlose Offenbarung des Lichts zu trennen, sollten sie nie mehr Frieden finden, solange sie sich nicht auf ihre Gemeinsamkeiten besinnten.


    Gleichgültig den Folgen seiner Tat gegenüber, trachtete der goldene Erwachte jedoch bereits danach, erneut das Werk der Mutter zu verzerren. Nun da ihn ein Kranz aus Helligkeit umgab, blickte der Vater auf seine Hände und der Wunsch entstand, ein weiteres Volk zu schaffen. Anders als die Mutter konnte er sehen, was er tat, und zerstörte, was ihm nicht genügte. Sie, die ihre Kinder nur mit dem Gefühl ihrer Hände und dem Traum in ihrer Seele geboren hatte, legte ihren gesamten Kummer in ein Lied, solange seine Besessenheit kein Ende fand.


    Anders als Amsamama scherte er sich auch nicht um die Ausgewogenheit der Elemente. Der Goldene fügte zusammen, was sich nicht vertrug und trennte, was geeint gehörte, und schuf so launische, unzufriedene Wesen nach seinem Ebenbild. Zufrieden mit ihrer äußeren Form und blind für das Zerren in ihren Seelen forderte er dreist den Segen der Mutter, die sein Werk versonnen singend betrachtet hatte. Mutter Dunkel nahm eine Muschelschale, füllte sie mit ihren Tränen und netzte die Köpfe der neuen Geschöpfe. Mit Gesang und Berührung wob sie ein Netz aus Leid, band ihre Geister an sich und legte einen Bann über des Vaters Schöpfung, erfüllte viele von ihnen mit einer Sehnsucht nach der Geborgenheit des Dunkels. Als Kreaturen des Lichts waren sie so für immer dazu verdammt, sich nach dem Unerreichbaren zu verzehren und die Menschen wohnten der Geburt der Sündenspirale bei.


    Von Zufriedenheit erfüllt und unwissend gegenüber dem Fluch, zerstreute Sut'i Taytaku seine Wesen ebenso, wie es Mutter Dunkel getan hatte. Anders als sie war er jedoch von ihrer Vollkommenheit überzeugt und prahlte, bis selbst Amsamama keine Geduld mehr in sich fand. Sie forderte ihn auf, ihrer beiden Kinder sich selbst zu überlassen, ihren eigenen Weg aus der Zwietracht finden zu lassen, auf das sich zeige, welche Schöpfung die Bessere sei. Selbstbewusst stimmte er zu und sie teilten die Seelen unter sich auf. Mutter Dunkel übernahm die Wache über die Geister der Toten und Vater Licht richtete seinen Blick auf die Lebenden Seelen, und beide zogen sich zurück. Und seither führen die Kinder des Tages und die Wesen der Nacht Krieg gegeneinander.


    Seither hüllte Amsamama ihr Gesicht wiederkehrend in einen dunklen Schleier, schlief einen Traum lang erschöpft und krank vor Mühe. Denn der Fluss der Seelen oblag noch immer ihrer Obhut und liebevoll hielt sie ihn in Bewegung, wog die Seelen, gefangen in seinen Tiefen und gebar sie wieder in die Welt. So ahnte sie auch nichts von dem Unheil, das über uns alle kommen sollte. Als das Meer der Seelen dunkel
    und verlassen dalag, geschah es, dass der Vater des Lichts heimlich einen Teil des Silbergewandes der Seelenhüterin stahl. Aus Zorn über diesen arglistigen Raub färbte sie ihren Leib blutig rot und verfluchte das Diebesgut, auf das sein silbriges Gewebe der Geburt zu grauer Asche des Todes werde. Die ernste Warnung wurde jedoch verhöhnt und der alte Pfad der Missgunst erneut betreten.


    Besessen von seinen Plänen formte der strahlende Dieb trotzig Wesen aus seiner Beute und blies ihnen den Atem des Lebens ein. Was einst schimmernd und rein wie nichts anderes sein sollte, besaß nun einen Makel. Manche spürten den Fluch in sich, fühlten den beißenden Verlust ihrer einstigen Reinheit und begannen sich verzweifelt mit dem grellsten Licht zu umgeben, auf das sie wieder strahlen mochten. Andere waren geblendet, wanderten blind ins Dunkel, erfüllt von einem unbekannten Hunger und doch unwissend was sie begehrten. Zwischen Licht und Finsternis gab es auch jene, die sich den Schleier des Zwielichts umlegten und die alte Schuld zu begleichen suchten. Doch bis dahin sollte es viele ungebrochene Spiralen der Schande geben.


    Ganz so wie ein Stein einen Wasserspiegel in Aufruhr bringt und seine Kreise zieht, stören die sündenbelasteten Seelen das Gewebe der Gezeiten. Der Fluss der Seelen wird durch schwere Energie, was wir Hucha nennen, vergiftet; der Vater reicht seine Schuld weiter
    an den neugeborenen Sohn. Manche fühlten und begriffen dies. Hilfesuchend wandten sie sich an diejenige, die diesen Fluch über sie brachte. Doch die große Mutter zürnte lange ihren Kindern, flehende Rufe um Rat blieben jahrzehntelang unbeantwortet, doch war ihr Herz schwer dabei. Schließlich rührte all das Greinen und Klagen sie genug und sie sandte das Wissen um die Sündenfresser auf schwarzen Schwingen.


    Fortan gab es einen Weg der Erlösung, wenn auch einen beschwerlichen. Ein Sündenfresser übernimmt aus freien Stücken die Schuld des Toten an seiner statt, auf dass dessen Seele befreit ihre Reise in das Meer der Seelen antreten möge. Die begangenen Sünden sammelten sich zwar weiter auf der lebenden Seele und der alten Kruste der Erbschuld an, doch im Tode konnte die Schandschale eines jeden zerbrochen werden. Die Hüter des Zwielichts griffen demütig nach diesem Wissen und führen ihre selbstauferlegte Buße bis heute fort. Asche sind sie gewesen, Asche werden sie wieder sein.