Aus der Leere [Imperium Zivil, Kurzgeschichte]

  • Ben erwachte.


    Es war mitten in der Nacht und er hatte sich auf einen langen, erholsamen Schlaf gefreut. Immerhin hatte er am nächsten Tag frei. Aufgewacht war er von einem seiner Alpträume, die er in letzter Zeit hatte. Schlimme Visionen von einer großen Bedrohung, die unaufhaltsam näher kam. Eine Bedrohung, die durch die Leeren des Alls schlich und Planeten verschwinden lies. Zurück blieb nur Schwärze. Seine Eltern winkten auf seine Erzählungen hin nur ab und sagten, er nehme sich die Geschichten der Landstreicher zu sehr zu Herzen. Trotzdem kamen ihm die Träume manchmal viel zu real vor.
    Dass er nun wach war, ärgerte ihn. Noch im Halbschlaf drehte er sich um und wollte weiterschlafen. Doch dann kam ihm ein Gedanke und er öffnete die Augen. Er starrte die Wand an, die im schwachen Mondlicht zu sehen war und an der sein Bett stand. Er lauschte. Nichts. Das kam ihm seltsam vor, denn er hatte das Fenster vor dem Zubettgehen geöffnet. Schließlich war es mitten im Sommer. Er lauschte weiter. Immer noch nichts. Selbst mitten in der Nacht hörte man eigentlich immer einen Haufen Geräusche, denn das kleine Haus stand ländlich gelegen. Alle möglichen Arten von Tieren und Insekten machten mehr Lärm in der Nacht, als man denken könnte. Auch der Wind rauschte fast immer in den Bäumen. Das nichts von all dem zu vernehmen war, kam ihm nun - da er jetzt dank seines Gedankengangs immer wacher wurde - mit jeder Sekunde merkwürdiger vor.


    Er wälzte sich im Bett herum und starrte nun nicht mehr die Wand an, sondern sah auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes aus dem offenen Fenster. Keine Geräusche. Kein Wind, die einfachen Leinenvorhänge hingen still, als wären sie aus Stein. So lag er eine Weile und dachte angestrengt nach, woran das wohl liegen könnte. Im Halbschlaf war er sich noch nicht sicher und er dachte, er würde sich diese seltsame Stille nur einbilden. Doch nun war er einigermaßen wach und nahm sie ganz deutlich war. Seine Grübelei führte allerdings zu keinem annehmbaren Ergebnis. Also drehte er sich auf den Rücken und schloss die Augen. Das war sicher nichts. Nach dem er einige Minuten so da lag, wurde ihm klar, dass ihn die Stille störte. Sie lies ihn nicht wieder einschlafen. Sie hatte beinahe etwas bedrohliches. Er öffnete die Augen und starrte nun an die Decke. Was sollte er tun? Er seufzte und drehte sich wieder dem Fenster zu. Genervt sah er nach draußen. Konnte gerade heute nicht einfach alles normal sein?


    Da er keine Möglichkeit sah, bei der Hintergrundkulisse wieder zu erholsamem Schlaf zu finden, schlug er die Decke zurück und schwang seine Beine aus dem Bett. So saß er nun auf der Bettkante und starrte wieder aus dem Fenster. Er rieb sich das Gesicht mit den Händen, schnaufte und stand auf. Mit drei schnellen Schritten ging er zum Fenster und stützte seine Hände auf das alte, verwitterte Fensterbrett. Nun starrte er direkt auf das Land vor ihm. Links vom Haus standen die Ställe mit den Tieren zwischen einigen hohen Bäumen. Rechts war nur freie Fläche, Felder und Weiden. Vereinzelte Bäume standen in der Ferne. Er sah sich um, so gut das in dem fahlen Mondlicht möglich war. Nichts. Nur Stille war zu hören. Auf seine Hände gestützt lehnte er sich aus dem Fenster und sah links und rechts an den Wänden des Hauses entlang. Er konnte nichts ungewöhnliches feststellen. Mit einem Gedanken, der ihn fragte, was er wohl erwartet hätte, sah er nach oben zum hell strahlenden Mond. Die Nacht war vollkommen klar und die Sterne leuchteten am Himmel. Ben fand solch klare Nächte unheimlich faszinierend. Sie erinnerten ihn daran, dass es noch viel mehr Leben als in der kleinen Hütte, dem Dorf oder auf dem ganzen Planeten gab. Seine Eltern hielten nichts davon. Sie fürchteten, er würde sich in Rührseligkeiten verlieren und den Hof vernachlässigen. Schließlich sollte er ihn einmal übernehmen, wenn er alt genug wäre. Sie erzählten ihm ständig von den Gefahren, die dort draußen lauerten. Von riesigen Schlachten um ganze Sternensysteme, raubende Xenos und eine Hand voll Geschichten, die selbst er in seinem Alter nicht für voll nehmen konnte. Trotzdem träumte er heimlich davon, einmal seinen Planeten zu verlassen und etwas größeres zu tun, als die Leute in seinem Dorf. Er wollte jemand sein, etwas bewegen. Doch wem machte er etwas vor? Sein Planet lag abgeschieden, irgendwo am Rand der Galaxis. Nichts war unwahrscheinlicher, als hier weg zu kommen.


    Er seufzte wieder und wollte sich gerade umdrehen und zum Bett zurück gehen, da bemerkte er etwas seltsames am Himmel. Er kniff die Augen zusammen. Es sah aus, als fehlte ein Stück, als hätte jemand ein schwarzes Tuch auf eine Stelle am Firmament gelegt. Zwischen all den Sternen war ein dunkler Fleck. Angestrengt versuchte er, die Umrisse auszumachen. Es sah fast aus wie... Er hörte Schritte und die Tür ging auf. Ben drehte sich um und sah erschrocken seinen Vater mit der alten doppelläufigen Schrotflinte vor ihm stehen, die Hand noch am Griff der Tür. Selbst bei diesem Licht konnte er den ernsten Ausdruck in seinem Gesicht sehen. Besorgnis erfüllte ihn und er wollte gerade etwas sagen, da kam ihm sein Vater zuvor: "Bleib in deinem Zimmer, irgendwas stimmt nicht." Er schloss die Tür wieder und Ben stand wie angewurzelt am Fenster. Dann hörte er, wie die Vordertür geöffnet wurde und vernahm das Knarzen der Veranda, das immer zu hören war, wenn jemand kam oder ging. So konnte man immer wissen ob Besuch kam, bevor er an die Tür klopfte. Ben befreite sich aus seinen Gedanken und drehte sich wieder zum offenen Fenster, an dem er immer noch stand. Sein Vater war nicht zu sehen, also war er wohl um die Ecke und vor dem Haus geblieben. Einige Minuten war nichts zu sehen oder zu hören. Ben stand nur da, sah aus dem Fenster und lauschte gebannt. Dann vernahm er leise Schritte und sein Vater kam nun um die Ecke. Allem Anschein nach hatte er erst die Scheune auf der anderen Seite des Hauses kontrollieren wollen, in dem die Maschinen für die Felder standen. Dort fand er wohl nichts, denn nun ging er am Haus vorbei in Richtung der Ställe. Ben hatte plötzlich Angst. Angst, seinem Vater könnte etwas passieren. Er schluckte die aufkommende Panik herunter. Er war alt genug, um keine Angst mehr zu haben. Sein Vater verschwand zwischen den Bäumen. Nach weiteren Minuten der gebannten Stille zuckte Ben ruckartig zusammen als er den ersten Schuss hörte. Bevor er realisieren konnte, was passiert war, kam der zweite Schuss. Wie den ersten hörte man ihn weit über die Felder. Dann... nichts. Stille. Als wäre nichts gewesen und er stände immer noch am Fenster auf der Suche nach einem Anzeichen für die ungewöhnliche Stille. Er suchte zwischen den Bäumen und Büschen nach etwas. Bewegung. Irgendwas. Dann sah er es. So groß wie eine Ziege, allerdings war es keine. Da sich der Schemen gegen das Mondlicht bewegte, konnte er für einen kurzen Moment die Umrisse ausmachen. Ein gezackter Rücken. Ein langer Schwanz. Mehrere Gliedmaßen. Geschockt starrte er das Wesen an. Das Wesen hob den Kopf und sah sich um, bis es in seine Richtung blickte. Gebannt beobachtete Ben die Szene weiter bis ihm klar wurde, dass das Wesen IHN ansah. Plötzlich huschte es so schnell in die Büsche, dass er ihm nicht mehr folgen konnte. Erschrocken und beinahe enttäuscht suchte er mit schnellen Blicken die Umgebung ab. Doch er fand nichts. Dann hörte er ein Knarzen.


    Ben war wie gelähmt. Was sollte er tun? Wo war sein Vater? Was war das zwischen den Bäumen gewesen? Kam es ins Haus? Panisch versuchte er, Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Vergebens. Er atmete tief ein und aus. Er konzentrierte sich auf die Geräusche im Haus. War da überhaupt etwas? Vielleicht hatte er sich ja nur getäuscht. Vielleicht war sein Vater auch wieder ins Haus gekommen, nachdem er ein paar Diebe oder umherstreunende Bettler auf der Suche nach einer Unterkunft für die Nacht verscheucht hatte. Erleichtert atmetet er auf. So musste es sein.
    Dann hörte er seine Mutter schreien. Der Schock traf ihn wie ein Hammerschlag. Seine Mutter... was passierte gerade? In der bedrohlichen Stille stand er zitternd immer noch am Fenster, die linke Hand an das hölzerne Fensterbrett gekrallt und den Blick starr auf die Tür gerichtet. Kerzenlicht flackerte unter dem Türspalt hindurch. Ben hörte ein leises kratzen auf den alten Holzdielen im Flur. Plötzlich bemerkte er den Schatten, der sich unter der Tür durchzog. Das war zu viel für ihn. Die Panik hatte ihn nun vollends im Griff. Er lies das Fensterbrett los, rannte quer durch den Raum und kauerte sich in die Ecke des Zimmers, hinter das Kopfende seines Bettes. Tränen liefen seine Wangen herunter aber er zwang sich, keinen Laut von sich zu geben und lauschte nach dem Gang hinter der Tür.
    Nichts. Vorsichtig spähte er über die Bettkante auf die Tür. Wieder Nichts. Doch plötzlich bewegte sich die Tür auf. Ganz langsam. Ohne auch nur das kleinste Geräusch zu erzeugen. Dahinter erkannte Ben es. Das Wesen zwischen den Bäumen. Es war tatsächlich ins Haus gekommen. Schnell zog er wieder den Kopf ein und presste sich noch enger in die Ecke. Was sollte er tun? Er konnte sich vor Angst kaum bewegen. Was war mit seinen Eltern? Was war das für ein Wesen? Er hörte die Klauen leise über den Holzboden kratzen, als das Wesen langsam durch das einfache Zimmer schlich. Die Geräusche kamen immer näher auf ihn zu. Er konnte nun nichts mehr denken vor Angst sondern starrte nur noch mit weit aufgerissenen Augen auf die Ecke seines Bettes. Langsam streckte das Wesen den Kopf in sein Blickfeld. Ben hielt den Atem an. Das Wesen könnte seinen schlimmsten Alpträumen entsprungen sein, mit seinen dünnen, spitzen Zähnen, dem gepanzerten Kopf und den langen Klauen sah es genau aus wie... Das Wesen blieb stehen, als hätte es seine Blicke gespürt. Ben bewegte keinen Muskel. Langsam drehte es seinen Kopf. Es sah im direkt in die Augen.



    MfG Wazdakka

  • Mondschatten

    Hat den Titel des Themas von „[40k] Aus der Leere“ zu „Aus der Leere [Imperium Zivil, Kurzgeschichte]“ geändert.
  • Mondschatten

    Hat das Label [Imperium (sonst.)] hinzugefügt