Autor: Dan Abnett
Buchformat: Taschenbuch
Umfang: 1395 Seiten
Sprache: Deutsch
Übersetzung: Catherine Beck
Preis: 15,00 €
Verlag: Wilhelm Heyne Verlag
ISBN: 978-3-453-52639-6
Vorbemerkungen:
Es wird wohl an der Anzahl der Seiten ziemlich deutlich, dass Ravenor ein umfangreiches Werk ist. Es besteht insgesamt aus drei Teilen, die sich in einigen Punkten stark unterscheiden. Ich habe mich dennoch dazu entschlossen alles auf einmal zu rezensieren, da man ja alle Teile zusammen kaufen muss und ich auf die Unterschiede direkt verweisen kann. Daher kann die Rezension etwas umfangreicher ausfallen. Aufgrund der Kritikpunkte, die ich aufzählen werde, kann es sein, dass die Spoiler stärker als sonst ausfallen. Wer diese Spoiler vermeiden will oder wer einfach keine Zeit und/ oder Lust hat, das ganze hier zu lesen, für den gibt’s am Ende der Rezension eine kleine Zusammenfassung aller kritischen Aspekte.
Inhalt:
Ravenor, einst Interrogator des berühmt-berüchtigten Gregor Eisenhorn und bei einem Angriff des Chaos körperlich verstümmelt, jagt auf Eustis Majoris die Hintermänner eines Kartells, das mit einer neuen Droge dealt, „Flexe“ genannt. Seine Ermittlungen führen ihn und seinen Stab bis zu den Freihandelszonen der Masselzone, ohne auch nur eine Ahnung zu haben, was sie dort erwartet…
Ravenor und sein Team kehren schließlich nach Eustis Majoris zurück, um das Kartell und seine Komplizen zur Strecke zu bringen. Außerdem hat Ravenor von der Prophezeiung über die Geburt eines Dämons erfahren, die er unbedingt verhindern muss. Bei seinen Ermittlungen deckt er jedoch eine weitaus schlimmere Ketzerei auf, die er ohne jede Unterstützung der Inquisition unterbinden muss…
Nach Eustis Majoris wird Ravenor zurück zum Hauptsitz der Inquisition im Helican-Sektor gerufen, da er durch sein langes verdecktes Ermitteln Gefahr läuft, als abtrünnig zu gelten. Erst will er sich den Befehlen seiner Vorgesetzten beugen. Doch eine Nachricht treibt ihn und seine Gefolgsleute dazu, sich abzusetzen und eigene Ziele zu verfolgen. Während der Jagd auf einen berüchtigten Ketzer schwebt immer noch die Gefahr der Geburt des Dämons über ihnen….
Eindrücke und Kritik:
Negativ
Es gibt leider allerlei Aspekte zu bemängeln und dementsprechend ist die Liste lang. Die Kritikpunkte hängen alle zusammen, daher hoffe ich, ich kann das verständlich auseinander klamüsern. Der größte Kritikpunkt ist auch gleichzeitig ein ziemlich großer Spoiler, daher Vorsicht beim Öffnen des selbigen. Das größte Problem ist die Dämpfung der Spannungskurve durch den immer selben Aufbau:
Kurz gefasst laufen ca. 95% aller Szenen so ab: Ravenor und sein Team stehen vor einem Unterfangen, da sie eine wichtige Information bekommen haben. Sie führen es durch. Es kommt zu einem Problem und alle müssen sich den Weg blutig zurück freikämpfen. Dann geht alles so wieder von vorne los.
Ebenfalls enttäuschend am Aufbau ist die Tatsache, dass der komplette (grobe) Rahmen des Werks dem der Eisenhorn-Trilogie entspricht.
Während das ab der zweiten Hälfte des Buchs eigentlich kaum auffällt, weil sich die Herangehensweise von Ravenors Mannschaft immer wieder ändert, ist die erste Hälfte des Buches ein ziemlicher Krampf. Der Grund ist, dass der im Spoiler geschilderte Ablauf fast immer identisch gestaltet ist. Das mag jetzt wenig dramatisch klingen, aber wenn man sich vergegenwärtigt, dass das dann immerhin 700(!) Seiten sind, ist es zum Ende hin (der ersten Hälfte) schon recht eintönig.
Bedingt dadurch gibt es natürlich auch wenige Überraschungen. Ich würde jetzt aber nicht so weit gehen, das Werk durchweg vorhersehbar (obwohl es da Teile gibt) oder langweilig zu nennen.
Aber es ist schon vor allem bzw. größtenteils bei den ersten 700 Seiten ziemlich enttäuschend, wenn jede geplante Aktion gleich aufgezogen ist und den gleichen Ausgang nimmt.
Klar ist der Aufbau nicht ungewöhnlich. Jedoch hat ihn Dan Abnett größtenteils zu unkreativ ausgestaltet (vor allem in der ersten Hälfte). Natürlich gibt es unvorhersehbare Wendungen und Ereignisse, aber die sind erstens rar gesät und sie lassen zweitens die negativen Aspekte umso deutlicher werden.
Es werden auch viele zentrale geschichtliche Punkte zu schnell vorweg genommen. Dadurch wird die Spannungskurve weiter gesenkt, weil es kaum überraschende Erkenntnisse zum Ende hin gibt.
Zum Beispiel wird die Identität des Diodochoi oder vom Wirt von Slyte viel zu früh bekannt.
Ebenso problematisch, wie unpassend: Der Action-Anteil ist einfach zu groß.
Natürlich darf Action nicht fehlen. Jedoch wäre das Buch wesentlich spannender und interessanter gewesen, wenn der reine Ermittlungscharakter stärker behandelt worden wäre. Also Pläne und Recherchen auch ohne fast durchgängig mit gewalttätigen Auseinandersetzungen enden müssen. Warum also bspw. nicht ein wenig mehr erfolgreiche KONFLIKTFREIE Infiltrationen? So scheint es mehr ein Krieg als eine Untersuchung zu sein.
Das sowohl der Humor als auch einige Szenen sehr aufgesetzt wirken, ist auch nicht gerade gewinnbringend für die Story. Teilweise wirken die Szenen sogar so reingequetscht, dass bestimmte Parts der Geschichte voraussehbar werden.
Bestes Beispiel: Die Szene auf der Handelsstation „Bonners Reich“, wo gezeigt wird (und Ravenor und Nayl sehen), wie Lucius Worna ein Kopfgeldziel erledigt und so die Konfliktaustragung auf der Handelsstation erklärt wird. (Ich halte es außerdem nicht gerade für vorteilhaft als offizieller Kopfgeldjäger im Imperium den Namen „Lucius“ zu tragen )
Das wirkt alles so künstlich eingefügt, dass man (auch aufgrund des immer gleichen Ablaufs) sofort weiß, dass Ravenors Trupp so einen Konflikt austragen muss und dass sie noch Worna begegnen werden.
Es kommt sogar noch schlimmer: Streckenweise wirken Storyteile und sogar Charaktere einfach nur überflüssig. Man bekommt den Eindruck, dass Abnett Großes mit den besagten Aspekten vorhatte, aber dann doch alles hat im Sande verlaufen lassen. Vor allem die Charaktere werden zwischendrinnen kaum aufgegriffen und zum Ende hin mal schnell verheizt, um keine losen Storyfäden zurückzulassen. So wirkt das ganze Buch unnütz überfrachtet und künstlich in die Länge gezogen.
Cpt. Siskind ist bspw. so ein Fall. Er erhält am Anfang des zweiten „Buches“ eine bedeutungsschwangere Einführung, wird jedoch erst zum Ende hin erneut tätig. Oder noch schlimmer: Zael erscheint immer als ein wichtiger Storyfaktor, so dass man glaubt er hat am Ende eine bedeutende Rolle inne. Letztendlich hat er aber keinerlei vorantreibenden Effekt auf die Story.
Unnütze Teile des Werks, also Teile die nicht zum Weitertragen der Handlung beitragen, sind bspw. die Geschichte wie Kys Ravenor kennenlernt oder der Flug von Zael und Nayl mit der Raumfähre.
Weiterhin wirken einige Passagen unglaubwürdig oder unlogisch. Auch ein paar Ungereimtheiten treten auf. Im Spoiler sind wieder ein paar Beispiele.
Unglaubwürdig: Ravenor und Nayl spielen anfangs beide ziemlich gelassen mit dem Gedanken Sholto Unwerth zu töten, nur weil er einen nervigen Sprachfehler hat. Das passt nicht zu deren vorhergehender Charakterisierung.
Unlogisch: Zu Beginn der zweiten Geschichte wird erwähnt, dass es bisher noch keinen Psioniker gab, der nur annähernd stark genug war, um gegen Ravenor zu bestehen. Allerdings wird er ein paar Seiten zuvor im ersten „Buch“ fast von Kinsky psionisch fertig gemacht.
Ungereimtheit: Am Anfang des Buches heißt es Ravenor sei ein Psioniker Stufe Gamma. Am Ende heißt es er wäre Stufe Alpha plus.
Ein wenig sauer aufgestoßen ist mir auch die Tatsache, dass fast jeder Charakter (und es gibt eine Menge) absolut eindimensional und klischeehaft ist. Aber wie hat es Arek schon so treffend formuliert: „40k liebt Klischees“
Positiv
Glücklicherweise gibt es durchaus auch Erfreuliches zu berichten. Zunächst einmal natürlich das noch recht unverbrauchte Setting. „Detektivgeschichten“ ohne Massenschlachten und die zentrale Thematisierung der Inquisition gab es ja noch nicht allzu häufig; zumindest nicht so oft wie Space Marine Romane oder Schlachten der Imperialen Armee. Auch wenn das Ganze nicht voll ausgeschöpft wurde…
Ein weiteres Highlight ist der Hauptcharakter Ravenor selbst, da er ein sehr unkonventioneller Held ist. Somit ist er einer der wenigen nicht klischeebehafteten Personen.
Er ist kein strahlend gutaussehender Typ oder ein stahlharter Haudegen. Er ist eigentlich nur ein Klumpen Fleisch, der auch mal falsche Entscheidungen trifft oder von anderen gerettet werden muss, weil er nicht immer Herr der Lage ist.
Ein tolle Sache sind auch die Beschreibungen der geistigen Duelle, soll heißen die Kämpfe auf Psi-Ebene. Es ist wirklich sehr interessant mal detailliert beschrieben zu sehen, wie solche Psi-Gefechte eigentlich ablaufen (können). Genauso faszinierend sind die anderen „magischen“ Aspekte des 41. Jahrtausends:
Die „Kampfsprache“ Enuncia oder das Hexenhaus und seine Tür
Sowieso ist Dan Abnetts Schreibweise, streckenweise das Einzige, was die Spannungskurve noch halbwegs aufrecht erhält (ausgenommen der erste Teil, da ist nix mehr zu retten). Wie in der negativen Kritik erwähnt, ist das Buch ja nicht unbedingt langweilig. Es hat durchaus ein Spannungsbogen vorhanden. Nur steigt dieser erst ab der dritten Geschichte so richtig an und kann sein Potential halbwegs entfalten. Nichtsdestoweniger sind die detailreichen Schilderungen und situativ passenden Umschreibung sehr gelungen.
Überhaupt ist der letzte Teil die (positive) Krönung des Werks: Nicht ständig der gleiche Ablauf, keine zu früh vorweg genommenen Entwicklungen und nicht so oft verwendete Gegner.
Sehr mitreißend ist bspw. die Reise durch die Tür oder das Aufeinandertreffen mit den noch unbekannten Tyraniden. Aber auch die Einbindung von Kroot oder sogar einem Squat (und die augenzwinkernde Anspielung darauf, dass sie im Tabletop fast vergessen sind) sind mal eine willkommenen Abwechslung.
Auch die Wendungen oder die Abweichungen vom typischen Ablauf haben es ziemlich in sich, so selten sie auch sein mögen.
Die Infiltration des Informium auf Eustis Majoris, war hochspannend und ist mal nicht in ein Blutbad ausgeartet. Auch das in der zweiten Story fünf verschiedene Parteien gegeneinander operieren schafft Stimmung.
Der folgende Spoiler ist extrem gravierend, also wirklich nur bei unbedingtem Bedarf öffnen:
Die größte, aber coolste Überraschung: Eisenhorn taucht wieder auf! Yeah, FTW!^^
Auch die Einbettung von Charakteren anderer 40k-Romanreihen vertieft die Stimmigkeit des Romans weiter und lässt ihn „größer“ wirken.
Gemeint ist damit das Auftauchen von Lilith, der Inquisitorin aus dem zweiten Gaunt’s Ghosts Roman Mächte des Chaos
Zu guter Letzt hat das Werk mit 15,00 € und diesem Umfang ein annehmbares Preis-Leistungs-Verhältnis, trotz seiner gravierenden Schwächen.
Fazit:
So ich hoffe ihr seid noch dabei und habt nicht aufgrund der Buchstabenflut das Handtuch geworfen.^^ Die positiven Aspekte können die längere und umfassendere Liste an Mängel leider nicht aufwiegen. Zwar ist das Buch durchaus spannend, aber eben erst ab der zweiten Hälfte. Um bis dahin zu kommen braucht man schon Durchhaltevermögen. Das liegt am immer gleichen Aufbau und dessen Ausgestaltung. Es sind zwar ein paar Wendungen und neuere Fluffaspekte integriert worden. Doch diese sind leider viel zu sporadisch, um über die Schwächen des Buches hinweg zu täuschen. Ravenor ist meiner Meinung nach bisher der schwächste und enttäuschenste 40k-Roman von Dan Abnett. Insgesamt ist er in der Gesamtheit aller Romane von Warhammer 40.000 im unteren Mittelfeld zu finden. Selbst er günstige Preis verbunden mit dem unverbrauchten Szenario lässt den Kauf von Ravenor nur schwerlich eine Überlegung wert sein.
Wertung:
3/ 10
Zusammenfassung:
Pro
+ unverbrauchtes Szenario
+ unkonventioneller Held und untypische Gegner
+ Beschreibung von Psi-Duellen sehr gelungen
+ günstiger Preis
+ Charaktere anderen Romanreihen und andere „Magie“ schaffen Tiefe
+ sehr detailliert und sprachlich ausgereift
Contra
– Potential nicht ausgeschöpft
– Aufbau zu unkreativ
– fast immer gleicher Ablauf
- zentrale Punkte werden vorweg genommen
- Humor und einige Szenen wirken aufgesetzt
– unlogische/ unglaubwürdige Stellen
- überflüssige Storyteile und Charaktere
- Charakter größtenteils eindimensional bzw. klischeehaft
- braucht extrem lange, um in Fahrt zu kommen