Gefallene Engel – Großer Bruderkrieg 6
- Mitchel Scanlon (Autor), Ralph Sander (Übersetzer)
- Taschenbuch: 448 Seiten
- Verlag: Heyne Verlag (12. Juli 2010)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 345352683X
- ISBN-13: 978-3453526839
Im nun folgenden Text geht es um meine Eindrücke zur deutschen Übersetzung des sechsten Bandes der Horus Heräsie-Reihe. Der Autor, Mitchel Scanlon war mir bis zu diesem Werk unbekannt, was erst mal kein schlechtes Zeichen ist, denn bei Ben Counters Brennende Galaxis war ich deutlich voreingenommener. Der Übersetzter, Ralph Sander, hat auch die letzten Horus-Werke übersetzt und dabei soweit gute Arbeit geleistet.
Hinzu kommt noch, dass das die Protagonisten dieses Bandes die Dark Angels sein sollten. Nachdem die ersten fünf Bände der Reihe sich mit den Legionen der schändlichen Verräter befassten, freute ich mich darauf, als treuer Diener des Imperators, endlich etwas über eine der (zumindest teilweise…) loyalen Legionen im Großen Bruderkrieg zu erfahren.
Insgesamt ging ich somit mit einem sehr positiven Gefühl an das Buch heran, denn die Dark Angels bieten zweifelsfrei das Potenzial für tolle Geschichten. Und um etwas voraus zu greifen: Genau dort liegt auch der Hund begraben. Ob einem ein Buch gefällt, ob man positiv oder negativ auf das Geschriebene reagiert, das hängt zu einem guten Teil davon ab was man zuvor von dem Werk erwartet hat. Ich erhoffte mir jedenfalls eine ordentliche 40K-Story, im Stile und auf dem Niveau der vorangegangenen fünf Bände – Was daraus wurde, könnt ihr nun lesen:
Zusammenfassung:
Die Geschichte spielt auf Caliban, in der Zeit nachdem Lion El’Johnson bereits Teil des „Ordens“ ist, jedoch vor dem Eintreffen des Imperators. Der „Orden“ ist die vorherrschenden militärischen Gewalt auf Caliban, der späteren Heimatwelt der Dark Angels.
Caliban ist eine Todeswelt mit einer feudalistischen Herrschaftsstruktur und die Bevölkerung lebt seit Menschengedenken in Angst vor den „Großen Bestien“, welche die allumfassende Wildnis Calibans beherrschen. Die Einzigen die diesen Ungeheuern Einhalt gebieten, und deshalb auch die Herrscherkaste stellen, sind die diversen Ritterorden Calibans, welche mit primitiven Versionen der Servorüstungen und mit ebenso primitiven Pistolen und Kettenschwertern auf ihren Schlachtrössern ins Gefecht ziehen.
Der überwiegende Teil des Buches handelt von El’Johnsons großem Krieg zur Vernichtung aller Bestien sowie den Veränderungen und den damit einhergehenden Bedenken diverser Parteien, die El’Johnsons Pläne mit sich bringen. Im letzten Drittel des Buches wird Caliban dann im Schnellverfahren ins Imperium eingegliedert und es beginnt die Wandlung der Ritterorden zu den Dark Angels. Erzählt wird dies aus der Sicht der beiden Protagonisten, Zahariel und Nemiel, die im Verlaufe der Geschichte von einfachen Anwärtern des Ordens zu vollwertigen Rittern und zum Ende schließlich zu Space Marines aufsteigen.
Soviel zum Inhalt, ich möchte auch nicht zu viel verraten.
Meine Eindrücke:
Ich bin ein Freund deutschsprachiger Übersetzungen und betrachte die Fraktion, die glaubt die Deutungshoheit über den 40K-Fluff zu besitzen, weil sie nur die „Originale“ liest, bestenfalls mit milde amüsiertem Spott. Bei diesem Band jedoch ist bereits die Übersetzung des Titels grob fehlerhaft, was nicht zuletzt einer der Gründe war, warum ich mit falschen Erwartungen an das Werk herangegangen bin. Das englische Werk heißt Descent of Angels, also „Abstieg/Niedergang der Engel“. Übersetzt wurde es aber mit Gefallene Engel, was eigentlich der Titel des elften Bandes der Reihe ist und einen ganz anderen Schwerpunkt setzt, auch wenn ein besserer Titel die Schwachpunkte des Werkes nicht aufgehoben hätte.
Der Rest der Übersetzung ist dafür gelungen und weißt keine größeren Patzer mehr auf.
Zum eigentlich Inhalt kann ich leider wenig Schmeichelhaftes schreiben. Die Strukturen der Ritterorden auf dem präimperialen Caliban könnten durchaus ein interessantes Thema sein, jedoch ähneln sie den Marine-Orden so deutlich, dass es schnell langweilig wirkt. Irgendwie hat man das alles schon mal gelesen, bloß dass es sich hier nicht mal um Scouts und Marines und somit eine solide Space Marine-Popcorn-Literatur handelt, sondern eben um irgendwelche Anwärter und Ritter. Das ganze Buch wirkt eher wie eine „Ritter der Tafelrunde“-Variante, bloß mit aus dem 40K-Fluff abgeschauten Ordenstrukturen, statt einem Hofstaat. Würde man nicht eine 40K-Geschichte erwarten, wäre es vielleicht eine recht nette Fantasy-Rittergeschichte, so aber wird man ständig mit Hintergrundinfos zum präimperialen Ursprung der Dark Angels vertröstet, der hätte interessant sein könnte, aber dann doch irgendwie nichts Neues und Spannendes enthält. Dem Autor gelingt es nicht, aus dem an sich interessanten Grundthema eine spannende Geschichte zum Ursprung der Ordensstruktur zu schreiben. William King gelang dies bei seiner Beschreibung der fenrisischen Kriegergesellschaft deutlich besser.
Nicht einmal Lion El Johnson, immerhin ein Primarch, kommt in diesem Werk auch nur annähernd so herrschaftlich und beeindruckend rüber wie seine Brüder in den vorherigen Werken. Während die Primarchen dort selbst unter den Space Marines außergewöhnliche und Ehrfurcht gebietende Individuen sind, erscheint Johnson in diesem Band lediglich wie ein beeindruckender Mensch, aber keinesfalls so beeindruckend wie das „Überwesen“, welches ein Primarch sein sollte. Es fehlt hier allem Anschein nach schlicht die bezugsgebende Abstufung Mensch < Space Marine < Primarch, welche Primarchen für normale Menschen zu solch einschüchternde Wesen macht. So jedenfalls kann man bestenfalls von einem „Primärchlein“ sprechen.
Insgesamt enthält das Buch für mein Empfinden unglaublich viele Lücken und Brüche. Die Wechsel zwischen Gegenwart und Rückblende sind oftmals kaum markiert. Zumindest mir fiel es mitunter nicht immer leicht, festzustellen welche Szene chronologisch wie einzuordnen ist. Auch innerhalb der Geschichte selbst wirkt vieles abgehackt und unvollständig. Die Umwandlung in Space Marines erfolgt im Handumdrehen,
die Aufnahme des „Helden“ ins Scriptorium wird mal erwähnt, dann wieder völlig ausgeblendet und am Ende schließlich einfach für Beendet erklärt.
Viele wichtige Fragen werden kurz angeschnitten und angedeutete Hinweise werden gesetzt, dann aber nicht mehr aufgegriffen und bleiben unbeantwortet.
Was ist wirklich passiert auf dem von den Dark Angels befreiten Planeten, was hat die geopferte Frau tatsächlich hinter den Masken gesehen, wie zur Hölle kommt es, dass Johnson auf einmal von Luthers „Schwäche“ erfahren hat, wieso seine plötzliche Missgunst gegenüber bestimmte Teile seiner Legion usw.
Ich hatte mitunter den Eindruck, der Autor hatte beim Schreiben eine Checkliste neben sich liegen, welche Storyelemente unbedingt erwähnt werden müssten,
etwa die Wächter im Dunkeln,
hat diese dann zähneknirschend in eine Szene eingebaut, dann jedoch für den restlichen Verlauf der Geschichte quasi wieder verschwinden lassen.
Besonders das Ende wirkt dadurch seltsam gerafft und gehetzt. Das Finale ist sowohl vom Unfang wie auch vom Inhalt her enttäuschend. Das eigentliche Schisma der Dark Angels, über das man beim Lesen des Buches mit dem Titel „Descent of Angels“ eigentlich etwas zu erfahren erwartet, wird gerade einmal auf den letzten beiden Seiten kurz angerissen. Dass war es dann aber auch schon mit „fallenden Engeln“.
Zumal, wie schon erwähnt, die Entscheidung des Löwens, unliebsame Elemente seiner Legion auszusondern, im Anbetracht der im Buch gelieferten Informationen nicht nachvollziehbar ist, wodurch auch diese letzten Seiten sehr diffus wirken.
Der Leser muss fast alles frei interpretieren oder aus bereits vorhandenem Fluffwissen hinzufügen. Beides ist sehr unbefriedigend!
Das Buch kann eigentlich nur verstanden werden, wenn man schon einen Überblick über die Eigenschaften und Merkmale von Space Marine und vor allem über den Fluff der Dark Angels hat. Zwar ist es völlig in Ordnung, dass im sechsten Band einer Reihe nicht mehr alles von Grund auf erklärt wird, Wer allerdings das zum Verstehen notwendige Hintergrundwissen bereits besitzt wir dafür umso schneller enttäuscht über die vielen unbeantworteten Fragen sein.
Auch tröstet es nicht, dass einige Fragen vielleicht noch im elften Band der Reihe beantwortet werden könnten – Viele der Brüche und Unklarheiten sind innerhalb der hier beschriebenen Geschichte zu finden und schmälern damit das Lesevergnügen immens Auch durch eine rückwirkende Aufklärung wird sich dies nicht aufbessern lassen können.
Positiv kann vermerkt werden, dass der Band keinen nennenswerten Fluffschwächen enthält. Das kann jedoch auch einfach daran liegen, dass kaum 40K-Materialien im Buch vorkommen. Ebenfalls positiv hervorzuheben ist, dass nicht, wie in den vorangegangenen Bändern, relativ rasch klar wird, welcher der Protagonisten nun der Gute und wer der Böse ist. Auch entfällt diesmal das alte Schema von den zwei guten und zwei bösen Hauptleuten, was langsam doch etwas abgelatscht ist.
Leider reichen diese Punkte nicht aus, um den schlechten und enttäuschenden Gesamteindruck zu mildern, zumindest nicht im Hinblick auf die anfangs genannten Erwartungen.
Fazit:
Das Buch wirkt auf mich insgesamt lustlos, teils sogar schlampig geschrieben. Der erste Teil der Geschichte, kommt wie eine skurrile Fantasymittelalterstory daher, die zwar amüsiert aber nicht fesselt. Und das schreibe ich als jemand der grundsätzlich Spaß an Fantasy-Rittergeschichten hat!
Der Teil, der dann tatsächlich über die Dark Angels geschrieben wurde, wirkt seltsam gehetzt und lückenhaft. So, als hätte der Autor nicht genügend Platz gehabt die Geschichte zu schreiben, die er eigentlich geplant hatte, nachdem 2/3 des Buches durch seine „Rittergeschichte“ belegt waren.
Für mich ganz klar der bisher schwächste Band, der ansonsten starken Horus-Reihe!