VII
Anton wusch sich das Gesicht mit einem wassergetränken Lappen, der zuvor zusammen mit einem kleinen Bottich in seine Kammer gebracht wurde. Mit jedem vergangenen Tag, in dem er in fast völliger Stille mit Nalaryss den Kampf gegen die Drukhari übte, wurden ihm mehr Freiheiten zugestanden. Anton schätze, dass er sich bereits vier Tage in Gefangenschaft befand. Ohne Chronometer, eingesperrt und völlig isoliert, war es jedoch unmöglich, genau festzustellen, wieviel Zeit bereits vergangen war. Die sich wiederholenden Trainingseinheiten gaben ihm jedoch eine gewisse Struktur, die ihm half, bei Verstand zu bleiben. Dadurch, dass er sich den Befehlen der Drukhari bedingunglos beugte, schien das Misstrauen ihm gegenüber langsam zu schwinden. Er durfte sich frei in seiner Kammer bewegen und bekam die möglichkeit, sich zumindest Bedingt frisch zu machen. Natürlich hatte er bei der ersten Gelegenheit, bei der er frei von Ketten und für sich alleine war, den ganzen Raum durchsucht, doch fand er nichts, was die Situation merklich verändert hätte. Neben alten, schrottreifen Waffen und jeder Menge leerer Gefässe und Schalen, fand er nur noch einige moderigen Lumpen, aus denen er immerhin einen einfachen Rock schnüren konnte, um seine Kleider während des Trainings nicht weiter zu zerschleissen. Obwohl die Gewänder, die ihm Emanuel zu Beginn dieser Tortur gegeben hatte, bereits übel zugerichtet waren, erinnerten sie Anton doch an die Zeit vor seinem Märtyrium. Sie hatten inzwischen einen sentimentaln Wert weswegen er verhindern wollte, dass sie weitere Schäden davontrugen.
Das Training belebte zwar sowohl Körper als auch Geist, doch mangelte es Anton an Schlaf und Erholung. Er hatte mehr als genug Zeit, sich zwischen den Übungskämpfen mit Nalaryss auszuruhen, aber beim Nichtstun vergifteten düstere Gedanken seinen Verstand und im Schlaf quälten ihn die schrecklichen Visionen von Ashenya. Er hatte begonnen, Gebete, Gesetzte und Texte, die er auswendig kannte, zu rezitieren. Nicht um derer Inhalt willen – vieles davon schien im gerade in seiner jetzigen Situation unglaublich banal – sonder lediglich zur Ablenkung und Beschäftigung.
Immer wieder fragte er sich, wie lange er noch hier festsitzen würde. Wie lange es gehen würde, bis er die Gelegenheit bekam, seine neue Herrin zu töten.
Als er gerade einige besonders geschmackslose Passagen aus dem Lectitio Divinitatus vor sich her murmelte, betrat Nalaryss sein Gefängniss. Anton hörte sofort damit auf und fokusierte seinen Verstand auf das jetzt. Etwas stimmte nicht. Es konnten kaum mehr als eine halbe Stunde vergangen sein, seit er sein Training beendet hatte und die Drukhari ihn wieder alleine zurückgelassen hatte. Das sie nun wiedergekehrt war, war durchaus ungewöhnlich.
»Mach dich bereit«, sagte Nalaryss noch während sie zielstrebig auf Anton zuschritt. »Heute wirst du deinen Wert unter beweis stellen«
***
Maelarah blickte hinab in die Arena ihres Hauses. Sie lag zwischen dem Palast der Azrushar und den Refugien ihrer Getreuen. Die grosse Kristallkuppel, die sich über den hexagonalen Bau wölbte, verunmöglichte sowohl Flucht als auch Eindringen, liess aber die schwachen Strahlen der sterbenden Sonne ihr Licht auf die weissen, marmorähnlichen Platten strahlen, die den Boden der Arena bedeckten.
Die Drukhari liess ihren Blick über die nur zur Hälfte gefüllten Zuschauerränge schweifen. Das Haus Azrushatora hatte wahrlich schon bessere Zeiten erlebt. Auch wenn die grosse Ära des alten Adels schon seit Äonen vorbei war, hatte ihr Vater doch immer Wert auf die alten Traditionen gelegt und zum Ruhme ihrer Dynastie ausschweifende Festspiele veranstaltet. Nach dem sein Bruder ihn ermordet und seinen Platz eingenommen hatte, verkam Dalrailac zu einem erbärmlichen Hort Ausgestossener, in dem diejenigen Zuflucht fanden, welche in Commorragh selbst keine Zukunft hatten. In den grossen Logen waren kaum mehr Mitglieder der alten Familien anzutreffen. Kaum mehr reinblütige Fleischgeborene, sondern Bastarde und Abkömmlinge niederer Drukhari. Alleine der Gedanken an diese in Brutkapseln gezüchteten Abscheulichkeiten ekelte Maelarah. Zumindest hatte der heutige Kampf potential, etwas mehr Vergnügen zu bereiten als die geistlosen Sklavenkämpfe, mit denen ihr Onkel seine Anhänger ruhigstellte.
Auch wenn der Chem-Pan-Sey, der in ihrem Namen kämpfen würde, ein Geschenk ihres schandhaften Onkels war, würde es ein spezielles Spektakel werden. Der Mensch hatte sich Freiwillig in die Hand der Drukhari begeben – ein besonders niederträchtiger Verrat an seinem Volk. Doch wie weit würde er dabei gehen? Der Schmerz und die Scham, die er fühlen würde, wenn er die unverdorbensten seiner Spezies niederstreckte, würden besonders delikat sein.
Maelarah hörte das leise Zischen des Sslyth, der in ihrer Loge wache hielt und wusste, dass er ihre Besucher gewittert hatte. Sie freute sich, den bevorstehenden Kampf mit einer alte Freundin geniesse zu können, deren Abstammung ebenso rein wie die ihre war.
Die schweren, smaragdgrünen Brokatvorhänge der Loge wurden auseinandergezogen. Eine schlanke, hochgewachsene Drukhari-Frau betrat den Raum. Die arroganten Züge ihres blassen Gesichts wiesen auf eine noble Abstammung hin. Ihre langen, weißblonden Haare waren mit einer silbernen Nadel auf dem Scheitel hochgesteckt und zu einem strengen Zopf geflochten, der bis auf den Boden reichte, am Ende zusammengehalten von einer mehrgliedrigen, goldenen Spange in Form eines Schlangenkopfes. Silbernen Ketten hingen über ihren Hüften, daran wie Edelsteine winzige Phiolen mit purpurnen Flüssigkeiten. Dieser Schuck ließ sie als eine Tochter des Shaimesh erkennen, eine Anhängerin des Kultes der Lhamea.
Die Farben ihrer Kleidung wiesen jedoch noch auf eine andere Zugehörigkeit hin. Über einem eleganten Kleid mit langen Handschuhärmeln und weitem Dekolletee aus schimmernder, blauvioletter Seide trug sie ein Mieder und einen hohen Kragen aus schwarz glänzenden Chitinplatten, an deren Kanten sich das gedämpfte Licht in irisierendem Grün und Orange brach. Sie trug die Farbe des Hauses DorchaKerun, jene, die für sich in Anspruch nahmen, Nachkommen des Kurnous zu sein.
Unmittelbar nach der Frau traten drei weitere Drukhari ein, wahre Hünen unter ihresgleichen. Die Krieger trugen Plattenrüstungen wie aus glänzender Jade. Ihre Gesichter verbargen sich hinter schwarzen Masken, die Helme waren von messingfarbenen Hörnern gekrönt. Die Schärpen und Bänder an ihren Rüstungen waren nicht aus Stoff, sondern aus bleicher Haut. Ein jeder präsentierte auf den gebogenen, mit Dornen gesäumten Trophäenstangen an seinem Rücken, Schmuckstücke von erschlagenen Feinden. Auf der Brust jedes Kriegers schimmerte ein Seelenstein ihrer verachteten Vettern, der Asuryani, in Gold gefasst, tiefblutrot und zersplittert, einem ausgerissenen Herzen gleich. In Hände hielten sie breite, beidhändige Klingen aus schwarzglänzendem Obsidian.
Nachdem der Vorhang hinter ihnen zugefallen war, blieben die Krieger stehen und rührten sich nicht mehr, als wären sie Statuen aus grünem Edelstein. Dennoch ging eine Bedrohung von ihnen aus, die jeden mit voller Härte treffen würde, der der jungen Frau zu nahem kam. Der Sslyth war angesichts solch mächtiger Elitekämpfer sichtlich nervös. Er bewegte unruhig seinen Körper auf und ab, wagte es aber nicht, die Neuankömmlinge anzusprechen.
Die Lhamea blieb kurz stehen und schaute das vierarmige Schlangenwesen verächtlich an. Dann legte sie mit einem arroganten lächelnd den Kopf zur Seite und schritt auf Maelarah zu.
»Deine Incubbi verängstigen meinen Sslyth«, sagte Maelarah zu der nach vorne tretenden Drukhari. »Es freut mich zu sehen, dass das Haus DorchaKerun noch immer so vorzügliche Krieger in seinen Diensten hat.« In ihrer Stimme lag unverblümt Neid und Verbitterung. Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte sie sich sogleich direkt an den Sslyth.
»Verschwinde. Deine Dienste werden nicht mehr benötigt.«
Sie wartete, bis das Alien die Loge verlassen hatte. Er dann liess sie ihren Blick von der eindrucksvollen Kreatur ab.
»Viel besser«, flüsterte sie leise, ehe sie sich wieder der wohl gekleideten Drukhari-Adeligen zudrehte. Sie selbst war mit einem eleganten, transparenten Gewand gekleidet, unter dem eine kaum als solche zu bezeichnende Rüstung aus smaragdbesetzter Echsenhaut, nur die intimsten Körperstellen verdeckte. Sie wirkte eher wie eine Hekatari als eine angehörige des Adels. Ironischerweise war ihr Gast die Tochter einer Succubus, während sie selbst keinerlei direkten Bezug zu den Hagashîn-Kulten der Drukhari hatte.
»Mein Onkel hat ihn bezahlt«, erklärte sie. »Es ist gut, dass du mit deinen eigenen Kriegern hergekommen bist. Es wäre eine Schande, wenn Llvayarzh von meinen Plänen erfahren hätte.«
»Quisar hat darauf bestanden, sonst hätte er mich nicht alleine gehen lassen. Die Inccubi vom Orden der Gehörnten Jadeviper stehen im Dienst unseres Vaters, um meinen Bruder unter Kontrolle zu halten – oder zumindest glaubt der alte Mann dies.« Sirqa lachte verächtlich.
»Ich freue mich sehr, dass du meiner Einladung gefolgt bist, liebste Sirqa.«
»Es ist mir immer wieder eine Freude, deine Gastfreundschaft zu genießen, Maelarah.«
Sirqa ließ ihren Blick über die Arena schweifen. Sie musste sich eingestehen, dass der sechseckige Bau beeindruckend war, wenn auch keinem Vergleich standhielt zu dem großartigen Theater ihrer Mutter. Schon als kleines Mädchen hatte sie dort bis auf den höchsten Ebenen der gewaltigen Fassade der Skene ihre Gegner mit Schnelligkeit und Gewandtheit zu Fall gebracht und hinunter in das Rund der Orchestra stützen lassen – wo der schwarze Fließsand sie in die Tiefen der Erde zog. Gelegentlich vermisste sie diese Zeit.
»Dann hoffe ich, dir gefällt der Kampf, meine liebe Freundin«, antwortete Maelarah. »Ich bin zuversichtlich, dass es ein vorzügliches Spektakel sein wird. Auch wenn es natürlich nicht das Theater des Kultes der Dunklen Mutter ist. Aber ich versichere dir, auch wir haben ein unterhaltsames Programm zu bieten.«
»Ich erwarte nichts geringeres, Maelarah. Die Schauspiele des Hauses Azrushatora haben einen ausgezeichneten Ruf.«
»Uns es liegt an mir, dass dieser Ruf auch weiterhin bestehen bleibt. Die exquisiten Spektakel sind selten geworden. Mein Onkel zieht es vor, sich der Jagd hinzugeben oder sich in seinem Palast huldigen zu lassen. Ohne meinen vorzüglichen Geschmack gäbe es kaum mehr als simpelste Sklavenkämpfe, die höchstens den niederen Pöbel amüsieren könnten. Natürlich können aber auch meine besten Kämpfer, in der Arena nicht mit deiner anmutigen Eleganz konkurrieren.«
»Wahrlich eine Schande, dass dein Vater sich nicht behaupten konnte.«, stimmte Sirqa eher beiläufig zu. Die Mealarahs Familienfehde interessierte sie nicht. Dass ihre Freundin aber Sirqas vorzügliche Kampffähigkeiten erwähnte, sprach für ihren guten Geschmack. Mealarah lud ihren Gast mit einer Handbewegung ein, Platz zu nehmen. Der massive Sessel glich einem kristallenen Thron und war mit samtweichem Fell bezogen, das eine absonderliche, orange-graue Musterung aufwies. Als Sirqa sich gesetzt hatte, nahm Maelarah eine Karaffe mit blassgoldener Seelenessenz und füllte zwei dünne, hohe Gläser auf, welche auf einem aufwendig gefertigten Kristalltischchen standen, dessen Oberfläche mit komplex gewundenen Reliefs verziert war. Die meisten davon zeigten exotische Wesen, von denen wohl alle bereits seit langer Zeit ausgestorben waren.
Der Kampfansager erhob gleichzeitig seine durch abscheuliche Chirurgie verstärkte Stimme, als die beiden Drukhari-Prinzessinnen auf ihr Wohl anstießen.
»Jubelt und ehrt das große Haus Azrushatora«, brüllte er, wobei sein Echo von der Kristallkuppel zurückgeworfen wurde, und die ganze Arena erfüllte. »Die grossartige Azrushar, unser glorreicher Herr und Gebieter, präsentiert eine besonders entzückende Auswahl an Sklaven. Seine uns allen bekannte Nichte, Maelarah aus dem Hause Azrushatora, präsentiert einen Fürsten der Chem-pan-sey, den sie vor nicht allzu langer Zeit als Geschenk unseres angebeteten Archons erhalten hat.«
Maelarah spuckte voller Verachtung auf den Boden, als der Ansager ihren Onkel erwähnte.
»Dieser Bastard ist eine Beleidigung«, zischte sie wie eine boshafte Schlange, den Rest der Kampfansage ignorierend. »Hätte er nicht eine Armee halbgeborenen Abschaums um sich geschart, würden nicht einmal die erbärmlichsten Sklaven ihm Ehre erbieten. Diese Arena gehört noch immer meinem Bruder!«
Sirqa setzte ein unbestimmtes Lächeln auf. Rivalitäten innerhalb der hohen Familie waren Alltag in Commorragh. Im Haus DorchaKerun waren sie fester Teil der Kultur der Dynastie. Immerhin trug ihr Vater nach wie vor den blanken Schädel seines älteren Bruders auf seiner Rüstung. Der Verbleib ihres Großvaters war nie wirklich geklärt worden. Gerüchteweise hatte ihre Mutter, zu jener Zeit noch Unter-Succubus im Kult der Schwarzen Mutter, dabei eine Rolle gespielt. Und auch die Zahl ihrer und Quisars Halbgeschwister schwankte ständig. In dieser Beziehung waren die Azrushar und ihr Bruder nicht allzu verschieden. Auch Quisar war sich dazu nicht zu schade, die Hilfe jener in Anspruch zu nehmen, auf die ihr Vater nur herabsah. Bei allem Standesbewusstsein mangelte es ihm nicht an Pragmatismus.
Anton wusste nicht, was ihn erwarten würde. Er wusste nur, dass es nun endlich so weit war. Er würde kämpfen müssen. Er würde einen ruhmvollen Kampf bieten und sich den Respekt der Drukhari verdienen. Er würde Ashenya aus den Klauen des Warps retten.
Nalaryss stand vor ihm und blickte ihm direkt in die Augen. Sie sagte nichts, aber Anton verstand sie trotzdem. Die Übungskämpfe hatten ihm nicht nur einen Einblick in die Kampfweise der Eldar gegeben, sondern auch in die Persönlichkeit der Drukhari-Kriegerin. Sie würde ihn zweifelslos töten, würde er versagen. Doch Anton würde nicht versagen. Ein Versagen würde bedeuten, Ashenya für immer zu verlieren. Sie zu einem unendlichen Märtyrium in den Seelenfeuer des Immateriums zu verdammen.
Der Inquisitor nickte zustimmend. Sie würde verstehen Sie würde wissen, dass er bis zum Äußersten gehen würde. Er ergriff also das Schwert, dass Nalaryss ihm entgegenstreckte. Die Klinge war von höchster Qualität, hatte aber ein gewaltiges Gewicht, so dass er sie nur beidhändig schwingen können würde. Ein stilisiertes Ultima-Symbol zierte die Parierstange und ein Aquila den Knauf. Es fühlte sich völlig falsch an, dieses Relikt des Adepta Astartes zu ergreifen, um damit im Namen einer Xenos-Herrin zu kämpfen. Aber hatte er eine Wahl? Wem auch immer diese Klinge gehörte, hatte sie wohl ebenso wenig freiwillig hiergelassen. Der Gedanke, dass ein Space Marine in dieser Arena sein Leben ließ, beunruhigte Anton zutiefst. Doch er musste standhaft bleiben. Er musste sich auf den Kampf fokussieren. Auf Ashenya.
Die Stimme eines Eldar donnerte durch die Arena. Offenbar war es bald so weit. Anton begab sich zu dem vergitterten Zugang, der in den offenen Kampfplatz der imposanten Anlage führte. Nur Sekunden später öffnete sich das Fallgatter mit einer gleichmäßigen, sanften Bewegungm, in dem es lautlos nach oben gezogen wurde. Anton spürte wie Nalaryss’ Blick ihn von hinten durchbohrte, als er langsam seinem Schicksal entgegenschritt.
Die Menge johlte, als der Inquisitor vor seine Zuschauer trat. Es war eine abnorme Mischung aus verächtlichem Gelächter, verletzenden Beleidigungen und belustigtem Hohn. Doch Anton war das egal. Diese Xenos würden bald erfahren, zu was er fähig war. Er Schritt über die Marmorplatten in die Mitte der sechseckigen Arena, bereit, sich seinem Feind entgegenzustellen.
»Weisst du, die ganzen Sklavenkämpfe langweilen mich«, erklärte Maelarah. »Daher habe ich den heutigen Kampf etwas spannender gestaltet.«
Eine Gruppe junger Frauen in zerfetzten Lumpen betraten die Kampfarena. Sie hatten alle schneeweißen, kinnlangen Haare mit kerzengerader Schnittkante an der Kopfvorderseite. Angeführt wurde die Gruppe von einer etwas älteren Frau mit derselben Frisur. Sie trug als einzige ein Kettenschwert, während der Rest unbewaffnet war.
»Diese Weibchen sollen zu den reinsten und unschuldigsten Wesen ihrer Spezies gehören. Der Chem-Pan-Sey wollte sich mir freiwillig unterordnen. Sie abzuschlachten, sollte seine Seele derart zerrütten, dass die dabei freigesetzte Agonie köstlicher sein wird als der verzweifelte Überlebenskampf gewöhnlicher Cresistauead.«
»Eine originelle Idee«, stimmte Sirqa zu. »Den Tierhetzen, die Quisar so liebt, mangelt es zuweilen an der psychologischen Komponente. Allerdings - habe ich dir je von den beiden Asuryani erzählt, die wir gefangen hatten?«
»Nicht, dass ich mich erinnern könnte.«
Sirqa lehnte sich zurück und griff nach ihrem Glas.
»Erinnere mich nach dem Kampf daran, dies nachzuholen. Es wird dir gefallen.«
Anton hatte eine Alienbestie oder einen Drukhari-Krieger erwartet, doch mit Sicherheit keine Schwestern der Adepta Sororitas. Er zählte neun Schwestern, acht davon waren kaum sechzehn Jahre jung, während Eine wohl mittleren Alters war. Sie war es auch, die die Gruppe anführte und als einzige mit einem imperialen Standard-Kettenschwert bewaffnet war. Die Roben der Sorotitas waren zerfetzt und auch beim besten Willen kaum mehr als Lumpen. Anton wandte instinktiv seinen Blick von der entwürdigend entblößten Weiblichkeit der Mädchen ab. Die Schwestern der Adepta Sororitas so vorzuführen war schon blasphemische Häresie, nicht nur gegen den Imperator, sondern gegen alles Menschliche. Verlangten die Drukhari wirklich, dass er Kinder töten sollte? Waisenkinder, wie er selbst eines war? Waisenkinder, deren Seele dem Imperator gehörten, wie keine Seele es sonst tat?
Nur der Gedanke daran war so absurd, dass Anton glaubte, zu phantasieren. Doch so sehr er es sich wünschte, er konnte nicht leugnen, dass er in der Arena stand. Und neun Sororitas-Schwestern vor ihm.
Sein Geist kollabierte. Er konnte das nicht. Er konnte keine Kinder ermorden. Natürlich starben in der Vergangenheit auch Kinder – durch seine Befehle, nicht nur auf Ysraal VI, das sich schmerzlich in seine Erinnerung zurückkämpfte, sondern auch viele Male zuvor. Aber trotz all dem war es etwas völlig anderes, unschuldige Kinder mit dem Schwert zu richten. Aber was war mit Ashenya? Um jeden Preis... Um jeden Preis musste er sie retten. Um jeden Preis? Auch wenn das hieß, unbewaffnete Kinder abzuschlachten?
Ashenya bedeute ihm alles. Inzwischen mehr, als es das Imperium je tat. Aber würde er nun seine Waffe gegen diese Sorotitas erheben, würde er sich selbst zu ewiger Schuld verdammen. Er träumte davon, den Menschen zu helfen. Zusammen mit Ashenya, mit Hector, mit Jek. Aber würde dieser Traum nicht hinfällig, wenn er selbst zu einem der Monster wurde, von dem er die Menschen beschützen wollte?
Anton war auf die Knie gefallen. Tränen liefen seine Wangen hinab. Er konnte sich nicht mehr bewegen, sein ganzer Körper fühlte sich taub an. Alles, was er bisher erreicht hatte, alle Opfer, die er gebracht hatte, wurden in Anbetracht dieses unmenschlichen Dilemmas nichtig. Dann wurde ihm unverhofft die Entscheidung, die er niemals hätte treffen können, abgenommen.
»Verräter!« brüllte die Schwester mit dem Kettenschwert, ihre Schützlinge wie ein Regiment Gardisten hinter sich sammelnd. Sie kannte den Mann nicht, doch sie hatte die anderen Sklaven flüstern hören. Ein gefallener Inquisitor hatte sich den Xenos unterworfen. Hatte aus freien Stücken das Imperium verraten. Den Gottimperator auf blasphemischste Art beleidigt. Eine solche Sünde wog unendlich schwer. Diese Last zwang ihn nun auf die Knie. Der Mann vor ihr war zu gut genährt, zu gepflegt, um ein gewöhnlicher Sklave zu sein. Es musste sich um diesen Inquisitor handeln. Sie spürte, dass es so war. War es der Imperator, der ihr den Weg wies? Was auch immer es war, die Schuld dieses wankelmütigen Mannes war mehr als bewiesen. Das Urteil stand außer Frage.
»Der Imperator ist ein Fels, der meinen Händen den Krieg gelehrt hat! Meinen Fingern den Kampf!«, begann die Schwester eine der kraftvollen Liturgien der Ekklesiarchie zu rezitieren.
Die jugendlichen Novizen wiederholten die Worte, den Kopf gen Himmel gerichtet, als ob der Gottimperator jeden Moment innerhalb der sterbenden Sonne erscheinen würde, während ihre Obere auf den erbärmlichen Ketzer zu stürmte.Auch wenn Anton sich in einem katatonischen Zustand befand, gewannen seine Jahrzehnte lang geschulten Instinkte im Angesicht des Todes die Oberhand. Gerade im letzten Moment warf er sich zur Seite, so dass der kraftvolle, aber plumpe Angriff sein Ziel verfehlte. Anstatt dass das Kettenschwert seinen Schädel spaltete, streifte es Antons Arm und riss das Fleisch bis auf die Knochen ab. Er war kaum mehr bei Bewusstsein und hatte keine Kontrolle über sein Handeln, als sein Körper sich wie von selbst bewegte und eines der tausendfach eingeübten Kampfmanövern vollzog. In einem tödlichen Gegenangriff sprang er direkt auf die Schwester zu, die sich gerade im selben Moment, seiner Ausweichbewegung folgend, ihm zudrehte. Warmes Blut schoss ihm entgegen. Er roch verbranntes Fleisch. Erst jetzt gab sein Überlebensinstinkt die Kontrolle wieder an seinen Verstand ab und Anton merkte, dass er der angreifenden Sororita, das mächtige Energieschwert direkt in den Bauch gerammt hatte. Erschöpft liess er sich auf die Knie sinken. Die Verletzung an seinem Arm schmerzte fürchterlich, doch als er den Blick auf die grässliche Fleischwunde senkte, wandte er ihn sofort angeekelt wieder ab, Was auch immer die Drukhari mit seinem Arm gemacht hatten, als sie ihn vor Tagen ersetzt hatten, es war widerwertig und blasphemisch. Das Fleisch war aufgequollen und zog schleimige Fäden, während sich die Wunde von selbst zu verschließen begann. Mit Entsetzen wurde Anton bewusst, dass das nicht sein Arm war. Es war ein außerirdisches Etwas, dass sich an seinem Körper festgekrallt hatte. Die Xenos hatten ihn getäuscht.
Sein Blick fiel wieder auf die Schwester, leblos vor ihm auf dem Boden lag.
Ich habe sie getötet! dachte Anton. Aber ich musste es tun... ich hatte keine Wahl...
»Amüsant, dieser Chem-Pay-Sey«, merkte Maelarah an, als Anton auf seine Knie sank, von seiner Tat selbst erschrocken und verstört. »Er hat sich freiwillig unserem Haus unterworfen. Doch trotzdem bereitet es ihm solche Pein, seine eigene Art zu töten.«
»Dem kann ich nicht wiedersprechen«, pflichtete Sirqa bei. »Wie schade, dass es ihnen an der Kunstfertigkeit mangelt. Diese Kreaturen bewegen sich so plump, wenn sie aufeinander losgelassen werden. Aber mehr darf man wohl von Chem-Pan-Sey nicht erwarten.«
Der seelische Schmerz des närrischen Inquisitors war purer Genuss für die Drukhari, die dem Kampf in der Arena beiwohnten. Der Schmerz, das Leid und die Verzweiflung ihrer Opfer hatten eine belebende, fast schon berauschende Wirkung, denn das Wesen der Xenos war durch Jahrhunderte der exzessiven Dekadenz immer weiter abgestumpft, so dass nur die drastischen Eindrücke in der Lage waren, ihr Gemüt zu erquicken.
Bestialische Schreie aus acht zornerfüllten Kehlen rissen Anton aus seinen marternden Gedanken. Die Novizinnen der von ihm ermordeten Schwester rannten wutentbrannt auf ihn zu. Rechtschaffender Zorn brannte rachsüchtig in ihren Augen, Sie wollten Blut. Sein Blut.
Mit vor Leid schmerzverzerrtem Gesicht richtete Anton sich auf. Er wollte nicht mehr kämpfen. Sollen diese jungen Schwestern ihn bei lebendigem Leib zerreißen. Vielleicht wäre es besser so? Aber war es nicht ein legitimes Ziel, Ashenya zu retten? Sie war mindestens so unschuldig wie diese Mädchen. Sie hatte nie jemandem Leid zugefügt. Und war es nicht das Imperium, das zum größten Anteil ihren Tod verschulden hat? War es nicht der Imperator selbst – seine vom Hass erfüllten Gesetze – die Ashenya in den Tod getrieben hatten? War es aufgrund dessen nicht fair, wenn diese Novizinnen, die den Imperator mehr als alle anderen als Gott verehrten, Verantwortung übernahmen und ihren Anteil darangaben, das geschehene Unrecht zu tilgen? In Antons Verstand tobte ein Sturm aus Schmerz, Verzweiflung und Selbstgerechtigkeit.
Die ersten der jungen Sororitas erreichten Anton und gingen mangels anderer Waffen mit blossen Händen auf ihn los. Die schlugen auf ihn ein und bohrten ihre durch die Gefangenschaft verrotteten Fingernägel tief in sein Fleisch. Zuerst leistete der Inquisitor keine Gegenwehr. Es war sich nicht mehr sicher, was richtig und was falsch war. Er war zu schwach, eine Entscheidung zu treffen. Er konnte nicht länger Leben gegeneinander abwägen.War Ashenyas Schicksal besiegelt? Anton musste auch an Jek und Hector denken. Was würde mit ihnen passieren? War er nicht auch für seine Freunde verantwortlich?
Eine Unzahl an Gedanken schossen ihm innerhalb weniger Sekunden durch den Kopf.
Es war seine Schuld, dass alles so weit gekommen war. Er war immer viel zu schwach gewesen. Er war zu schwach, um die Menschen auf Ysraal VI zu retten. Er war zu schwach, sich gegen die barbarischen Dogmen des Imperiums zu stellen. Er war zu schwach, sich gegen Claudius durchzusetzen. Er war zu schwach gewesen, seine Forderungen gegenüber diesen Drukhari durchzusetzen.
Sollte er nun erneut schwach sein? Zu schwach, um eine Entscheidung zu treffen? Zu schwach sich zwischen diesen Kindern und seinen Freunden zu entscheiden?
Nein. Er hatte sich geschworen, seine Freunde niemals im Stich zu lassen. Ashenya um jeden Preis zu retten. Selbst wenn er sich gegen das Imperium stellen musste. Was war das Leben dieser Fanatikerinnen im Vergleich zu Ashenya? Im Vergleich dazu, was er zusammen mit Ashenya alles bewirken konnte? Im Vergleich zu den Abermillionen Leben, die sie zusammen schützen konnten, denen sie ermöglichen konnten, ein besseres Leben zu führen?
Es war närrisch, Schwäche so viel Raum zu geben. Er war Inquisitor. Er hatte schon tausendmal schwerere Entscheidungen getroffen. Er hatte immer mit großer Weisheit und unter Anbetracht aller Möglichkeiten gehandelt. War es sein Fehler, wenn zufällige Faktoren seine ehrenhaften Absichten zunichtemachten? War er dafür verantwortlich? Nein. Er war nicht schwach. Er würde mit Leichtigkeit seine Entscheidung treffen. Er würde sie nicht bereuen. Seine Ziele waren Nobel, und er durfte sich nicht von zermürbenden Gedanken davon abbringen lassen. Er war im Recht, und die Zukunft würde den Beweis dafür liefern.
Durch sein zögern hatte er den Novizinnen des Adeptus Sororitas genug Zeit gelassen, ihm einige schmerzhafte Verletzungen zuzufügen. Durch den Mangel an Waffen jedoch keine, die eine ernsthafte Gefahr dargestellt hätten.
Anton richtete sich auf. Dann zog er das Schwert aus dem dampfenden Körper seiner niedergestreckten Widersacherin und stürzte sich auf die jungen Mädchen, die in wildem Fanatismus auf ihn einschlugen.
Obwohl sie weder echte Freude noch tiefere Befriedigung empfand, lächelte Mealarah doch beim Anblick ihres Chem-Pan-Seys, der so mit sich selbst gerungen hatte, um am Ende trotz allem, wie ein hungriger Yr'ghul über diese Mädchen herzufallen.
»Solche vergnügsamen Darbietungen sind einfach immer so kurzlebig... «, sagte sie, ehe sie die beiden Gläser mit der wabernden Seelenessenz auffüllte, die durch komplexe Verfahren in diese geschmacksvolle flüssige Form umgewandelt worden war.
»Ich werde mein Geburtsrecht zurückholen«, wechselte sie dann abrupt und ohne Umschweife das Thema auf den eigentlichen Grund, wieso sie Sirqa eingeladen hatte. Sie nahm einen kleinen Schluck der Seelenessenz und fuhr dann fort: »Onkel ist schwach. Er hat Angst. Ich weiss, dass er mich sofort ermorden würde, aber ich habe an seinem Hof viele Verbündete. Er kann mir im Moment nichts antun, ohne seine eigene Machtposition zu gefährden. Aber mit jedem Tag wird er stärker... Darum brauche ich dich. Darum brauche ich das Haus DorchaKerun.«
»Ach meine Liebe, und wieso sollte sich unser Haus in deine Familienangelegenheiten einmischen?« antworte Sirqa wenig überrascht.
»Du weisst, dass dein Vater solche Geschwüre hasst, die sich zum Drukhari-Adel zählen und dabei vergessen, was für Blut durch ihre Adern fliesst. Er würde dir – und Quisar – einen Gefallen schulden, würdest du dabei helfen, ein solches Geschwür aus dem Drukhari-Adel zu entfernen.«
»Unser Vater hält sich wohlweislich aus den Angelegenheiten der anderen Häuser heraus, solange sie seine eigenen nicht tangieren. Zudem, Quisar und ich, wir haben unsere eigenen Pläne. Und denen würde es nicht entgegenkommen, wenn er seine Aufmerksamkeit auf unser Tun richtet, weil wir entgegen seiner Agenda handeln und uns an den inneren Konflikten anderer Kabalen beteiligen.«
»Von dem Bündnis, dass ich euch anbiete, könntet ihr auch für eure Pläne profitieren. Das Haus Azrushatora würde diesmal nicht einfach ein verbündeter des Hauses DorchaKerun sein. Ich würde persönlich dafür Sorge tragen, dass es dein Verbündeter ist. Für welche Unternehmung auch immer, meine Krieger würden dir zur Verfügung stehen.«
Sirqa lachte. »Und was nützen uns deine Krieger, wenn wir sie für unsere Pläne nicht gebrauchen könne? Wir haben Verbündete unter jenen, mit denen du dich nicht gemein machen würdest. Auch unser Vater weiß das. Doch solange er seinen Blick darauf richtet, wie sein einziger überlebender Sohn und Erbe sich mit dem abgibt, was sowohl er als auch du Abschaum nennt, sieht Vater nicht, was - wir abgesehen davon - direkt unter seinen Augen vorbereiten. Und unsere Mutter steht mit ihrem Kult hinter uns. Das Bündnis mit einer anderen Kabale würde ihn zum Handeln gegen uns veranlassen.«
»Ich verlange gar nicht, dass eine Streitmacht deines vorzüglichen Hauses in Dalrailac einmarschiert und überall den grünen Halbmond hisst«, versuchte Maelarah einzulenken. »In einigen Tagen feiert Onkel ein großes Gelage mit allen seinen wichtigsten Unterstützer. Auch wenn der Palast dann gut vereidigt sein wird, ist es die optimale Gelegenheit, diesen Bastard und alle, die ihm ergeben sind, umzubringen. Sobald Llvayarzh tot ist, werden sich die Fleischgeborenen unter seinen Krieger auf meine Seite schlagen und all jene, die sich mir nicht unterwerfen, umbringen. Ausnahmslos. Doch er wäre niemals so einfältig, mich in seine Nähe zu lassen. Daher brauche ich deine Krieger. Es gibt ein Tunnelsystem unter dem Palast, durch dass sie ohne einen direkten Angriff durchführen zu müssen, in den Palast eindringen könnten. Llvavarzh dann zu ermorden, dürfte keine Schwierigkeit mehr sein.«
Verständnislos sah Sirqa Maelarah an. »Von Intrigen verstehst du in der Tat nicht viel, meine Liebe. Was denkst du, zieht so ein Vorgehen als Konsequenzen nach sich? Wer würde dich als Archon ernstnehmen, wenn du nicht einmal aus eigener Kraft imstande warst, dir diesen Titel zu nehmen?«
Mealarah lachte amüsiert. »Und du verstehts offenbar nicht viel von Politik, Sirqa. Natürlich, ein Archon muss stark sein. Aber ich habe noch nie gehört, dass jemand eigenhändig die Hälfte einer Kabale massakriert und den Archon getötet hat, um die Macht so an sich zu reißen. Nein. Jeder benötigt eine Gefolgschaft. Abschaum, Söldner, machthungrige Krieger... Solche, die entweder dafür bezahlt werden, oder sich einen Vorteil davon versprechen, den Prätendenten zu unterstützen. Bei diesen zwingenden Voraussetzungen - wer besitzt größeres Ansehen: Jemand, der ein paar Söldner um sich geschart hat, oder jemand, dem ein mächtiges und ehrwürdiges Haus zur Seite steht?«
»Jemand, der in der Lage ist, der Schlange das Haupt abzuschlagen, unerwartet und unberechenbar. Du bist dir sicher, dass die Krieger deines Hauses dir folgen werden, wenn du ihnen den Kopf der Azrushar präsentierst?«
Maelarah sah Sirqa irritiert an. »Du meinst das wörtlich?«
Sirqua lächelte vieldeutig. »Selbstverständlich.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Was für ein Mann ist dein Onkel?«
»Ein Primat, verglichen mit meinen ruhmreichen Vorfahren. Er legt keinerlei Wert auf die alten Traditionen und Bräuche, welche unser Haus einst als eines der Edelsten auszeichnete. Die Privilegien der Fleischgeborenen verachtet er, was zugleich seine Stärke, als auch seine Schwäche ist. Die alten Familien verabscheuen Onkel, doch hat er sich einen Hofstaat aus niederem Gesindel aufgebaut, der zu ihm hält. Im Moment herrscht eine zerbrechliche Balance zwischen diesen Bastarden und den wahren Anhänger der Azrushar. Eine Balance, die sich schleichend zu meinen Ungunsten entwickelt.«
»Nur weiter, erzähle mir alles. Ich will alles über ihn wissen«, forderte Sirqa, deren Interesse langsam erwacht ward.
»Er ist kein Krieger«, fuhr Maelarah fort, »lässt sich aber dennoch als gewieften Meister des Kampfes feiern. Gewöhnlicherweise frönt er ausschweifenden Gelagen oder inszenierten Jagdausflüge, bei denen seine Schergen ihm zujubeln können. Seine schwächliche Physis verbirgt er mit arkaner Technologie, Masken und vornehmsten Gewändern. Und doch, trotz allen seiner Unzulänglichkeiten ist er keineswegs dumm. Seine Geduld ist außergewöhnlich und seine meist langfristigen Pläne äußerst durchtrieben. Außerdem wird er sich immer mehrere Möglichkeiten offenhalten und sich nicht davor scheuen, mehrere Wege gleichzeitig zu beschreiten.«Sirqa nippte an ihrem Glas. »Das klingt nach einer Herausforderung...«
»Dann sind wir uns einig?!«, fragte Maelarah nach, wenngleich es eher mit durchaus feststellendem Ton. Ein boshaftes, erzwungenes Lächeln huschte über ihr plastisches, makelloses Gesicht. Der Gedanke, das zu bekommen, was ihr seid jeher Zustand, löste das allzu seltenes Gefühl echter Zufriedenheit aus.
»Ich denke, das sind wir«, entgegnete Sirqa mit unheilvoller Bestimmtheit.