Oder aber er war halt im damaligen Zeitgeist gefangen und kam nicht mal auf die Idee, stärkere oder mehr Frauenrollen in die Handlung einzubauen
Wieso "gefangen"? Vielleicht war er voll einverstanden und würde die heutige Gesellschaft ablehnen.
"Gefangen" klingt schon nach "damals lagen sie falsch", aber dazu später mehr.
Aber selbst, wenn nicht: Er kam nicht auf die Idee - und das ist völlig okay so. Es gibt durchaus (gute & schlechte) Ideen, die zB mir selbst beim Schreiben einer Geschichte nicht einfallen. Ob das nun die Nachwelt legitimieren würde, mein Werk nach eigenem Gutdünken zu verändern... Aus meiner Warte aus mehr als Fraglich.
Oder wir sind einfach der Meinung, dass sich die Erde weitergedreht und die Menschheit weiterentwickelt hat und dass deshalb mach alter Geschichte ein wenig Anpassung an die heutige Zeit gut tut ...
...was genau das selbe ist, nur beschönigt ausgedrückt. "Weiterentwickelt" und "Anpassung an heute tut gut" setzt voraus, dass man das "alte" und demnach "rückschrittliche" verbessern muss. Indirekt also sagt das aus, dass alte ist im direkten vergleich minderwertig.
Selbst wenn man heute annimmt, momentane Ideologie & Gesellschaft ist auf einem hohen Stand - das ist unsere momentane Meinung und im gesamtgeschichtlichen Kontext völlig irrelevant. Die Römer waren ebenso überzeugt, sie seien die Spitze der Entwicklung, wie vor ihnen die Griechen oder das Babylonische Reich. Trotzdem gelten viele (natürlich nicht alle) ihrer Ansichten heute als Blödsinn. Und das wird so weitergehen - wenn die Menschheit in 40.000 Jahren auf unsere heutige Gesellschaft hinabschaut, wird sie sich wohl auch denken "wieso zur Hölle haben die das so und so gemacht; wie rückschrittlich".
Es hat sogar, unabhängig davon, das potenzial, schädlich zu sein: Wenn jede Generation konsequent alle Kunst an den jeweiligen Zeitgeist angepasst hätte, wären diverse Kulturschätze längst verloren. Ich bin froh, können wir noch Tacitus' Germania lesen. Dass es noch Aufführungen von Shakespeare nach Originaltext gibt. Dass man noch Michael Jackson in Originalton hören kann.
Hätte man - da sich die Erde ja weiterdreht und sich die Menschheit weiterentwickelt - jeweilige Werke "ein wenig angepasst", wo wären wir dann? Wer weiss? Ich bin auf jeden Fall froh, jeweiliges noch im Original vorzufinden; Gott sei dank gibt es noch echten Micheal Jackson und nicht nur Indie-Rock Remixes seiner Songs.
"An moderne Zeit anpassen" und "der weiterentwickelten Gesellschaft anpassen" kann sogar bald in destruktivem Handeln ausarten: Wie viele kulturell wertvolle Wandbilder haben die Bilderstürmer zerstört? Wie viele Kunstwerke wurden in (modernistischen) Revolutionen zerstört? Wie viele Bücher wurden verbrannt, weil sie den damals vorherrschenden Ideologie nicht gepasst haben?
Ja, sogar gerade in den letzten wenigen Jahren: Palmyra wird gesprengt, da es "ein Monument an eine rückschrittliche, ketzerische Zeit" sei. Anstatt mit einer entsprechenden Infotafel ausgestattet zu werden, werden Denkmäler zertrümmert, weil sie "nicht dem modernen Zeitgeist entsprechen".
Burgen und Schlösser entsprechen auch nicht der modernen Gesellschaft: Sollen wir sie alle einreissen? Wieso nicht ein Schild hinstellen, wo darauf steht: Das stammt aus XY-Jahrhundert, wurde gebaut wegen ZX und hatte YX bedeutet.
Weshalb muss es "Überheblichkeit" sein? Weshalb ist es nicht "künstlerische Freiheit"? Und vor allem: Warum ist es bei der Veränderung von Geschlechtern "verwerflich" - aber wenn man andere Aspekte der Handlung verändert, dann ist das die normale Anpassung an das Medium Film? Nicht, dass Du das geschrieben hättest, aber das ist immer wieder überall zu lesen. Klar mußte Peter Jackson Teile der Handlung von HdR verändern, als Film hätte das sonst nicht funktioniert. Akzeptiert jeder. Aber wäre nun Legolas eine Elfin gewesen im Film, hätte es nen Shitstorm sondergleichen gehagelt
Es ist Überheblich, weil wir annehmen, unserer Zeitgeist wäre den vergangenen Überlegen. Obwohl unsere Gesellschaft (genauso wie unsere Mode, unsere Ideologien und unsere Denkweise) im universellen Sinn absolut nichtig ist: was kümmert es die Galaxie, was wir im Jahre 2020 denken? Was kümmert es die Menschen in 2000 Jahren, was wir heute gedacht haben?
Wir haben das Gefühl, wir müssen Werke der Vergangenheit an unseren jetzigen Zeitgeist anpassen. Weil unserer jetziger Zeitgeist "Überlegen" ist. Das ist Überheblichkeit.
Wenn ein Kunstschaffender "künstlerische Freiheit" will, soll er ein eigenes Werk erschaffen - totale Freiheit.
Alles andere... Naja, wenn ich die Mona Lisa abpause, und ihr ein cooles Basecap aufmale... Ich bezweifle mal, ob das mich zu einem (besonders guten) Künstler machen würde.
Ein grosses Problem unserer Zeit, echte Künstler sterben aus. Nur noch Remakes, Remixe und Neu-Interpretationen. Wo bleibt echte, originelle Kreativität?
Was "normale" Anpassungen im Film angeht: Erstens kann und will ich nur für mich selbst Sprechen. Und dabei bin ich ich, und nicht "was überall zu lesen ist". Und was mich persönlich angeht: Jede nicht zwingend notwendige Änderung ist verwerflich - in gleichem Masse. Dazu muss man nun aber "zwingend notwendige Änderung" definieren. Ganz knapp zusammengefasst würde ich sagen, für mich wären das Kürzungen - da eine 1:1 Buchverfilmung Tage dauern würde, muss man Szenen abkürzen und auslassen; gewisse Dialoge anpassen. "Änderungen" (jeder Art!) gehören aber nicht dazu: ob nun Legolas eine Elfin ist, Gimli "Gömlin" heisst, oder Aragon eigentlich der verschollene Bruder von Frodo ist.
In diesem Sinne stehe ich Buchverfilmungen allgemein sehr kritisch gegenüber und finde "künstlerische Freiheit" in dem Sinne verwerflich. Und zwar ob es nun um "Genderswap" oder ob es um etwas völlig anders geht.
Und was macht Dich so sicher, dass die Intention (und zwar die einzige !) die Gewinnoptimierung war - und nicht einfach der Wunsch nach einer sanften und - wie ich finde - nicht wirklich störenden Modernisierung?
Gewinnoptimierung war nicht die einzige Intention, stimmt. Sie wollten in den Median auch noch gut dastehen, weil sie behaupten können "ach, wir sind so modern, schaut! Der Weisse Mann ist eine Schwarze Frau!". Der Beifall der Gesellschaft legitimiert ihr Schaffen sogleich als Meilenstein der Modernisierung.
Ehrlich, es mag sein, dass ich grundsätzlich ein düsteres, äusserst pessimistisches Weltbild habe, aber ich wage doch zu behaupten, dass der Produzent - vor allem, wenn er in Hollywood hockt - primär auf Geld und Fame aus ist. Das haben sie in der Vergangenheit nur zu oft bewiesen.
Ausserdem: Wieso handelt ein Mensch so, wie er handelt? Entweder er handelt instinktiv, oder er handelt willentlich. Und da das produzieren eines Films wohl nicht instinktiv passiert, nehme ich an, Dune wurde willentlich produziert.
Was benötigt man, für einen Willen? Eine Intention. Ein Ziel, dass man erreichen kann. Und der menschliche Verstand hat von Natur aus nur Selbstzweck dienliche Ziele. Selbst ein guter Samariter, der spendet und den Armen hilft, macht es aus dem Grund, weil es ihn glücklich macht - er also eine Wertschöpfung erhält. Niemand würde den Armen helfen, nur damit ihnen geholfen ist, obwohl diese Person dabei extrem unglücklich wird.
Selbst die christlichen Heiligen (wobei deren Heiligkeit hier in der Gegend von vielen sowieso angezweifelt wird), welche da eine Ausnahme bilden sollen - selbst bei den Märtyrern könnte man sagen, sie nahmen das Martyrium auf sich, eben weil sie wussten, dass sie dann in den Himmel kommen - also durchaus eine riesige Wertschöpfung für sie, die die kosten von Schmerz und Leid bei weitem ausgleicht. Der Theologie zu lieben muss man natürlich kurz erwähnen, dass ein Martyrium bzw. "christliches Handeln" mit der gezielten Intention, in den Himmel zu kommen, so nicht ganz funktioniert.
Aber gut, zurück zu Hollywood. Da diese einen Film sicher nicht produzieren, um einfach ganz selbstlos der Welt was guten zu tun, wollen sie entweder Cash machen, sich dem Beifall der Gesellschaft erfreuen, ihre politische Agenda propagandieren oder einfach etwas Zwecks eigener Befriedigung "überarbeiten".
mMn ist zwar der Punkt mit der Politik am schlimmsten, was bei Dune ziemlich sicher nicht der Fall ist. Aber selbst wenn es der harmloseste Fall sein soll, und der Produzent einfach die Änderung gemacht hat, weil es sich für ihn richtiger Anfühlte: Das Werk eines anderen zu verändern - ohne dass dieser hätte Stellung dazu nehmen können - um die eigene Befriedigung zu stärken... Ich persönlich finde das Respektlos und demnach Verwerflich.
Und ganz nebenbei, ich denke, ich habe nun endgültig weit am Thread-Thema vorbeigeschossen. Tut mir Leid!