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  • Ich hab vielleicht alles gesagt, aber längst nicht so pointiert wie Du ;) Kann Dir nur in allen Punkten voll zustimmen - vielleicht bis auf die (für eine Autorin aber durchaus verständliche) harsche Einstellung zum Genderwechsel. Ich bin seit dem Battlestar Galactica-Reboot von Ronald Moore sehr angetan davon, Charaktere auch mal durch einen Genderswap neu zu interpretieren. Es darf halt dem Geist der ursprünglichen Figur nicht völlig zuwiderlaufen. Bei Starbuck ist das gut gelungen damals. Hier bei der planetaren Ökologin ist mir während des Kinobesuchs nur aufgefallen, wie faszinierend ich die Figur finde - sowohl von dem, was sie tat und warum, als auch davon, wie sie dargestellt wurde. Allerdings war mir die Rolle im Gegensatz zu nahezu allen anderen Figuren aus dem Original kaum mehr präsent, ich mußte anschließend nachgooglen, um mich dann an Max von Sydow zu erinnern, der die Rolle damals bei Lynch innehatte.


    Bei Genderswap kommt es bei mir immer darauf an wir es ausgeführt wird. Wird ein Charakter z.B. weiblich gemacht um dem Zeitgeist zu folgen, geht das selten gut. Macht man einen Charakter weiblich und zeigt dadurch das das Geschlecht keinen Einfluss auf die Geschichte hat, kommen dabei in der Regel gute Geschichten heraus. Keine Ahnung ob ich da jetzt verständlich rübergebracht hab.


    Um bei deinem Beispiel zu bleiben, ich fand mit Starbuck ist es ihnen in der Tat sehr gut gelungen. Starbuck war ein sehr interessanter Charakter und gerade sie auch weiterhin als ‘one of the boys’ zu spielen hat ungeheuer dazu beigetragen. Wissend wohin die Story dann ging hätte ich es aber auch intressant gefunden den Charakter männlich, aber Bisexuell zu machen.

    Bisexuelle Charaktere (egal ob männlich oder weiblich) gibt es aus meiner Sicht noch viel zu wenige. Zumindest soweit ich das in der Übersicht habe. Ein Charakter ist entweder Straight oder Gay, aber Bisexuell kommt sehr selten vor.


    Ein anderes Beispiel für einen gelungen Genderswap ist für mich Captain Marvel. Hier macht es über den ganzen Film keinen Unterschied ob der Charakter männlich oder weiblich ist. Das ergibt in seiner Gesamtform einen der gelungneren Einträge im MCU.


    Dafür ist der Ghostbuster mit All-Female-Cast ein sehr abschreckendes Beispiel wie man keinen Film drehen sollte.

  • Dafür ist der Ghostbuster mit All-Female-Cast ein sehr abschreckendes Beispiel wie man keinen Film drehen sollte.

    Ach, den Genderswap fand ich da eigentlich auch recht vergnüglich, vor allem, weil sie die Geschlechtsstereotypen mit dem sexy, aber strunzdummen Telefonboy Chris Evans wirklich komplett umgedreht hatten.

    Der Film hatte aber, da stimme ich zu, andere Schwächen, z.B. den zum Teil echt unterirdischen Melissa McCarthy-Humor.

  • Die alten Ghostbusters-Filme mag ich sehr (für Fan reicht es aber wohl nicht), obwohl ich die als Kind nie gesehen habe, wie auch immer das zustande kam. Ob unsere Eltern dachten, das wäre nichts für uns (aber Star Wars mit sechs), oder ob die im Fernsehen auf den Privatsendern liefen, die wir anfangs nichts hatten, weil die extra kosteten - keine Ahnung. Also nicht wirklich eine Kindheitserinnerung, die durch eine Neuinterpretation hätte zerstört werden können.

    Unanhängig von Geschlecht finde ich den Original-Cast aber einfach gut, Dan Akroyd und Bill Murry mag ich auch in anderen Rollen. Die Idee, die geschlchter umzudrehen, fand ich sogar recht gut. Aber die Charaktere fand ich schon im Trailer umsympathisch bis abschreckend, da war die Motivation, den Film zu schauen, nicht besonders groß.

  • Hm, also, grundsätzlich bin ich ja der Meinung, dass das Geschlecht einer Rolle keinerlei Rolle spielt.

    Ausgegangen von einem stereotypen-freien Weltbild kann jede Rolle beliebig besetzt werden - das macht ja nun wirklich keinen Unterschied. Der depressive Kriegsveteranen-Rächer-Antiheld kann doch au ne Frau sein, wieso auch nicht? Die hoffnungslos romantische Familienfrau kann doch auch ein Mann sein, was spricht dagegen?


    Es gab da zum Beispiel auch ne Interessante Doku-Historien-Serie, in der Friedrich (der Grosse? Der Alte?) von einer Frau gespielt wurde; was wunderbar funktionierte. Wieso auch nicht?


    Trotzdem stehe ich einem solchen "Genderswap" bei (Literatur-)Verfilmungen doch sehr ablehnend gegenüber. Nicht, weil ich der Meinung bin, eine Person der Wissenschaft muss per Definition Männlich sein. Aber als Frank Herbert das Buch geschrieben hat, hat er sich sicherlich was überlegt. Und es ist sein Werk, er hat die Geschichte mit seinem Willen und seiner Kreativität geschaffen, und dabei hatte er wahrscheinlich für alle Charaktere ein klares Bild im Kopf.

    Und darum bin ich der Meinung, dass solche "Anpassungen" ein Affort gegen den Künstler sind. Ich selbst würde mich, würde man bei meinem entstehenden Roman, nach meinem Tod die Charaktere "anpassen", wohl tausend-und-dreimal im Grabe umdrehen. Ich persönlich finde, es geht gar nicht, das Werk eines anderen "unnötig" anzupassen. (Klar muss man abstriche machen, um etwas von Buch zu Film zu transportieren; und um die gewünschte Screentime zu erreichen - aber ob Kaynes nun männlich oder weiblich ist, hat damit nun wirklich gar nix zu tun.)


    Die Aussage einer solchen Anpassung ist quasi: "Hey Frank, heutzutage wissen wir besser, wie deine Geschichte erzählt werden muss!"


    Und das ist meiner Meinung nach respektlos und verwerflich. Es ist typische moderne Überheblichkeit - wir müssen das schaffen vergangener Künstler nach unserem Gusto anpassen - anstatt ihr Werk, ihre Kreativität so zu respektieren (und falls nötig zu bewerten), wie sie sind.


    Ich meine, theoretisch könnte man auch Macbeth weiblich besetzen. Das würde wunderbar funktionieren; wäre sogar auch historisch noch plausibel (Hand aufs Herz, es gab schon immer (starke) Frauen in Führungspositionen, selbst im achso intoleranten Mittelalter).


    Trotzdem bin ich der Meinung, nur weil man es kann, sollte es noch lange nicht so sein. Shakespeare wollte nun eben einen männlichen Macbeth, es liegt nicht an uns, dies zu kritisieren oder zu modernisieren: Denn es ist seine Geschichte, sein geistiges Eigentum - seines allein.


    Bei einem Autorenfilm bzw. komplett neuer Produktionen können von mir aus 90-100% der Rollen weiblich sein - das Geschlecht ist für mich nun wirklich völlig irrelevant. Aber bitte, Hollywood, hör auf, auf dem Werk vergangener Generationen herum zu trampeln! Sonst nennet es "einen Sci-fi Streifen, inspiriert von Dune", passt für mich, aber nicht "(Frank Herberts) Dune".


    Ganz abgesehen davon, bin ich mir sowieso ziemlich sicher, dass die einzige Intention des Produzenten war, zwecks Gewinnoptimierung den heutigen Zeitgeist zu bedienen. Was das ganze noch verwerflicher macht.



    Und, ganz abgesehen davon: Karel Dobrý ist für mich noch immer die Traum-Besetzung als Liet-Kynes. Sowieso, und dass glaube ich mit fanatisch-dogmatischer Überzeugung - die Miniserie aus den 2000er ist und bleibt unerreicht; egal wie oft es eine Dune Verfilmung gibt, mit den 6 Teilen (und der durchgehend traumhaften Besetzung) wird sich keiner messen können. ;)

    Eine Schande, dass diese von der pop-kultur weitgehend ignoriert wird... Wieso auch immer :S

  • Bin da ganz auf Stahlopas Seite.
    Ein weiteres gutes Beispiel für solche Gewinnoptimierungen, wäre die plumb eingebaute Liebesgeschichte in der Hobbit...

  • Aber als Frank Herbert das Buch geschrieben hat, hat er sich sicherlich was überlegt


    Oder aber er war halt im damaligen Zeitgeist gefangen und kam nicht mal auf die Idee, stärkere oder mehr Frauenrollen in die Handlung einzubauen ;)



    Die Aussage einer solchen Anpassung ist quasi: "Hey Frank, heutzutage wissen wir besser, wie deine Geschichte erzählt werden muss!"


    Oder wir sind einfach der Meinung, dass sich die Erde weitergedreht und die Menschheit weiterentwickelt hat und dass deshalb mach alter Geschichte ein wenig Anpassung an die heutige Zeit gut tut ...


    Und das ist meiner Meinung nach respektlos und verwerflich. Es ist typische moderne Überheblichkeit - wir müssen das schaffen vergangener Künstler nach unserem Gusto anpassen - anstatt ihr Werk, ihre Kreativität so zu respektieren (und falls nötig zu bewerten), wie sie sind.


    Weshalb muss es "Überheblichkeit" sein? Weshalb ist es nicht "künstlerische Freiheit"? Und vor allem: Warum ist es bei der Veränderung von Geschlechtern "verwerflich" - aber wenn man andere Aspekte der Handlung verändert, dann ist das die normale Anpassung an das Medium Film? Nicht, dass Du das geschrieben hättest, aber das ist immer wieder überall zu lesen. Klar mußte Peter Jackson Teile der Handlung von HdR verändern, als Film hätte das sonst nicht funktioniert. Akzeptiert jeder. Aber wäre nun Legolas eine Elfin gewesen im Film, hätte es nen Shitstorm sondergleichen gehagelt ;)


    Ganz abgesehen davon, bin ich mir sowieso ziemlich sicher, dass die einzige Intention des Produzenten war, zwecks Gewinnoptimierung den heutigen Zeitgeist zu bedienen. Was das ganze noch verwerflicher macht.

    Und was macht Dich so sicher, dass die Intention (und zwar die einzige !) die Gewinnoptimierung war - und nicht einfach der Wunsch nach einer sanften und - wie ich finde - nicht wirklich störenden Modernisierung?

  • Ein weiteres gutes Beispiel für solche Gewinnoptimierungen, wäre die plumb eingebaute Liebesgeschichte in der Hobbit...

    Weil der Film deshalb auch nur einen Zuschauer (eine Zuschauerin) mehr hatte ...? Ich wäre da mal gar nicht so sicher, gerade diese Storyline ist vielen Fans übel aufgestoßen. Spannenderweise wird die auch sehr breit getreten bei vielen kritischen Fans - die unsäglichen und völlig untragbaren Action-Szenen, die sicherlich keine andere Motivation hatten, werden hingehen viel mehr "verschont" - ich persönlich finde die viel schlimmer: Die peinliche Faßreiterei, das unsägliche "auf fallenden Felsbrocken hochlaufen" von Legolas (der in der Hobbithandlung übrigens auch nix verloren hat, aber ganz im Gegensatz zu Tauriel nicht ständig negativ erwähnt wird ...

    Und so ganz nebenbei: Ich fand die Idee, dass ein Zwerg und eine Elfin Gefühle füreinander entwickeln könnten, absolut spannend. Scheiße dagegen fand ich, dass nur eine Handvoll der Zwerge wirklich wie Zwerge aussahen.

  • Beim Herrn der Ringe und noch viel mehr beim Hobbit haben wir Handlungsveränderungen, die mit der Anapssung ans Medium nicht zu erklären sind, sondern einfach nur die Handlung ändern, aus welcher Motivation heraus auch immer. Ich hatte mir die Hobbitfilme vor kurzem nochmal angesehen und parallel dazu das Buch gelesen. Zum Hände über den Kopf zusammenschlagen. Und ich konnte wirklich nicht sehen, dass man aus dem vorhandenen Material nicht genug hätte rausholen können, um es gekonnt ins visuelle Medium zu übertragen, durchaus auch mit mehr Action, als man es herausließt, meinetwegen auch, einzelene Figuren mehr herausarbeiten, als es in der Vorlage gegeben ist, vielleicht sogar mit einem guten Stück mehr Situationskomik und noch viel mehr Fokus auf Bilbos Charakterwandel. Aber doch nicht, indem man die Handlung fast zur Hälfte neu schreibt. Und da rede ich nichtmal von den ganzen Ereignissen um Dol Guldur, was ja im Buch selber nur angedeutet wird, aber den notwendigen Bezug zum Herrn der Ringe herstellt.


    Bei Dune ist da mMn allles richtig gelaufen. Bei allen bisherigen Verfilmungen, wenn auf diese komische Sache mir den Schallwaffen und das verfälschende Ende bei David Lynch absieht.

    Wenn es um weibliche Charaktere geht, frage ich mich allerdings eher, warum es NOCH einen braucht zusätzlich zu den zweien, die schon da sind. Mir kamen Jessica und Chani nie wie Anhängsel der Männer vor. Oder vielleicht ist das nur meine moderne Leseweise. Aber das ist ja kein Problem, als Leser ist man Mitautor, kleines Einmaleins der Literaturtheorie. Dann dürfen Drehbuchautoren selbstverständlich die Figuren auch so ausgestalten. Oder ist das schon wieder zu unmodern, wenn eine Frau deswegen stark ist, weil sie Mutter ist und ihren Sohn schützt und unterstützt? Wenn eine Frauenfigur mit dieser Motivation nicht als moderner, starker Charakter gewertet werden kann, läuft mMn gehörig was schief.

  • Ich meinte ja nicht, dass Dune keinen starken weiblichen Charakter hat. Der ganze Orden der Bene Gesserit ist ja durchaus nicht von schlechten Eltern :D


    Aber bei den handelnden Personen des ersten Buches/Films sind's halt wirklich nur zwei, denen ein ganzer Haufen Männer gegenübersteht. Da tut eine dritte weibliche Person nicht wirklich weh, finde ich.


    Mir ging's nur darum klarzumachen, dass aus meiner Sicht der reflexhafte Schrei nach "Gewinnoptimierung", mit dem man heute nach allem wirft, was einem nicht gefällt, nicht mehr als eine Unterstellung ist, und dass es durchaus andere, weniger negativ behaftete Motive geben kann, einen solchen Move zu machen.


    Beim Hobbit habe ich irgendwie den Eindruck, dass Jackson weder drauf vorbereitet war, wieder ans Steuer zu müssen, noch dass er Bock drauf hatte. Nahezu alles, wofür ich ihn beim HdR gefeiert habe, hat er beim Hobbit wieder umgeschmissen - und ich kann, wie Du, nicht mal erkennen, wofür.


    Witzigerweise ist die "Liebesgeschichte" dabei das, was mich am wenigsten dran stört.

  • Nein, die tut nicht weh. Ich war, wie gesagt, auch recht angetan, obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, ob es stimmig ist. Aber es behält ein gewisses Augenmaß. Man hätte eigentlich jede der Nebenfiguren aus dem Atreides-Hofstaat mehr oder weniger schlüssig verweiblichen können. Manche hätten auf der Beziehungsebene vielleicht mehr Fragen aufgeworfen, als andere - was dann aber auch hauptsächlich durch überkommene Geschlechterrollenerwartungen verursacht wäre, die man durchaus über den Haufen werfen kann. In Hinblick auf Puristen war das wahrscheinlich sogar der Weg des geringsten Risikos.

    Nur vemute ich, dass das Dune-Universum bewusst als männerdominierte Welt geschaffen ist. Das ganze ist als Feudalgesellschaft konstruiert und nimmt seine Anleihen aus dem späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit. Erbfolge ist männlich und für einen Herrscher ist es ein Problem, wenn er keine Söhne hat. Wenn ein Fremen einen anderen um Duell tötet, erbt er dessen Besitz und dessen Frau. Da sind einige Details, die mMn für Absicht sprechen. Um so mehr treten dann aber weibliche Charaktere hervor. Eine Egalisierung der Geschlechter wurde dieses Gesellschaftsbild schlicht verfälschen und die weiblichen Charaktere letztendlich marginalisieren.

  • Oder aber er war halt im damaligen Zeitgeist gefangen und kam nicht mal auf die Idee, stärkere oder mehr Frauenrollen in die Handlung einzubauen ;)

    Wieso "gefangen"? Vielleicht war er voll einverstanden und würde die heutige Gesellschaft ablehnen.

    "Gefangen" klingt schon nach "damals lagen sie falsch", aber dazu später mehr.


    Aber selbst, wenn nicht: Er kam nicht auf die Idee - und das ist völlig okay so. Es gibt durchaus (gute & schlechte) Ideen, die zB mir selbst beim Schreiben einer Geschichte nicht einfallen. Ob das nun die Nachwelt legitimieren würde, mein Werk nach eigenem Gutdünken zu verändern... Aus meiner Warte aus mehr als Fraglich.


    Oder wir sind einfach der Meinung, dass sich die Erde weitergedreht und die Menschheit weiterentwickelt hat und dass deshalb mach alter Geschichte ein wenig Anpassung an die heutige Zeit gut tut ...

    ...was genau das selbe ist, nur beschönigt ausgedrückt. "Weiterentwickelt" und "Anpassung an heute tut gut" setzt voraus, dass man das "alte" und demnach "rückschrittliche" verbessern muss. Indirekt also sagt das aus, dass alte ist im direkten vergleich minderwertig.


    Selbst wenn man heute annimmt, momentane Ideologie & Gesellschaft ist auf einem hohen Stand - das ist unsere momentane Meinung und im gesamtgeschichtlichen Kontext völlig irrelevant. Die Römer waren ebenso überzeugt, sie seien die Spitze der Entwicklung, wie vor ihnen die Griechen oder das Babylonische Reich. Trotzdem gelten viele (natürlich nicht alle) ihrer Ansichten heute als Blödsinn. Und das wird so weitergehen - wenn die Menschheit in 40.000 Jahren auf unsere heutige Gesellschaft hinabschaut, wird sie sich wohl auch denken "wieso zur Hölle haben die das so und so gemacht; wie rückschrittlich".


    Es hat sogar, unabhängig davon, das potenzial, schädlich zu sein: Wenn jede Generation konsequent alle Kunst an den jeweiligen Zeitgeist angepasst hätte, wären diverse Kulturschätze längst verloren. Ich bin froh, können wir noch Tacitus' Germania lesen. Dass es noch Aufführungen von Shakespeare nach Originaltext gibt. Dass man noch Michael Jackson in Originalton hören kann.


    Hätte man - da sich die Erde ja weiterdreht und sich die Menschheit weiterentwickelt - jeweilige Werke "ein wenig angepasst", wo wären wir dann? Wer weiss? Ich bin auf jeden Fall froh, jeweiliges noch im Original vorzufinden; Gott sei dank gibt es noch echten Micheal Jackson und nicht nur Indie-Rock Remixes seiner Songs.


    "An moderne Zeit anpassen" und "der weiterentwickelten Gesellschaft anpassen" kann sogar bald in destruktivem Handeln ausarten: Wie viele kulturell wertvolle Wandbilder haben die Bilderstürmer zerstört? Wie viele Kunstwerke wurden in (modernistischen) Revolutionen zerstört? Wie viele Bücher wurden verbrannt, weil sie den damals vorherrschenden Ideologie nicht gepasst haben?


    Ja, sogar gerade in den letzten wenigen Jahren: Palmyra wird gesprengt, da es "ein Monument an eine rückschrittliche, ketzerische Zeit" sei. Anstatt mit einer entsprechenden Infotafel ausgestattet zu werden, werden Denkmäler zertrümmert, weil sie "nicht dem modernen Zeitgeist entsprechen".


    Burgen und Schlösser entsprechen auch nicht der modernen Gesellschaft: Sollen wir sie alle einreissen? Wieso nicht ein Schild hinstellen, wo darauf steht: Das stammt aus XY-Jahrhundert, wurde gebaut wegen ZX und hatte YX bedeutet.


    Weshalb muss es "Überheblichkeit" sein? Weshalb ist es nicht "künstlerische Freiheit"? Und vor allem: Warum ist es bei der Veränderung von Geschlechtern "verwerflich" - aber wenn man andere Aspekte der Handlung verändert, dann ist das die normale Anpassung an das Medium Film? Nicht, dass Du das geschrieben hättest, aber das ist immer wieder überall zu lesen. Klar mußte Peter Jackson Teile der Handlung von HdR verändern, als Film hätte das sonst nicht funktioniert. Akzeptiert jeder. Aber wäre nun Legolas eine Elfin gewesen im Film, hätte es nen Shitstorm sondergleichen gehagelt ;)

    Es ist Überheblich, weil wir annehmen, unserer Zeitgeist wäre den vergangenen Überlegen. Obwohl unsere Gesellschaft (genauso wie unsere Mode, unsere Ideologien und unsere Denkweise) im universellen Sinn absolut nichtig ist: was kümmert es die Galaxie, was wir im Jahre 2020 denken? Was kümmert es die Menschen in 2000 Jahren, was wir heute gedacht haben?


    Wir haben das Gefühl, wir müssen Werke der Vergangenheit an unseren jetzigen Zeitgeist anpassen. Weil unserer jetziger Zeitgeist "Überlegen" ist. Das ist Überheblichkeit.


    Wenn ein Kunstschaffender "künstlerische Freiheit" will, soll er ein eigenes Werk erschaffen - totale Freiheit.

    Alles andere... Naja, wenn ich die Mona Lisa abpause, und ihr ein cooles Basecap aufmale... Ich bezweifle mal, ob das mich zu einem (besonders guten) Künstler machen würde.


    Ein grosses Problem unserer Zeit, echte Künstler sterben aus. Nur noch Remakes, Remixe und Neu-Interpretationen. Wo bleibt echte, originelle Kreativität?


    Was "normale" Anpassungen im Film angeht: Erstens kann und will ich nur für mich selbst Sprechen. Und dabei bin ich ich, und nicht "was überall zu lesen ist". Und was mich persönlich angeht: Jede nicht zwingend notwendige Änderung ist verwerflich - in gleichem Masse. Dazu muss man nun aber "zwingend notwendige Änderung" definieren. Ganz knapp zusammengefasst würde ich sagen, für mich wären das Kürzungen - da eine 1:1 Buchverfilmung Tage dauern würde, muss man Szenen abkürzen und auslassen; gewisse Dialoge anpassen. "Änderungen" (jeder Art!) gehören aber nicht dazu: ob nun Legolas eine Elfin ist, Gimli "Gömlin" heisst, oder Aragon eigentlich der verschollene Bruder von Frodo ist.


    In diesem Sinne stehe ich Buchverfilmungen allgemein sehr kritisch gegenüber und finde "künstlerische Freiheit" in dem Sinne verwerflich. Und zwar ob es nun um "Genderswap" oder ob es um etwas völlig anders geht.


    Und was macht Dich so sicher, dass die Intention (und zwar die einzige !) die Gewinnoptimierung war - und nicht einfach der Wunsch nach einer sanften und - wie ich finde - nicht wirklich störenden Modernisierung?


    Gewinnoptimierung war nicht die einzige Intention, stimmt. Sie wollten in den Median auch noch gut dastehen, weil sie behaupten können "ach, wir sind so modern, schaut! Der Weisse Mann ist eine Schwarze Frau!". Der Beifall der Gesellschaft legitimiert ihr Schaffen sogleich als Meilenstein der Modernisierung.


    Ehrlich, es mag sein, dass ich grundsätzlich ein düsteres, äusserst pessimistisches Weltbild habe, aber ich wage doch zu behaupten, dass der Produzent - vor allem, wenn er in Hollywood hockt - primär auf Geld und Fame aus ist. Das haben sie in der Vergangenheit nur zu oft bewiesen.


    Ausserdem: Wieso handelt ein Mensch so, wie er handelt? Entweder er handelt instinktiv, oder er handelt willentlich. Und da das produzieren eines Films wohl nicht instinktiv passiert, nehme ich an, Dune wurde willentlich produziert.

    Was benötigt man, für einen Willen? Eine Intention. Ein Ziel, dass man erreichen kann. Und der menschliche Verstand hat von Natur aus nur Selbstzweck dienliche Ziele. Selbst ein guter Samariter, der spendet und den Armen hilft, macht es aus dem Grund, weil es ihn glücklich macht - er also eine Wertschöpfung erhält. Niemand würde den Armen helfen, nur damit ihnen geholfen ist, obwohl diese Person dabei extrem unglücklich wird.


    Selbst die christlichen Heiligen (wobei deren Heiligkeit hier in der Gegend von vielen sowieso angezweifelt wird), welche da eine Ausnahme bilden sollen - selbst bei den Märtyrern könnte man sagen, sie nahmen das Martyrium auf sich, eben weil sie wussten, dass sie dann in den Himmel kommen - also durchaus eine riesige Wertschöpfung für sie, die die kosten von Schmerz und Leid bei weitem ausgleicht. Der Theologie zu lieben muss man natürlich kurz erwähnen, dass ein Martyrium bzw. "christliches Handeln" mit der gezielten Intention, in den Himmel zu kommen, so nicht ganz funktioniert.


    Aber gut, zurück zu Hollywood. Da diese einen Film sicher nicht produzieren, um einfach ganz selbstlos der Welt was guten zu tun, wollen sie entweder Cash machen, sich dem Beifall der Gesellschaft erfreuen, ihre politische Agenda propagandieren oder einfach etwas Zwecks eigener Befriedigung "überarbeiten".


    mMn ist zwar der Punkt mit der Politik am schlimmsten, was bei Dune ziemlich sicher nicht der Fall ist. Aber selbst wenn es der harmloseste Fall sein soll, und der Produzent einfach die Änderung gemacht hat, weil es sich für ihn richtiger Anfühlte: Das Werk eines anderen zu verändern - ohne dass dieser hätte Stellung dazu nehmen können - um die eigene Befriedigung zu stärken... Ich persönlich finde das Respektlos und demnach Verwerflich.



    Und ganz nebenbei, ich denke, ich habe nun endgültig weit am Thread-Thema vorbeigeschossen. Tut mir Leid!

  • ich bin bis zu einem gewissen Punkt bei Stahl-Opa Das ursprüngliche Werk eines Künstlers sollte man nicht antasten. Wenn ich allein die Diskussion um die Neuauflagen der Bücher von Astrid Lindgren oder Michael Ende sehe läufts mir kalt den Rücken runter. Wenn sich Betrachtungsweisen seit der Entstehung geändert haben kann man ja ruhig in einem Vorwort darauf hinweisen, aber jetzt einzelne Wörter zu ersetzen weil sie nicht zeitgemäß mehr sind ist für mich ein NoGo.


    Anders sieht es für mich aber aus wenn jemand ein neues Werk, wie z.B. einen Film, erstellt. Denn hier geht es um eine eigene Interpretierung eines anderen Künstlers. Ohne diese Möglichkeit hätten wir keine West Side Story und kein Schloss im Spinnwebwald. Shakespeare hat schliesslich als er Romeo und Julia geschrieben hat nicht an tanzende Halbstarke in New York gedacht. Und bei MacBeth sind ihm sicher nicht japanische Samurai durch den Kopf gegangen. Aber Toshiro Mifune als „MacBeth“ ist etwas was ich nicht missen moechte.


    Gleiches gilt fuer mich dann auch mit den Werken von Lindgren und Ende. Wenn die Augsburger Puppenkiste jetzt bestimmte Wörter nicht in ihre neuen Verfilmungen aufnehmen will, stört mich das nicht. Es soll nur keiner die Bücher anrühren.


    Beim Genderswap kommt es für mich sehr stark darauf an wie verbunden ich mit dem Ursprung bin. Da ich bei Dune wie ich in meinem Review geschrieben hab keinen besonderen Bezug zum SourceMaterial habe wuerde es mich da auch nicht stören wenn sie aus Paul eine Paula gemacht hätten. Wenn jetzt aber jemand hingegangen wäre und hätte aus Battle Angel Alita einen Alitor gemacht hätte ich den Film sicher boykottiert.

  • Anders sieht es für mich aber aus wenn jemand ein neues Werk, wie z.B. einen Film, erstellt. Denn hier geht es um eine eigene Interpretierung eines anderen Künstlers. Ohne diese Möglichkeit hätten wir keine West Side Story und kein Schloss im Spinnwebwald. Shakespeare hat schliesslich als er Romeo und Julia geschrieben hat nicht an tanzende Halbstarke in New York gedacht. Und bei MacBeth sind ihm sicher nicht japanische Samurai durch den Kopf gegangen. Aber Toshiro Mifune als „MacBeth“ ist etwas was ich nicht missen moechte.

    Das ist dann aber auch keine Verfilmung des eigentlichen Werkes, sondern eine Adaption des Stoffes oder der Themen, aus dem dann was eigenes entsteht - und entsprechend dann auch einen eigenen Titel hat. Wenn man irgendwo den ursprünglichen Titel draufschreibt, dann sollte auch möglichst viel vom ursprünglichen Werk drin sein.

  • Point taken. Da können wir ja froh sein das Baz Luhrman seinen Film Romeo + Juliet genannt hat und er damit erkenntlich gemacht hat ist das es nicht um Romeo and Juliet von Shakespeare geht ;)


    Wenn wir der Argumentation von Stahl-Opa folgen wäre auch die Lord of the Rings Triologie, Jurassic Park, Cat on the hot tin roof und Die unendliche Geschichte verwerflich. Zugegebenermaßen. Bei den letzten beiden wissen wir was die Autoren von der jeweiligen Verfilmung gehalten haben. Gleiches mit Mary Poppins. Und bitte vergessen wir nicht die grosse Anzahl an Bond Filmen die nach dem Tod von Ian Fleming gedreht wurden bei denen viele nur noch den Namen mit dem Buch gemein haben.


    Macht das all diese Beispiele dann zu schlechten (oder um im Terminus von Stahl-Opa zu bleiben, verwerflichen) Filmen?

  • Die Unendliche Geschichte ist eine schlechte Romanverfilmung. Die scheitert aber daran, dass sie die Metaebenen des literarischen Werks nicht oder nur schlecht transportiert. Dabei sind die Metaebenen das, worum es eigentlich geht. Das ist ein Buch über Erzähltheorie, wurde aber als Fantasyroman verfilmt. Ob die als Film gut waren, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Zu Herr der Ringe hatte ich ja vorher schon was gesagt. Beides sind trautrige Beispiele, der eine mehr als der andere. Bond-Filme sind ab einem gewissen Zeitpunkt überhaupt keine Romanverfilmungen mehr, spätestens nach OHMSS (Wobei ich bis zu dem lesend noch nicht vorgedrungen bin), aber das ist mMn mMn Ordnung. Die Figur selbst hat sich schon nach Dr. No, von den beiden Auftritten von Timothy Dalton abgesehen, immer weiter von der Romanfigur entfernt. Inzwischen kann man das eigentlich als zwei verschiedene Sachen betrachten.


    Ein anderer Punkt ist Transport ins Zeitgenössische. Wenn Autoren eine Handlung in ihrer eigenen Gegewart anlegen, dann spielten sie im hier und jetzt des Publikums. Um diesen Aspekt einer Erzählung zu erhalten, müssten sie immer wieder der Gegwart angeglichen werden. Das kann dann wiederum Anpassungen nötig machen. Da ist dann Fingerspitzegefühl gefragt. Bei Sherlock ist das recht gut gelungen. Zumal die Folgen ja auch nicht den Anspruch erheben, die Originalgeschichten zu erzählen.

  • ...Macht das all diese Beispiele dann zu schlechten (oder um im Terminus von Stahl-Opa zu bleiben, verwerflichen) Filmen?

    Nicht zu schlechten Filmen; aber zu verwerflichen Filmen. Sie können durch aus gut und/oder unterhaltsam sein. Vielleicht sogar mehr, als das Buch, vielleicht sprechen sie sogar ein grösseres Publikum an und gewinnen mehr Fans (als das Buch).


    Der Film mag gut als Film sein; aus Sicht der Kunst bzw. "künsterlischen Moral" sind sie jedoch nicht gutzuheissen.


    Ich meine, ein Big Tasty Bacon schmeckt ja auch super, ist aber "kochtechnisch" (aus der Sicht der Haut-Cuisine) nun wirklich nicht das Gelbe vom Ei... Wenn nicht sogar "verwerflich".


    ...Zumal die Folgen ja auch nicht den Anspruch erheben, die Originalgeschichten zu erzählen.

    Wenn das dann noch klar angemerkt wird, also zB per Disclaimer im Intro, finde ich, kann man das auch Sicht der künstlerischen Moral (um gerade meine selbst erfundenen Worte von vorhin wiederzuverwenden) durchaus als legitim anschauen. mMn.

    Natürlich wäre es schöner, dem Hauptcharakter nen neuen Namen zu geben und es als "Inspiriert von" zu vermarkten. Aber ganz so Kompromisslos wollen wir nun mal net sein ;)

  • Überrascht mich sehr, dass hier so eine große Diskussion losgetreten wurde, weil Kaynes jetzt statt von Peter O'Toole von einer Frau gespielt wurde.

    Mich hat das im Film gar nicht gestört, auch weil der Figur letztlich das Geschlecht völlig egal ist.


    Ich finde es viel schlimmer, wenn man eine Frau in eine Rolle zwängt, nur damit es eine Frau ist. Das Ghostbuster Beispiel ist so ein Fall.

    Interessant, bitte nicht spoilern, habe ihn noch nicht gesehen, ist das beim Bond jetzt wohl eine Frau eine Doppelnull Agentin wird.

    Bond zum Beispiel, durch eine Frau zu ersetzen ist extrem schwierig, weil die Rolle nunmal auch der Lebemann/Playboy ist und da sind sexuelle Abenteuer halt auch Teil der Rolle. Ich will nicht sagen, dass es nicht geht, aber es würde einige Probleme mit sich bringen, Bond durch eine Frau darzustellen.


    Im Fall von Dune, muß man zudem auch sagen, dass das erste Buch in den 60ern geschrieben wurde und Herbert, als Opfer seiner Zeit sicher gar nicht der Gedanke an eine Frau in den Sinn gekommen ist.

    Ich habe neulich die Star Trek Folgen durchgesehen und dabei eben auch die Szene, in der Kirk Uhura küsst und kann als Kind meiner Zeit nicht verstehen, warum das so ein Drama war, das ein Weißer eine Farbige im Fernsehen küsst. Als ich kleiner war, bin ich immer davon ausgegangen, dass die USA die Weltretter sind und offen für alles sind (Kind meiner Zeit), dass die aber bis heute furchtbar rassistisch sind, ist mir erst viel später aufgegangen.


    Ich hoffe ich kann heute aus der Quarantäne und mir am Wochenende endlich den Bond anschauen.

  • No Time To Die


    Um den Thread mal wieder auf das Ursprungsthema zurückzuführen(und da Savage Skull ihn in seinem Beitrag mehrmals erwähnte) hier mein Bericht von neuesten Bond den ich endlich am Sonntag vor einer Woche sehen konnte. Es wird schwierig werden den Film ohne Spoiler zu bewerten, aber ich versuche es einfach mal.


    Dieser Film wird unter Bond Fans sicher auf Jahre hinaus für angeregte Diskussionen sorgen. Die Filme mit Daniel Craig waren ja schon immer etwas düsterer aber hier wird nochmal eine gute Schippe nachgelegt. Ich hab mich dabei ertappt das ich mir etwas mehr Roger Moore Bond zurückgewünscht habe und das obwohl dies für mich die schwächste Bond Periode war (nur noch unterboten von den Brosman Bonds).


    (Ja es ist mir klar das es auch dazu sehr unterschiedliche Auffassungen gibt und es im Endeffekt Geschmacksache ist welchen Bond man am meisten mag. ;) )


    Mir haben die Craig Bonds von Anfang sehr gut gefallen und ich mochte den ‚realistischeren‘ Touch dieser Serie. Hier ging es aber aus meiner Warte einen Schritt zu weit.


    Ist es deswegen ein schlechter Film? Mitnichten. Ich fand den Film sogar außerordentlich gelungen. Man hat die 2,5 Stunden Laufzeit nicht bemerkt und die Spannung, Action, Story waren alle herausragend. Auch die Schauspieler haben alle eine gute Leistung gebracht.

    Lediglich die Motivation des Bösewichts hat sich mir nicht ganz erschlossen (jenseits von „ich tue böse dinge weil ich gerne böse dinge tue“)


    Wie passt das nun alles zusammen? Nun, es ist ein super Film bei dem sich das anschauen auf jeden Fall lohnt, aber es fühlt sich nicht wie ein Bond Film an. Erst recht nicht wenn man ein Fan älteren Einträge in dieser Filmreihe ist.